govinda78388 Swanneblom

Roman:

„Sehr geehrter Herr Secker, herzlichen Glückwunsch – SIE HABEN GEWONNEN! Unter allen Mitarbeitern der WhereatGroup, die an der Umfrage zum Thema Datensicherheit teilgenommen haben, wurde eine Traumreise mit dem Segelboot nach Dänemark verlost. Wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass Sie der Gewinner des ersten Preises sind. Wir werden in Kürze mit weiteren Informationen auf Sie zukommen. Bitte entnehmen Sie alle Einzelheiten dem beigefügten Link. Viele Grüße, Ihre WhereatGroup“

Diese E-Mail erscheint als Pop-up auf dem Display seines Smartphones und sticht Roman sofort ins Auge. WhereatGroup? Traumreise nach Dänemark? Er ist weder fester Mitarbeiter dieses Unternehmens noch hat er an einem Gewinnspiel teilgenommen. Zudem leidet er seit etwa zehn Jahren an Thalassophobie – der krankhaften Angst vor dem Meer – und würde schon aus diesem Grund an keiner Umfrage teilnehmen bei der eine Schiffsreise verlost wird.
Phobie hin oder her diese E-Mail verfehlt nicht seinen Zweck und macht Roman neugierig. Deshalb öffnet er auch ohne zu zögern die unten angehängte Internetadresse, welche ihn mit weiteren Informationen versorgen soll.
Nanu? Nach wenigen Sekunden ist der Bildschirm schwarz, die Touch-Funktion reagiert nicht mehr. Auch der auf der Seite angebrachte Button, welcher zum Ein- und Ausschalten des Telefons dient, erfüllt seine Aufgabe nicht. „Na wunderbar“ denkt sich Roman „dabei habe ich doch erst den neuesten Virenschutz installiert“.
Hoffentlich lässt sich der Fehler beheben, sonst wären seine Dateien komplett verloren. Er wollte sich demnächst eine externe Speicherkarte für genau solche Fälle zulegen, ist jedoch noch nicht dazu gekommen. „Wenn man nicht alles immer sofort tut“, Roman ärgert sich über sich selbst.
Da es bereits nach 21 Uhr ist, will er am folgenden Tag direkt ein Fachgeschäft aufsuchen um das Handy dort reparieren zu lassen.

Am nächsten Morgen macht er sich auf den Weg in den nächstgelegenen Elektrofachmarkt. Da dieser nur fünf Minuten entfernt auf der Strecke zur Firma SignSolution Corp. liegt, in welcher er seit 13 Jahren tätig ist, kann er den Stop perfekt einplanen. Er hofft inständig, dass die Daten zumindest teilweise wiederhergestellt werden können. Aber nachdem das Handy von einem Mitarbeiter in Augenschein genommen und fachmännisch überprüft wurde, stirbt sein letzter Funke Hoffnung. Leider ist nichts mehr aus dem internen Speicher zu retten. Er solle sich doch nach einem neuen Gerät umsehen, so der Experte. Die SIM Karte könne dann problemlos getauscht werden damit wenigstens die Nummer bestehen bleibt.

Roman stöbert durch das große Angebot an Mobiltelefonen. „Am besten ich bleibe beim alt bewährten“. Doch der Fachmann weist ihn auf das Nachfolgemodell hin, welches erst seit kurzem auf dem Markt ist. Roman geht zur Auslage und nimmt dieses in Augenschein. „Ja, sieht nicht schlecht aus“ denkt er sich. Da er das Smartphone vermehrt anwendet um Fotos zu machen, testet er diese Funktion natürlich sofort aus. „Wunderbar, gestochen scharf.“ Er muss lächeln, denn das geschossene Foto ist ein Selbstportrait und lässt ihn nicht gerade in gutem Licht erscheinen. „Mal sehen, was andere Leute so für lustige Aufnahmen erschaffen haben.“
Roman tippt auf die App der Galerie und unzählige Bilder öffnen sich. Menschen jeden Alters, teilweise nur die Stirn, manchmal das komplette Gesicht. Auch das Foto eines glücklichen Pärchens ist darunter.
Sein Lächeln erstirbt jäh, als er das vorletzte Foto betrachtet. Es zeigt einen Mann in seinem Alter, mit Dreitagebart und Baseballcap. Dieser Mann kommt Roman sehr bekannt vor. Moment. Das kann nicht sein. Er dreht den Bildschirm gegen das Licht, so dass sich das Bild intensiver betrachten lässt. Es besteht kein Zweifel, er ist es – unverkennbar. Doch das ist unmöglich.
Paul ist tot.

Paul:

Seine Genesung schritt bis dato nur langsam voran. Es ist zwar eine deutliche Besserung zu verzeichnen, jedoch reagiert seine linke Körperhälfte nicht analog seiner rechten. Das Gehen fällt ihm schwer und jeder noch so kleine Schritt wird zur Qual. Doch ist er froh nicht mehr im Rollstuhl sitzen zu müssen. In den letzten Jahren verbrachte er viel Zeit in Rehakliniken.
Zwar war die Klinik in Dänemark eine der besseren, allerdings konnte er sich auch hier nicht vollständig erholen. Die Schäden, welche die lange Zeit im Wasser und der Sauerstoffmangel dem Gehirn zugefügt hatten, sind einfach immens.

Als er von einem dänischen Frachtschiff aus den Weiten der Nordsee gerettet, von der Küstenwache ins Krankenhaus nach Kolding geflogen und von den zuständigen Ärzten sein Leben gerettet wurde, verbrachte er anschließend weitere 7 Monate in eben dieser Klinik. Er trug zum Zeitpunkt des Auffindens keine persönlichen Gegenstände am Körper, sein Gesicht war durch den Zusammenstoß mit kleineren Wassersteinen verletzt, die Kleidung zerfetzt. Seine Identität konnte aufgrund dieser Umstände nach erstem Augenschein nicht geklärt werden.

Nachdem er 14 Tage im vollständigen Koma gelegen hatte, erwachte er entgegen der Prognosen der Ärzte. Es stellte sich nach etlichen Tests heraus, dass er an einer retrograden Amnesie litt, welche das sematische und episodische Langzeitgedächtnis betrifft.
Auch wenn sich sein Zustand im Laufe der Jahre gebessert und die retograde Amnesie zurückgebildet hat, bleibt wohl ein Teil des Gedächtnisverlustes für immer bestehen.
Dieser betrifft vor allem die Zeit vor dem Unfall. Während er sich an die vergangenen 10 Jahre bestens erinnern kann – er hat diese ja vor allem in Krankenhäusern verbracht – bleiben die Jahre vor dem Unfall schwarz. In Folge dessen erhält er von der dänischen Regierung einen neuen Lichtbildausweis mit zugeteiltem Namen und lebt fortan in diesem Land. Seine Herkunft, seine Freunde – das alles bleibt ungewiss.

Bis zu jenem Tag, als er nach einem Vorsorgetermin in der Krankenhauskantine statt dem bestellten Orangensaft ein Glas Pfirsichsaft mit Eis vorgesetzt bekommt. Nach dem ersten kleinen Schluck bereits ziehen sich seine Geschmacksnerven zusammen und senden Signale ans Gehirn, die wie Blitze helle Gedanken auslösen. Von den Gefühlen übermannt, verlässt er das Krankenhaus, sein Puls rast. Was ist da gerade passiert?
Zu Hause angekommen sucht er sofort die alte Kiste heraus, in welcher die Kleidung aufbewahrt ist, die er am Tag des Unfalls trug. Sie riecht auch nach dieser langen Zeit nach dem Salzwasser der Nordsee. Komisch, denkt Paul, nachdem er nun 10 Jahre nicht an den Unfall erinnert wurde, so ist dieser plötzlich präsenter denn je. Erinnerungen kreisen in seinem Gehirn und immer mehr Bruchteile kommen zum Vorschein. Eine Yacht, Dänemark, Alkohol, ausgelassene Stimmung.
Ein Freund.

Roman:

Panik überkommt ihn, kleine Schweißpartikel bilden sich auf seiner Stirn. Ihm wird so schwindelig, dass er sich kurz auf den Boden setzen muss. Das kann und darf nicht sein. Paul ist tot!
Er starb am 17.05.2010. Das weiß Roman ganz genau – schließlich war er es, der dafür gesorgt hatte, dass Paul ins Meer stürzte.

Der Segeltörn, welchen Roman zu Pauls 30. Geburtstag geplant hatte, fing vielversprechend an. Roman gelang es durch freundliches Zureden die Mitarbeiterin des Schiffsverleihs zu einem Upgrade zu überreden. Da beide ihren Segelschein bereits in der Tasche hatten, freuten sie sich jetzt auf den 5-tägigen Törn mit der Hanse 388 Swanneblom.
Die Freunde arbeiteten nach dem abgelegten Master in Wirtschaftsinformatik zwar in der gleichen Firma, ein anerkanntes Unternehmen im IT Bereich – SignSolution Corp., jedoch in anderen Abteilungen, daher freuten sie sich auf die gemeinsame Auszeit.
Auf der Yacht konnten bis zu sieben Leute Platz finden, zu zweit hätten sie also genug Raum um sich zwischendurch aus dem Weg gehen zu können. Außerdem hatte Roman einen geschäftlichen Termin nicht verschieben können, so dass er seinen Laptop samt Unterlagen mit an Bord nahm. Paul hingegen wollte den Segeltörn vor allem zur Entspannung nutzen.

Die Fahrt begann ohne Komplikationen, das Boot war einfach zu bedienen, die See ruhig. So schipperten sie bei bestem Wetter in den Weiten der Nordsee Richtung Dänemark. Es war geplant, an Pauls Geburtstag an Land zu gehen, Roman hatte bereits ein Restaurant in Küstennähe ausfindig gemacht. Am 3. Tag jedoch, Roman ging gerade in die Kajüte um Nachschub des von beiden in Ermangelung an Orangensaft erfundenen Cocktails „Wodka-Peach“ zu holen, sah er Paul an dessen Laptop sitzen. Auf dem Bildschirm war eine E-Mail von der WhereatGroup geöffnet, welche den Inhalt trug: „Hallo Herr Secker, wie besprochen erhalten Sie die 250.000 Euro auf das Konto der HansaBank. Wenn Sie uns noch weitere Details zukommen lassen, werden wir den Betrag entsprechend aufstocken.“

Da beide bereits einiges an Alkohol intus hatten, wurde das folgende Gespräch zu einer hitzigen Diskussion. „Wieso spionierst du mir nach?“ „Roman, was hast du getan?“ „Das geht dich einen feuchten Dreck an!“

Paul:

Wie ein Lauffeuer breitete sich die Erinnerung in seinem Bewusstsein aus. Der Segeltörn zu seinem 30. Geburtstag. Alles hatte entspannt begonnen, durch ein Upgrade segelte er mit seinem besten Freund und Kollegen Roman mit einer Yacht nach Dänemark.
Die beiden Singles tauschten sich über die neuesten Bekanntschaften, die angesagtesten Serien und die aktuelle politische Lage aus.
Roman war für die Verpflegung zuständig, hatte aber versehentlich statt Orangensaft Pfirsichnektar gekauft. Diesen mischten sie mit Wodka und erhielten ihr neues Lieblingsgetränk: Wodka-Peach.
So herrschte eine ausgelassene Stimmung an Bord der Hanse 388 Swanneblom.

Der Zeitpunkt, als Paul beschloss in Romans Kajüte nach einem Feuerzeug zu suchen, änderte alles. Er fand das geöffnete Notebook auf dem Schreibtisch vor, ein Pop-up zeigte den Eingang einer neuen E-Mail an. Da Paul bereits einiges an Alkohol getrunken hatte, waren seine Hemmungen eher niedrig, als er beschloss, die E-Mail zu öffnen. Der Absender machte ihn neugierig: Hermann.Walzke@whereat.com
Es handelte sich hier um ein Konkurrenz-Unternehmen im IT Business, gegen welchen die Firma, in der Paul und Roman angestellt waren, sich behaupten musste. Die beiden Freunde entwickelten zu diesem Zeitpunkt die neueste Datenverarbeitungs-Software.
Der exakte Inhalt der E-Mail war Paul entfallen, jedoch erinnerte er sich genau an den Kontext. Es ging darum, dass Roman interne Daten an die Konkurrenz weitergeleitet hatte und ihm dafür eine beachtliche Summe gezahlt wurde.
Das Gefühl aus Erstaunen und Wut, welches er zum damaligen Zeitpunkt in sich trug, konnte er nun haarklein nachempfinden.
Er hatte die Loyalität von Roman zum Unternehmen nie angezweifelt. Und jetzt das? Er nahm sich vor, ihn direkt darauf anzusprechen. Als er sich jedoch umdrehte, um das Zimmer zu verlassen, stand Roman bereits hinter ihm. „Was machst du da?“ schrie er Paul an. „Ich? Die Frage ist hier doch wohl, was machst du? Du gibst interne Daten an die Konkurrenz?“.
Paul kann sich wieder entsinnen, wie enorm wütend Roman
war.

Am nächsten Morgen, nachdem beide nach einem hitzigen Wortgefecht die Nacht in ihren Kajüten verbrachten, war Pauls 30. Geburtstag. Er hatte keine Lust nach oben zu gehen und auf Roman zu treffen, schwang sich jedoch trotzdem aus den Federn.
Zu seinem Erstaunen fand er Roman bestens gelaunt am vorbereiteten Frühstückstisch vor. Ein Kuchen mit Kerzen stand mittig, umringt von Luftschlangen. „Happy Birthday to you“ trällerte sein Freund lauthals. „Bin ich im falschen Film?“ ging es Paul durch den Kopf.
Er ließ Roman das Lied zu Ende singen und ging auf ihn zu: „Wir sollten nochmal über diese E-Mail sprechen…“
„Ach, da hast du etwas falsch verstanden. Lass uns deinen Geburtstag feiern, schließlich wirst du nur einmal dreißig. Ich habe für heute Abend einen Tisch im Westwind Surf in Hvide reserviert.“

Roman:

Paul weiß Bescheid.
Roman verließ überstürzt seine Kajüte und stieß einen lauten Schrei auf das Meer hinaus. „Ahhhhhhhhhh!“
Das durfte nicht sein. Wie hat er so unvorsichtig sein und seinen Laptop ungesichert in der Kajüte stehen lassen können? Der Alkohol machte ihn fahrlässig.
Was nun? Er musste sich etwas einfallen lassen. Was, wenn Paul die Information an seinen Chef weitergibt? Das zieht eine fristlose Kündigung nach sich, viel schlimmer noch, er würde im IT-Business keinen Fuß mehr fassen.
Zudem hatte er der WhereatGroup Diskretion versichert, wenn diese davon erfuhren, dass es Mitwissende gab, würde sein Honorar nicht ausgezahlt werden. Dabei hatte er die 250.000 Euro bereits fest verplant um Schulden zu tilgen. Eine Nichtauszahlung würde sein komplettes Leben ruinieren. Er stünde vor dem Nichts.
Nein, das durfte er nicht zulassen.

Am nächsten Morgen ließ er sich nichts anmerken und bereitete eine Erdbeertorte sowie Luftschlangen vor. Als Paul die Treppen hinaufstieg fing er lauthals an „Happy Birthday“ zu singen.
Mit einem aufgesetzten Lächeln gratulierte er seinem Freund zum Geburtstag. „Lass uns die ganze Sache vergessen“ bat er Paul.
Obwohl dieser nicht ganz überzeugt war, ließ er die Dinge vorerst auf sich beruhen.

Doch Roman war der Rückzug nicht geheuer. Er WIRD es dem Chef stecken, soviel ist sicher. Wenn es um Loyalität geht war mit Paul nicht zu spaßen. Aus diesem Grund hielt er an seinem ausgeklügelten Plan fest.

Paul:

Nachdem Paul den Vorfall auf Bitten Romans hatte auf sich beruhen lassen, zumindest für diesen Tag, legten Sie in Hvide an um im Restaurant Pauls Geburtstag zu feiern.
Nach leckerem Fisch, viel Weißwein und einer üppigen Nachspeise gingen die beiden wieder an Bord. Es war eine laue Nacht, der Himmel war klar, so dass Roman wenig Überredungskunst benötigte um Paul auf einen Absacker an Deck zu locken.
„Ich mache uns einen Wodka-Peach“, mit diesen Worten eilte er in die Küche.

Paul überlegte indessen fieberhaft wie er diesem Interessenkonflikt entfliehen konnte. Leider kam er immer zum selben Schluss: Er musste den Vorfall melden, auch wenn Roman sein bester Freund war.
Ob eine Freundschaft einen solchen Konflikt zu überstehen schafft wusste er nicht, jedoch konnte er mit dieser starken Bürde nicht leben. Er würde es Roman schonend beibringen, vielleicht gab es eine Möglichkeit sich zu einigen.

Während Paul seinen Gedanken nachhing, stand Roman plötzlich mit zwei gefüllten Gläsern hinter ihm. „Puh, hast du mich erschreckt! Wir müssen nochmal reden.“
„Später. Lass uns erst auf deinen Geburtstag und die schöne Nacht anstoßen.“ Mit diesen Worten reichte er ihm den Drink.

Roman:

Als die beiden wieder an Bord waren, überredete er Paul noch auf einen letzten Cocktail. Während dieser sich an Deck die Sterne anschaute, bereitete Roman in der Küche den „Wodka-Peach“ zu. 1/3 Wodka, 2/3 Pfirsichnektar und ein Schuss Tizanidin – ein Mittel zur Verringerung der Muskelspannung.
Er war sich nicht sicher, wieviel Milligramm nötig waren um die Muskeln komplett zu lähmen, deshalb mörserte er einfach den Rest der angebrochenen Packung, welche er gegen seine Rückenschmerzen mit an Bord genommen hatte.
„So, das dürfte reichen.“
Er stieg mit einem Lächeln die Stufen zum Vorderdeck hinauf und übergab das Glas in seiner linken Hand an Paul. „Prost – auf dich.“

Paul:

Paul fragte sich, ob Roman schon zu viel Alkohol intus hatte, er stand mit einem breiten Lächeln hinter ihm und sah zufrieden aus.
Also gut, das Gespräch konnte auch auf den morgigen Tag verschoben werden.
„Prost“.
Nachdem er das Glas geleert hatte, spürte Paul, wie seine Arme und Beine zu kribbeln begannen. Er schob es auf den vielen Wein plus den zusätzlichen Cocktail und verabschiedete sich ins Bett.
Der Weg nach unten in seine Kajüte fiel ihm schwer, er musste sich konzentrieren um die einzelnen Stufen zu treffen.
„Seltsam. Der letzte Cocktail war scheinbar zu viel.“
An diese Gedanken konnte sich Paul jetzt spürbar erinnern. Er fand nicht mal mehr die Kraft sich auszuziehen und fiel vollständig bekleidet aufs Bett.

Roman:

Nachdem Paul in seine Kajüte getorkelt war, wartete er noch weitere 30 Minuten und folgte ihm. Die Wirkung sollte zu diesem Zeitpunkt soweit fortgeschritten sein, dass Paul keine Gegenwehr leisten konnte. Auch waren Sie bereits weit genug vom Festland entfernt.
Sein Freund schien friedlich zu schlafen und der Engel auf Romans linker Schulter, auch Gewissen genannt, begann auf ihn einzureden.
„Nein, jetzt keinen Rückzieher machen“ ermahnte er sich, während er Paul unter die Schultern griff, um ihn hochzuziehen.
„Was…“ stammelte dieser, konnte sich aber aufgrund der einsetzenden Wirkung des Medikamentes nicht bewegen.
Roman schleifte Paul die Stufen hinauf, über das oberste Deck bis hin zur Reling.
„Es tut mir leid mein Freund, aber dieses Risiko kann ich nicht eingehen“, mit diesen Worten hievte er Pauls regungslosen Körper über Bord.

Paul:

Das erste was er bewusst spürte, war der Eintritt ins kalte Wasser. „Was zum Teufel ist hier los?“ fragte er sich noch, bevor sein Körper mit dem Überlebenskampf begann.
Er konnte seine Arme nur mit Mühe bewegen, seine Beine versagten ihm komplett den Dienst. Jedoch schaffte er es sich einige Minuten über Wasser zu halten.
Todesangst überkam ihn. Das wird er nicht überleben.
Scheinbar schüttete sein Gehirn noch so viel Adrenalin aus, damit er zumindest das rechte Bein wieder spüren konnte. Dieses nutzte er um vorwärts zu kommen, im Zusammenspiel mit seinen Armen.
„Lange werde ich das nicht durchhalten“.

Nach gefühlten 5 Stunden – es waren wohl ca. 45 Minuten, wie man ihm im Nachhinein mitteilte – stieß er auf eine alte Boje, welche sich irgendwo losgerissen haben musste und nun mutterseelenallein im Meer trieb. Diese bekam er zu greifen und konnte sich mit Mühe festklammern. Wie lange er an dieser blauen Boje hing, konnte er nicht ausmachen.
Müdigkeit überkam ihn und er sank in einen unruhigen Dämmerschlaf. „Nur nicht loslassen“ – ermahnte er sich, dann wurde es Schwarz um ihn.

Das erste was er dann hörte, war ein stetiger Piepton. Piep – Piep – Piep. „Was ist das?“ fragte er sich und öffnete langsam die Augen. Er blickte auf eine weiße Wand mit einer großen Uhr.

Roman:

Es kann sich unmöglich um Paul handeln. Er beginnt sofort mit der Recherche per Internet. Paul Haller – die Suchmaschine spuckt nur einen Eintrag der Firma SignSolution Corp. aus. Weiteres ist nicht auffindbar. Roman zweifelt an seinem Verstand. Er selbst hatte Paul vor 10 Jahren über Bord geworfen, seine Muskeln waren betäubt, das Schiff war zu weit vom Festland entfernt, er hätte selbst mit aktiven Gliedern nicht bis an Land schwimmen können.
Wenn ihn die hohe Dosis des Medikamentes nicht umgebracht hatte, dann musste er ertrunken sein.
Wenn dem nicht so wäre, hätte er doch von Paul gehört. Oder nicht? Hätte Paul sich tatsächlich gemeldet? Nach allem was vorgefallen ist?

Nach der Rückkehr an Land war es eine Leichtigkeit Pauls Verschwinden zu begründen. Er habe in Dänemark eine Frau kennengelernt und sei kurzerhand dort geblieben. Zwar wurde in der Firma gemunkelt, dass Paul etwas zugestoßen sein könnte, da es kein einziges Lebenszeichen von ihm gab, jedoch wurde dieser Verdacht nie begründet.
So geriet er immer weiter in Vergessenheit. Seine Stelle als Programmierer wurde neu besetzt, seine Freunde dachten, er sei durchgebrannt und gönnten ihm sein neues Leben.
Niemand stellte eine Frage. Bis jetzt.

Paul:

Die Ärzte erzählten ihm von einem Unglück auf See, er sei in dänischem Gewässer halb ertrunken und stark unterkühlt aufgefunden worden. In den Resten seiner Kleidung, welcher er noch am Leib trug, konnten keine persönlichen Gegenstände sichergestellt werden. Allerdings habe man eine Restmenge an Tizanidin in seinem Blut gefunden, der Bezug konnte allerdings nicht ausgemacht werden, da er keine Tabletten bei sich trug.

Nun, da seine Erinnerung langsam zurückkehrt, wird ihm der Zusammenhang jedoch mehr als bewusst. Roman hat ihm die Tabletten verabreicht. Hat er ihn dann über Bord geworfen? Um die Wirtschaftsspionage zu vertuschen?
Je mehr er darüber nachdenkt, desto intensiver wird dieser schmerzliche Gedanke. Ja – Roman hat versucht ihn umzubringen.
Geschockt von dieser Erkenntnis beschließt Paul, Roman dafür büßen zu lassen. Sein Leben soll fortan nicht mehr dasselbe sein.

Roman:

Nach einer schlaflosen Nacht fasst Roman am nächsten Morgen einen folgenschweren Entschluss: Er wird den Datenklau beenden.
Sein schlechtes Gewissen zwingt ihn förmlich zu dieser Entscheidung. Bereits am Abend nach seinen Recherchen ist sich Roman sicher, dass es nicht Paul gewesen sein kann, welcher dort auf dem Foto zu sehen war. Er ist tot.
Jedoch wird ihm die Wirtschaftsspionage zu heikel, so dass er beschließt am nächsten Tag seinen Kontakt der WhereatGroup aufzusuchen um ihm diese Entscheidung mitzuteilen.

Dort angekommen eilt Roman direkt in den 7. Stock zu Hermann Walzke, welcher sein geheimer Ansprechpartner ist. Ihm ist ein wenig flau, bevor er an die Tür des Büros Nr. 713 klopft.
„Hallo Hermann, ich muss mit dir sprechen…“ begann Roman seine Ansprache.
„Ja, gerne. Ich bin schon gespannt was du zu sagen hast.“
Roman gefror das Blut in den Adern, sein Herzschlag setzte aus.
Am Schreibtisch saß nicht Hermann Walzke – sondern Paul.

4 thoughts on “388 Swanneblom

  1. Hallo liebe Bettina, richtig toll, dass ich dich doch noch gefunden habe bzw. du mich dann auf Instagram, nachdem ich hier kein Glück hatte 😉
    Mir hat deine Geschichte echt gut gefallen! Am Anfang war ich erst noch verwirrt über den Zusammenhang mit der E-Mail und dem Laden, aber das hat sich am Ende richtig gut zusammen gefügt. Den Perspektivwechsel zwischen den beiden Protagonisten fand ich super! Mein Like hast du auf jeden Fall!
    Liebe Grüße, Melli

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