i.am.a.koalaDas Spiel deines Lebens

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Mein Magen zieht sich zusammen. Ich drohe mich hier und jetzt im Wohnzimmer zu übergeben. Das Handy rutscht mir aus den Händen und fällt lautlos aufs Sofa neben mir. Das Bild noch immer leuchtend darauf zu sehen. Ich zittere, Angstschweiß überkommt mich. Woher sollte irgendjemand diese Fotos haben? Wer hat sie gemacht? Ich fühle mich beobachtet. Schaue mich unsicher im Raum um, blicke aus dem Fenster, in meinen Vorgarten. Doch ich kann niemanden sehen. Ich sollte Prof. Nickels anrufen und ihm von den Fotos erzählen, auf denen er mit einem meiner Mädchen zu sehen ist. Wie sie breitbeinig gefesselt in seinem Bett liegt, er nackt über ihr. Wie in ihrem Gesicht pure Verzweiflung abzulesen ist. Auf den folgenden Bildern sieht man, wie er sich immer weiter vorbeugt, sie angeekelt die Augen schließt. Jeder würde sofort erkennen, dass sie am liebsten von dort verschwinden würde. Und jeder würde erkennen, dass dieses Mädchen, welches gequält unter dem massigen Körper vom Direktor unseres Colleges liegt, noch minderjährig ist. Auf dem letzten Bild sieht man, wie ich das Mädchen mit meinem schwarzen Toyota abhole. Ich würde, wie wahrscheinlich alle meine Kunden, in den Knast wandern. Wie lange man wohl sitzen muss, für Prostitution minderjähriger? Ein Schauer läuft meinen Rücken runter, als ich daran denke, mein restliches Leben hinter Gittern zu sitzen. Neben all den Männern, welche ihre Karriere und ihre Familie verloren haben würden, wegen mir. Weil irgendjemand dahintergekommen ist. Ich weiß nicht, wer es gewesen sein könnte. Ich habe keine Sozialen Kontakte. Meine Familie ist tot, Freunde habe ich nicht. Und arbeiten gehe ich auch nicht. Als meine Eltern vor drei Jahren bei einem Unfall starben und ich hierher in diese Vorstadt zog, vererbte ich genug Geld, um nie wieder arbeiten gehen zu müssen. Ich war am Abgrund nach ihrem Tod. Fand keinen Sinn in meinem Leben. Fühlte mich wertlos, unnütz. Dachte oft an Selbstmord. Bis ich all die Obdachlosen sah. Und die Chance, Geld zu verdienen, unglaubliche Macht zu haben und anderen zu helfen. Sowohl den Männern, welche ihre Einsamkeit und ihr Singleleben vergessen, als auch den Männern, die aus ihrem Familienleben mit dem Stress ihrer Frauen für einen Abend fliehen wollten. Es kann auch niemand der Mädchen gewesen sein. Oder keine ihrer Familien. Sie alle sind von dem Geld abhängig, welches die Mädchen durch mich verdienen. Deswegen habe ich Minderjährige aus armen Familien und Obdachlosen gesucht. Sie haben alle zugestimmt für mich zu arbeiten; sie oder ihre Familien. Ich zwinge niemanden. Natürlich genieße ich die Macht über sie, und ab und zu habe ich auch meinen Spaß mit ihnen. Aber bin ich deswegen ein schlechter Mensch? Ich helfe Menschen, um die sich unser Staat nicht kümmert. Also wäre es doch angemessen, meine Arbeit nicht als illegal anzusehen. Abermals überkommt mich ein ungutes Gefühl. Selbst wenn jemand all das herausgefunden haben sollte, warum hat er oder sie es nicht direkt der Polizei gemeldet, sondern mir dieses Handy zukommen lassen? Steif sitze ich auf diesem Sofa, das Handy ist inzwischen aus. Ich starre es verzweifelt an. Kneife mir in den Arm, in der Hoffnung all das könnte doch nur ein dummer Traum sein. Aber das ist es nicht. Ich sitze angespannt da, traue mich nicht mal richtig zu atmen. Plötzlich beginnt das Handy zu piepen. Ich erstarre, mein Herz setzt aus. Langsam hebe ich das Handy vom Sofa auf und schaue auf das blinkende Display. Eine rote Sprechblase bildet sich darauf ab und gibt mir zu erkennen, dass ich eine neue Nachricht empfangen habe. Mit rasendem Puls öffne ich den Messenger.

 

Ruinierst du jetzt schon das Leben unzähliger junger Mädchen und erfolgreicher Männer, mit loyalen Frauen an ihrer Seite, welche nichts von deinen illegalen Spielchen wissen? Du bist tief gesunken, Will. Aber damit ist jetzt Schluss. Ich werde dir dein Leben zur Hölle machen, bis du um Vergebung bettelst. Du wirst dir wünschen mich niemals kennengelernt zu haben. Das Blatt hat sich gewendet, William Clarkson!                                                          ~ E. McL.

 

PS: Ich bin auf deine nächsten Interaktionen gespannt. Wirst du dich wie ein Weichei zu Hause verstecken oder dein Geschäft am Laufen halten? Wirst du deinen Kunden alles beichten oder versuchen, mich ausfindig zu machen? Dies wird das nervenkitzligste Spiel deines Lebens werden, darauf kannst du wetten.

 

Ich versuche den Kloß in meinem Hals runterzuschlucken. Fieberhaft gehe ich alle Namen durch, die ich in meinem bisherigen Leben gehört habe, in der Hoffnung einer davon könnte auf die Initialen zutreffen. Wer immer diese oder dieser E. McL. Ist, will mit mir spielen. Will mich diese Person überhaupt der Polizei melden? Die Nachricht lässt nicht darauf schließen. Ich weiß jedoch mit hundertprozentiger Sicherheit, dass ich meine Kunden nicht ein Sterbenswörtchen darüber erzählen werde. Dann wäre alles vorbei. Und sollte E. mich wirklich nicht verraten wollen und nur ein krankes Spiel spielen wollen, könnte mein Geschäft doch noch gerettet sein.

Ich sitze noch immer im Wohnzimmer, inzwischen ist es draußen dunkel geworden, als mein eigenes Handy zu klingeln beginnt. „Hallo?“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung brummt mir vertraut entgegen. „Ja, guten Abend Clarkson. Ich wollte sie fragen, ob Selina; sie wissen schon, die neue junge mit den goldblonden Löckchen…naja, ob sie mir die jetzt noch spontan vorbeibringen können? Natürlich zahle ich dann auch mehr. Wie wäre der doppelte Preis?“ Unsicher rutsche ich auf dem Sofa umher. Der Schock von heute Mittag sitzt noch immer tief in meinen Knochen. Doch schlussendlich handle ich das Zusatzgeld noch etwas hoch und steige, weitaus nachdenklicher als sonst, in mein Auto. Ich fahre zum Bahnhof um mein neuestes Mädchen, Selina, in meinen Wagen zu holen. Der Vorteil an meinen Mädchen ist, dass ich sie jederzeit abholen kann. Ich brauche mir keine Gedanken zu machen, ob sie gerade in der Schule sind oder sich mit Freunden in der Stadt treffen. Als sie mich sieht, verschwindet ihr Lächeln. Sie schaut mich traurig an und steigt dann wortlos zu mir. Auf der Rückbank liegen frische Klamotten, die sie sich während der Fahrt anzieht. Außerdem nimmt sie eine Kosmetiktasche unter dem Sitz hervor und beginnt, sich dezent zu schminken und etwas Schmuck anzulegen. Jeder Kunde hat seine eigenen Vorstellungen von Kleidung und Style der Mädchen. Ruft ein Kunde mich an oder hat einen Termin vorreserviert, packe ich nur das passende Outfit auf die Rückbank und die Mädchen wissen sofort was sie tun müssen. Außerdem hat jedes Mädchen eine Besprechung mit meinen Kunden, bevor sie das erste Mal gebucht werden. Dort wird geklärt, was in etwa von ihnen erwartet wird und der Kunde kann sich das Mädchen noch einmal in Wirklichkeit anschauen.

Ich parke vor der Villa und Selina steigt mit traurigem Blick aus. „Ich warte hier auf dich. Bis in spätestens zwei Stunden.“, sage ich an sie gewandt und verschließe dann mein Auto von innen. Ich beobachte sie, wie Prof. Nickels sie hereinbittet und die Tür hinter ihnen schließt. Nervöser als sonst öffne ich das Handschubfach und hole das neueste Unterwäschemagazin heraus. Geistesabweisend blättere ich es durch, achte jedoch nicht auf potenzielle neue Wäsche für die Mädchen. Meine Gedanken schweifen immer wieder zum fremden Handy. Wer sollte mich so quälen wollen? Ich kann mich nicht an irgendjemanden erinnern, der sich an mir für irgendetwas rächen wollen würde. Erschrocken fahre ich zusammen, als ich das bekannte Piepen des Handys höre. Diesmal wurde mir ein Video geschickt. Ich höre Selina wimmern, Prof. Nickels Schnaufen übertönt es jedoch mit jeder Sekunde, die verstreicht. Das Bild, was sich mir bietet ist ähnlich wie das auf den Bildern. Ein Seufzer entfährt mir. Dieses Video wird live auf das Handy übertragen. Ich kann sehen, was genau in dieser Sekunde in der Villa passiert. Nun wird mir auch klar, dass mein Stalker die Kamera im Haus oder direkt in der Nähe des Fensters platziert haben muss. Verzweifelt drücke ich das Video weg. Eine Nachricht, blickt auf dem Bildschirm.

 

Na, wie ist es, live dabei zuzuschauen, wie ein 15-jähriges Mädchen von einem Lehrer misshandelt wird? Ob Geld oder nicht, sie sieht überhaupt nicht zufrieden aus. Aber zurück zum eigentlichen Thema: das Spiel hat begonnen! Und es gibt nur einen Gewinner. Ich kann dir die Spannung nehmen, der Sieger werde ich sein. Und nach all den Jahren werde ich endlich mit dir abschließen können. Ich werde meinen Frieden finden. Aber vorher will ich dich leiden sehen. Du hast fünf Tage, um herauszufinden wer ich bin. Danach steht die Polizei vor deiner Tür. Tag eins endet in weniger als drei Stunden. Beeil dich!                       ~ E. McL.

 

PS: Um es dir leichter zu machen darfst du mir jeden Tag eine Frage stellen. Viel Glück, Will!

 

Fünf Tage. Heilige Scheiße. Wie soll ich in fünf Tagen eine völlig fremde Person finden? Andererseits könnte das meine Chance sein, mein Geschäft zu retten. Ich habe fünf Fragen. Zuerst muss ich den Namen wissen. Eilig tippe ich auf das Handy, als es an meiner Fensterscheibe klopft. Vor Schreck zucke ich zusammen. Selina steht an der Beifahrertür und wartet, dass ich mein Auto aufschließe. Sie setzt sich und wirft mir einen Bündel Geldscheine in den Schoß. Ich bringe sie schnell zum Bahnhof zurück, sie zieht sich währenddessen wieder um, und drücke ihr großzügig das Geld in die Hand. Ihre Augen sind leer. sie mich an. „Bis dann.“ Ich kann nicht schnell genug wieder losfahren und sehe sie noch im Rückspiegel an der Straße stehen, bis sie sich dann abwendet und geht. Durch den minimalen Verkehr am Abend bin ich schnell zu Hause. Aufgeregt sitze ich in meinem Bett und tippe die erste Frage ins Handy. Mit einem winzigen Pips versende ich die Nachricht und warte. Ich sitze, das erste Mal seit dem Mittag, wieder voller Hoffnungen auf dem Bett und starre auf dem Chatverlauf. Die Minuten vergehen und mein Enthusiasmus sinkt immer und immer tiefer. Nach einer halben Stunde schließe ich das Handy und lege es auf den Nachtisch. Die Müdigkeit überkommt mich mit einem Mal und ich schaffe es gerade so, die Nachtlampe auszuknipsen, bevor ich in einen unruhigen Schlaf falle.

Ich schrecke aus meinem Schlaf hoch. Fahre mir über den stoppeligen Drei-Tage-Bart und versuche mich vergeblich an den Traum zu erinnern. Mein Blick schweift vom Fenster, welches einen grauen Himmel und Baumkronen zeigen, zum Nachttisch. Der Wecker zeigt an, dass ich bis 12 Uhr geschlafen habe. Das Handy daneben blickt, der Akku über Nacht wieder voll aufgeladen. Meine Müdigkeit ist sofort verflogen. E. McL. hat tatsächlich geantwortet.

Du möchtest also meinen Namen wissen. Guter Schachzug. Allerdings bezweifle ich, dass du dich noch an ihn erinnerst. Ich heiße Emily McLaren. Ja, ganz genau. Eine Frau steckt hinter diesem Spiel. Ich habe übrigens herausgefunden wo du wohnst. Glorylandstreet 22. Und einen schönen Toyota hast du. Schwarz wie deine Seele, nicht wahr? Dir bleiben noch vier Tage. Viel Glück, Will!                                                                                                   ~ E. McL.

 

Emily McLaren. Fuck. Ich habe keine Ahnung, wer diese Frau ist. Aber es macht mir Angst, dass sie meine Adresse kennt. Ich stehe in keinem Adressbuch. Woher hat sie all diese Informationen über mich? Beobachtet sie mich jetzt gerade? Ich muss mehr über sie herausfinden. Für heute bleibt mir noch eine Frage, aber darüber muss ich noch genauer nachdenken. Erstmal Kaffee. Dann kann ich besser denken. Heute ist Sonntag, also keine Kunden. Es kommt sehr selten vor, dass jemand für Sonntag ein Mädchen bucht. Also stöbere ich im Internet nach neuen Spielzeugen und Kleidungen für sie. Ich sitze mit einer Kaffeetasse und meinem Laptop am Küchentisch, neben mir ein schwarzer Hefter. Ich blättere darin umher, bis ich auf Selina stoße. Dieser Hefter beinhaltet all die Mädchen, welche bei mir angestellt sind. Ich habe über jede einen Steckbrief und eine Beschreibung erstellt, außerdem ein paar Fotos angeheftet und für jede von ihnen eine Liste, in denen der Tag, Zeitraum, Kunde und Geld stehen. Ich trage die Informationen von gestern in Selinas Liste ein und schließe den Ordner wieder. Dann bringe ich ihn und das restliche Geld von gestern in einen Tresor hinter einem Bild und widme mich wieder meinen Einkäufen. Nebenbei überlege ich, welche Frage mir bei der Suche nach Emily weiterhelfen könnte. Alter, Beruf und andere persönliche Fragen werden mir wahrscheinlich nicht weit bringen. Inzwischen ist es 17:43 Uhr und mein Magen knurrt. Vielleicht bestelle ich mir ja etwas zu Essen. Eine Pizza wäre jetzt das passende. Hungrig greife ich zum Handy und bestelle mir Abendessen. Schon wenig später sitze ich Pizza essend auf dem Sofa, als das Piepen des Handys ertönt.

 

Na, schmeckt die Pizza? Ich warte sehnsüchtig auf deine nächste Frage. Verschwende sie nicht unnötig! Du solltest das Spiel etwas ernster nehmen. Es geht um dein zukünftiges Leben. Wenn du dir keine Mühe gibst, wirst du so schnell kein Fast Food mehr zu Gesicht bekommen. Aber die Pampe im Knast schmeckt bestimmt auch ganz passabel.                               ~ E. ML.

 

Emily schafft es, mir den Appetit dermaßen zu verderben, dass ich die Pizza innerhalb von Sekunden im Müll versenkt habe. Mir ist schlecht. Kotzübel. Denn sie hat recht. Im Knast wird das Essen scheußlich schmecken. Aber soweit werde ich es nicht kommen lassen. Eine ebenbürtige Frage? Die habe ich für sie. Diesmal antwortet sie schon nach höchstens zehn Minuten.

 

Ah, eine sehr gute Frage. Warum will ich mich an dir Rächen? Nun, du hast meine Karriere zerstört. Mein Leben war mit einem Schlag vorüber. Und nun sollst du das gleiche Leid erfahren. Aber auch das wird dir nicht helfen, hab‘ ich recht?                                      ~ E. ML.

 

Ich habe noch nie jemandem geschadet. Sie verwechselt mich. Da muss ein Fehler vorliegen. Ich würde niemals die Karriere eines Menschen zerstören. Und mich dann noch nicht mal daran erinnern. Nein. Unruhig räume ich die Küche auf und überlege eine Runde Spazieren zu gehen, um meinen Kopf klarer zu machen. Allerdings könnte Emily überall da draußen lauern.  Also verwerfe ich diese Idee direkt wieder und nehme ein Bad, bevor ich stundenlang wachliege und irgendwann doch einschlafe.

Nachdenklich sitze ich am Tisch. Das Frühstück kaum angerührt. Ich schiebe den Teller appetitlos beiseite. Seit Emily mein Geheimnis herausgefunden hat, kann ich weder richtig durchschlafen, noch entspannt essen. Mir bleiben noch drei Tage. Doch ich habe keinen blassen Schimmer, wer Emily sein könnte. Wie konnte sie überhaupt davon erfahren? Meine Augen weiten sich und ich schnappe mir das Handy. Ich habe Angst, schon wieder keine hilfreichen Informationen zu erhalten, doch mir bleibt nichts anderes übrig. Meine Nachricht erscheint in unserem Chat und ich packe das Handy zurück in meine Hosentasche. Ich muss mich irgendwie ablenken. Also gehe ich in den Garten und beginne, das Unkraut aus dem Beet zu rupfen. Ich habe mich noch nie sonderlich um meinen Garten gekümmert. Doch schon nach wenigen Minuten vergesse ich all den Stress und konzentriere mich vollkommen darauf, die vertrockneten Blumen auszubuddeln und neben mich auf den Rasen zu werfen. Als das Beet nur noch ein Fleck umgegrabener Erde ist, fahre ich voller Motivation in den Baumarkt und kaufe neue Pflanzen. Auf dem Rückweg beginnt das Handy zu piepen und sofort sind meine Sorgen zurück.

 

Ich arbeite als Reinigung beim Professor. Eines abends fuhr ich noch einmal zu ihm, da ich meinen Schlüssel vergessen hatte. Ich ging durch den Garten zum Hintereingang, als ich ihn durchs Fenster mit dem Mädchen sah. Also wartete ich zwischen der Hecke und sah, wie das Mädchen zu dir ins Auto stieg. Durch die Fensterscheibe erkannte ich dein Gesicht. Also entschied ich mich, dich weiter zu beobachten. Hilft dir das weiter?                                                                                                                             ~ E. ML.

 

Eine Putzfrau. Beschämt wird mir klar, dass ich ihre Karriere zerstört habe, sie deswegen wahrscheinlich als Putzfrau arbeitet und mich dadurch gefunden hat, um mein Leben zu zerstören und sich zu rächen. Verzweifelt stoße ich ein Lachen aus. Die neuen Pflanzen stehen in Blumentöpfen auf der Terrasse und warten darauf eingepflanzt zu werden. Doch dafür habe ich jetzt keine Kraft. Ich fühle mich ausgelaugt. Hilflos. Wenn ich nicht bald herausfinde, wer sie ist, steht übermorgen die Polizei vor meiner Tür. Dann ist es ein für allemal vorbei. Auf meinem Sofa sitzend sacke ich in mich zusammen. Verdammte Scheiße. Wer ist diese Frau? Woher kennt sie mich? Abermals hole ich das Handy heraus und stelle ihr genau diese Frage. Ich muss es einfach wissen. Zu meiner Überraschung erhalte ich sofort eine Antwort.

 

Diese Frage wird des Rätsels Lösung sein. Aber du hast die heutige Frage schon gestellt. Tut mir leid, Will.                                                                                                                   ~ E. ML.

 

Nein. Ich muss die Antwort jetzt haben. Ich kann nicht länger warten und hoffen, dass dieses kranke Spiel ein Ende nimmt. Also rufe ich die Nummer an. Ich denke schon fast, dass Emily nicht abnehmen wird, als ich eine, zu meinem Erstaunen bekannte Stimme höre. „Hallo Will.“ Ihre Stimme ist kalt. Ich kann ihren Hass heraushören. „Sag mir, woher du mich kennst. Ich muss es wissen. Das alles soll ein Ende finden. Und zwar schnell!“, rede ich aufgebracht. Ich versuche mich zurückzuhalten, doch meine Stalkerin zu hören, macht mich wütend. Ich überlege krampfhaft, woher ich ihre Stimme kenne, doch es fällt mir einfach nicht ein. „Nun gut. Allerdings wird dies dann deine letzte Frage gewesen sein.“ Sollte ich das Risiko eingehen? Was, wenn ich sie immer noch nicht erkenne? „Ach Will, du bist erbärmlich. Traust dich nicht mal es zu riskieren, obwohl du weißt, dass am Ende so oder so nur ich gewinnen kann.“ Mein Körper bebt. Ich muss mich beherrschen, nicht ins Handy zu schreien. „Na gut. Sag es mir.“ Ich drohe fast zu explodieren. Angst, Wut, Verzweiflung und Sorge machen sich in meinem Körper breit. Das Handy gleitet mir fast aus den Händen. Nach einer kurzen Pause beginnt Emily zu erzählen. „Du hast mich damals vor allen bloßgestellt. Hast mir die Chance, Karriere zu machen, zerstört. Ich war am Boden. Meine Familie und Freunde haben mich verlassen. Ich war allein. Und warum? Weil ich mit dir Schluss gemacht hatte. Du warst ein toller Freund, wirklich. Ich habe versucht dir alles zu erklären, aber du warst so wütend auf mich.“ Während sie redet wird mir auf einen Schlag klar wer Emily ist. Ich hätte niemals gedacht, dass wir uns jemals wiedersehen würden. Hatte sie schon längst aus meinem Gedächtnis verdrängt. Mir war nie klar, wie sehr ich ihr Leben kaputt gemacht habe. Schulgefühle nagen sich in meinen Kopf. „Ich habe dir gesagt, dass es nicht an dir liegt. Dass ich dich als meinen besten Freund nicht verlieren möchte. Aber so wie alle anderen, hast du dich von mir abgewendet. Weil ich Frauen liebe. Aber anstatt mich nur zu verlassen, hast du es der Welt verkündet. Ich hatte nie die Gelegenheit dazu, mich bei irgendjemandem selbst outen zu können. Das hast du mir genommen. Wie mein restliches Leben. Und jetzt lebe ich in dieser Vorstadt. Arbeite als Reinigung und muss mich mit meiner Freundin als Cousinen ausgeben, da niemand zwei Lesben eine Wohnung mieten lässt. Ich hasse diesen Drecksort. So sehr, wie ich dich hasse. Und jetzt habe ich endlich die Chance mich an dir zu rächen. Du bist ein perverses Arschloch, William Clarkson! Fahr zur Hölle.“ Schweißnass sitze ich auf meinem Sofa. Ich zittere so sehr, dass ich das Handy fest an mein Ohr pressen muss. „Es tut mir aufrichtig leid. Ich kann dir als Entschädigung Geld geben. Ich habe genug. Davon kannst du dir und deiner Freundin ein schöneres Haus kaufen.“ Ihr Lachen dringt in mein Ohr und ich senke den Kopf. Natürlich reicht ihr das nicht. Ich habe verloren. Sie hatte von Anfang an recht. „Steck dir dein Geld sonst wo hin!“ „Aber ich habe gewonnen. Ich habe es geschafft, dich innerhalb von fünf Tagen zu identifizieren.“ Diesmal schnaubt sie verächtlich. „Das schert mich einen Scheiß. Genieß morgen deinen letzten Tag in Freiheit. Um 11 Uhr werden Übermorgen die Cops vor deiner Tür stehen. Und dann wirst du endlich deine verdiente Strafe erhalten.“ Das Piepen ertönt und sie ist weg. Ich breche zusammen. Tränen der Trauer und Wut steigen in meine Augen. Mein Leben ist vorbei. Alles, was ich mir erarbeitet habe. Einfach futsch. Ich bleibe den ganzen Tag zusammengekauert auf dem Sofa liegen, ignoriere die Anrufe der Kunden. Bis es abends an meiner Tür klopft. Mit dunklen Augenringen, struppigen Haaren und rot unterlaufenen Augen öffne ich. Kaum sehe ich die dunkle Gestalt vor mir, spüre ich einen unglaublichen Schmerz von meinem Schädel durch meinen gesamten Körper zucken. Dann wird alles schwarz und ich liege bewusstlos auf dem Boden.

Benommen komme ich wieder zu mir. Mein Kopf fühlt sich an, als wäre er in der Mitte durchgespalten worden. Ich spüre trockenes Blut an meiner Stirn kleben. Meine Hände und Füße sind an die Stuhllehnen gefesselt. Was passiert hier? Ist Emily in mein Haus eingebrochen, um sich jetzt anders an mir zu rächen? Ich weiß nicht, wie sie aussieht. Aber die Gestalt vorhin in meinem Türrahmen war so groß wie ich. Ich höre die Uhr an der Wand ticken. Ansonsten ist es still. Ist der Einbrecher in der Küche? Ich habe Panik und versuche verzweifelt mich aus den Fesseln zu befreien. Vergeblich. Im Augenwinkel nehme ich eine Bewegung rechts von mir wahr. Ruckartig blicke ich in die Richtung. Und erstarre. Das ist unmöglich. Ich muss träumen. Der Schock wegen Emily muss mich in den Wahnsinn getrieben haben. Fest kneife ich meine Augen zusammen, doch als ich sie wieder öffne, steht die Gestalt noch immer vor mir. Dunkle Haare, moosgrüne Augen. Ein schadenfrohes Lächeln auf den Lippen. „Das kann nicht sein.“, flüstere ich ängstlich. Vor mir steht ein Mann Mitte 20. Ich kenne dieses Aussehen. Das bin ich. Aber… Nein, das kann ich nicht sein. Das sind nicht meine Klamotten und generell, wie sollte ich vor mir selbst stehen? Sein Lachen ist tief. „Mach den Mund zu, William.“ Meinen Namen spuckt er aus, als hätte er in etwas Fauliges gebissen. „Wer bist du ? Wie…Wie kann das Sein?“ tausend Fragen schießen mir durch den Kopf. „Ich bin Adam Clarkson. Dein Zwilling.“ Das wird mir zu viel. Das wenige Essen der letzten Tage bricht mit einem Mal aus mir heraus und verbreitet sich auf den Fliesen. Erst Emily, dann das. Ich habe keinen Zwilling. Und warum sollten meine Eltern mir sowas verschwiegen haben? Warum hat er nie bei uns gelebt? „Dein fragender Blick ist Gold wert. Du müsstest dein dummes Gesicht sehen, wie du mich angaffst. Als wäre ich ein Gespenst.“ Während er redet stellt er sich breitbeinig vor mich. Seine Hände in den Jackentaschen verborgen. „Unsere Eltern haben mich als Baby ausgesetzt. War ihnen wahrscheinlich zu viel Stress. Aber fragen konnte ich sie ja nie, da ja alle tot sind! Ich habe mein Leben lang auf der Straße gelebt. Mich am Abgrund der Existenz befunden. Und nun will ich mich rächen. An dir, dass du ein Leben mit Familie und Geld hattest, während ich hungernd in Mülltonnen nach Essbarem gesucht habe.“ Er kommt einen Schritt auf mich zu und zieht ein Küchenmesser aus seiner Tasche. Es spiegelt das Licht des Mondes. Ein Wimmern entfährt mir. „N-nein, bitte nicht. Ich kann dir soviel Geld geben, wie du möchtest.“ Schon zum zweiten Mal an diesem Tag, biete ich jemandem mein  Geld an. Aber auch er wirkt nicht zufrieden. „Nein Will, so läuft das nicht. Ich töte dich und dann gehört das alles mir. Ich werde deine Identität annehmen und niemand wird es bemerken.“ Er grinst mich an und eine Träne rollt über meine Wange. In den Knast zu wandern ist die eine Sache, aber dem qualvollen Tod durch Messerstiche ins Auge zu schauen ist noch was ganz anderes. „Bitte, ich tue alles was du willst! Es wäre dumm von dir, mich zu töten. Bitte vergib m…“ Weiter komme ich nicht, denn Adam überwindet den Abstand zwischen uns und rammt mir das Messer in den Bauch. Blut schießt aus der offenen Wunde und verteilt sich auf den Boden. Bevor ich schreien kann, spüre ich das Messer an tausende Stellen in meinen Körper bohren. Ich krümme mich qualvoll auf dem Stuhl. Das warme Blut überall spürend. Ein letztes Mal schaue ich in die Augen meiner selbst. Dann sacke ich leblos zusammen.

 

Eine Blutlache auf dem Küchenboden. Das Mordmesser darin badend. Schwer atmend lehne ich am Kühlschrank, mit einem rachsüchtigen Lächeln auf meinen Lippen. Er ist tot. Endlich. Von nun an, bin ich der neue, der bessere, William Clarkson. Ich wische mir die blutverkrusteten braunen Haare aus dem Gesicht und betrachte die Gartenschere zwischen meinen Fingern. Ich habe sie, nachdem mein Bruder auf dem Stuhl zusammengesackt war, unbenutzt im Gartenhäuschen gefunden. Vor mir liegt, zerstückelt und in mehrere Leinsäcke verteilt, sein lebloser Körper. Ich wasche mir das Blut ab und ziehe frische Klamotten an. Dann begebe ich mich in den Garten und beginne, das Beet auszuschaufeln. Schweiß rinnt meinen Rücken hinunter. Nur eine Taschenlampe beleuchtet den Garten. Als das Loch tief genug ist, geht bereits die Sonne auf. Schadenfroh verfrachte ich die Überreste der Leiche ins Loch und beginne, die Erde zurückzuschütten. Inzwischen brennt die Mittagssonne in meinem Nacken. Als die Leinsäcke vollkommen mit Erde bedeckt sind, pflanze ich neue Blumen ein, die in Blumenkübeln auf der Terrasse stehen. Ich bin erschöpft, doch bevor ich mein neues Haus begutachten und mich schlafen legen kann, muss ich das Blut und die weiteren Überreste in der Küche beseitigen. Ich schrubbe den Boden, säubere Messer und Gartenschere gründlich und desinfiziere alles. Dann verbrenne ich die, mit Blut vollgesogenen Lappen und meine Kleidung im Kamin und spüle die Asche im Klo runter. Danach dusche ich und lege mich zufrieden ins Bett.

Um halb neun wache ich auf und mache mir Frühstück. Setze mich vor den Fernseher und zippe durch die Kanäle. Die Couch ist bequem. Aber das Bild darüber stört mich. Also nehme ich es ab. Dahinter erscheint ein in die Wand eingelassener Tresor. Verwundert begutachte ich ihn. Er ist eines der billigeren Produkte, weshalb ich ihn nach wenigen Versuchen aufgebrochen bekomme. Dahinter strahlt mich ein riesiger Berg Geldscheine an. Davor liegt ein schwarzer Hefter. Ich setze mich wieder auf die Couch und blättere darin umher. Mit jeder Seite verschwindet mein Lächeln mehr und mehr. Scheiße. Was hatte mein Bruder hier am Laufen? Ich muss schlucken. Dann fällt mir das Handy auf dem Tisch auf und ich schaue es an. Darauf sind Fotos von Mädchen und alten Männern. Auf einem ist auch Will zu sehen, wie er die Mädchen abholt. Und ein Chat, in dem eine Emily McLaren sein Geheimnis entlüftet hat. Er war in illegale Machenschaften verwickelt und wurde erwischt. „Fuck!“, rufe ich laut aus, feuere den Hefter auf den Boden und trete gegen das Gemälde. Fieberhaft überlege ich nach einer Lösung. Doch aus dieser Sache gibt es für mich keinen Ausweg. Ich müsste mich der Polizei wegen Mordes stellen und diese Strafe wäre noch weitaus schlimmer. All das Reichtum, wegen sowas zerstört. Soll Will in der Hölle schmoren! Unerwartet klingelt es an der Tür. Mit einem mulmigen Gefühl öffne ich und zwei Polizeibeamte stehen vor mir. „William Clarkson? Sie sind verhaftet wegen Prostitution Minderjähriger.“

 

Katharina Simon

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