CaraDer Autor

Der Autor 

Amelia Albers parkte ihr Auto vor dem Gartentor. Dann wollen wir mal, seufzte sie. Sie hatte keine großartige Lust auf das, was nun kam. Nur wegen ihm, damit er keine blöden Fragen stellte, warum Teile des Gartens umgegraben waren, muss ich jetzt auch noch Blumen einpflanzen. Damit er denkt, ich hätte ein neues Beet angelegt, dachte sie und stieg aus. Sie schloss das Gartentor auf, öffnete den Kofferraum und schleppte nach und nach die verschiedensten Blumenarten auf ihre Terrasse. Die dünnen Latexhandschuhe, die sie zuvor übergezogen hatte, behielt sie direkt an. 

Sie ging ins Haus, die alte knarzende Treppe hinauf in ihr abgedunkeltes Arbeitszimmer und machte sich an die Arbeit. Amelia rollte eine Plane aus und wickelte die Leichenteile mit gekonnten und routinierten Handgriffen in diese ein. Sie streckte sich. Puh, der Typ -oder besser, seine Einzelteile- waren schwerer, als sie gedacht hatte. Egal, dafür war er so leicht rumzubekommen, wie noch nie einer zuvor. Das machte die jetzige Anstrengung wieder weg. Während sie sich streckte, wanderte ihr Blick auf ihren Schreibtisch. Was war denn das?

Auf ihrem Schreibtisch stand eine alte Schreibmaschine, links in der Ecke. Amelia benutzte sie zwar nicht, aber sie fand, dass diese einen gewissen Charme versprühte und deshalb gut hier hineinpasste. Aber auf der Seite, die in der Schreibmaschine steckte, war doch etwas geschrieben! Amelia trat näher heran. 

Ich weiß, was du getan hast. Ich habe Beweisfotos gemacht. Ich will Rache! Du wirst untergehen!“ 

Ihr stockte der Atem. Was zur… Wie ist das möglich… War jemand… Ihre Gedanken flogen wild in ihrem Kopf herum, obwohl sie zeitgleich nicht wusste, was sie denken sollte. Sie begann hektisch zu atmen, fuhr sich immer wieder mit ihren Fingern durch die blonden Haare und ließ ihren Blick abwechselnd von der Schreibmaschine hinüber zu den Leichenteilen wandern. Und was war das? Aus den Augenwinkeln sah sie ein Handy auf der Kommode neben dem Schreibtisch liegen. Sie griff instinktiv in ihre rechte Hosentasche. Da war es doch. Das konnte also nicht ihres sein. Sie lief hinüber zu der Kommode.

Wie kommt dieses Handy in meine Wohnung? Und vor allem, wem gehört es? Amelia nahm das Handy in die Hände, drehte es hin und her, begutachtete es von allen Seiten. Sie wusste selbst nicht, was sie hoffte zu finden.

Moment! Die Hülle erinnerte sie an jemanden. Konnte das sein? Unmöglich. Er war doch auf Geschäftsreise! Einen Versuch war es trotzdem wert. Sie drückte den Homebutton des iPhones und der Sperrbildschirm ploppte vor ihr auf. Sie stieß einen Seufzer aus. Amelia war erleichtert. Ihre Vermutung hatte sich nicht bestätigt. Das Hintergrundbild zeigte eines dieser vorinstallierten Standardbilder, kein persönliches von sich und ihm, wie sie erst befürchtet hatte. Ein Glück, dachte sie, auch wenn ich so immer noch nicht weiß, wessen Handy das ist und wer verdammt noch mal hier war! Ihre linke Hand ballte sich zu einer Faust. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Amelia setzte sich auf den Boden, lehnte ihren Kopf an der Kommode an und schloss für ein paar Sekunden ihre Augen. 

Oh nein! Als sie sie wieder öffnete sah sie etwas, was sie bis dato noch nicht wahrgenommen hatte. Für Details war sie im Moment viel zu aufgewühlt. Auf dem Boden vor ihren Füßen lag eine Jacke. Sie kannte diese Jacke, ganz sicher. Und sie war sich noch bei etwas anderem sicher. Ihre Vermutung musste doch stimmen. Er hatte mir doch erzählt, dass er sich ein neues iPhone bestellt hatte. Scheinbar hatte er es noch nicht eingerichtet. Deshalb das vorinstallierte Hintergrundbild. Sie drückte erneut auf den Homebutton und gab im Tastenfeld den Zahlencode ein. 0606. Das Datum, an dem sie sich kennengelernt hatten. Der Sperrbildschirm verschwand und wurde durch den Fotoordner ersetzt. Bevor Amelia weiter darüber nachdenken konnte, dass das wirklich sein Handy sein musste, klickte sie wie automatisiert auf das erste Foto. Dann wischte sie weiter und weiter. Das Arbeitszimmer, die Leichenteile, das Blut, die Werkzeuge. All das, was sie vor sich auf dem Boden liegen sah, das Zimmer, in dem sie sich befand, sah sie auch auf dem Handy vor sich. Amelia zog sich an der Schreibtischplatte hoch und warf einen erneuten Blick auf die Schreibmaschine. Sie las die wenigen Sätze nochmals, die ihre Welt vor ein paar Augenblicken komplett durcheinandergebracht hatten. 

…Beweisfotos gemacht… Beweisfotos?! Die Fotos, die sie eben mit ihren eigenen Augen gesehen hatte? Mit dem Handy, welches sie noch immer in ihren Händen hielt? Der wird ja wohl nicht zusätzlich seine Spiegelreflexkamera rausgeholt und mir das Handy freiwillig überlassen haben, dachte sie. Auf einmal umspielte ein leichtes Lächeln ihre Mundwinkel. Sie zog sich weiter an der Schreibtischplatte hoch, so dass sie wieder richtig auf beiden Füßen stand. Jetzt ist mir alles klar, du musst es gewesen sein und willst mich jetzt der Polizei ausliefern. Hast nicht den Mumm, dich mir persönlich entgegen und zur Rede zu stellen. 

Tobias du Dreckskerl! Tobias Schöne war noch nicht allzu lange Amelias Freund, sie hatten sich kurz nach ihrem Umzug in dieses langweilige Felderdorf, wie sie es nannte, kennengelernt. Da die beiden noch nicht so lange ein Paar waren und vor allem Amelia es sehr langsam angehen wollte, waren sie noch nicht zusammengezogen. Trotzdem hatte sie sich von ihm breitschlagen lassen, dass sie sich gegenseitig die Haustürschlüssel gaben. Das Arbeitszimmer hatte sie sowieso immer verschlossen, auch schon all die Jahre zuvor, in denen sie immer alleine in ihrem jeweils aktuellen Haus gewohnt hatte. Nur eben heute nicht. Als sie zum Blumenkaufen losgehfahren war. Weil sie sich sicher gefühlt hatte. Sicher deshalb, weil dieser scheiß Dreckskerl erst in verfluchten drei Tagen wieder zurückkommen sollte! Er hatte bei ihrem gestrigen Telefonat, auf welches er nebenbei bemerkt tagtäglich seit seiner Abreise bestand, auch nichts davon erwähnt, dass er früher den Heimweg antreten wollte. Romantisch wie er war, wollte er mich mit Sicherheit überraschen, fuhr es Amelia durch den Kopf. Naja, überrascht hat er mich ja schon irgendwie, und ich ihn bestimmt auch…

Amelia machte sich auf den Weg zu seiner Wohnung. Vielleicht würde er noch dort sein und ich könnte ihn hierher zurück locken, um es zu Ende zu bringen,überlegte sie. 

 

Es ging schneller, als er gedacht hatte. Die vielen Informationen über Amelias Leben und ihre Taten hatte er zügiger zusammenbekommen, als er eigentlich geplant hatte. Zum Glück hatte sie ihm das mit der Geschäftsreise abgekauft und endlich mal das Haus verlassen. So konnte er schließlich das Finale einleiten. Ich bin fast am Ziel angekommen, sagte er zu sich selbst. Wie werden die nächsten Schritte aussehen?

Rums. Eine Tür knallte gegen eine Wand. War das etwa meine Haustüre? Tobias setzte vorsichtig einen Schritt aus seinem Wohnzimmer heraus in den Flur. Da sah er sie schon. Das kann ja jetzt heiter werden. Angst verspürte er keine. Eher Vorfreude. Lassen wir dieses kranke Spiel endlich in die letzte und alles entscheidende Runde laufen. „Hallo meine liebe Amelia. Na, freust du dich, dass ich schon zurück bin?“. Tobias lächelte provokant in ihre Richtung. Amelia fixierte ihn, seit sie ihn erblickt hatte. Aber sie würde ihm nicht direkt den Schädel einschlagen. Sie würde ruhig bleiben und ihn in falsche Sicherheit wiegen. „Hallo Tobias. Selbstverständlich. Wie war die Reise?“. Tobias hob eine Augenbraue. Er hatte erwartet, dass sie auf ihn losgehen würde, ihm drohen oder ihn direkt verletzten würde. Aber sie sprach entspannt. Fast so, als würde ihr das hier Spaß machen. 

Aber nicht mehr lange, dachte Tobias. Um sie etwas zu verunsichern, werde ich ihr erzählen, dass ich die Bilder schon der Polizei habe zukommen lassen. „Die Reise war äußerst erfolgreich, deshalb bin ich früher abgereist, um schneller wieder bei dir zu sein. Ich wollte dich überraschen, aber den Part hast du mir ja wohl eindeutig abgenommen. Nichts ahnend suche ich dich und finde stattdessen einen zerstückelten Mann. Ich habe dich ja schon länger für ziemlich durchgeknallt gehalten, aber dein wahres Gesicht ist noch abscheulicher, als ich gedacht habe.“ Amelia stutzte. Was meinte er mit „schon länger“? Hatte er etwas geahnt? Hatte er sie etwa schon seit einiger Zeit ausspioniert? Bevor sie ihn fragen konnte, setzte er erneut an. „Weißt du, egal was nun passiert, was du mir antust, ich werde gewinnen. Du kannst mir nichts anhaben und deine Karriere ist vorbei. Die Bilder sind bei der Polizei und sie wird auch gleich hier sein. Entweder, sie retten mich noch oder sie erwischen dich, nachdem du mir etwas angetan hast. Zugegeben, ich würde deinen Abgang schon gerne noch sehen. Aber immerhin habe ich die Gewissheit, dass du in den Knast gehst. Ob ich das nun lebend erfahre oder nicht.“ Tobias versuchte Amelia einzuschüchtern. Er verspürte noch immer keine Angst, sie hatte schließlich noch nie jemanden umgebracht, den sie kannte. Also würde sie ihm bestimmt nichts tun und dann auch noch die Drohung mit der Polizei. 

In Amelias Kopf arbeitete es. Sie verknüpfte die Infos, die Tobias sagte blitzschnell und verarbeitete alles zu einem neuen Plan. „Tobias, das kannst du mir nicht antun! Du weißt doch gar nicht, warum ich das getan habe! Bitte, höre mir doch zu. Ich erkläre dir alles!“ Amelia schlüpfte mühelos in die Rolle der unterwürfigen, verängstigten Frau. Dieses Talent, in Sekundenschnelle ihre Persönlichkeit zu ändern, hatte ihr schon oft geholfen. Scheinbar sollte es auch dieses Mal wieder so sein. Sie wiegte Tobias in 

Sicherheit. Er glaubte, er habe die Kontrolle über die Situation und würde aus dieser als Sieger hervorgehen. „Ich will dir alles erklären, aber dazu musst du mit mir kommen. Zurück in mein Haus. Ich will dir etwas zeigen, damit du mich besser verstehst. Bitte komm mit mir! Hinterlass der Polizei einen Zettel, dass du bei mir bist. Dann können sie dorthin kommen. Aber bitte höre mir zu!“ Über Amelias Wangen liefen mittlerweile Tränen. Sie hatte den Blick gesenkt und schaute betreten auf ihre Füße. Tobias war verwundert. Damit hatte er nun nicht gerechnet. Was sollte er tun? Sollte er wirklich mit ihr in ein Auto steigen und zu ihr fahren? Sollte die Festnahme nicht besser direkt hier vollzogen werden? Nein, er würde mit ihr gehen. So würde er vermutlich noch mehr Informationen bekommen. Das lässt sich eigentlich viel besser mit meinen weiteren Planungsschritten vereinbaren. Alles läuft gut. „Bist du bewaffnet?“. Amelia rollte innerlich mit den Augen. Er sollte einfach mit ihr kommen, dann wäre die Sache schnell erledigt. „Nein“, schluchzte sie. „Ich habe keine Waffe dabei, ich will dir ja nichts tun.“ Oder besser, ich will dir hier nichts tun und eine Waffe brauche ich für einen Schwächling wie dich vorerst nicht, die kommt später, ergänzte sie in Gedanken. Tobias schaute in ihren Jackentaschen und unter ihrem Pullover nach. Er war sich sicher, dass sie unbewaffnet war. „Ok, dann los, aber ich fahre!“ Nicht, dass sie ihn noch woanders hinbrachte, wenn er sie ans Steuer lassen würde. 

Als sie an Amelias Haus angekommen waren, setzten sie sich in das geräumige Wohnzimmer. Amelia begann zu erzählen. Ich sage ihm die Wahrheit, dann kann er sich in seinem Ruhm sonnen, eine Mörderin ertappt und eine Autorin zu Fall gebracht zu haben und dann wird ihn das gleiche Schicksal ereilen, wie dem Typen, der oben in meinem Arbeitszimmer liegt. Die Polizei kann er noch gar nicht alarmiert haben. Die wäre doch schon längst da und über seinen neuen Aufenthaltsort hat er sie auch nicht informiert. Wahrscheinlich ist ihm noch nicht mal aufgefallen, dass er sein Handy auf meiner Kommode hat liegen lassen. So ein Dummkopf. „Du hast die Leiche oben gesehen. Und du fragst dich sicher, ob ich das schon einmal gemacht habe. Die Antwort ist ja. Schon viele Male. Für jeden meiner Bestseller habe ich mindestens einen Menschen umgebracht. Sie dienen mir dazu, dass ich die Morde perfekt beschreiben kann. Ich ziehe ungefähr nach anderthalb Jahren um, immer in eine andere Stadt, immer möglichst abgeschieden in ein Haus mit Garten. Nachdem ich sie umgebracht habe, vergrabe ich sie im Garten. Dann schreibe ich mein Buch und nach der Veröffentlichung grabe ich die Leichen wieder aus und verbrenne sie. So ist der Zersetzungsprozess schon eingetreten und ich habe weniger Arbeit beim Verbrennen. Die Asche verstreue ich auf irgendeinem See oder im Meer, falls ich mal in Küstennähe wohne. Dann ziehe ich um und das Prozedere beginnt erneut. Warum ich noch nicht erwischt worden bin, fragst du dich? Ich suche mir immer Obdachlose, die alleine auf der Straße leben. Ich verspreche ihnen entweder, dass ich Essen oder Kleidung für sie habe oder eine Unterbringung. Manchmal musste ich auch vorgeben, dass sie einen gewissen körperlichen Dienst von mir haben können. Sie werden nicht vermisst und so wird niemand auf mich aufmerksam.“ Sie schwieg kurz. „Ich muss das tun! Ich muss doch irgendwie mein Geld bekommen. Das ist ein Job wie jeder andere. Viele Autoren recherchieren umfangreich für ihre Geschichten. Sie reden zum Beispiel mit Opfern von Gewalttaten und lassen sich ihre Gefühle beschreiben. Nichts anderes mache ich doch auch. Und ich nehme Menschen, die keinem fehlen. Ich füge also keinen anderen Menschen durch den Verlust großes Leid zu. Ich erlöse sogar die Obdachlosen von ihrem Elend auf der Straße. Auch ich tue meinen Teil für die Gesellschaft.“ Alles war gesagt. Jetzt kann er sich freuen, was er alles der Polizei über mich berichten kann, dachte sie. Ich muss nur noch rüber zum Schrank, meine Waffe holen. Sie presste ein paar dicke Tränen hervor. „Verstehst du mich? Am Anfang sollte das eine einmalige Sache werden. Ich wollte nur einmal sehen, wie ein Mensch stirbt. Ich dachte, dass würde für alle folgenden Bücher reichen. Aber ich brauchte immer neue Informationen, neue Szenarien, neue Methoden. Ich muss an meinen Erfolg anknüpfen, ich darf nicht untergehen.“ Weitere Tränen liefen ihr über die Wangen. „Ich brauche ein Taschentuch“, sagte sie und ging hinüber zum Schrank. Sie ließ die Schusswaffe unauffällig unter ihren Pullover gleiten. Sie setzte sich wieder neben Tobias auf das Sofa. „Was denkst du jetzt?“, fragte sie ihn. „Kannst du mich verstehen?“. Ja klar meine Liebe. Deine Erklärung ist so ergreifend, ich habe richtig Mitgefühl für dich. Du armes Ding musst das tun, hast keine andere Chance, um dein Geld zu verdienen. Tobias musste sich beherrschen. Schön in der Rolle bleiben. Gleich hast du sie und du kannst das alles hier beenden. „Ich kann gar nicht glauben, was du da erzählst. Ich muss das erstmal verarbeiten.“ Schon klar, dachte Amelia. Das ist wohl alles etwas zu viel für dein schwaches Gemüt, nicht wahr?Sie wollte ihn aber unbedingt noch bloßstellen, bevor sie ihn umbrachte. Dachte, er hätte mich in der Tasche und dann lässt er einfach das Handy mit den Beweisfotos bei mir liegen. Wie dumm kann man sein? Ein Gefühl von Überlegenheit überkam sie. „Tobias, was ich dich noch fragen wollte, du hast doch Beweisfotos gemacht. Darf ich sie sehen?“. „Was soll dir das denn nützen? Du weißt doch, was du getan hast. Ich zeige dir gar nichts, ich werde draußen auf das Eintreffen der Polizei warten. Ich kann nicht mehr mit dir in einem Raum sein.“ Tobias erhob sich und wollte in Richtung der Haustüre gehen. Doch plötzlich sah er aus den Augenwinkeln, wie Amelia eine Schusswaffe hinter ihrem Rücken hervorzog und auf ihn richtete. „Du bleibst schön hier! Nichts wirst du tun! Weder jetzt noch irgendwann anders! Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dich einfach so gehen lasse und du mich verrätst?! Wie naiv bist du eigentlich? Ich erzähle dir alles bis ins Detail und dann lasse ich mich verhaften?! Gebe einfach so auf?! Du fühlst dich mir gegenüber überlegen, du denkst, dass du die Fäden in der Hand hast. Dass du der Schlauere von uns Beiden bist, der mit dem Plan. Aber da irrst du dich. Ich habe von Anfang an meine nächsten Schritte geplant. Da kann auch dein plötzlicher Überraschungsbesuch nichts dran ändern. Ich kann neu planen, ich habe immer einen Plan B. Ich war tatsächlich unbewaffnet bei dir. Deshalb wollte ich dich hierherbringen. Außerdem ist es bei mir ruhiger, als bei dir. Hier hört keine Menschenseele einen Schuss oder deine qualvollen Schreie. Aber ich wollte mir davor noch dein Gesicht ansehen, wenn dir klar wird, dass du in der Falle sitzt und wie du dich in mir getäuscht hast, in deiner süßen, lieben Amelia, die von ganzem Herzen liebst. Die dein ein und alles ist, wie du immer wieder gesagt hast, da du sonst niemanden mehr hast. Deshalb wird dich auch keiner vermissen. Diesen Gesichtsausdruck hast du mir geliefert, die Angst in deinen Augen. Jetzt brauche ich dich nicht mehr.“ Amelia zielte auf Tobias linke Brust. Sie setzte zum Schuss an. Und er fiel. 

 

Die Kugel traf sie in ihrer rechten Schulter. Ihr fiel die Waffe aus der Hand, sie griff instinktiv mit ihrer linken Hand an ihre Schulter. Was war das? Was ist passiert? Sie schaute auf den Boden, ihre Waffe war neben einen Beistelltisch gerutscht. Sie wollte sich gerade bücken und sie aufheben, da spürte sie einen kräftigen Arm von hinten, der sich um ihren Hals legte. Sie wurde wieder aufrichtet. Sie hörte Handschellen klicken. Sie vernahm eine fremde Stimme. „Sie sind festgenommen.“ Amelia sah in Richtung der Haustüre. Tobias stand noch immer dort. Unverletzt. Mit festem Gesichtsausdruck. 

„Was ist hier loooos?“, schrie Amelia und versuchte sich loszureißen. Doch der bullige Polizist, der sie an ihrem rechten Oberarm festhielt, dachte nicht im Geringsten daran, seinen Griff auch nur annähernd zu lockern. „Was hier los ist, möchten Sie wissen?“. Ein uniformierter Polizist mit grauem Schnurrbart stellte sich plötzlich vor sie. „Das kann ich Ihnen mit dem größten Vergnügen beantworten. Wir haben Sie schon lange Zeit observiert. Und heute ist endlich der Tag gekommen, an dem Sie uns ein vollständiges und detailreiches Geständnis abgelegt haben. Alles aufgenommen von unserem Kollegen Marco Schreyer.“ Er zeigt auf den Mann, von dem Amelia bis eben noch gedacht hatte, dass er Tobias Schöne hieß. „Wie kann das sein?!“, Amelia atmete heftig. Wie haben Sie das alles herausgefunden?“. „Nunja, Sie haben einen fatalen Fehler begangen. Für Ihr letztes Buch. Erinnern Sie sich? Da haben Sie gleich zwei Menschen in Ihrem Thriller ermorden lassen. Doch nicht nur dort, sondern auch in der Realität. Und einer der beiden war ein geschätzter Polizeikollege, der sich zu dieser Zeit in einer verdeckten Ermittlung befand. Als Obdachloser. Als Sie Ihr ursprüngliches Opfer entführt haben, hat er das mitbekommen. Als erfahrener Ermittler ist ihm Ihre Masche gleich auffällig vorgekommen. Er ist Ihnen gefolgt. Was Sie danach mit ihm gemacht haben, ist Ihnen sicherlich noch präsent. Sie haben ihn bewusstlos geschlagen, ihn mit in Ihr Haus genommen und dort nach kurzer Folterung ermordet. Dumm nur, dass Sie nicht alle Knochen beseitigt haben. Schon ungünstig, dass Sie nicht richtig zählen können, nicht wahr? Die Nachmieter Ihres damaligen Hauses haben den Garten erneuert und sind dabei auf mehrere Knochen gestoßen. Als wir sicher wussten, dass es unser Kollege sein musste, haben wir selbstverständlich die Ermittlungen aufgenommen. Zugegeben, Sie haben es uns nicht einfach gemacht. Sie arbeiten wirklich gründlich. Bis zu diesem Mord. Unser Kollege hat uns Spuren und Hinweise in ihrem Haus hinterlassen. Diese haben Sie nicht bemerkt, Sie konnten ja nicht ahnen, dass eines Ihrer Opfer schlauer sein könnte, als Sie selbst. Es hat etwas gedauert, aber durch hartnäckige Arbeit haben wir die Spuren gefunden und richtig gedeutet. Diese haben uns letztendlich zu Ihnen geführt. Wir wussten, ebenfalls durch die Hinweise unseres Kollegen, dass weitaus mehr dahinter steckt, als „nur“ dieser Mord. Über das eigentliche Ausmaß Ihrer Grausamkeit, haben wir nur nach und nach immer mehr erfahren können. Wir wussten, dass es nicht einfach werden würde, Sie zu stellen. Deshalb mussten wir uns etwas überlegen und eine weitere verdeckte Ermittlung durchführen. Wir wollten Rache. Rache für das, was Sie so vielen unschuldigen Menschen angetan haben. Von dem Sie dann in Form von Geld und Anerkennung profitiert haben. Aber vor allem Rache dafür, was Sie unserem Kollegen und somit auch uns und seiner Familie angetan haben. Wir haben Kollege Schreyer eine neue Identität verpasst. Er hat sie rumgekriegt, Sie wurden nachlässiger und er hat immer mehr Fakten ans Licht gebracht. Er hat Sie kontrolliert, nicht Sie ihn. Vom ersten Tag ihrer Begegnung an. Sie haben ihm seine falsche Identität abgekauft und somit hat die Gerechtigkeit gesiegt. Er hat das Handy absichtlich auf Ihrer Kommode und seine Jacke auf dem Fußboden deponiert und den Hinweis auf der Schreibmaschine gegeben. Es waren die ganze Zeit über Ermittler in der Umgebung Ihres Hauses platziert. Auch auf Ihrem Weg zu Kollege Schreyers Haus sind wir Ihnen gefolgt. Wir hatten Sie und wollten es endlich zu Ende bringen. Selbstverständlich werden wir Sie hinter Gitter bringen. Aber was für Sie vermutlich noch viel schlimmer sein wird ist, wie Sie zusehen müssen, wie Ihr öffentliches Ansehen in den Dreck gezogen wird. Wie über Sie und Ihre Bücher gesprochen wird. Wie Sie immer und immer weiter absteigen, obwohl Sie dachten, Sie wären schon ganz unten angekommen. Für eine Person wie Sie eine sind, die den Ruhm und die Anerkennung, die Bestätigung die Beste zu sein braucht, wie die Luft zum atmen, für Sie wird das eine reine Folter. Ich werde persönlich dafür sorgen, dass Sie jegliche Pressemitteilungen und Kritiken in Ihre Zelle bekommen. Das ist unsere ganz persönliche Rache für das, was Sie unserem Kollegen angetan haben. Kommen Sie,“ er nickte dem Kollegen, der Amelia noch immer festhielt und die ganze Zeit über zustimmend mit seinem Kopf gewippt hatte, zu. „wir nehmen Sie jetzt mit aufs Präsidium.“

 

 

Fabian Wagner klappte seinen Laptop zu. Er hatte sich dazu bereit erklärt, an einer Charity-Aktion teilzunehmen. Dazu wurden Kurzgeschichten von bekannten Autoren -so wie er einer war- und von Lesern in einem Sammelband veröffentlicht und der Erlös sollte an eine gemeinnützige Organisation gehen. Seine Kurzgeschichte hatte er schon vor ein paar Tagen beendet, aber er ließ sie immer noch eine Zeit lang liegen, um sie mit etwas Abstand noch einmal selbst zu lesen, bevor er sie an seinen Verlag schickte. 

Er war zufrieden. Gerade dieses Gefühl der Zufriedenheit beflügelte ihn, nun mit dem Schreiben seines neusten Thrillers anzufangen. Fabian freute sich schon, er war voller Tatendrang. Sein vorläufiges Essay war schon fertig. Doch bevor er nun richtig mit dem Schreiben beginnen konnte, musste er noch etwas erledigen. 

Seine Thriller sollten so real wie möglich geschrieben sein. Das machten sie so besonders und erfolgreich. Die detailgetreuen Schilderungen der Folterungen, der Morde, die Beschreibung der Gefühle des Täters und der Opfer. Aber für diese Genauigkeit nahm er immer wieder einiges auf sich und arbeitete hart. Wie hart, das konnten sich wohl die wenigstens seiner Leser vorstellen. Aber was macht man nicht alles für den Erfolg. Er lächelte, stand von seinem Schreibtisch auf und ging zur Tür seines Arbeitszimmers. Im Türrahmen drehte er sich noch einmal um und überprüfte, ob alles für seine weiteren Arbeitsschritte vorbereitet war. Er nickte zufrieden. Dann ließe er die Türe hinter sich ins Schloss fallen, verschloss sie sorgfältig und verstaute den Schlüssel in seiner Hosentasche. Er schmunzelte. So etwas wie Amelia Albers aus seiner Kurzgeschichte würde ihm ganz sicher nicht passieren. Gut, seine Freundin Maren war definitiv keine verdeckt ermittelnde Polizistin und sie würde auch bestimmt nicht früher aus dem Mädels-Urlaub zurückkommen, aber man konnte ja nie wissen.

Fabian Wagner trat aus der Haustüre hinaus. Die Sonne strahlte ihm ins Gesicht, es wehte ein leichter Wind. Was ein perfekter Tag, dachte er.

Ein perfekter Tag, um mir das neuste Opfer für meinen Thriller zu suchen. Vielleicht sollte ich zuerst die Blumen für den Garten kaufen, dann muss ich später nicht noch mal extra los, überlegte er. Nur wegen ihr, damit sie keine blöden Fragen stellt, warum Teile des Gartens umgegraben waren, muss ich jetzt auch noch Blumen einpflanzen. Damit sie denkt, ich hätte ein neues Beet angelegt. 

 

Fabian Wagner stieg in sein Auto und fuhr in Richtung Stadt…

 

2 thoughts on “Der Autor

  1. Hallo Cara,
    coole Geschichte!
    Prinzipiell gefällt mir die Idee, Gedanken in kursiv zu schreiben. An der einen oder anderen Stelle war es etwas anstrengend, weil du sehr häufig gesprungen bist. Auch hatte ich manchmal Probleme mit der Erzählperspektive – mal erzählst du personal aus Amelias, mal aus Tobias’ Perspektive, teilweise sogar innerhalb eines Absatzes. Etwas Geradlinigkeit wäre da meiner Meinung nach besser gewesen.
    Dein Plot ist super, eine ähnliche Idee hatte ich auch schon.
    Ich bin mir nicht sicher, ob die Geschichte die Verschachtelung braucht, dass im Hier und Jetzt ein Autor sitzt, der genauso handelt, wie eine Figur, über die er gerade eine Kurzgeschichte geschrieben hat. Vielleicht könnte die Geschichte auch einfach “Die Autorin” heißen? Nur so ein Gedanke.
    Der Block, in dem der Polizist Amelia darüber aufklärt, wie sie sie gefunden haben, ist etwas langatmig. Wenn du nochmal überarbeitest, vielleicht kannst du da noch etwas kürzen. Es mag aber auch am Layout liegen, da alles in einem Block herunter geschrieben ist.
    Und ein kleines Satzzeichen fehlt in einer wichtigen Szene – bevor Amelia zum Schuss auf Tobias ansetzt fehlt ein ” nach ihren Ausführungen.
    Das ist aber Kritik auf hohem Niveau.
    Mir gefällt auch der Bogen, den du sprachlich zum Anfang der Geschichte spannst, wenn es um die Blumen im Garten geht, sehr gut!
    Viele Grüße,
    calathea1787

    P.S.: Wenn du Zeit und Lust hast, kannst du ja auch meine Geschichte lesen und mir eine Rückmeldung geben. Sie heißt “Der Banker”.

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