SabrinaFisahnDas Klassentreffen

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Das Klassentreffen

1. Kapitel

Da war es mal wieder soweit. Weihnachten hatte sich wie jedes Jahr, ganz still und heimlich angeschlichen und zack, war es eine Woche vor Weihnachten. Es mussten immer noch die ein oder anderen Geschenke besorgt werden, der Schnee ließ wie immer auf sich warten und die Menschen um einen herum wurden zunehmend unentspannter, umso näher das Fest der Besinnlichkeit und Liebe rückte.
Kurz um „the same procedure as every year“.
Außer, dass es dieses Jahr noch eine weitere Hürde für ihn bereit hielt, das Klassentreffen zum 10 jährigen Jubiläum seiner Abi Klasse. Wer zur Hölle organisierte ein Klassentreffen vier Tage vor Weihnachten?! Als hätte man in dieser `besinnlichen` Zeit nicht schon genug Stress, da musste man sich noch mit den alten Geistern seiner Vergangenheit herumschlagen. Dabei konnte er sich, Joshua, oder Joshi wie ihn alle nannten, eigentlich über seine Schulzeit nicht beschweren, da er überwiegend positive Erinnerungen an sein Schülerdasein hatte. Schließlich war er stets zweiter Klassensprecher und zweitbester des Schwimmteams gewesen. Der ewig Zweitplatzierte. Dies hatte ihm allerdings nie etwas ausgemacht, da sein aller bester Kumpel, der erster Klassensprecher und der beste Schwimmer, den er je kannte, einfach ein dufter Typ war. Tobias Kramer. Seit der 08. Klasse waren sie beste Freunde und quasi unzertrennlich. Wenngleich Tobi es in seinen jungen Jahren schon recht schwer hatte. Seine leiblichen Eltern verlor er bei einem tragischen Verkehrsunfall, seitdem hatte er das Pech von einer Pflegefamilie zur nächsten weitergereicht zu werden. Dabei hatte er wohl vor, sämtliche Missetaten der menschlichen Abgründe mitzunehmen. Vom schlagenden bis zum Alkoholiker Pflegevater bis hin zur manisch- depressiven Pflegemutter war in den letzten Jahren alles vertreten gewesen. Die letzte Familie, bei der er gelandet war, war noch die Beste. Die Familie hatte schon vier andere Pflegekinder bei sich aufgenommen und so nahm von Tobi quasi keiner wirklich Notiz und er hatte dort zwar ein Dach über dem Kopf, lebte aber eher wie ein Geist in einer Familie, in der er sich nicht zugehörig fühlte.
„Hast du auch das Wichtelgeschenk für dein Klassentreffen eingepackt?“, holt mich meine Freundin Tina aus meinen Gedanken. Zur Antwort bekam sie nur ein „urg“ Geräusch, von mir zu hören. Ich hasse Wichteln und ich hasse Klassentreffen, weshalb ich auf die bisherigen Klassentreffen großzügig verzichtet habe. Aber ein Klassentreffen mit Wichteln und das ganze vier Tage vor Weihnachten, war an „Nervigkeit“ gar nicht mehr zu überbieten. Das war typisch für Zoey. Sie war schon immer für ihre Spielideen und Geheimnistuereien bekannt. Zoey war mit Abstand die Beliebteste in unserer Klasse, die es sich schon während unserer Schulzeit zum Hobby gemacht hatte uns mit irgendwelchen Mottopartys zu Geburtstagen, Abschlüssen oder sogar nach Beendigung unserer Schulkarriere mit super durchgeplanten Klassentreffen zu quälen. Da lief sie zu unserem 10-jährigen Jubiläum natürlich zur Hochform auf. Dass es so kurz vor Weihnachten war, kam ihr da sicher grad gelegen, der kleinen Party Masochistin.
Kopfschüttelnd schmiss ich mein Wichtelgeschenk, das mir zu meiner Schande, meine Freundin besorgt hatte, weil sie wusste, dass ich der schlechteste Geschenkemacher bin, in meinen Koffer. Was ich bis heute gar nicht nachvollziehen kann. Wer würde sich nicht über einen `Fast and Furios`Film zum Geburtstag freuen?! Paul Walker ist ja wohl für Frauen ein echter Hingucker, dachte ich mir jedenfalls. Oder über ein Nagel- und Hornhautentferner Set?! Damit wollte ich Tina nur zu verstehen geben, wie sie sich noch hinreißender machen konnte. Schließlich mochte sie eigentlich alles an sich, außer ihren Füßen. Leider war mein Gedankengang wohl eher missverständlich und brachte mir fast die Trennung ein. Seitdem wurde mir verboten, Geschenke zu besorgen. Tina meinte immer, ich hätte ein Talent dafür, Leuten mit meinen gut gemeinten Geschenken so richtig eins, wie sie es ausdrückte, „in die Fresse“ zu geben.
Ich hatte nicht einmal nachgefragt, was in dem Geschenk drin war. Tina hatte es gekauft und schön eingepackt. Aber das wird schon passen, schließlich wusste sie was sie tat beim Geschenke kaufen, zumindest konnte ich mich in dieser Hinsicht absolut nicht beschweren. Da ich auf das Ganze sowieso keine Lust hatte, war es mir auch egal. Ich verschwendete keine weiteren Gedanken mehr an die mir bevorstehenden Hürden und packte meine Koffer in den Kofferraum. Ab ging es Richtung Heimat, zu meinen Eltern, wo wir Weihnachten verbringen wollten. Ich hatte es so lange vermieden meine alten Klassenkameraden wiederzusehen, dass mir auf einmal ganz mulmig zu Mute wurde.
„Was ist los mit dir Liebling? Du wirkst so angespannt? Das Klassentreffen wird sicher super, du wirst schon sehen. Bestimmt interessant zu erfahren, wo alle so gelandet sind in den letzten Jahren“.
Ich nickte stumm und dachte für mich, oh Tina, wenn du nur wüsstest…  

2. Kapitel

Kaum zuhause angekommen, wurden wir von meinen Eltern herzlich empfangen. Sie liebten Tina und freuten sich sehr, dass wir da waren. Schließlich waren wir das, laut meiner Mutter, viel zu wenig und hatten generell viel zu wenig Zeit für unsere Schöpfer. „Da habe ich dich unter Anstrengung meines Lebens und 20 Stunden Wehen und Höllenschmerzen rausgepresst, und jetzt bekomm ich dich nur noch vier – bis fünfmal im Jahr zu Gesicht.“ „Wir sind mindestens 10- bis 12-mal im Jahr hier, Mum.“ „Ach ja?! Kommt mir viel weniger vor.“ Kurzes Verschnaufen meinerseits, jetzt nur nicht schon wieder aufregen. Sie ist deine Mutter und sie liebt dich, sagte ich mir vor. Schließlich hatten wir noch zwei weitere Themen abzuhandeln wie bei jedem Besuch. „Hilde von nebenan ist schon wieder Großmutter geworden. Ich freu mich ja so für sie. Ich wäre langsam auch mal bereit Großmutter zu werden“. Boom, zweiter Teil, diesmal war es Tina, die durchzuschnaufen schien und ich knuffte ihr ein bisschen in die Seite, um ihr meine Solidarität zu zeigen. Sie lächelte matt und sagte: „der Klapperstorch hat unser Haus bisher wohl noch nicht gefunden, vielleicht sollte ich ihm mal  Zucker aufs Fensterbrett legen, so werden doch die Babys bestellt oder nicht?!“ Meine Mutter überhörte dies großzügig, da sie ja eigentlich keine Antwort erwartete, sondern uns nur zu verstehen geben wollte, dass wir ihr jetzt endlich einen Enkel bescheren sollten. Leichter gesagt als getan, ist ja nicht so als wollten wir keine Kinder. Aber über unser Probieren musste ich meine Mutter nun gewiss nicht ins Bilde setzen.
„Wie läuft es mit deinen Schülern Tina?“ richtete sie sich jetzt wieder meiner Freundin zu.

„Ach ja, ganz gut. Sie bringen mich zwar hin und wieder zur Weißglut und ich muss mich zusammenreißen, damit ich den ein oder anderen nicht zur Strecke bringe, aber wenn sie dann alle ihren Abschluss bekommen, bin ich stolz wie Bolle und freue mich, dass ich dazu beigetragen habe, dass sie in ein gutes Leben, mit allen möglichen Chancen starten können.“ „Klaus hast du das gehört?“, sagte meine Mutter an meinen Vater gerichtet, um dann umgehend mir den nächsten Satz zu widmen. „Wenn du dieser tollen Frau nicht bald mal einen Heiratsantrag machst, mein Junge, dann läuft sie dir noch davon.“ Zack bum, Thema drei. Das war mein Stichwort. „Ich würde sie ja fragen, ob sie mir die Ehre erweist, meine Frau zu werden, aber ich habe Angst, dass sie sich dann doch für ihren Lover Paul entscheidet, weil er ein viel besserer Autofahrer ist, als ich.“ Möge er in Frieden ruhen dachte ich, aber da meine Mutter den Namen sicher noch nie gehört hatte, wusste sie auch nicht, dass er leider nie wieder in einem Film mitspielen würde. Tina konnte sich das Lachen kaum verkneifen und meine Mutter schaute mich in Schockstarre an, abwägend ob ich gerade die Wahrheit sagte oder mir nur einen schlechten Witz erlaubte. Jetzt lachte auch mein Vater und sagte: „Ach Gabi lass doch die Kinder in Ruhe. Alles zu seiner Zeit. Sie werden schon wissen, was sie tun.“ Damit war Gott sei Dank das Theaterstück „Ich werde ohne Enkelkinder und verheirateten Sohn aus dem Leben scheiden“ beendet.
Dies war noch der einfachere Teil, des ganzen langen Wochenendes. Denn in einer Stunde musste ich zu meinem Klassentreffen. Dort warteten die Geister meiner Vergangenheit und auch Sarah, meine erste große Liebe.

3. Kapitel

Da stand ich nun, mit zitternden Knien und meinem Wichtelgeschenk in der linken Hand. Das Klassentreffen fand in meinem alten Sportheim auf einem höher gelegenen Berg in meinem Heimatort statt. Dort wo wir so viele Feste schon zusammen gefeiert hatten, Geburtstage,
Vereinsfeste, wo Liebeleien entstanden und auch wieder auseinander gegangen sind. Wo Freundschaften sich bewährten und man zusammen in den Klos sich die zu vielen Gin Tonics nochmals durch den Kopf gehen ließ. Hier oben, etwas abgeschottet von dem restlichen Ort, konnte man die Musik so richtig aufdrehen und feiern, ohne dass man jemanden dabei störte. Im wahrsten Sinne des Wortes, bis zum Umfallen. Hier an diesem Ort, hatte ich Sarah zum ersten Mal gesehen und hatte mich sofort bis über beide Ohren in sie verknallt. Da sie längere Zeit krank gewesen war und dann hier herzog, musste sie die neunte Klasse wiederholen und kam demnach in meine Klasse. Was für ein Glück. Bei dem Gedanken musste ich lächeln. Was bin ich aufgeregt gewesen damals, jedes Mal, wenn sie in meiner Nähe war. Tobi hatte sich natürlich im Handumdrehen mit ihr angefreundet und so wurden wir zu einem Trio. –Eigentlich konnte keine Tobi widerstehen. Sarah schon. Sie mochte Tobi sehr und die zwei waren tatsächlich so was wie beste Freunde, soweit das für Mädchen und Jungs möglich ist, aber ich war derjenige, in den sie sich verguckt hatte. Was wir beide erst nach einem halben Jahr heraus fanden, da es natürlich für beide Parteien uncool gewesen wäre, diesbezügliche Gefühle zuzugeben. Tobi war schließlich derjenige, der den entscheidenden Satz brachte: „Wenn ihr zwei jetzt nicht bald Klartext redet, dann schwöre ich euch, melde ich eure Gefühlsduseleien der Klassenzeitung und gebe euer peinliches Getue in aller Öffentlichkeit preis. Checkt ihrs denn nicht?! Ihr seid doch verknallt wie die Bekloppten!“ Dem war nichts mehr hinzuzufügen und so war es auch Tobi zu verdanken, dass ich mit der coolsten Braut in meiner Klasse zusammenkam und Sarah tatsächlich meine Freundin wurde. Tobi war zwar etwas geknickt und konnte auch nicht verstehen, wie ein Mädchen mich ihm vorziehen konnte, aber das sprach wohl nur noch mehr für Sarah. Unserem Trio tat es jedenfalls keinen Abbruch. Wie wird Sarah wohl reagieren, wenn sie mich sieht? Ob sie verheiratet ist und Kinder hat? Mein Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war. Denn vermutlich wird sie sich nicht freuen, mich zu sehen. Vermutlich wird sie nicht mal mit mir sprechen wollen. Vermutlich hasst sich mich immer noch. Und Tobi kann  mir nicht zur Seite stehen, wie er es sonst immer getan hat. Tobi wird auch bei diesem Klassentreffen wieder nicht dabei sein, denn Tobis Dasein und seine Identität wurden vor genau 10 Jahren ausgelöscht.

 

4. Kapitel

Plötzlich klopfte mir eine Hand auf die Schulter. „Ja hey, Joshi, hab dich ja fast nicht mehr erkannt. Siehst ziemlich erwachsen aus mit deinem Bart.“ „Heeeey“, sagte ich und hatte keinen Schimmer, wer da gerade mit mir redete. Also sein Gesicht kam mir schon noch vage bekannt vor, aber sein Name?! Fehlanzeige! „Es ist sau kalt hier draußen, lass uns reingehen“, rettet mich Mr. Bekannt aber immer noch namenlos aus der peinlichen Situation und wir gingen zusammen rein. Da waren sie also alle. Die ganzen Vögel meiner Abschlussklasse. Nun nicht alle, ein paar Wenige hatten sich wohl krankgemeldet (die Glücklichen), einer saß im Ausland fest und hatte keinen Urlaub bekommen (Arbeit wäre mir jetzt auch lieber) und Sarah konnte ich auf den ersten Blick auch nirgends entdecken. Zoey (damals Beliebteste und auch heute immer noch ein Blickfang) kam schnurstracks auf mich zu gestöckelt. „Wow! Joshi, welch Wunder, dass du dich auch endlich mal wieder blicken lässt. Dachte schon, du weilst gar nicht mehr unter uns.“ „Zoey, immer noch charmant wie eh und je.“ Glücklicherweise kam gerade nochmals jemand herein und Zoey ließ mich zufrieden. Ich tingelte so bisschen verloren durch die Gegend und hielt Small Talk hier und Small Talk da und war beeindruckt, was manche doch tatsächlich zustande gebracht hatten. Unter diesen ganzen Managern kam ich mir plötzlich nicht mehr wie der Zweitplatzierte, sondern eher wie der Looser vor, den es zu hänseln galt. Dabei hatte ich auch einen gut bezahlten Job als Elektriker in einer mittelständischen Firma, eine tolle Freundin und eine ganz passable Wohnung. Nur einen Ehering, ein Haus und diverse Haustiere hatte ich nicht vorzuweisen. Plötzlich vermisste ich Tobi ganz schrecklich. Er hat es mir immer leicht gemacht, mit Leuten ins Gespräch zu kommen und durch seine Witzeleien, ist immer sofort eine entspannte Atmosphäre entstanden. Aber Tobi gibt es nicht mehr und ich will nicht wissen, wie viele in diesem Raum hier ihm insgeheim ganz allein dafür die Schuld gaben. Doch keiner von ihnen ist dabei gewesen als es passierte, keiner außer ihm kannte die Wahrheit. Gänsehaut durchzog meinen Rücken und meine Oberarme. Ich konnte mich jetzt nicht von den Erinnerungen von damals überfahren lassen, sonst würde ich den Abend nicht überstehen. Schnell ging ich die lange Tafel entlang, an der nachher alle Platz nehmen sollten, wenn das große Wichteln seinen Lauf nehmen wird. Zoey hatte überall Namenskärtchen aufgestellt. Typisch Zoey eben. Alles musste nach Plan laufen. Ich lief den Tisch entlang und entdeckte Sarahs Karte und hoffte sehr, Zoey hatte so viel Verstand walten lassen und mich nicht direkt neben sie gesetzt. Hatte sie zum Glück. Aber ich konnte beim besten Willen mein Kärtchen nicht finden. Bis ich ganz am Kopfende des Tisches angekommen war. Zoey hatte mich doch tatsächlich ans Kopfende gesetzt. Als wäre ich das Geburtstagskind. Den Platz an dem mich  alle sehen konnten. Auf meinem Kärtchen stand: „Joshi“ die Zahl 6 und in Klammer darunter (das wäre eigentlich Tobis Platz gewesen). Na vielen Dank Zoey für dein Mitgefühl. Jeder musste beim Eintreten sein Wichtelgeschenk in die Mitte des Tisches legen, so dass jeder die mitgebrachten Sachen gut sehen konnte. Es waren schon fast alle um den Tisch versammelt, da ging abermals die Tür auf. Mir rutschte das Herz in die Hose. Sarah kam herein und sah immer noch fantastisch aus. Sie streifte meinen Blick nur kurz und es zog so was wie ein Nicken und vielleicht sogar ein kleines Lächeln über ihr Gesicht. Vielleicht hasste sie mich ja doch nicht, oder nicht mehr? „So meine Lieben“, rief Zoey in unsere Runde. „Setzt euch bitte alle an euren ausgewiesenen Platz, dann können wir sogleich mit unserem Wichteln beginnen. Ihr könnt euch danach austauschen und quatschen und mutmaßen von wem wohl welches Geschenk kommt. Ich lese nun immer eine Zahl vor, ihr habt diese auf euren Kärtchen stehen und wisst daher, wann ihr an der Reihe seid, euch das jeweilige Geschenk mit eurer Zahl abzuholen. Da ich „the Brain“ von dieser ganzen Spielerei bin, weiß auch nur ich, wer von wem welches Geschenk erhält. Falls ihr also nicht von selbst draufkommen solltet und ihr mich mit genügend Gin Tonic versorgt, werde ich euch vielleicht auch verraten wer euch das Geschenk hat zukommen lassen. Mögen die Spiele beginnen!“ Wie theatralisch, dachte ich. Mir wurde ein bisschen übel, denn auf die Geheimnistuerei hatte ich so gar keine Lust. Schließlich verfolgte mich dieser Zustand schon seit Jahren, da konnte mir auch eine Zoey nichts vormachen. Kurz blickte ich zu Sarah und dann sofort wieder weg. Wenn sie nur wüsste…

5. Kapitel

Die Zahlen gingen nur so an mir vorüber. Es gab viel Gelächter bei den bisherigen Geschenken. Da hätte auch so manches von mir sein können, dachte ich. Jetzt freute ich mich so langsam auf mein Geschenk und war auch ein bisschen aufgeregt. Zoey las meine Zahl vor und ich holte mir mein Geschenk ab. Hmmm, was das wohl sein mochte? „Auf machen, auf machen“, schrien alle und ich packte das sorgfältig eingepackte Päckchen aus. Es war ein IPhone der ersten Generation in seiner Originalverpackung. „Uuuuuhhhh“, ertönte es aus allen Ecken. „Da wollte wohl jemand seinen alten Schrott loswerden“, sagte einer von weiter hinten, großes Gelächter. Das war’s auch schon mit der Aufmerksamkeit für mich. Zoey machte mit der nächsten Zahl weiter und keiner schenkte mir mehr Beachtung. Welch ein seltsames Geschenk dachte ich. Ob es wohl wenigstens noch funktioniert? Vermutlich nicht. Ich packte es aus und drückte auf den Startknopf. Einige Sekunden später erschien das mir allzu gut bekannte Apple Zeichen auf dem Display. Die erste Generation ist einfach unkaputtbar, ging es mir durch den Kopf. Zum Entsperren gab es keinen Code, sondern man musste nur das Schiebesymbol nach rechts wischen. Seltsam, es wirkte wie ein immer noch benutztes IPhone. Hatte der Besitzer vielleicht vergessen, es zurück zu setzen?! Meine Neugierde war geweckt. Mal sehen wer mir das Ding untergejubelt hat. Wieder lautes Gebrüll, jemand hatte soeben einen Vibrator für die Handtasche ausgepackt. „So was würde doch sicher nur Zoey einfallen“, warf jemand in die Runde und alle lachten. Ich wendete mich wieder meinem Wichtelgeschenk zu. Die Galerie mit den Bildern könnte mir sicher Hinweise liefern. Gesagt getan. Die Galerie öffnete sich und zum Vorschein kamen Bilder. Vier Bilder um genau zu sein. Vier Bilder, die mich 10 Jahre zurückkatapultierten. Ich hatte das Gefühl, gleich in Ohnmacht zu fallen. Vier Bilder auf denen ich zu sehen war. Tobi und ich, wie wir uns die Hände gegenseitig auf unsere Schultern gelegt hatten und verschmitzt in die Kamera schauten. Das Auto in dem wir zusammen gefahren waren, von hinten aufgenommen. Das Auto, nachdem es auf einen Baum gefahren wurde und vorne total zerbeult war und ich, wie ich mit einem Benzin Kanister daneben stehe und mich verstohlen umsehe. Dann das letzte Foto. Das Auto wie es in Flammen steht, kurz vor der Explosion. Um mich herum ertönte wieder lautes Gelächter. Aber mir war überhaupt nicht zum Lachen zumute. Das Geschenk war nicht nur zufällig an mich geraten. Jemand wusste Bescheid und jemand war bereit die Bombe nach all den Jahren, hier vor allen platzen zu lassen.

 

6. Kapitel

Das wars. Ich bin geliefert. Der Schweiß lief mir aus sämtlichen Poren. Es wurde mir gleichzeitig heiß und kalt. Was sollte das? Wer war das? Wieso jetzt? Für einen Moment wusste ich nicht mehr, wo oben und unten ist. Ich sah mich in der Runde um, ob mich jemand genau beobachtete. Aber keiner schien von mir Notiz zu nehmen. „Joshi, hast du einen Geist gesehen oder wieso bist du so blass um die Nase?“, fragte Zoey lächelnd in meine Richtung. Mir wurde es hier auf einmal viel zu laut und der Sauerstoff in dem Raum reichte längst nicht aus, um mich mit dem zu versorgen, was ich gerade benötigte. Ohne auf Zoeys Anspielung einzugehen, erhob ich mich von meinem Stuhl, und stürmte nach draußen. Dort zog ich die kühle Dezemberluft so stark ein, dass ich fast hinten überkippte. „Atme Joshua, atme“ sagte ich zu mir selber und tat dies ein paar Atemzüge lang, bis mir die kalte Luft in meiner Luftröhre zu brennen begann. „Ich gehe einfach. Ich spiele dieses kranke Spielchen nicht mit. Die Fotos beweisen gar nichts. Ich meine, was könnte man mir schon für ein Motiv anhängen? Wer würde schon seinen besten Kumpel umbringen, nur um auch mal die Nummer Eins zu sein?! Dennoch stand ich da, vor dem brennenden Auto, den Benzinkanister in der Hand und ziemlich schuldbewusst um mich schauend. Verdammt, dachte ich. Jetzt wanderst du in den Knast. Wer würde ihm schon glauben? Man würde ihm Fragen stellen, warum er nicht versucht hatte, Tobi aus dem Auto zu befreien, wieso er nur so wenig Blessuren von dem Unfall davongetragen hatte, während Tobi im Auto verbrennen musste. Nein, nein, nein, er konnte das alles erklären. Er musste nur rausfinden, wem er es zu erklären hatte, bevor das Ganze aus dem Ruder lief. Das Handy immer noch verkrampft in meiner Hand haltend stand ich da, als hinter mir eine nur allzu gut bekannte Stimme fragte: „Joshi alles klar bei dir?“ Sarah kam, um nach ihmzu schauen. Ihre blonden Korkenzieherlocken wurden vom Wind wild durch die Gegend gewirbelt. Ich starrte sie einfach nur an, als wäre ich versteinert worden. „Keine Angst, ich hau dir schon keine runter“, sagte sie und lächelte ein wenig. „Das Ganze ist jetzt 10 Jahre her. Ich bin über dich hinweggekommen und ob du es glaubst oder nicht, es kam sogar was Besseres nach. Auch wenn ich das nicht für möglich gehalten hatte.“ Meine Verkrampfung löste sich ein bisschen. „Puh, da bin ich aber froh. Hatte tatsächlich etwas Schiss, dir nach all der Zeit zu begegnen. Du hättest, allen Grund dazu, mir gehörig eine reinzuhauen, wenn dir danach gewesen wäre. Ich habe bis heute noch keine passende Entschuldigung gefunden, für mein Verhalten von damals.“ Verstohlen sah ich auf meine Füße. „Bist du zufrieden mit deinem Wichtelgeschenk? Lass mal sehen, hatte schon lange kein IPhone der ersten Generation mehr zu Gesicht bekommen“, sagte sie und streckte die Hand schon nach dem Handy aus. „Ach, da gibt’s nichts zu sehen, es funktioniert nicht mal mehr“, sagte ich schnell und steckte mir das Handy in die Hosentasche. Verdutzt schaute sie mich an, sagte aber nichts weiter dazu. „Los lass uns reingehen. Ist ja schweinekalt hier draußen.“ Damit drehte sie auf dem Absatz um, und war verschwunden. Es blieb mir wohl nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Ich musste wissen, wer diese Bilder von mir gemacht hatte und mich jetzt damit emotional zu ersticken versuchte. Da surrte es in meiner Hosentasche. „Wichtelein, wer mag es sein? Komm lieber rein, du beginnst schon zu zittern, kommst früh genug noch hinter Gitter.“ Die SMS war deutlich auf dem Bildschirm zusehen. Ich spähte durch das Fenster des Sportheims. Jetzt musste ich ja erkennen, wer mir diese Nachricht soeben geschickt hatte. Aber so ziemlich jeder starrte momentan auf sein Handy oder hatte es am Ohr. Scheiß Handyzeitalter, es konnte einfach so ziemlich jeder sein, und der Abend hatte gerade erst angefangen. Ich musste rausfinden, wer mich nach all der Zeit hinter Gittern sehen wollte. Hoffentlich war es noch nicht zu spät. Tina würde mir das nie verzeihen. Noch einmal tief Luft holen und zurück ging es für mich in meine persönliche Hölle.

7. Kapitel

Der Abend kam so langsam in Fahrt und jeder hatte schon das ein oder andere Bierchen oder sogar einen Gin Tonic oder Cuba Libre intus. Ich hangelte mich an diversen Leuten entlang und quatschte mit Tim, der damals auch in meinem Schwimmteam war. Der laberte mich aber derartig mit seiner Lebensgeschichte voll und zeigte mir gefühlt 100 Fotos von seinem Neugeborenen Sohn, dass er es unmöglich sein konnte. Er schien alles andere als Rache an mir üben zu wollen, da er nur so vor Glückshormonen sprudelte. Auch Laura und Anton schienen fast nur Augen für sich zu haben. Sie waren, wie sie mir erzählten, bei dem letzten Klassentreffen zusammengekommen. Was sehr dramatisch war, da damals beide noch in anderen Beziehungen steckten. Nun seien sie verlobt und konnten ihr Glück kaum fassen. Jens starrte zu mir rüber und wendete den Blick sofort wieder ab. Oha, er machte zumindest nicht den Eindruck, als wolle er mit ihm Small Talk halten. Ich wusste, dass er immer auch gern mit ihnen (dem glorreichen Trio) befreundet gewesen wäre. Außerdem vermutete ich immer, dass er insgeheim eifersüchtig auf mich war, weil er, seinen Blicken vermutend, auch bisschen in meine damalige Freundin Sarah verknallt war. Verflucht aber auch, ich brauchte jetzt dringend einen Drink. Einfach um meine Nerven ein bisschen zu beruhigen. Ich holte mir an der Bar einen Gin Tonic und einen Cuba Libre und machte mich mit meinen Drinks auf den Weg Richtung Sarah, die sich gerade mit Mr. “Immer noch namenlos“ unterhielt. „Hey, da ich jetzt weiß, dass du mich nicht verhauen willst, dachte ich, ich bringe dir in friedlicher Absicht einen Drink vorbei. Vielleicht willst du mir ja lieber etwas ins Gesicht schütten.“ Milde lächelte ich und schaute, wie sie reagierte. Vielleicht konnte ich wenigstens noch eine Sache geraderücken, bevor mir meine Vergangenheit mit Pauken und Trompeten um die Ohren flog. Sarah grinste schelmisch und nahm den Cuba Libre entgegen. „Danke, das Angebot nehme ich vielleicht sogar in Anspruch.“ Sie zwinkerte aber dabei und es fühlte sich erleichternd an, wenigstens ein bisschen normaler Umgang mit ihr zu haben, ohne dass die schmerzenden Gefühle von damals wieder aufflammten. „Leider trinke ich heute Abend nichts, da ich morgen sehr früh schon wieder nach Hause fahren werde. Wir verbringen Weihnachten bei den Eltern meines Mannes.“ Oh, sie hat also einen Mann und wirkte sehr glücklich dabei. Das freute mich sehr für sie. „Ich gebe meinen Drink also lieber Lenni weiter. Der hat ihn eher nötig als ich.“ Da viel es mir wie Schuppen von den Augen. „Oh mein Gott, Lenni, tut mir so leid. Ich hab dich fast nicht wiedererkannt.“ „Ja, so geht es vielen, hab auch 20 Kilo abgenommen und mit Vollbart scheint man, ein komplett anderer Mensch zu sein“. Lenni, der pummelige Nerd aus unserer Klasse, schien sich zu einem echten Sportskerl gemausert zu haben. „Wow Respekt“ entfuhr es mir. „Tja wisst ihr, ich hatte nach dem Abschluss mit ein paar, nennen wir es mal, psychischen Belastungen zu kämpfen. Manchmal sieht man einfach Sachen, die man lieber nicht gesehen hätte. Aber was sich einmal ins Hirn eingebrannt hat, lässt sich nun mal nicht wieder löschen.“ Ohne jegliche mimische Bewegung seines Gesichtes, nahm er mir den Cuba Libre aus der Hand und sagte: „Ein Drink könnte mir nun wirklich nicht schaden.“ Damit ließ er mich und Sarah stehen. Sarah fing an zu reden, wie beeindruckt sie war, wieviel Lenni abgenommen hatte und von was er wohl geredet hätte, ob ich von damals irgendetwas mitbekommen hätte, dass es ihm früher so schlecht ging. Doch ich konnte nicht mehr verstehen was sie mich fragte. Ich konnte gar nichts mehr verstehen. Hatte er das wirklich gerade gesagt? Und war da tatsächlich ein kurzes Flackern in seinen Augen erkennbar gewesen? Ich musste Zoey unbedingt fragen, von wem mein Wichtelgeschenk war, damit ich Klarheit hatte. „So ihr Lieben“, rief Zoey in die Menge. „Es wird Zeit für unser nächstes Highlight. Setzt euch bitte wieder an eure Plätze, denn für den nächsten Programmpunkt sollten wir uns alle sehen können. Da wir uns alle schon so lange nicht mehr gesehen haben, wird das sicher interessant und schließlich haben wir das früher geliebt. Ich rede von „Wahrheit oder Pflicht“. Also schnappt euch eventuell noch mal einen neuen Drink, ihr werdet ihn vielleicht brauchen.“ Sie erhob ihren Gin Tonic und fügte noch hinzu: „Da wir erwachsene Leute sind und wir hier ein paar Skandale hören wollen, ändere ich die Spielregeln zu „Wahrheit oder Wahrheit.“ Triumphierend schaute sie in meine Richtung. Nein nein nein nein nein, schrie es in meinem Kopf so laut, dass ich Angst hatte, alle die in meiner Nähe standen, könnten mich hören.

8. Kapitel

Ein paar jubelten und applaudierten, andere sagten „Och nööö“. „Keine Widerrede ihr Langweiler“ sagte Zoey. „Ich fange an“, gab Zoey zum Besten und legte los. „Jonas“, sagte sie und zeigte ziemlich unhöflich, wie ich fand, auf Jonas, der ihr direkt gegenübersaß mit dem Finger und fragte unverblümt. „Wieso, wolltest du mich in der 11. Klasse nicht beim Flaschen drehen küssen?“ alle lachten. „Ernsthaft Zoey?! Das ist deine Frage an mich?!“ „Na klar, dass beschäftigt mich immer noch und hat erheblichen Schaden, an meinem Selbstvertrauen geübt.“ „Naja, ich stand halt einfach nicht auf dich“, gab Jonas zum Besten. „Das kann nicht sein, da standen doch so ziemlich alle Jungs auf mich“, protestierte Zoey und zog eine Schnute. Einige schmunzelten und ein paar pfiffen sogar durch die Finger. „Das stimmt, ist mir auch aufgefallen. Heute bin ich allerdings mit einem Thomas verlobt. Vielleicht ist das eine plausible Erklärung dafür.“ „Nein!“ Zoey riss die Augen auf und starrte Jonas an. „Nun denn, so soll dir verziehen sein, da es ja nun offensichtlich nicht an meiner wundervollen Präsenz gelegen hat.“ Sie lachte und alle anderen stimmten ein, klatschten sogar in die Hände und Jonas Nebensitzer klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Leider konnte ich dem ganzen Geschehen nur sehr mühsam folgen. Meine Hände schwitzten und als ich mein Glas hochheben wollte, merkte ich, dass sie auch ziemlich stark zitterten. Daher ließ ich das Trinken lieber bleiben. Mein Magen rumorte. Was zur Hölle ging hier ab? Wie kam ich nur aus dieser Nummer wieder raus? Und wieso hatte Zoey mich so triumphierend angesehen? War sie es, die mich fertig machen wollte? Hatte sie darum, diese Spielerei eingefädelt? Vom Wichteln bis hin zu dieser Scharade? Die nächsten vier Fragen gingen komplett an mir vorüber, bis auf einmal jemand meinen Namen rief. „Joshi! Hey man, pennst du? Antworte gefälligst auf Zoeys Frage!“ Oh nein, was? Zoeys Frage? Ich hatte nicht zugehört und keine Ahnung was sie gesagt hatte. Alle schauten mich erwartungsvoll an. Mein Telefon klingelte und ich sah Tinas Namen auf dem Bildschirm. „Sorry Leute, aber das ist meine Freundin, da muss ich rangehen.“ Und ohne die Reaktionen abzuwarten stürmte ich, das Telefon an mein Ohr gepresst, nach draußen.

9. Kapitel

„Hallo? Joshi, bist du dran? Hallo?“. Noch nie war ich so froh, die Stimmte von Tina zu hören. „Hey, ja sorry, da drin war es so laut. Ich musste erst mal nach draußen.“ „Oh das tut mir leid, ich wollte dich nicht stören. Wollte eigentlich nur mal nachfragen, wie es so läuft und ob Sarah dich vermöbelt hat.“ Ich konnte sie förmlich grinsen sehen. „Ha! Nein hat sie nicht, auch wenn du dir das vielleicht gewünscht hättest.“ Erwiderte ich, und merkte nun, dass ich ebenfalls am Grinsen war. Erstaunlich, wie eine Person, obwohl man gerade noch Ängste, Schweißausbrüche und absolute Ohnmacht gefühlt hatte, einem in der nächsten Sekunde zum Lächeln bringen konnte. Ich musste dieser Frau unbedingt sehr bald einen Heiratsantrag machen. Das wurde mir soeben bewusster denn je. „Du hörst dich so an, als wärst du ein bisschen außer Atem, bist du gerannt? Ich weiß zwar, dass du nicht der sportlichste bist, aber wenn dich die paar Schritte schon außer Atem versetzen, solltest du dir vielleicht mal Gedanken machen.“ witzelte sie. „Da könntest du nicht so Unrecht haben. Alles ok zuhause?“ Tina wollte gerade noch etwas erzählen, als Sarah die Tür aufmachte und sagte. “Zoey startet gerade eine Bilderpräsentation, das solltest du dir anschauen, es sind auch Bilder von dir zu sehen.“

„Sorry Schatz, ich muss auflegen, Zoey holt zum nächsten Schlag aus“.

Ohne eine Antwort von Tina abzuwarten legte ich auf und folgte Sarah mit hämmerndem Herzen zurück in die Höhle der Löwen oder sollte ich eher sagen, der Löwin?

10. Kapitel

Ich fühlte mich in einem nie endenden Alptraum gefangen. Nein, das durfte nicht sein. Würde ich gleich die gleichen Bilder zu sehen bekommen, wie auf meinem IPhone? Für alle anderen sichtbar? Die Luft schien immer dünner zu werden und verstohlen sah ich mich um. Alle blickten gebannt auf die große Leinwand, auf der die Bilder von ihren 10 gemeinsamen Schuljahren aufblitzten. Ich merkte wie sich Schweißtropfen auf meiner Stirn bildeten. Ich musste es irgendwie schaffen, das Ganze, wenn nötig, zu unterbinden. Ich verfolgte das Kabel des Projektors und stellte erleichtert fest, dass es direkt neben der Eingangstüre eingesteckt war. Es war also jederzeit möglich, das Kabel rausziehen. Noch waren die Fotos ziemlich harmlos, aber wer wusste, was da noch alles kommen konnte. Wieder ging ein Gelächter durch die Reihen. Die Leinwand zeigte ein Foto von Tim und mir, wie wir uns kurz vor dem Schwimmwettkampf aufwärmten. „Ihr hattet ja ne richtig gute Figur damals“, trötete jemand. Es flimmerten unzählige Fotos vorbei und ich bemerkte, dass ich selbst anfing, in Erinnerungen zu schwelgen. Was hatten wir für eine schöne Zeit damals. Alles noch so unbeschwert und sorgenfrei. Dann ein Bild von Lenni und Jonas in Mädchenklamotten bei der Klassenfahrt nach Berlin. „Wir hätten ja schon damals checken müssen, dass mit dir was nicht stimmt“, witzelte Zoey und knuffte Jonas in die Seite. „Halt die Klappe Zoey! Da spricht doch nur dein gekränktes Selbstwertgefühl aus dir. Nicht jeder Kerl, der damals nicht auf dich stand ist heute schwul“, lachte Jonas. „Autsch“ sagte Zoey und hielt sich die Hand vor die Brust, als hätte sie jemand angeschossen.

Dann ein Bild von Zoey, wie sie sich versucht hat zu schminken, aber von Tobi gestoßen wurde, so dass sich ihr ganzer Lippenstift quer über ihre Backe gezogen hatte. Alle lachten, außer mir. Da war er. Tobi auf großer Leinwand. Tobi wie er alle bespaßte. Bespaßte obwohl er gar nicht mehr hier war. Und dann das nächste Bild.

Tobi und ich, die Hände auf die Schultern des jeweils anderen gelegt, lachend in die Kamera. Wow, ich hätte nicht gedacht, dass mich das noch mal so umhauen würde. Erstarrt schaute ich auf das Bild und hatte nicht bemerkt, dass sich eine Träne aus meinem Augenwinkel heraus gekämpft hatte. Schnell wischte ich sie weg und sah um mich, ob es jemand bemerkt hatte. Niemand schaute mich an, aber auch Sarah wischte sich eine Träne weg und schnäuzte in ein Taschentuch. Es folgten etliche weitere Bilder und zwischendurch hörte man immer mal wieder ein „uuuh“ oder „aaahh“ oder auch Gekicher. Ich bemerkte, wie Sarah aufstand und in Richtung Toilette verschwand. Anscheinend konnte sie die ganzen Bilder und damit verbundenen Erinnerungen nicht mehr ertragen. Ging mir ähnlich und am liebsten hätte ich auch den Raum verlassen. Aber ich musste mich weiter durchquälen, um im Notfall, den Stecker ziehen zu können. Zoey schien schon ziemlich angeheitert zu sein und verkündete. „So das war’s liebe Leute.“ Alle applaudierten und forderten eine Zugabe. „Ich wäre ja nicht Zoey, wenn ich euch nicht noch einen Nachschlag liefern würde. Darum habe ich euch jetzt noch ein paar sogenannte „Outtakes“, verkündete sie. „Mal sehen, ob ihr danach immer noch nicht genug habt“. Sie lachte verschwörerisch und ließ die nächsten Fotos laufen.

„Oh mein Gott“ kreischte einer von weit vorne. „Wie peinlich ist das denn?!“ Alle anderen warfen sich weg vor Lachen. Es kamen ein paar ziemlich peinliche und unvorteilhafte Fotos zum Vorschein.

Das reicht mir jetzt, dachte ich und stand von meinem Platz auf. Sarah war noch immer nicht wieder zurück und am besten war es auch, wenn ihr die folgenden Bilder erspart blieben. Ich steuerte auf das Kabel zu und tat so, als würde ich auf dem Weg zum Klo, drüber stolpern. Zack, der Bildschirm wurde schwarz und alle drehten sich zu mir um. „Ups“ gab ich von mir und hob mit Unschuldsmiene meine Arme in die Höhe. „Danke man“, kam es aus dem Hintergrund, „Wer weiß, was da noch so für Bilder gekommen wären. So bleibt mir vielleicht wenigstens eine Peinlichkeit erspart.“

Ich musste mir nun umgehend Zoey vornehmen. Ich konnte dieses Psychospielchen von ihr einfach nicht länger ertragen. Zur Not müsste ich ihr wohl einfach die Wahrheit erzählen. “Ja wer weiß, was da noch alles rausgekommen wäre“ sagte Zoey und ließ mich mit ihrem Blick nicht aus den Augen. „Wer weiß“.

11. Kapitel

Zoey stapfte etwas torkelnd an die Bar, um sich wohl einen neuen Drink zu genehmigen. Ich lief schnurstracks hinter ihr her und zerrte an ihrem Ellenbogen. „Zoey, was soll das Ganze? Wenn du mir was zu sagen hast, dann sag es mir gefälligst. Ich habe keine Lust mehr auf deine Spielchen.“ „Jetzt aber mal langsam. Zuerst stürmst du aus dem Haus, wenn ich dir eine Frage stelle, dann unterbrichst du meine Präsentation noch bevor sie fertig ist und jetzt machst du mich auch noch schief von der Seite an. Was ist dein Problem?!“ „Ganz einfach, denkst du mir fällt es leicht die Bilder anzusehen, ohne dass es irgendetwas in mir auslöst? Denkst du etwa ich wollte, dass es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist? Denkst du ich hätte mich nicht schon längst jemandem anvertraut, wenn ich dies für richtig gehalten hätte? Denkst du etwa es macht mir Spaß, hier von dir an der Nase herumgeführt zu werden? Hör endlich auf damit mich emotional so fertig zu machen und sag mir einfach, was genau du von mir hören willst. Ich ertrage das alles nicht mehr länger!“ erst jetzt bemerkte ich, dass ich fast schrie. Aber, da wir kurz vor der Küche standen, und die Musik recht laut war, hatte uns wohl niemand anderes gehört. „Joshi, was zum Henker redest du da?“ schnauzte sie mich an. „Du kannst es zugeben Zoey, ich weiß Bescheid. Du hast mir das Handy beim Wichteln zukommen lassen. Was ich damals getan habe, kann ich erklären. Aber es ist wichtig, dass du mir genau zuhörst und nicht überschnappst. Also…“ Bevor ich noch weiterreden konnte, hob Zoey die Hand direkt vor mein Gesicht und sagte: „Stopp! Keine Ahnung was du da alles faselst. Ich verstehe nur Bahnhof. Und ich bin zu betrunken, als dass das ganze Geplapper von dir irgendeinen Sinn ergeben würde. Das Handy ist nicht von mir und wenn du wissen willst, von wem es stammt, hättest du mich auch einfach danach fragen können, ohne mir einen Non-Sense-Vortrag zu halten. Wobei es mich schon sehr verwundert, dass du nicht selbst draufgekommen bist. Hast dich ja schließlich heute Abend schon mit der betreffenden Person unterhalten. Ich dachte echt du wärst cleverer mein Lieber.“

Sie machte eine Pause und wartete auf meine Reaktion. Aber es kam keine. Ich starrte sie einfach nur an, nach dem Motto „Na worauf wartest du, spuck es endlich aus.“

Sie schüttelte leicht den Kopf und rollte mit den Augen.

„Dein Wichtelgeschenk stammt von Sarah.“

 

12. Kapitel

Da stand ich nun. Es fühlte sich an, als würde mir der Boden unter den Füßen weggerissen. Das konnte nicht sein. Zoey hatte auf dem Absatz kehrt gemacht und sich wohl entschieden, doch keinen weiteren Drink mehr zu sich zu nehmen. Und ich stand einfach weiterhin so da. Meine Beine bewegten sich nicht und mein Herzschlag war deutlich in meinen Ohren zuhören. Meine Kehle schnürte sich zu und ich schien keine Luft mehr zu bekommen. Fühlte sich so vielleicht eine Panikattacke an? Ich musste denken, aber es funktionierte nicht. Mein Gehirn schien einfach völlig leer. Kein einziger Gedanke geisterte mehr darin herum. Ich hörte weder die Musik, die lief, noch die Gespräche, die stattfanden, noch nahm ich die Tanzenden um mich herum war. Aber eines konnte ich fühlen. Das Vibrieren in meiner Hosentasche, dass den Eingang einer neuen SMS bedeutete.

„Nun bist du draufgekommen und wirkst ganz schön benommen. Komm raus um mich zu finden, bevor ich kann entschwinden. Für Liebe war ich früher bereit, jetzt ist es die Rache, die mich antreibt.“

Ich wusste genau wo sie war. Ohne zu zögern, nahm ich meine Jacke und stürmte nach draußen. Es war soweit. Ich musste endlich die Wahrheit erzählen und gleichzeitig darauf hoffen, dass Sarah mir glauben würde.

Ich trat nach draußen in die kalte Dezembernacht. Mittlerweile hatte es angefangen ganz leicht zu schneien. Ausgerechnet jetzt kam der Schnee, war ja klar. Doch das Wetter sollte jetzt die kleinste Rolle spielen. Ich musste Sarah finden und ihr alles erzählen, mit dem Wissen, dass sie mich danach vermutlich noch viel mehr hasste, als sie es eh schon tat.

Schnell lief ich um das Sportheim herum, ein Stückchen in den Wald, wo sich ein halb abgerissener Jägerstand befand. Der Ort an dem wir unsdas erste Mal geküsst hatten, bei unserem ersten offiziellen Date.

Da stand Sarah und wartete auf mich. Ich trat näher heran und hob dich Hände in die Höhe, so als müsste ich beweisen, dass ich unbewaffnet war. Mit ihrer Reaktion hatte ich jedoch nicht gerechnet. Sie schlug mit den Fäusten auf mich ein und fing fast gleichzeitig an zu schreien. „Wieso Joshi, wieso? Wieso hast du das getan? Wieso hast du ihn umgebracht, wieso du? Wieso hast du nicht mit mir geredet, sondern mich stattdessen weggestoßen? Dachtest du, ich hätte dich der Polizei ausgeliefert? Tja weist du was, das hätte ich vermutlich getan, denn man bringt seinen besten Freund nicht einfach um.“ Ich hatte Mühe, sie von mir fern zu halten. Aber nach der ersten Welle des Hasses ließ sie von mir ab und starrte mich einfach nur mit Todesverachtung an. „Ich, ich, ich“ fing ich stotternd an, aber wusste gar nicht so recht, was ich sagen sollte. „Er war mein bester Freund und du hast ihn mir einfach so genommen. Den ganzen Abend musste ich mich zusammenreißen, damit ich dir nicht direkt meine Faust ins Gesicht ramme oder schlimmeres. Ich ertrage deinen Anblick kaum. Weißt du eigentlich, dass ich jahrelang in Therapie war, um wieder einigermaßen klarzukommen? Anfangs hatte ich völlig verdrängt, was ich gesehen hatte, bis es zwei, drei Jahre später erst wieder zum Vorschein kam. Dann fühlte ich mich selbst schuldig, weil ich damals nichts gesagt hatte, weil ich so in dich verknallt war, dass ich es niemals fertiggebracht hätte, gegen dich bei der Polizei auszusagen. Heute weiß ich natürlich, dass das dämlich war. Aber ich werde meinen Fehler wieder gut machen. Ich bringe dich hinter Gittern, allein um Gerechtigkeit für Tobi zu bekommen. Meine Güte, nur weil er immer in allem besser war als du, bringt man doch keinen um!“ Sie schien kaum Luft zu holen. „Du denkst, ich hätte Tobi umgebracht, weil er besser war als ich?!“ Ich klang tatsächlich etwas entrüstet, wenn nicht sogar beleidigt. „Außerdem woher willst du denn überhaupt wissen was passiert ist? Du warst doch gar nicht dabei!“, auch ich fing jetzt an zu schreien. Das Gespräch lief nicht wie erhofft.

„Ich war sehr wohl dabei. Ich habe alles gesehen. Ich bin euch nachgefahren, weil ihr euch so komisch verhalten habt an dem Abend und so geheimnistuerisch wart. Und als ihr plötzlich nochmal los wolltet, um Biernachschub zu holen, habe ich euch das kein Stück abgenommen. Ich dachte ehrlich gesagt, Tobi trifft sich noch mit einer neuen Flamme und du fährst ihn hin. Ich dachte, ihr wolltet nicht, dass ich weiß wer sie ist, weil ich sie vielleicht kenne und Tobi wieder Vorträge halte, wie er mit Frauen umzugehen hat. Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, dass zu sehen, was ich gesehen hab. Dabei habe ich extra noch Fotos gemacht, damit ich euch hinterher stolz zeigen kann, wie ich euch auf die Schliche gekommen bin.“ Ok, das erklärte schonmal wie die Fotos entstanden sind. „Hör zu, es ist nicht so wie du denkst“ begann ich (wie Klischeehaft). „Ach nein?!, was könnte man da bitte falsch verstehen. Du hast den Wagen angezündet. Du hast Tobi jämmerlich verbrennen lassen. Du hast auf seiner Beerdigung geweint, als wärst du tatsächlich traurig.“ „Ich war traurig, gottverdammt.“ Schrie ich sie an. „Ja, ich weiß wie das Ganze auf den Fotos rüberkommt und natürlich habe ich auf seiner Beerdigung geweint. Denkst du etwa, er fehlt mir nicht jeden einzelnen Tag?! Er war mein bester Freund!“ Sie schaute mich aus total verheulten Augen an. „Du bist echt krank Joshi, wenn du denkst, es wäre in irgendeiner Weise zu rechtfertigen was du getan hast. Aber mein Mitgefühl hält sich in Grenzen und ich werde aufdecken, was du all die Jahre verschwiegen hast. Das bin ich Tobi schuldig.“

„Du würdest Tobi damit aber keinen Gefallen tun“, sagte ich mit leiser Stimme. „Was meinst du damit?“ sie schaute mich erwartungsvoll an.

„Du hast richtig gesehen. Ich habe den Wagen angezündet. Aber Tobi saß nicht mehr im Auto. Er ist gar nie im Auto gesessen.“

13. Kapitel

Ich konnte mir nicht ausmachen, was gerade in ihrem Kopf vor sich ging. Sie starrte mich an und versuchte wohl, diese Info irgendwie zu verarbeiten.

„Willst du mich verscheißern?“ platzte es dann aus ihr heraus. „Hältst du das ganze Hier für einen Scherz? Mir ist nämlich nicht nach Scherzen zumute. Also hör auf mir so einen Quatsch zu erzählen.“ Sie trat von einem Fuß auf den Anderen. „Nein das will ich nicht! Hör mir jetzt genau zu. Was ich dir jetzt erzähle, weiß kein anderer Mensch. Du weißt doch, wie beschissen es Tobi in seiner ganzen Kindheit hatte, mit all seinen Eltern Fehlbesetzungen. Er hasste einfach alles daran. Und auch wenn er in der Schule einigermaßen gut war, hasste er sie trotzdem. Er wollte da raus. Raus aus dem ganzen System. Er wollte weg. Wollte nicht mehr das ewige Waisenkind mit Pflegeeltern sein. Wollte neu anfangen. Bei Null beginnen, ohne von einem System oder Amt hier gelenkt zu werden. Weg von allen, auch wenn er wusste, dass er damit vielleicht einigen das Herz brechen musste. Niemand durfte etwas davon wissen. Das musste ich auf mein Leben schwören. Unsere Jugendherberge lag so nah an einem Bahnhof, dass er es für den perfekten Ort hielt, um seine bisherige Identität komplett auslöschen zu können. Aber ich musste ihm dabei helfen, sonst hätte man nach ihm gesucht und ihn vermutlich auch gefunden. Also musste es dramatisch und glaubwürdig sein. Als du mich gesehen hast, wie ich mit dem Auto weggefahren bin, ist Tobi zu Fuß los Richtung Bahnhof. Er hatte sich schon ein Ticket gekauft und verschwand in sein neues, für ihn besseres Leben. Ich hatte derweil den Auftrag, das Auto gegen einen Baum zu fahren, und es komplett ausbrennen zu lassen. Kleidungsstücke von Tobi habe ich auf den Beifahrersitz gelegt und auch einen Zahn, den ich ihm erst mal ausschlagen musste. Dann fuhr ich das Auto gegen einen Baum. Nachdem ich das Auto mit Benzin überschüttet hatte, musste ich es nur noch in Brand setzen und danach die Polizei anrufen. Es musste eine gewaltige Explosion geben, damit das Auto vollständig ausbrannte. Ich hatte niemals geahnt, dass ich dabei beobachtet werde.“ Abwartend schaute ich zu Sarah. Ich muss wohl hin und her gelaufen sein, bei meiner Erzählung, denn ich stand nicht mehr am selben Platz wie zuvor.

Nach einer gefühlten Ewigkeit machte sie endlich den Mund auf. „Ich glaube dir kein Wort.“

„Ok“, sagte ich, „dann hilft jetzt nur noch mein absoluter Notfallplan. Gibst du mir mal dein Handy?“

14. Kapitel

Wie in Trance überreichte sie mir ihr Handy. Ich konnte ihr ansehen, dass sie mit sich innerlich rang, was sie von alle dem halten sollte.

Ich tippte eine Nummer in das Handy. Eine Nummer, die ich gehofft hatte, nie benutzen zu müssen, da ich nun mein Versprechen brach. Aber es half alles nichts. Er musste den Schritt gehen, bevor das Ganze aus dem Ruder lief und Sarah etwas tat, was sie vielleicht im Nachhinein bereuen würde.

Die Nummer kannte er längst auswendig. So viele Jahre hatte er sie angestarrt und war versucht sie zu tippen. Sie stand auf einem Zettel bei ihm zuhause und er hatte sie immer im Geldbeutel mitgetragen. Bis er den Zettel einfach nicht mehr brauchte, weil er die Nummer so gut wie sein eigenes Geburtsdatum auswendig konnte.

Sarah starrte ihn an. Es tutete und er schaltete das Handy auf Lautsprecher. „Vielleicht setzt du dich lieber hin“, sagte er zu Sarah. „Ich will mich nicht setzen!“ war die barsche Antwort.

Auf der anderen Seite wurde abgenommen.

15. Kapitel

„Heeeeey, das glaub ich ja jetzt nicht. 10 Jahre hast du gebraucht um diese Nummer zu wählen? Und dann rufst du ausgerechnet jetzt an, wo ich voll wie ein Eimer auf meinem Junggesellenabschied einer Stripperin einen Schein in ihren BH schiebe?! Dein Timing war schon immer beschmissen man, aber was soll’s. Du bist sozusagen das Highlight meines Abends. Hätte nicht gedacht, dass ich überhaupt mal noch was von dir höre. Muss ja wohl ein absoluter Notfall sein. Vermute mal du musst dich vor jemandem rechtfertigen, der dir auf die Schliche gekommen ist. Ich hoffe, du sitzt nich in größeren Schwierigkeiten. Ach was laber ich die ganze Zeit, lass mal was von dir hören mein Lieber. Was beschert mir die Ehre dieses Anrufes?!“ auf einmal war lautes Gegröhle zu hören und jemand rief „Nehmt ihm endlich mal dieses Telefon aus der Hand, er hat sein ganzes Leben lang noch Zeit zu telefonieren. Jetzt wird gesoffen!“.

Und dann Stille. Die Leitung war tot.

Das war das erste Mal, dass ich Tobis Stimme wieder gehört hatte. Ich war ebenso schockiert wie Sarah. Sie schaute mich stumm an. Dann holte sie mit voller Wucht aus und haute mir die flache Hand ins Gesicht. Wow! Die hatte ich wohl mehr als verdient. Dann fing sie bitterlich an zu weinen und nahm mich in die Arme. „Du hast ihn nicht umgebracht.“

„Nein das habe ich nicht“, sagte ich und auch mir kamen die Tränen. So saßen wir im leichten Schneeschauer zusammengekauert aneinander und hielten uns einfach nur fest. Das Trio war auf eine seltsame Art und Weise hier an diesem Fleck wieder vereint.

Die Leitung war zwar tot. Aber Tobi war es nicht. Tobi war am Leben.

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