BelanaFlossbachB 245

Er war gerade auf der Treppe, um wieder hoch in sein Bett zu gehen, doch da sah er es. Ihm fiel fast der heiße Kaffee aus der Hand. Wie erstarrt fixierte er den gläsernen Esszimmertisch, bevor er hektisch immer wieder zur Haustür blickte. “Das kann nicht sein. Ist das Alarmsystem kaputt?”. Er war kurz davor nach oben zu rennen, angetrieben von der Angst, dass jemand in der Nacht den Tresor leer geräumt hatte. Doch seine Füße bewegten sich keinen Zentimeter. Seine Hände ballten sich vor Wut zu Fäusten und er bemerkte wie die Ader an seiner Stirn immer mehr zutage trat. Das Blut pumpte schneller durch seinen Körper und auch sein Herzschlag beschleunigte. Ein Hauch von Panik machte sich in seinem Kopf breit, auch wenn er das nicht zugeben wollte. Schritt für Schritt, ging er mit zitternden Beinen die Treppenstufen hinab, doch anstatt zum Tisch zugehen und es zu untersuchen, eilte er rüber zur Garderobe. Seine Finger fummelten einige unendlich wirkende Momente in der Jackentasche seines grauen Cashmere Anorak, bevor er seine Tabletten fand. Er schluckte, ein, zwei und vorsichtshalber auch noch eine dritte Tablette. Das Zittern verschwand aus seinen Fingerspitzen. Mit drei Beruhigungspillen intus, fühlte er sich wieder mutig und selbstbewusst, wie vorher, zu sehr, wie immer. Auch sein Esstisch war eigentlich wie immer. Er stand einsam da im kalten Wohnbereich. Die Glasfront hinter ihm gab den großen Garten frei. Der einzige Unterschied bestand darin, dass es dort lag. Es, war ein Handy. Rechteckig und schwarz, wie die meisten seiner Art. Das Problem daran war jedoch, dass es dort gar nicht liegen dürfte, weil es nicht sein Handy war. Er nahm es in die Hand und starrte auf den schwarzen, verkratzten Bildschirm. Einen Moment nachdem er es entsperrt hatte, schlug das Handy mit einem lauten Krach auf dem Boden auf. 

“ Nein! Das kann nicht sein! Aber. Aber davon kann doch keiner wissen”, stammelte er in Gedanken. Sein Kopf begann erneut zu schwirren, er stolperte nach hinten. Fast wäre auch sein Kopf auf dem Boden aufgeprallt, hätte ihn nicht eine bezaubernde Stimme aus diesem Zustand befreit. “ Flo? Ist alles okay bei dir? “, rief sie von oben die Treppe hinunter. “ Ja”, antwortete er kurz bevor er hastig das Handy vom Boden aufhob. Erneut starrte er auf den Bildschirm um sich zu vergewissern, dass es keine Einbildung gewesen war. Nein, es war keine Einbildung, es war die Realität. Oder besser gesagt die Vergangenheit. 

Das Hintergrundbild zeigte ein blaues Auto, Totalschaden. Man sah noch das Blut an der Heckscheibe “ B 245”, schoß ihm beim Anblick sofort in den Kopf und ein säuerlicher Geschmack kroch langsam kratzend seinen Hals empor. 

“Ich muss noch ins Büro”, rief er die Treppe hoch, während er das fremde Handy und sein Eigenes in seine Jackentasche stopfte und diese dann anzog. “ Aber du hast dir doch heute frei genommen” rief sie von oben zurück. Doch als Antwort bekam sie nur das Geräusch der Tür, die ins Schloss fiel.

 

“Was soll ich jetzt nur damit tun? Denk nach Florian!”, er war ratlos, noch etwas, dass unnormal war. Er starrte die Ledersitze in seinem Auto an. Seufzend rieb er sich über die Schläfe, bevor er zum Handschuhfach griff. Den Inhalt, des Flachmanns, den er dort herausholte, trank er in wenigen Momenten auf. “ Der war ja nichtmal voll”, spielte er es in seinem Kopf herunter und starrte nun in die Leere. Doch ein Gedanke ließ ihn nicht los, den auch der Alkohol nicht besänftigen konnte. “Warum?” “Warum jetzt? Wer war das nur und warum zum Teufel weiß er es?” hämmerte es gegen seinen Schädel. “ Das ist doch alles schon zehn Jahre her. Warum jetzt?” nun sprach er seine Gedanken laut aus, ein leichtes Lallen war in seiner Stimme zu erkennen. 

“ Was wenn ich es einfach zerstöre?”, schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. “ Niemand kann beweisen, dass ich es war.” Er wusste, dass er wieder die Oberhand hatte und sein ganzer Körper entkrampfte langsam. Er warf noch einen letzten Blick auf das fremde Handy, bevor er mit einem nachdenklichem Grinsen auf den Lippen aus der Einfahrt fuhr. 

 

Die Straßen waren leer und die Sonne stand noch tief am Himmel, sie legte einen mystischen Schleier über die Welt und ließ die Wiesen und Felder an denen er vorbei fuhr glitzern. Er ließ die Fensterscheibe herunter und der kühle Wind umspielte seine noch vom Morgen verwuschelten Haare, als würde ihm nicht ein jahre altes Geheimnis plagen. Die Landschaft wurde immer menschenverlassener und grüner bei jedem weiteren Kilometer den er hinter sich brachte. 

Nach einer guten halben Stunde bog er in einen Waldweg ab und parkte sein Auto wenige Meter vor einer Brücke. Der Fluss darunter rauschte und übertönte jeglichen Vogelgesang. 

Florian war angeekelt von der Idylle, er fand sie klischeehaft und überbewertet. 

Er zündete sich eine Zigarette an, obwohl er schon vor Monaten versprochen hatte, es wäre seine letzte, er hatte es nicht so mit Versprechen und diese einzuhalten schien ihm eher lästig. Während er den grauen Rauch in die grüne Landschaft blies, blickte er den Fluss hinunter und fand seine Idee immer genialer. Entschlossen warf er den Zigarettenstummel auf den Boden und bemühte sich nicht in auszudrücken. Stattdessen zog er das Handy aus der Hand und warf noch einen letzten Blick auf den Fremdkörper. 

Er war bereit es im Fluss zu versenken und all die Erinnerungen der Vergangenheit mit ihm. Doch in dem Moment indem er zum Wurf ausholte, vibrierte es in seiner Hand. Er zögerte einen Moment, bevor er schließlich den Arm herunter nahm und auf das Handy blickte: “ Eine neue SMS von Unbekannt”. “Was ist denn jetzt”, genervt trat er einen Stein in Richtung einer großen Eiche, bevor er missmutig auf die Nachricht klickte.

 

“Florian Bernhardt, ich weiß alles! 

Und ich werde nicht zögern, der Polizei und allen von Ihrem kleinen Geheimnis zu erzählen, wenn Sie nicht heute um 15.15 Uhr 250.000€ an der folgenden Adresse hinterlegen:

Hohe Gartenstr 17

50733 Köln

 

Kommen Sie alleine!”

 

Mit einem Mal war er wieder vollkommen nüchtern. Seine Hand fuhr über seine Stirn und krallte sich dann in seinen Haaren fest. Als sie endlich die Haare losgelassen hatte, blickte er auf die Uhr “9:34”. “ Knapp sechs Stunden stellte er kühl fest, drehte dem Fluss den Rücken zu und bewegte sich mit schnellen Schritten auf das Auto zu. Er wusste genau wie er an das Geld kam, er hatte ja genug. Eigentlich verabscheute er den Gedanken, jemandem so viel geld zu geben, doch um sein Geheimnis zu wahren, war ihm jeder Preis recht.

Sein Wagen bewegte sich zurück auf die Landstraße, das Tempolimit interessierte ihn nicht mehr. Er wählte eine Nummer und über die Freisprechanlage meldete sich eine Frauenstimme: “ Deutsche Bank Neustadt-Nord, Frau Müller, wie kann ich Ihnen weiterhelfen?”. “Guten Tag. Ich bin Kunde bei Ihnen und hätte gerne heute einen Termin um einen größeren Geldbetrag abzuheben”, gab er kühler als gewöhnlich zurück. 

“ Das ist leider so kurzfristig nicht möglich, aber ich könnte einen Termin für Sie vereinbaren. Wie lautet Ihr Name?”, meldete sich die Frauenstimme wieder zu Wort. 

“Bernhardt, Florian Bernhardt”, er wirkte gereizt, jedoch war es unmöglich die Autorität, die von ihm ausging zu leugnen. 

“ Oh Herr Bernhardt, Sie sind das. Für solch treue Kunden wie Sie, können wir sicher heute noch etwas freiräumen”, die kurz Stille zwischen den beiden, machte das Knistern der Freisprechanlage bemerkbar. “Wäre 13.20 Uhr gut für Sie?”, unterbrach sie die Stille.

“ Ja”, war das einzige Wort, dass er emotionslos über die Lippen brachte, bevor er auflegte. 

Er erhaschte einen Blick auf die Zeitanzeige des Autos, die gerade einmal 9.55 Uhr zeigte, sein Kopf war damit beschäftigt einen Weg zu finden, mit dem er unauffällig die Zeit vertreiben konnte. 

Doch plötzlich fühlte er erneut die Vibration eines Handys. Das Stechen in seinem Herzen ließ seine Lungen verkrampfen und er spürte wie sich sein Herzschlag, fast unaufhaltsam, verschnellerte. Sein Geist wirkte abwesend, so sehr überkam ihn die Panik. Fast unterbewusst, verlangsamte er sein Tempo und kam mitten auf der leeren Landstraße zum Stillstand. Er merkte den Schweiß in seinen Handflächen, während er krampfhaft versuchte seinen Atem unter Kontrolle zu bringen. Frustration blitzte in seinen Augen auf. Er zögerte noch einen Moment bevor er nach dem Handy suchte. Erstaunt starrte er auf das fremde Handy ein, doch es zeigte keine neue Nachricht an. 

Erst dann realisierte er, dass sein eigenes Handy vibriert hatte. Er zog es aus seiner Jackentasche und öffnete WhatsApp.

 

“ Was soll der Scheiß Flo? Ich hab keinen Plan wann du zurück kommst und wofür du so lange brauchst, aber ich will nicht mehr warten. Ich fahr jetzt nach Hause!”

 

Eigentlich sollte er jetzt erleichtert sein, aber diese zickige Nachricht, brachte nur den inneren Vulkan in ihm zurück, diese unkontrollierbare Wut. Eine weiteres Problem, um das er sich kümmern musste. Zähneknirschend ballte er die Fäuste um seinem Ärger Luft zu machen, er blickte an sich herunter und bemerkte, dass er noch in seinem Morgenmantel war. Ein genervtes Seufzen verließ seinen Mund . Er war kurz davor eine weitere Pille zu schlucken, doch stattdessen startete er den Motor seines teuren Sportwagens und machte sich auf den Heimweg.

 

Sein Haar war noch nicht vollständig getrocknet, als er es im Spiegel der Sonnenblende des Autos ein letztes Mal zurecht zupfte. Der minzige Geschmack der Zahnpasta lag noch immer in seinem Mund, als er die Autotür öffnete und den Parkplatz der Deutschen Bank betrat. Sein Anzug verkleidete ihn, verhüllte die Paranoia, die gegen seinen Schädel hämmerte. Doch er mochte die Verkleidung, sie ließ ihn mächtiger wirken, als er war, brachte ihn dorthin, wo er hin wollte. Nach ganz oben. Ganz oben auf der Hierarchieleiter unserer Gesellschaft.

Mit Respekt und Ehrfurcht, begrüßten ihn vereinzelt Mitarbeiter als er zielgerichtet durch das Gebäude lief, die anderen blieben stumm. Er wollte sich einreden, sie taten es aus Achtung vor ihm, doch in Wahrheit war es Furcht. 

 

“Guten Tag Herr Bernhardt”, begrüßte ihn die Mitarbeiterin mit einem schmalen Lächeln, nur der schwere Holztisch trennte sie voneinander.

“Guten Tag Frau Rehbein, schön Sie wieder zu sehen”, gab er zurück und vergrößerte damit ihr Lächeln. Er war eigentlich nicht zum Flirten auferlegt, aber er wusste, um seine Fähigkeiten und dass er sie jetzt gebrauchen würde. 

“Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?”, er bemerkte, wie sie verspielt die Augen aufschlug. Es war wie ein Spiel für ihn, von dem er wusste, dass er es gewinnen würde. 

Seine Augen fixierten ihre und er legte ein charmantes, wenn auch falsches Lächeln, über seine Lippen: “ Ich würde gerne Geld von meinem Konto abheben”. 

Sie öffnete eine Schublade und zog ein Stück Papier heraus, mit der anderen Hand griff sie

nach einem Kugelschreiber und schrieb etwas auf die Seite. “Um welchen Betrag handelt es sich?”, sie spielte nervös mit dem Stift, ließ ihn hoch und runter tanzen, vermutlich weil sein Blick immer noch auf ihr lag. 

Für einen Moment glitt sein Blick zum Fenster und er starrte heraus, guckte gegen die Fassade des kargen Gebäudes gegenüber, dann räusperte er sich und blickte erneut zu ihr herüber. “ Ich würde gerne 250.000 € abheben”.

Auf einmal lag der Kugelschreiber ganz unbeweglich und starr in ihrer Hand und die Überraschung stand ihr ins Gesicht geschrieben. “ Für welchen Zweck möchten Sie diesen Betrag abheben?”, sie guckte runter auf ihr Blatt und wartete auf eine Antwort. 

“ Ich möchte eine Yacht kaufen und das Angebot steht nur heute”, die Antwort glitt ihm mit Leichtigkeit über die Lippen, er hatte sie sich immerhin seit der SMS gründlich überlegt und in seinen Gedanken für die letzten Stunden daran gefeilt. 

“ Haben Sie Dokumente, die den Kauf belegen?”, fragte sie professionell, ihre Augen waren erneut auf ihn gerichtet, sie funkelte ihn regelrecht an. 

“ Nein, die habe ich in der Eile leider zu Hause liegen gelassen”, er atmete tief ein: “aber Charlotte, ich bin schon so viele Jahre bei Ihnen Kunde, Sie wissen doch, dass ich vertrauenswürdig bin”. Er legt seine Hand auf den schweren Schreibtisch und blickte ihr erwartungsvoll in die Augen. Ihr Finger spielte mit der Haarsträhne, die neben ihrem Auge hing.

“Dann werden ich bei Ihnen ein Auge zudrücken, aber reichen Sie bitte die Dokumente zum nächstmöglichen Zeitpunkt bitte nach”, gab sie zurück. “ Einen Moment bitte”, fügte sie hinzu, bevor sie um den Schreibtisch ging und aus der Tür verschwand. Er lächelte zufrieden, denn er wusste, dass er sie unter seiner Kontrolle hatte. 

Nach wenigen Augenblicken, kam sie mit einem Aktenkoffer zurück, den sie auf den Schreibtisch stellte und in seine Richtung öffnete. “ 250.000€ in bar, Sie können sie gerne nachzählen” brachte sie hervor, während sie fast unmerklich mit ihren Finger unter dem Tisch spielte. Sein Blick schweifte kurz über die grünen Scheine bevor sich ihre Blicke noch ein letztes Mal trafen:” Das wird nicht nötig sein”. Er schloß den Koffer, stand auf und schenkte ihr zum Abschluss ein Lächeln und einen warmen Händedruck. 

“Schönen Tag noch”.

“ Ebenfalls”, gab sie zaghaft zurück. 

Er lachte spitz und triumphierend, als er den Parkplatz betrat. Die warmen Sonnenstrahlen küssten seinen Kopf. 

 

Die Hohe Gartenstraße 17 wirkte auch in der strahlenden Nachmittagssonne kalt. Das graue Gebäude war verlassen, genauso wie viele weitere Häuser der maroden Umgebung. 

Die Hitze staute sich in seinem geparkten Auto und trieb die Schweißtropfen auf seine Stirn, doch beim Anblick des leeren Bürokomplex bekam er Gänsehaut und die Kälte kletterte seinen Nacken hinab. Wieder blickte er nervös auf seine Uhr: 15.10 Uhr. Er streckte seine Hand ins Handschuhfach und bemerkte nüchtern, dass der Flachmann leer war. 

Mit zitternden Fingern öffnete er die Autotür. Als er ausstieg, brummte ihm der Kopf, alles schien sich zu drehen. Schwankend schritt er zum Kofferraum und zog den Aktenkoffer hinaus. Ein lautes Seufzen verließ seinen Mund, als er den Kofferraum wieder schloß und das Auto verriegelte. 

Nur wenige Menschen waren auf der Straße, doch niemand von ihnen schien ihn zu bemerkten. 

Er stand einen Meter von seinem Wagen entfernt und sah das graue Haus zögernd an. 

Er blickte umher, suchte nach einem Eingang, aber abgesehen von der mit Zeitungspapier abgeklebten Eingangstür, fand er keinen. Seine Finger versteiften sich um den Griff des Aktenkoffers, als er zielstrebig auf die Eingangstür zuging. Nicht nur Erstaunen, sondern auch Panik breiteten sich über die Nerven in seinem ganzen Gehirn aus, als sich die Tür mühelos öffnen ließ.

Ein paar matte Sonnenstrahlen fielen durch die verriegelten Fenster und tauchten den Raum in ein düsteres Licht. Bis auf einen Schreibtisch und ein staubbedecktes Sofa, war der Raum leer. Er bewegte sich langsam auf das flackernde Licht am anderen Ende des Raumes zu, das in einem Gang hing, der zum Treppenhaus führte. Vorsichtig ging er im Halbdunkeln die Stufen hoch, die zu einer Tür führten. 

Zitternd umschlang seine Hand den Türgriff, doch auch unter Druck gab die Tür nicht nach. Sein Puls begann zu rasen und er spürte förmlich, wie sein Blut in Höchstgeschwindigkeit durch seine Adern pumpte. Er schmeckte den säuerlich-bitteren Geschmack in seinem Mund und versuchte ihn herunterzuschlucken, doch es gelang ihm nicht. Seine feuchte Hand glitten vom Türgriff und mit wackelnden Beinen, die es kaum schafften ihn zu tragen, ging er die Stufen hinunter. “ Der Keller”, schoß ihm ein Gedanke durch den Kopf, der ihm noch mehr Schweißperlen auf die Stirn trieb. Seine Schritte verlangsamten sich bei jeder Treppenstufe und als er auf der letzten Stufe vor der Kellertür stand, bewegte er sich fast in Zeitlupe.

Alles war still. Unglaublich still. Er konnte seinen eigenen Atem hören. Er versuchte die Tür vor ihm zu öffnen und sein ganzer Körper verkrampfte, als sie aufschwang. 

Er starrte ins Schwarze. Kein einziges Muster, kein Umriss zeichnete sich in der Dunkelheit ab. Er wollte umdrehen und weglaufen. “ Tue es nicht. Los. Lauf!” schrie sein Verstand ihn an doch irgendetwas trieb ihn vorwärts. 

Getrieben von unsichtbaren Kräften stolperte er in den Raum. Sein Herz setzte einen Schlag aus, als er die Tür hinter ihm in Schloss fiel. Er war schon dabei sich umzudrehen, sein Fluchtreflex hatte eingesetzt. Doch im selben Moment erhellte die grelle Deckenlampe mit einem Mal den Raum. Das Licht stach ihm in den Augen und es dauerte einen Augenblick, bis er wieder sehen konnte. 

Langsam erkannte er die Umrisse vor sich. 

Seine Finger gaben nach und ihm rutschte der Aktenkoffer aus den verschwitzten Händen und knallte dumpf auf den Boden. Das Geräusch ließ ihn zusammenzucken. Und seine Lunge verkrampfte sich schmerzvoll, als die Gestalt vor ihm auftauchte.

Die Pistole war genau auf ihn gerichtet. 

“ Das Geld ist hier… Hier drin”, stotterte er und zeigte hektisch auf den Koffer, der am Boden lag. Er wollte sich gerade nach dem Koffer bücken, um ihn zu öffnen, da ließ ihn die Stimme zurückweichen.

“Keine Bewegung”, pressten ihre Lippen hervor. Der Körper steif und die Augen leer. Ihre Stimme wirkte feminin und lieblich und gleichzeitig so hasserfüllt. Sie war gutaussehend und jung, 20 Jahre alt höchstens, doch dass war für ihn gerade nebensächlich. 

“ Du bist tatsächlich darauf reingefallen. Denkst du man kann jedes Problem mit Geld lösen?”, langsam umrundete sie ihn und musterte ihn von oben bis unten. 

Sein Blick wich ihr aus, als sie wieder vor ihm stand und einige Schritte auf ihn zu machte. Ihr Atem umspielte seine Wangen und sein Herz setzte nochmals einen Schlag aus, als er das Metall der Pistole an seinem Unterkiefer spürte, die seinen Kopf in ihre Richtung zogen. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, sie wirkten traurig, hoffnungslos. 

Er wusste, er war nicht in der Position zu reden, doch er konnte sich nicht beherrschen: 

“Warum?”, hauchte er, das Wort brannte in seinem Hals. 

“Gerechtigkeit”, sie starrte ihm in die Augen. 

Er sah wie der Hass in ihr wieder aufflammte. Sie wich einen Schritt zurück, doch die Waffe ließ ihn dabei immer im Auge. 

“ 10 Jahre 2 Monate und 17 Tage, so lange bist du ohne Konsequenzen davon gekommen. So eine grausame Tat, die absolut gar nichts in deinem Leben verändert hat”, sie schluckte. Man sah wie sie mit den Tränen kämpfte. 

Sie schloss die Augen für einen Moment, doch er wagte es nicht sich zu bewegen. 

“Ich wünschte, du hättest mich auch umgebracht”, sagte sie mit zitternder Stimme als sie wieder aufblickte. “ Du hättest mir so viel Leid ersparen können, du Mistkerl”, ihre Stimme brach und eine Träne rollte ihre Wange herunter. 

“Erinnerst du dich? Ich will, dass du dich verfickt nochmal an den schlimmsten Tag meine Lebens erinnerst!” Ihr Schrei ging langsam in Schluchzen über. Verzweifeltes Schulzen. Es durchzog seine ganzen Körper. Stille durchzog den Raum.

“Soll ich deiner Erinnerung auf die Sprünge helfen?”, zischte sie mit einem Mal. 

“Es war Mamas Geburtstag. Wir waren im Restaurant essen und auf dem Weg nach Hause”, begann sie emotionslos. “ Ich war müde. Ich glaub ich bin eingeschlafen, aber nur kurz”, ihre Unterlippe begann zu zittern. “ Und… und dann bin ich aufgewacht, weil ich Kopfschmerzen hatte. Ich wollte Mama Bescheid sagen, aber sie antwortete nicht. Mama und Papa saßen in ihren Autositzen, regungslos, als würden sie schlafen. Und da war Blut. Überall an der Scheibe war Blut”, sie wischte ihre Tränen mit der Hand weg, in der sie die Waffe hielt. “Und ich wollte sie aufwecken, aber sie wachten nicht auf. Ich wollte Hilfe holen, aber die Tür ging nicht auf. Ich hatte Angst und ich hab gegen die Tür getreten so fest ich konnte. Ich hab geschrien, bis mein Hals weh tat. 

Dann… dann hab ich jemanden gesehen.

Jemand ist vor dem Fenster vorbeigelaufen. Er ging ganz komisch, er schwankte. 

Er trank. Immer wieder, bis ihm die Flasche aus der Hand rutschte. 

Sie zersprang auf dem Boden. Er torkelte stärker. Und dann hat er sich umgedreht. 

Er hat mich angesehen. 

Du hast mich angesehen! “, sie stockte, ihre Unterlippe wackelte so heftig, sie hatte Probleme die Wörter auszusprechen, die man in ihren Augen lesen konnte. Die Wut, die in ihren Augen blitzte zu Worten zu formen.

“Du hast dich umgedreht und bist in dein Auto gestiegen und dann. Dann warst du weg!”

Seine Augen füllten sich mit Tränen.

“Du hast meine Eltern umgebracht!”, ihre Finger umkrallten die Pistole. 

“Und du bist einfach so davon gekommen”, sie wirkte wieder kühl. 

“Eingestelltes Verfahren, kein Täter. Ich wollte nur Gerechtigkeit. Wollte dem Mörder meiner Eltern in die Augen sehen und ihm sagen, dass ich ihn hasse. Das ich mir wünschte ich hätte nicht überlebt. Doch das kaputte System hat mir nie eine Chance gelassen”. Sie ging auf ihn zu. Er konnte die Wärme, die von ihr ausging an seinem Körper spüren. 

“Und dann hab ich dein Foto in der Zeitung gesehen. Mit Namen und allem drum und dran. 

Es war echt einfach so ein materialistisches Arschloch wie dich zu durchschauen. Dich zu kontrollieren. Dir Angst zu machen. Dich dort zu haben, wo ich dich haben will”, lachte sie verächtlich. 

“Ich hasse dich Florian. Du hast mein Leben zerstört”.

Er fühlte das kalte Metall an seinem Kopf. Er blickte nach rechts und schaute erst auf den zitternden Arm der die Waffe hielt und ihr dann direkt in die Augen. Der Schuss dröhnte in seinen Ohren.

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