mdittmannAus Zeit wird Wut!

Es war einer dieser lebhaften Adventssamstage im Herzen von Berlin. Der Alexanderplatz war voller Menschen, die meisten auf der Suche nach den letzten Weihnachtsgeschenken. Die Stadtreinigung wurde offensichtlich vom Wintereinbruch überrascht, da der gesamte Platz noch voller Schnee lag, welcher bei jedem Schritt unter den Schuhen knirschte. Laut Wetterbericht hatten wir -15 °C, gefühlt näherten wir uns durch den Wind eher den -50 °C im russischen Oimjakon, dem kältesten bewohnten Ort der Welt. Da ich wie die meisten Deutschen natürlich auch noch nicht alle Geschenke für Weihnachten zusammen hatte, war ich gerade zielstrebig auf dem Weg Richtung Alexa, um für meinen Mann noch eine Kleinigkeit im Elektronikmarkt zu besorgen. Ich hatte es ziemlich eilig, da ich zum Abendbrot wieder zu Hause sein wollte. Kurz bevor ich die Mall betreten konnte, rempelte mich ein ziemlich zerlumpter Typ an. Schneller als ich einen Fluch gemurmelt hatte, war er aber auch schon wieder verschwunden. Ich wollte gerade meinen Weg fortsetzen, als ich auf dem Boden ein Handy liegen sah. Ich bückte mich, um das Gerät aufzuheben, offensichtlich hatte er das Telefon bei unserem Zusammenstoß verloren. Da der Rempler mittlerweile in der Menschenmenge verschwunden war, beschloss ich das Handy später bei der mobilen Polizeiwache vom Alex abzugeben.

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Als ich am Abend mit meinem Mann zu Hause auf der Couch saß fiel mir das Handy wieder ein. Um in Erfahrung zu bringen, wem es gehört, beschloss ich einen Blick auf das Gerät zu riskieren. Verwundert stellte ich fest, dass das Telefon nicht gesperrt war. Im Telefonbuch konnte ich lediglich einen einzigen Eintrag finden. Irgendetwas ließ mich stutzen. Die Nummer auf dem Display kam mir bekannt vor. „Sag mal ist das nicht meine alte Handy-Nummer?“ fragte ich meinen Mann. Irgendwie kommt sie mir bekannt vor. Stefan ging in den Flur und holte sein Handy. „Du hast Recht, Beate!“ antwortete er, das ist deine alte Handynummer, die ist aber bestimmt schon fünf Jahre alt, ich war bisher nur zu faul sie aus meinem Telefonbuch zu löschen.“ Mir lief ein Schauer über den Rücken, warum sollte jemand meine alte Handynummer gespeichert haben. Neugierig geworden, beschloss ich das Telefon weiter zu durchsuchen. Im Speicher der Kamera wurde ich fündig und mich traf fast der Schlag. Darin befanden sich diverse Fotos von mir und auch von mir und meinem Mann. Die Bilder waren offensichtlich alle in den letzten Jahren in den unterschiedlichsten Situationen und an den unterschiedlichsten Orten aufgenommen worden. Die aktuellsten Fotos waren vom heutigen Tage und zeigten mich am Alexanderplatz. Ich war entsetzt, warum sollte mich jemand heimlich beobachten?

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Christian verfluchte sich, warum hatte er nicht aufgepasst und war ausgerechnet mit ihr zusammengestoßen und dass auch noch hier, wo er seine Tage verbrachte. Neben der Tatsache, dass er sich darum sorgte, dass sie Ihn erkannt hatte, konnte er seit dem Zusammenstoß verdammt nochmal sein Telefon nicht finden. Er hoffte nur, dass er es nicht dabei verloren hatte. Es wäre natürlich sehr blöd, wenn ausgerechnet sie es auch noch gefunden hätte. Wobei das natürlich etwas viel Pech am Stück wäre. Seit Jahren beobachtete er sie und sah ihr dabei zu, wie Sie ein unbeschwertes und glückliches Leben führte. All das was ihm verwehrt geblieben war. Mittlerweile bestand sein Alltag darin entweder Flaschen zu sammeln oder darauf zu hoffen, dass Passanten in Weihnachtsstimmung großzügig waren und ihm etwas in seinen Becher warfen. Meistens versuchte er an einer vor dem Wind geschützten Ecke durch den Tag zu kommen. Dieser Winter war wirklich lausig kalt. Der Alkohol half ihm für einige Stunden sein elendes Leben zu vergessen und wärmte ihn. Zumindest entstand für einige Zeit die Illusion von innerer Wärme. Abends, wenn die meisten der Einkaufswütigen bereits zu Hause gemütlich vor dem Fernseher saßen, gehörte der Alexanderplatz wieder den Außenseitern. Hier trafen sich die Obdachlosen, die Drogenabhängigen und die Ausreißer unter der Weltzeituhr und bildeten so etwas wie eine Gemeinschaft.

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Er konnte Sie durch das Fenster in ihrer netten Jugendstilvilla sitzen sehen, durch ein gekipptes Fenster konnte er leise die Klänge von Frank Sinatras Winter Wonderland vernehmen. Die Kälte kroch ihm in die Glieder und in seinem Bart bildeten sich mit jedem Atemzug weitere Eiskristalle, es dämmerte langsam. Sie saß gut gelaunt mit einem Glas Wein in der Hand zusammen mit ihrem Ehemann am Kamin, der Musik lauschend. Sie bewohnte ein wirklich schönes Haus, weiß gestrichen mit vier prachtvollen Säulen, die den Balkon trugen und so die Terrasse überdachten. Den Haupteingang hatte man von dort an die linke Hausseite verlegt. Der Rest des Hauses war von einem schmalen Garten mit Rasen und einigen Bäumen aus neuerer Zeit umgeben.

Am Eingang vorbei führte eine breite mit weißem Kies befestigte Auffahrt, die an der Garage endete. Zwischen Auffahrt und Eingang führte ein schmaler Weg vorbei, der hinter dem Haus verschwand und zu einem Schuppen führte. Das Wohnzimmer wurde von dem großen offenen Kamin dominiert, die Decke war mit Stuck verziert und beherbergte in der Mitte einen massiven antiken Kronleuchter, der den Raum in helles Licht tauchte. Der Rest des großen Wohnzimmers wurde von modernen Möbeln dominiert. Alleine für den Preis des Sideboards könnte er vermutlich einige Monate gut leben. Die weiße Ledercouch, die vermutlich so viel wie ein Kleinwagen kostet, war so ausgerichtet, dass man den Kamin und den daneben hängenden 50“ Flachbildschirm gut sehen konnte. Sicherlich reichte ihr Gehalt aus der Rechtsanwaltskanzlei nicht aus, um diesen Lebensstil zu finanzieren, auch wenn der Verdienst wirklich gut war. Ihr Mann trug mit Sicherheit auch einen großen Teil dazu bei. Als Bankdirektor dürfte sein Jahresgehalt bei etwa 100.000 Euro liegen. Das sollte für ihre bescheidene Behausung durchaus reichen. Obwohl sie hier draußen im beschaulichen Frohnau ganz im Norden der Hauptstadt wohnte, zog es sie jedoch zum Einkaufen immer wieder ins Stadtzentrum. Wie gestern, als er ihr am Alex fast in die Arme gelaufen war. Und alles nur, weil er einen Moment abgelenkt war. Ihr Haus stand in einer kleinen ruhigen Nebenstraße. Ein Vorteil für ihn waren die spartanische Straßenbeleuchtung und der kleine Park auf der anderen Straßenseite. Hier wuchsen einige Büsche um einen kleinen Tümpel. Bedingt durch die Jahreszeit waren sie jetzt kahl und vom Schnee bedeckt, boten ihm jedoch guten Sichtschutz. Aus diesem Grund konnte er sich an dieser Stelle gut positionieren und sie beobachten ohne Gefahr zu laufen sofort entdeckt zu werden. Er musste schmunzeln als er sich daran erinnerte wie oft er sich schon in ihrer unmittelbaren Nähe befunden hatte, ohne dass sie auch nur Notiz von ihm genommen hätte. Das war der Vorteil, wenn man sich in einer völlig anderen Schicht der Gesellschaft bewegte, man wurde schlichtweg übersehen. Sicherlich trugen sein Vollbart und die langen Haare zusätzlich dazu bei, denn so kannte sie ihn definitiv nicht. Nachdem er gestern sein Handy verloren hatte musste er sich erst einmal ein neues besorgen. Aber es gab fast nichts, was man in den richtigen Kreisen nicht für eine Flasche Schnaps und ein paar Euro bekommen konnte. Nach zwei Stunden hielt er das neue Telefon in den Händen. Woher die Sachen kamen durfte einen natürlich nicht interessieren. Eine neue Prepaidkarte stellte auch kein Problem dar und steckte bereits im neuen Gerät. Er nutzte die Chance, um ein paar Fotos von ihr zu machen. Es war an der Zeit Kontakt aufzunehmen.

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Einen Fotowettbewerb würde er mit den Bildern von gestern Abend sicherlich nicht gewinnen, doch um zu zeigen, wie nah er ihr war, sollte es alle Male reichen. Immerhin musste er die Straßenseite wechseln und die Zoomfunktion der Handykamera verwenden, zusätzlich durfte er natürlich keinen Blitz benutzen, was da Ganze etwas erschwerte. Ihr Haus zu finden war nicht allzu schwer gewesen, schließlich war er vor vielen Jahren schon einige Male hier gewesen. Um aus der Innenstadt zur ihr in den Außenbezirk zu kommen, war er mit der U8 bis Gesundbrunnen und anschließend mit der S1 bis nach Frohnau gefahren, mit Kontrolleuren musste man auf dieser Strecke nur selten rechnen. Nun stand er allerdings vor der Herausforderung, ihr die Fotos zukommen zu lassen. Ausdrucke oder Fotoabzüge kamen für ihn nicht in Frage, da er nicht vor hatte Spuren zu hinterlassen. Also bot sich der Versand über das Handy an. Diese Idee gefiel ihm am besten, nun musste er nur noch die aktuelle Handynummer von Beate in Erfahrung bringen. Das ihre alte Nummer nicht mehr auf sie registriert war wusste er bereits seit langem. Dennoch hatte er sie aus unerklärlichen Gründen bisher in seinem alten Handy nicht gelöscht. Vielleicht war das seine letzte Brücke zu einer unangenehmen Erinnerung. Er holte sein Telefon aus der Tasche und suchte im Internet nach den Kontaktdaten der Kanzlei, in der Beate arbeitete. Ein kurzer Anruf sollte ihn seinem Ziel näherbringen.

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Es klingelte einige Male bis am anderen Ende abgehoben wurde. Eine freundliche weibliche Stimme begrüßte mich mit „Rechtanwaltskanzlei Brockmann & Partner, wie darf ich ihnen weiterhelfen?“ „Hallo hier ist Erwin Meier, ich habe von einem Freund Beate Schiffner als Anwältin empfohlen bekommen, und ich benötige ihre Kontaktdaten.“ „Schönen guten Tag Herr Meier, gerne teile ich ihnen die Rufnummer von Frau Schiffner mit, damit Sie direkt einen Termin vereinbaren können.“ So einfach konnte es sein, wenn man sich nur richtig anstellte. Nun hatte ich Beates Nummer und es stand einem kleinen Update nichts mehr im Wege. Sie sollte wissen, dass sie jemand beobachtet und immer näher kommt. Hätte ich nicht mein Handy verloren, wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen ihr nach und nach einige der Fotos zukommen zu lassen, die ich über die Jahre bereits von ihr und ihrem Mann gemacht hatte. Lächelnd versandte ich die Fotos vom Vorabend an Beates Mobilfunknummer. Dann gab es halt nur ein paar aktuelle Schnappschüsse.

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Beate war heute relativ früh aufgestanden und hatte sich auf den Weg zur Arbeit gemacht. Sie war wie jeden Morgen ausgesprochen müde. Gerade hatte sie sich den ersten Kaffee am Automaten geholt und ihr Handy wieder eingeschaltet. Vor einigen Jahren hatte sie sich angewöhnt ihr Telefon über Nacht abzuschalten und erst im Büro wieder zu aktivieren. So ersparte sie sich Anrufe zum Feierabend. Und Sie musste ihrem Chef nicht erklären, warum sie nicht rangegangen sei. Diesem Prinzip blieb sie stets treu. Sie erschrakt als ihr Handy piepte und den Eingang einer neuen Mitteilung ankündigte. Beate wollte ihren Augen nicht trauen, die Nachricht enthielt ein Foto und zeigte sie und Stefan am Kamin mit einem Glas Wein. An der Kleidung erkannte sie, dass es sich offensichtlich um ein Foto vom gestrigen Abend handelte. Sie wusste nicht was sie sagen oder denken sollte, von Unruhe gepackt rief sie umgehend Stefan an. Es klingelte zweimal und dann war er auch schon am Apparat „Schatz, Du wirst es nicht glauben. Soeben hat mir jemand ein Foto von uns beiden gestern Abend auf der Couch geschickt, das kann doch kein Zufall sein!“ „Nun rege dich erst einmal ab“ versuchte Stefan sie zu beruhigen. “Vielleicht gibt es irgendeine logische Erklärung. Hast du gestern noch mit dem gefundenen Handy rumgespielt und vielleicht irgendwo angerufen?“ „Sag mal hältst du mich für blöd, natürlich habe ich das nicht!“ wütend legte sie auf. Was fiel ihm eigentlich ein, als ob es ihre Schuld wäre, dass irgendein ein Idiot sie beobachtete. Sie ging nach Hause und nahm sich für den Rest des Tages frei. So war an Arbeiten nicht mehr zu denken.

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Es war früh am Morgen, ich stand bereits einige Zeit auf der anderen Straßenseite und beobachtete sie. Meine Zehenspitzen waren eiskalt und ich fror. Da ihr Mann bereits aus dem Haus gegangen war, fing sie damit an den Schnee an der Auffahrt wegzuräumen und Salz zu streuen. Dabei machte sie den gleichen Fehler wie viele andere Hausbesitzer auch und ließ, während sie hinter dem Haus verschwand, um den Schneeschieber wieder im Schuppen zu verstauen, den Haustürschlüssel stecken. Da ich ihre Routinen am Morgen mittlerweile kannte, nutze ich die Chance und schlüpfte ins Haus. Ich wusste, dass im Eingangsbereich in einem Korb unter ihrem Flurspiegel immer ein einzelner Ersatzschlüssel für die Haustür lag. Glücklicherweise fand ich den Schlüssel sofort. Gerade als ich das Haus wieder verlassen wollte hörte ich Beate vor der Eingangstür. Links neben der Tür befand sich ein Wandschrank für den Staubsauger. Blitzartig zwängte ich mich hinein und zog die Tür zu mir heran. Ich hörte wie sie sich auf den Weg ins Badezimmer im 1.OG machte und nutze die Chance das Haus zu verlassen. Das war knapp, etwas zu knapp für meinen Geschmack.

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Vor einigen Jahren habe ich mit Beate zusammen in der gleichen Kanzlei gearbeitet. Wir waren Kollegen und haben uns von Anfang an super verstanden. Nach einiger Zeit entwickelte sich eine Affäre zwischen uns. Damals waren wir beide bereits einige Jahre verheiratet und ich hatte zusätzlich auch noch einen Sohn, den ich über alles liebte. Für uns beide war von Anfang an klar, dass es sich nur um eine Affäre handelte. Ich muss zugeben, der Sex war wirklich gut und ausgesprochen leidenschaftlich. Denn ganz im Gegenteil zu meiner Frau, die eher den Blümchensex bevorzugte mochte Beate es etwas härter und wir verbrachten unsere gemeinsame Zeit fast ausschließlich zusammen im Bett. Meist trafen wir uns bei ihr, wenn ihr Mann mal wieder nicht da war und länger arbeiten musste. Wir hatten beide unseren Spaß. Doch plötzlich wollte sie mehr. Ich habe ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass ich meine Frau und meinen Sohn nicht für sie verlassen werde. Ich hatte ehrlich gesagt nicht erwartet was dann folgte. Man sollte niemals eine Frau unterschätzen, die sich verletzt fühlt. Es fing damit an, dass plötzlich Termine aus meinem Kalender verschwanden und Mandanten lieber von Beate betreut werden wollten als von mir. Langjährige Kunden sprangen plötzlich ab. Beate fing damit an, mich bei Kollegen schlecht zu machen. Da niemand von unserer Affäre wusste, konnte ich das Argument der verschmähten Geliebten natürlich nicht anbringen. Auch fehlten mir die Beweise, dass sie hinter meinen Problemen steckte. Das ging so eine ganze Weile, bis mich eines Morgens unser Chef in sein Büro zitierte. Ohne viele Worte kam er direkt auf den Punkt „Beate hat sich darüber beschwert das du ihr nachstellen würdest. Sie hat mir auch einige sehr eindeutige Mails gezeigt die du an sie geschrieben hast.“ „Ich möchte, dass du augenblicklich aufhörst, Beate zu belästigen, anderenfalls musst du dir leider einen anderen Job suchen.“ „Ich weiß nicht, was du von mir willst, Beate und ich hatten eine Affäre, die ich beendet habe. Jetzt fängt sie mit solchen Spielchen an“ Ich berichtete ihm außerdem von meinen verschwundenen Terminen und den abgesprungenen Mandanten. Er ließ meine Ausführungen nicht gelten und schickte mich wieder zurück an meinem Schreibtisch.

In den nächsten Tagen versuchte Beate immer wieder Kontakt zu mir aufzunehmen und startetet einige Flirtattacken. Am Freitag bat sie mich zu einer Aussprache in den Kopierraum. Nachdem am Montag unser Chef seine Ansage gemacht hatte, war ich natürlich an einer Lösung interessiert. „Christian so kann es nicht weitergehen mit uns.“ „Beate von welchem Uns redest Du? Ich habe dir erklärt, dass ich meine Frau und meinen Sohn nicht verlassen werde. Erik ist jetzt in der Pubertät und gerade da braucht er mich.“ „Das ist doch alles kein Grund, du liebst mich doch, das weiß ich! Lass es uns doch noch einmal versuchen“ Sie drückte sich an mich und versuchte mich zu umarmen. Ich stieß sie von mir weg. Was dann geschah passierte wie in Zeitlupe. Sie zerriss sich die Bluse so dass sie nur noch in ihrem schwarzen Spitzen-BH vor mir stand und fing plötzlich an zu schreien, die Tränen liefen ihr über das Gesicht. Sie stürmte aus dem Raum direkt ins Büro des Chefs und behauptete, ich hätte versucht sie im Kopierraum zu vergewaltigen.

Was dann folgte kann sich jeder selber ausmalen. Ich wurde gefeuert. Sämtliche Beteuerungen und Klarstellungen meinerseits wurden ignoriert und verpufften im Raum. Man hatte mich ganz klar als den Bösen ausgemacht. Das Beate mit ihrer Geschichte allen Frauen denen so etwas Schlimmes tatsächlich passiert ist keinen Gefallen tat, war ihr natürlich genauso egal wie mein weiteres Schicksal. Sie hatte ihre Rache bekommen. An diesem Tag begann die Abwärtsspirale in meinen Leben.

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Christian hatte immer ein gutes Leben geführt. Sie besaßen jeder ein Auto und bewohnten ein schickes Haus mit Garten. Im Sommer verbrachten sie entspannte Urlaube in Schweden in einer Hütte am See. Sie verbrachten Zeit mit seinen Freunden und deren Familien beim gemeinsamen Grillen und bei diversen Festlichkeiten. Sein Leben lief einfach gut.

Als er gefeuert wurde kam auch seine Affäre mit Beate ans Licht, hierfür hatte sie selber gesorgt und seine Frau Michaela über alle Details ins Bild gesetzt. Leugnen machte keinen Sinn. Michaela hatte sich von ihm getrennt und ihn vor die Tür gesetzt. Einen neuen Job in einer Kanzlei zu finden konnte er vergessen. Seine „Tat“ hatte sich rumgesprochen. Immer öfter gab er sich seinen dunklen Dämonen hin und trank, oft tagelang und bis zur Besinnungslosigkeit. Es dauerte nicht lange bis er seine Wohnung, die er nach dem Rauswurf bezogen hatte nicht mehr bezahlen konnte und auf der Straße landete. Harz IV kam für ihn nicht in Frage, hierfür war er zu stolz. Seinem Sohn Erik bekam die Abwesenheit des Vaters nicht gut. Wenn während der Pubertät eine Bezugsperson fehlt kann das schlimme Folge haben. Leider trat genau das ein. Erik trieb sich herum und verbrachte seine Freizeit mit den falschen Freunden. Er fing an regelmäßig Alkohol zu trinken, zu kiffen und harte Drogen zu nehmen. An seinem 16. Geburtstag starb er an einer Überdosis Heroin. UND DAS ALLES WEGEN BEATE! Christian hatte nur noch einen Wunsch, sich für sein verpfuschtes Leben zu rächen.

Er würde Sie beobachten, er würde Sie verunsichern, er würde ihr Leben zerstören.

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Aus seiner Zeit bei einem Abrissunternehmen besaß er eine Walther PPK aus dem 2. Weltkrieg. Pistolen vom Typ Polizei Pistole Kriminal (PPK) im Kaliber 7.65 Browning waren von 1931 an als Dienstwaffen im 3.Reich vielerorts im Einsatz. Auf dem Papier verlor sich die Spur der meisten Waffen nach dem Krieg. Er hatte sein Modell bei einem Auftrag zusammen mit einer Schachtel Munition in einem Kaminschacht gefunden. Wenn man bedachte, wie viele illegale Waffen sich noch in Deutschland befanden, gerade aus den beiden Weltkriegen, hatte ihn der Fund damals nicht wirklich überrascht. Er hatte die Pistole behalten und für eventuelle Notfälle gut versteckt. Die Waffe war zusammen mit der Munition in einer wasserdichten Plastikdose verstaut, die er bei seiner Mutter im Kleingarten unter dem Kompost vergraben hatte. Zum Garten hatte er glücklicherweise weiterhin jederzeit Zugang. Sollte seine Mutter nicht da sein, konnte er einfach über den Zaun klettern. Man kannte ihn dort, niemand würde sich wundern. Er hatte durchaus das Gefühl, dass genau jetzt ein solcher Notfall war, für den er das gute Stück aufbewahrt hatte. Er würde sich an Beate rächen, hierfür brauchte er die Pistole. Ein Kfz-Ölfilter würde ihm als Schalldämpfer dienen und dafür sorgen, dass die Nachbarn nicht „gestört“ wurden. Den Filter hatte er bereits vor einiger Zeit aus einer KFZ-Werkstatt mitgehen lassen. Schließlich wollte er auch hier keine Spuren hinterlassen.

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Es war Donnerstagabend und Beate kam gerade von der Arbeit, wie jeden Tag war sie mit Ihrem Smart unterwegs. Auf dem Weg nach Hause musste sie feststellen das ihre Scheibe während der Fahrt verschmierte, da das Wischwasser leer war. Sie stellte das Auto in der Auffahrt ab und öffnete die Motorhaube. Aufgrund der niedrigen Temperaturen entschloss sie sich, die Scheibenwaschanlage mit Alkohol aufzufüllen, um ein Einfrieren zu verhindern. Sie hatten letztes Jahr eine Flasche Vodka aus dem Türkeiurlaub mitgebracht. Allerdings stellte sich heraus, dass die Flasche zu einer Charge gehörte, die Methanol statt Ethanol-Alkohol enthielt. Der Konsum konnte fatal sein, Erblindung oder sogar der Tod wären das Resultat. Da Stefan jedoch zu den Menschen gehörte, die nichts wegwarfen, stand die Flasche noch im Schuppen, um sie einer sinnvollen Verwendung zuzuführen. Gerade als sie die Flasche aufschrauben wollte klingelte im Haus das Telefon. Sie stellte den Vodka neben der Eingangstür ab und ging ins Haus. Da das Gespräch mit ihrer Freundin Melanie länger dauerte kam sie mit dem Mobilteil am Ohr wieder heraus und klappte die Motorhaube zu. Das Auto konnte warten. Morgen wurde es sowieso nicht gebraucht.

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Freitags ließ Beate immer ihr Auto zu Hause stehen und Stefan holte sie von der Arbeit ab. In aller Regel tranken sie dann zusammen eine Flasche von ihrem Lieblingswein von dem in einem Weinregal in der Küche immer einige Flaschen vorrätig waren. Eine Flasche stellte sie schon immer Donnerstagabend kalt, sie mochte ihren Wein lieber etwas kühler. Beate und Stefan waren zu meinem Glück Gewohnheitsmenschen. Ich hatte mir bei einem der Dealer am Alex eine Flasche GHB besorgt. Auf der Straße hieß das Zeug auch Liquid Ecstasy oder ganz simpel KO-Tropfen. Erstaunlicherweise konnte man das Zeug auch im Internet bestellen, da es Länder gab in denen der Umgang mit der Droge recht liberal gehandhabt wurde. Ein Kauf am Alex war für ihn aber der einfachere Weg. Da seine Einnahmen durch das Betteln in der Weihnachtszeit bei täglich etwa 80,- Euro lagen, konnte er sich diesen Spaß leisten. Das gute an GHB für seine Zwecke war, dass der Rausch bei einer entsprechend hohen Dosis gut drei Stunden andauern würde. Nach sechs Stunden war ein Nachweis im Blut nicht mehr möglich.

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Freitagnachmittag benutzte ich Beates Ersatzschlüssel um mir Zutritt zu ihrem Haus zu verschaffen. Da kein neuer Schnee mehr gefallen war, konnte ich das Haus betreten ohne Spuren zu hinterlassen. Der Weg am Haus war dank dem Salz, das Beate gestreut hatte mittlerweile trocken. Ich schloss hinter mir ab und bewegte mich vorsichtig in die Küche. Schließlich sollten Beate und Stefan sich nicht über eine unverschlossene Haustür wundern. Ich öffnete den Kühlschrank und fand, wie zu erwarten die bereits kalt gestellte Flasche Wein. Vorsichtig schraubte ich den Verschluss auf und versetzte den Wein mit einer ordentlichen Portion GHB. Hierbei trug ich um Fingerabdrücke zu vermeiden Einweghandschuhe von denen ich mir einige im Kältebus organisiert hatte. Als ich mich aus der Küche in Richtung Wohnzimmer bewegte musste ich feststellen, dass die Vorhänge zugezogen waren. Offensichtlich hatte Beate nicht das Bedürfnis für weitere Fotos zur Verfügung zu stehen. Ich stellte mich seitlich neben das große Fenster, so dass mich von innen der Vorhang verdeckte und ich von außen nicht zu sehen war. Nun brauchte ich etwas Geduld, ich kannte Beates Abläufe gut und wusste, dass sie und Stefan in der nächsten halben Stunde von der Arbeit nach Hause kommen würden.

Nach 20 Minuten hörte ich einen Schlüssel im Schloss klappern, ich spürte die Anspannung in mir aufsteigen. Beate hängte ihre Jacke an die Garderobe und zog sich ihre Stiefel aus, Stefan folgte dicht hinter ihr und entledigte sich ebenfalls seiner Sachen. Beide waren in ausgelassener Stimmung. Dann verschwand Beate in der Küche, um einige Augenblicke später mit der Flasche Rotwein aus dem Kühlschrank und zwei großen Gläsern zurückzukehren. Sie schaltete den Fernseher an und sie machten es sich auf der Couch gemütlich.

Jetzt musste ich geduldig sein und das GHB seine Wirkung entfalten lassen.

Beate und Stefan saßen bereits ziemlich betäubt auf der Couch als ich mich aus meinem Versteck wagte. Beate schaute mich mit glasigem Blick an als ich die Waffe zog und anlegte. Ich konnte in ihrem Blick erkennen, dass ihr nicht klar war was hier gerade passierte. „Beate erkennst Du mich nicht, meine Liebe? Nun, es ist ja auch schon ein paar Jahre her seit du mein Leben ruiniert hast, indem du unserem Chef

erzählst hast, ich hätte dich missbraucht. Du hast mein Leben zerstört. Michaela hat mich rausgeworfen nach deinem charmanten Anruf. Mein Sohn musste ohne Vater aufwachsen ist auf der schiefen Bahn gelandet und an einer Überdosis gestorben!“ Beates Blick flackerte und er war sich nicht ganz sicher ob sie begriff was er ihr erzählte.

„Du hast mein Leben zerstört und jetzt zerstöre ich Deines!“.

Sie schaute mich ungläubig an als ich abdrückte. Mit der linken Hand hielt ich den Ölfilter vor den Lauf der Waffe. Der Schuss klang wie der Korken der eine Sektflasche mit hoher Geschwindigkeit verläßt, es gab ein lautes PLOPP. Ich sah wie das Licht in Stefans Augen erlosch. Blut, Gehirn und Schädelsplitter verteilten sich auf der Couch und den Vorhängen. Stefan sackte zusammen, augenblicklich bildete sich eine große Blutlache unter seinem Kopf und färbte die ehemals weiße Couch rot. Beate war betäubt genug um keinen Widerstand zu leisten als ich ihre Fingerabdrücke auf der Waffe platzierte, indem ich ihr die Pistole in die Hand drückte und einen weiteren Schuss in die Polsterung der Couch abgab. Dabei den Ölfilter vor dem Lauf zu platzieren war allerdings eine Herausforderung. Die Waffe und den Schalldämpfer ließ ich auf dem Tisch liegen. Anschließend spülte ich die Weingläser aus und schüttete den restlichen Wein in den Ausguss der Küchenspüle. Im nächsten Schritt holte ich eine neue Flasche Wein aus der Küche, öffnete diese und schenke in jedes Glas einen kleinen Schluck ein. Den restlichen Wein entsorgte ich ebenfalls im Abfluss und spülte gründlich nach. Die neue Flasche platzierte ich auf dem Couchtisch. Die ursprüngliche Flasche mit den GHB- Resten verstaute ich in meinem mitgebrachten Rucksack, ich würde sie auf dem Heimweg entsorgen. Ich konnte davon ausgehen, dass Beate, sobald sie wieder zu sich kam, die Polizei rufen würde. Dann musste sie den Beamten erklären, wie ihre Fingerabdrücke auf die Waffe kamen und warum sie Schmauchspuren an der Hand hat. Die ungeübte Schützin, die zwei Schüsse brauchte um zu treffen würde man ihr sicherlich abnehmen. Da ich die Einweghandschuhe trug, würden sich meine Fingerabdrücke jedenfalls nicht auf der Waffe befinden. Der GHB-Rausch dürfte es für sie zudem schwierig machen, sich an alles zu erinnern. Den Haustürschlüssel platzierte ich wieder im Schlüsselkorb unter dem Spiegel und begab mich zum Ausgang.

*

Epilog

Als er gerade dabei war Beates Haus wieder durch die Eingangstür zu verlassen, entdeckte Christian neben dem Eingang eine Flasche Vodka. Er konnte dieses nette „Abschiedsgeschenk“ doch nicht verkommen lassen und steckte es in seine Jackentasche. Nun hatte er auch noch etwas, um später seinen Triumph zu feiern. Da hieß es immer Rache würde einen nicht befriedigen, so ein Blödsinn. Er war ausgelassener Stimmung als er wieder in der S-Bahn saß. Zeit für einen Drink, er war durstig.

Wieder am Alex angekommen war die Flasche fast leer. Er hatte wahnsinnige Kopfschmerzen und ihm war übel. Offensichtlich vertrug er nichts mehr. Er legte sich zum Schlafen auf eine Bank.

Am nächsten Morgen wurde er nicht wieder wach.

8 thoughts on “Aus Zeit wird Wut!

  1. Hej! Ich mag den Plot Deiner Story! Lustigerweise war eine meiner Ideen auch in Obdachlosen-Szene angesiedelt gewesen. Was ich schwierig beim Lesen fand: Die vielen Perspektivwechsel. Das bremst den Lesefluss etwas aus. Aber sonst … Ironie des Schicksals, würde ich mal sagen 😎

  2. Hallo und Grüße in die Hauptstadt

    Ich mag deine Story. Hat mir gut gefallen, die perfekte Gute-Nacht-Lektüre.
    Habe sie gerade in einem Rutsch voller Andacht, Lust und Spannung genossen.
    Das Ende ist natürlich der Kracher.

    Sehr perfider Plan, gut umgesetzt… und dann …

    Richtig gut.

    Ein paar Tipps:
    Ich fand die Perspektivwechsel super. Mutig. Mal was Anderes. Behalte dir das. Das hebt dich aus der Masse heraus.

    Lass deine Geschichten IMMER vor der Veröffentlichung gegenlesen. Man selbst übersieht beim Korrigieren immer mal wieder Fehler.

    Pass bei der wörtlichen Rede mit den Satzzeichen auf. Bei dir ist die Zeichensetzung in diesem Bereich zuweilen unsicher. Das führt dazu, dass einzelne Wortbeiträge von verschiedenen Personen nicht klar voneinander abgegrenzt sind. Und es liest sich dann nicht flüssig.

    Lies dir deine Geschichten IMMER LAUT vor. Bringt ne ganze Menge. Oder besser: lasse sie dir vorlesen. Dann bekommst du einen ganz anderen Eindruck der Story, bemerkst Längen oder Wortwiederholungen.

    Ansonsten wünsche ich dir alles Gute und viel Erfolg mit deiner Story.
    Wie gesagt: super Idee, guter Aufbau, überraschendes, unerwartetes Ende.
    Eben gute Unterhaltung.
    Deshalb auch mein “Like”.

    Liebe Grüße, Swen Artmann (Artsneurosia)

    Ich würde mich sehr freuen, wenn du meine Geschichte auch lesen würdest.
    Natürlich nur, wenn du Zeit und Lust hast.
    Sie heißt: “Die silberne Katze”.

    Danke dir.

    1. Vielen Dank. Mit der wörtlichen Rede habe ich mich tatsächlich etwas schwer getan. Die Geschichte wurde vorher von mehreren Personen gegengelesen. Aber irgendwas bleibt immer übrig. Deine Geschichte werde ich natürlich auch lesen.

      Gruß
      Marco

  3. Hey, Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Der Schreibstil hat Spannung erzeugt und die Handlung ist Intelligent konstruiert. Die Perspektivwechsel haben mir gut gefallen, aber Du solltest etwas deutlicher machen um wen es gerade geht. Manchmal hast Du über Christian aus der Ich-,Perspektive dann wieder in der dritten Person geschrieben, das war etwas verwirrend. Das sollte einheitlich sein. Du könntest auch immer den Namen über den Absatz schreiben, damit man gleich weiß um wen es geht. 😉
    Dann habe ich mich gefragt, wie Beate und Stefan erkannt haben, dass sich in der Flasche Methanol und nicht Ethanol befindet, eigentlich merkt man keinen Unterschied.
    Das Ende war super! Eine tolle und clevere Wendung. Ich hätte die Geschichte an dem Moment beendet, an der klar wird, dass er die Flasche Vodka mitnimmt und nicht weiter beschrieben, damit die Geschichte mit dieser Überraschung endet. 😊
    Ein ♥️ hast Du Dir verdient.

    Ich würde mich freuen ein Feedback zu meiner Geschichte von Dir zu bekommen. Sie heißt “Stumme Wunden”. 😊

    Liebe Grüße Sarah! 👋 (Insta: liondoll)

  4. Vielen Dank für Dein Feedback. Das mit dem gepanschten Alkohol wollte ich eigentlich weiter ausführen (hatte mir vorgestellt dass der Alkohol auf einem Markt gekauft wurde und die Reiseleitung nach dem Urlaub diese Information weitergegeben hat, da er Vergiftungen gab. Da war ich aber schon bei 17 Seiten ;-). Ein gekürzten Ende hätte sicherlich auch seinen Charme. Den Wechsel hatte ich an anderer Stelle korrigiert und hier wohl übersehen. Gerne lese ich auch Deine Geschichte.

    Gruß
    Marco

  5. Moin Marco,

    starker Plot und ein starkes Ende! So muß ne Kurzgeschichte konstruiert sein. Hat mir gut gefallen. Die 1-2 kleineren Fehler haben dir die Vorschreiber ja schon näher erläutert, deswegen spare ich mir das. Das Stilmittel mit den Perspektivwechsel hast du gut gewählt, man muss allerdings aufpassen das der Lesefluss dabei flüssig bleibt. Außerdem benutzt du einen tollen Wortschatz. Ingesamt eine Mega Storie und mein Like geb ich dir gerne…

    LG Frank aka leonjoestick ( Geschichte: Der Ponyjäger)

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