denisemahrDer Autor

„Sehr geehrte Damen und Herren, ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und freue mich sehr, Sie heute hier begrüßen zu dürfen. Sie werden mich zwar bereits kennen – immerhin sind Sie wegen meinem neuen Buch hier – aber trotzdem möchte ich mich kurz vorstellen: Mein Name ist Michael Stein, ich bin 43 Jahre alt und bewohne mit meiner Frau ein kleines Haus in unserer schönen, beschaulichen Domstadt Würzburg. Wenn ich nicht gerade in einem neuen fesselnden Manuskript vertieft bin, verbringe ich sehr gerne meine Zeit mit einem guten Wein und mit Freunden auf meiner Terrasse oder wandere durch die Natur.“, er lächelte seine Zuhörer vor sich an und lehnte sich an seinen Tisch, wo er gleich mit seinem Buch beginnen würde. Michael roch die Mischung der verschiedenen Parfums und Aftershaves seiner Besucher. Vermischt ergaben sie einen grauenvollen Geruch, welcher sich in seiner Nase festsetzte. Nach einer Pause begann er wieder seine kurze Ansprache: „Bevor ich mit meinem neuen Werk beginne, möchte ich mich bei einer guten Freundin und Besitzerin dieser Buchhandlung bedanken.“, er nickte zu seiner Freundin Stefanie König. „Frau König? Ich freue mich sehr, „Das Blutbild“ in Ihrer Buchhandlung vorstellen zu dürfen.“

Michael und Stefanie waren bereits seit ihrer gemeinsamen Schulzeit gut befreundet. Jederzeit fand er in ihr eine Testleserin und Ratgeberin für seine Bücher, die er seit seiner Jugendzeit schrieb. Obwohl zwischen den Beiden eine kurze Romanze lag, waren sie noch heute eng befreundet. Stefanie verschlang fast jedes Buch und kannte sich bestens in der Bücherwelt aus. Damit lag es für sie auf der Hand eine Buchhandlung zu eröffnen. Nachdem sie das nötige Kleingeld zusammengespart hatte, wählte sie ein ruhiges Geschäft in der Innenstadt von Würzburg. Obwohl ihr Geschäft recht versteckt lag, fand es eine Menge Laufkundschaft und war damit immer gut besucht. Auch Michael gehörte zur regelmäßigen Kundschaft von Stefanie, damit war die Location seiner Autorenlesung schnell gewählt.

Mit Beendigung seiner Danksagung an Stefanie, lächelte sie ihm zu. Auch die Zuhörer, welche größtenteils aus älteren Personen bestanden, drehten sich zu ihr um und klatschten für die Buchhändlerin. Michael meinte, ihre roten Wangen zwischen den dunklen langen Haaren aus der Entfernung erkennen zu können.

Nachdem er wieder die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer hatte, griff er zu seinem Buch. „Ich habe mir zur Vorstellung ein spannendes Kapitel rausgesucht. Mein Buch handelt von einem jungen Mann. Er ist Künstler und bringt seine Gefühle auf die Leinwand. Er wirkt so unscheinbar, theoretisch könnte es Ihr Nachbar sein, mit dem Sie die warmen Sommerabende mit einem kühlen Bier im Garten verbringen. Doch…“, Michael räusperte sich und nahm seine Brille vom Kopf. Seine gefärbten schwarzen Haare, welche gerade noch Halt an seiner Brille fanden, rutschten nun nach vorne in seine große Stirn. Er spielte leicht mit dem Bügel der Brille, schmunzelte und versuchte so die Spannung im Raum zu halten.

„Doch auch der unscheinbare Künstler hat seine dunklen Geheimnisse.“, beendete Michael seinen Satz und damit seine Vorstellung. Durch die Runde ging ein leichtes Raunen, die Zuhörer unterhielten sich leise über seine Worte, was Michael beruhigte. Er erzeugte damit wohl eine leichte Spannung. Mit wenigen Schritten begab er sich hinter den Vorlesetisch und setzte sich langsam auf den Stuhl. Er war kurz überrascht. Der kleine Holzstuhl, welcher aussah als wäre er aus einer Grundschule gestohlen, um den 1,90 Meter großen Mann Michael Stein eine Stunde darauf sitzen zu lassen, schien doch recht bequem zu sein. Das musste wohl an der Bauweise, welche ergonomisch aussah, liegen. Michael setzte nun seine Brille auf und rutschte sie mit seinem Zeigefinger genau auf die Nase. Er spürte die Aufregung und bemerkte seine zitternden Hände, als er gerade das Buch an der markierten Stelle aufschlug. Er hatte seine Vorlesung in den letzten Tagen sehr oft geübt, um die richtige Betonung zu treffen. Zum ersten Mal würde er gleich fremden Leuten aus seinem neuen Buch vorlesen. Nach einem langen Kampf bei dem Verlag hatte er es endlich geschafft seine Geschichte von der digitalen Word-Version in ein Buch zu verwandeln.

Er schaute zu der geöffneten Buchseite und blickte dann über seinen Brillenrand zu seinen Zuhörern. Alle schauten ihn direkt an, in den Blicken sah er die Angespanntheit. Sie wollten eine Leseprobe und die würde er ihnen geben:

»Kapitel 7: Das Mädchen – Nach wenigen Stunden vollendete er mit einem letzten Pinselstrich sein neustes Werk. Adam ging zwei Schritte zurück und betrachtete sein Gemälde aus der Ferne. Sein überlegtes Gesicht verwandelte sich in ein stolzes Grinsen. Er war zufrieden. Er hatte ein gutes Gefühl, dass dieses Gemälde einen Platz in der Ausstellung bekommen würde. Frau Zimmer, die Veranstalterin der Kunstausstellung, würde darüber erfreut sein. Diesmal wird sie ihm das Bild sicherlich abkaufen.

Er legte seine Materialien auf seinen Zeichentisch und ließ sich zufrieden auf seine braune Ledercouch fallen. Die hereinfallende Sonne schien ihm direkt ins Gesicht, was die einzelnen Schweißtropfen und nassen dünnen Strähnen seiner Haare auf seiner Stirn trocknen ließ. Er drehte sein Gesicht zur Sonne und atmete tief durch. Er liebte das Gefühl seinen Körper so schlaff zu fühlen, damit zeigte er sich selbst, dass er etwas getan hatte und all seine Kraft in dieses Kunstwerk gesteckt hatte.

Er spürte die Schwere in seinem Körper und ließ sich dadurch mehr in das Sofa versinken. Wahrscheinlich bemerkte er gar nicht, dass sich seine Augen schlossen und er langsam, aber ruhig einschlief.

Nach fast zwei Stunden erwachte er wieder in der gleichen sitzenden Position, wie er eingeschlafen war. Das Wetter schien trüb und ließ den Raum dunkel wirken. Die Sonne schien nicht mehr ihr warmes Licht in sein kleines Atelier und auch sein Gemälde war dadurch in eine dunkle Ecke gelangt und sah düster auch. Doch trotzdem war er stolz auf seine Tat. Um es genauer zu betrachten, musste er die kleine Lampe auf einen Beistelltisch neben dem Sofa anschalten. Das kleine grelle Licht erhellte tatsächlich den Großteil des Raumes. Er stand von seinem gewärmten Platz auf und lief auf das Gemälde zu, wie in Trance. Adam erstarrte in dem Blick des gezeichneten blutroten Auges. Er fühlte sich, als hätte er sein trauriges Dasein durch ein einziges Bild von sich abgeschüttelt. Nach einem kurzen zufriedenen Seufzer drehte er sich weg und erstarrte erneut, als er in die leeren Augen der jungen blonden Frau schaute. Denn das Einzige was sich in seinem kleinen Kunstreich nicht durch den Wetterumschwung änderte, war die fast weiße Leiche einer jungen Frau, um genau zu sein: seine Nachbarin Lisa Schön.

Die nackte Frauenleiche lag noch immer auf der sperrigen Liege inmitten des Raums. Ihr Kopf hing über die Tischkante und ihre Augen starrten auf das blutrote Gemälde.

„Ist schön geworden, oder?“, sagte er zu ihr, ohne eine Antwort zu erwarten. Noch leicht verschlafen rieb er seine Augen, gähnte und lief in seine provisorische Küche, um sich den kalten Kaffee von heute Morgen nochmals einzuschenken.

„Schön“ war seine Nachbarin tatsächlich. Sie war vor kurzem erst in die freie Wohnung unter ihm gezogen und war Kunststudentin. Lisa war oft bei ihm und bewunderte seine Werke. Das Mädchen fand den „traurigen, aber speziellen Stil“ sehr interessant und wollte ihm einmal beim Malen zuschauen. Nachdem sie sich in seinem Atelier umgesehen und sich an einer gefundenen Scherbe neben der Liege geschnitten hatte, konnte Adam nicht anders. Ihr Blut strahlte ihn regelrecht an, es wollte zu einem Kunstwerk verarbeitet werden. Mit wenigen Handgriffen schlug er sie nieder, fixierte sie an der Liege und griff zu Hammer und Meißel. Nachdem er ihre Vene in der Ellenbeuge auffindbar gemacht hatte, setzte er den Meißel an und schlug ihn in ihren Arm. Das Blut schoss direkt an die Oberfläche und auch einzelne Spritzer in sein Gesicht. Ihr Arm rutschte von der Liege über den Eimer, wo er sie mehr oder weniger auslaufen ließ. Der Schlag auf ihren Kopf mit dem Hammer war zwar hart, aber er hatte sie dadurch noch nicht getötet.

Nach wenigen Augenblicken setzte er die Tasse mit schwarzem Kaffee an und trank sie in einem Zug aus. Er brauchte nun seine getankte Kraft, um sein Projekt zu vollenden.

Nachdem er seine benötigten Utensilien in einen Rucksack gepackt hatte, ging er zu seiner kleinen Abstellkammer und holte einen großen braunen Jutesack heraus. Adam atmete tief durch, zog seinen schwarzen Schlauchschal über seine Nase und Mund, und lief gezielt in die Mitte des Raumes zu ihr. Den Beutel legte er geöffnet vor die Liege. Nur wenige Zentimeter von ihrem leichenblassen Gesicht entfernt, gab er sich große Mühe, die Öffnung des Sackes so groß wie nur möglich zu formen. Da ihre Leiche jetzt schon seit zwei Tagen hier lag, konnte er sich sicher sein, dass wenigstens die Leichenstarre mittlerweile nachgab und er sie gekonnt in den Sack packen konnte.

Mit wenigen Handgriffen legte er das Mädchen in einer Embryo-Stellung in den Sack und transportierte sie damit zu seinem Lieblingsort.

Mit der Zeit war die Sonne schon untergegangen, es wurde gegen Abend kühler, wie es typisch für Ende April war. Und auch hier am Birkensee war kaum Fußverkehr zu sehen. Er fuhr so nah es ging an seine Lieblingsstelle am See, nahm ein großes Seil aus seinem Rucksack und tastete den Jutesack ab, bis er ihren Kopf ertasten konnte. Er strich mit beiden Händen über ihren Kopf und drückte damit den Sack an sie, bis er das Seil genau um ihren Hals binden konnte. Lisa Schön war im Vergleich zu seinen bisherigen „Farben“ ein Fliegengewicht. Er konnte sie ohne Probleme in das kleine Ruderboot heben. Allein mit ihr ruderte er ein Stück hinaus und zog aus seiner Gesäßtasche eine Karte des Sees. Er schaute sich kurz um, blickte auf die eingestellten Koordinaten in seinem Handy und sagte entschlossen mit einem glücklichen Lächeln: „Hier sind wir richtig, Lisa!“

Adam legte seine Utensilien auf den Boden des Bootes, griff nach Lisa und schmiss sie ins Wasser. Dank des leuchtenden Halbmondes konnte er die Umrisse seiner Umgebung erkennen. Ohne zu zögern sprang er in das eiskalte Wasser zu ihr, drückte den Sack unter Wasser bis er sich komplett vollsaugte und er sie mit dem Seil ohne Probleme unter Wasser ziehen konnte. Sein Körper wehrte sich gegen die eindringende Kälte und ließ es ihn spüren, er fühlte sich, als würde man mit tausenden kleinen Nadeln auf seine Haut einstechen. ‚Der April war vielleicht nicht die beste Zeit, um schwimmen gehen.‘, dachte er sich und versuchte ruhig zu atmen, um seinen Körper vom Schock etwas herunterzufahren. Nachdem er tief einatmete, tauchte er ab und zog den Sack am Seil hinter sich her. Trotz der Leiche, ließ sich der Sack ohne große Probleme nach unten ziehen, er tauchte bis zum Grund des Sees, was nicht allzu schwer war, denn der See war an dieser Stelle recht flach, somit musste er nur ca. 3 bis 4 Meter tief tauchen, um die angebrachten Haken am Seegrund zu finden. Er zog den Sack so nah wie möglich an den Haken und band das Seil fest.  Nach wenigen Sekunden tauchte er wieder an der Wasseroberfläche auf, zog sich an einem angebrachten Seil wieder ins Boot und ruderte zurück ans Festland.

Wenige Minuten genoss er die Aussicht auf den See unter dem Mondschein. In einer großen Decke eingewickelt fröstelte er zwar noch immer, aber nach seinem dritten Kunstwerk hatte er sich daran gewöhnt und wusste seinen Körper auszutricksen. Der Mond erhellte den See und ließ ihn magisch wirken. Adam legte seinen Kopf schief und betrachtete die glitzernde Wasseroberfläche. Er war erfüllt von Zufriedenheit. Für wenige Sekunden schloss er die Augen und schaltete seine Wahrnehmung ein. Er hörte das Rascheln der Bäume und roch den taunassen Rasen unter seinen Füßen.

Doch statt seine Augen wieder zu öffnen und den glitzernden See zu betrachten, sank er zu Boden und lag im kaltnassen Gras.

„Meine Güte, jetzt wach schon auf!“, schrie sie ihn an und schlug mit der flachen Hand auf seine Wange, welche mittlerweile schon rote Abdrücke aufwies. Seine Augen öffneten sich leicht, doch er sah um sich herum lediglich die verschwommenen Umrisse. Durch mehrfaches Blinzeln passten sich seine Augen den Umständen an. Adam fühlte einen stechenden Schmerz in seinem Hinterkopf und traute sich kaum seinen Kopf zu schütteln, um bei vollem Bewusstsein zu sein. Selbst das leichte Heben seines Kopfes, damit er feststellen konnte, dass er sich in seinem Atelier befand, bereitete ihm einen starken Schmerz. Er spürte, dass sein Körper sehr schwach war, nicht einmal seine Beine hätte er zum Aufstehen bewegen können. Auch erst jetzt bemerkte er die Fesseln an seinen Händen, welche hinter dem Stuhl fest zusammengebunden waren. Adam hätte die Kraft zu seiner Befreiung nicht hernehmen können und das nutzte seine Entführerin aus.

Die weibliche Stimme ertönte wieder: „Na endlich, du Dreckskerl!“. Sie packte ihn am Kinn und zog sein Gesicht zu ihm hoch, was ihn seufzen und seine Augen vor Schmerz zusammenkneifen ließ.

„Du hast es verdient.“, sagte sie, wieder mit seinem Kinn im festen Griff.

Mit diesem Satz riss er die Augen auf, Adam kannte ihre Stimme, doch er wollte es nicht glauben. Nachdem sich seine Augen an das grelle Licht angepasst hatten, schaute er direkt in das zierliche Gesicht seiner Nachbarin Lisa Schön. Er traute seinen Augen nicht, schloss sie wieder und schüttelte mit dem Kopf: „Das geht nicht, nein!“, sagte er entsetzt von dem Fakt, dass er sie vor wenigen Minuten doch noch in sein Wassergrab gebracht hatte.

„Mach die Augen auf!“, sagte sie wieder wutentbrannt. Seine Lippen zitterten, doch als er seine nassen Augen wieder öffnete, blickte er nicht in das zauberhafte Gesicht von Lisa, sondern auf eine blutverschmierte Leinwand. Adam war entsetzt von dieser genialen Darstellung aus einzelnen Strichen, welche unterschiedliche Dicken aufwiesen, doch mit der genaueren Betrachtung erklärte sich für ihn die Situation, in der er feststeckte. Sein Körper war nicht von der Entführung schwach, ihm wurde selbst gerade das Blut fachmännisch mit einer Nadel entzogen, um dieses Gemälde zu gestalten. Ein Gemälde aus Wut und Chaos.

„Sag mir, wie findest du mein Kunstwerk?“«

Michael blickte langsam vom Buchrand hoch, lächelte diabolisch in die Menge und schloss sein Buch. Die Zuhörer begannen sofort zu klatschen.

„Vielen Dank. Ich hoffe, dass ich Ihnen damit einen kleinen Einblick geben konnte und Ihr Interesse für „Das Blutbild“ geweckt habe. Für weitere Fragen, sowie auch Autogramme stehe ich Ihnen gerne noch zur Verfügung. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und kommen Sie sicher nach Hause.“, betonte Michael glücklich. Er stand wieder vor seinem Tisch und fühlte sich gut, als er den Applaus bekam. Seine Geschichte konnte endlich geteilt werden, damit würde er vielleicht bald seine Bücher in einer großen Buchhandlung neben den Bestseller-Büchern auffinden.

Nach Ende seiner Vorlesung standen die Besucher auf. Sie unterhielten sich und schauten sich in der kleinen Buchhandlung um.

Zum Abschluss war eine kleine Autogrammstunde geplant, um es den Zuhörern zu ermöglichen, dem Autor nah zu kommen und ihm ihre brennenden Fragen zu stellen. In einer Reihe stellten sie sich vor seinem Tisch an. Manche freuten sich über ein gemeinsames Bild mit ihrem Idol, manche wollten lediglich ein Autogramm für sich selbst oder eine nahestehende Person und manche stellten ihre brennenden Fragen, um schließlich glücklich Stefanies Buchhandlung zu verlassen.

Gegen Ende der Autogrammstunde trat eine junge Frau hervor. Sie war klein, recht unspektakulär gekleidet mit einer engen schwarzen Hose und einem weißen T-Shirt, worauf sie eine Sweatshirt-Jacke anhatte und trug ihre blonden langen Haare in einem Pferdeschwanz. Das Mädchen schien durch ihre dunklen Augenringe einen arbeitsreichen Tag hinter sich gebracht zu haben, welchen sie aber anscheinend mit Make-Up vergeblich überschminken wollte. Sie lächelte ihn schließlich an und sagte: „Hallo Herr Stein, ich bin Rebecca Schmitt, eine Reporterin der Mainpost. Ich schreibe einen kleinen Artikel über Ihre Vorlesung und freue mich sehr, Sie persönlich zu treffen. Ich finde Ihre Geschichten sehr spannend. Es klingt immer so, als wären Sie dabei gewesen!?“. Er musterte ihr Gesicht, vor allem, weil sie den letzten Satz fragend aussprach.

„Ich danke Ihnen für das Kompliment. Es dauert auch seine Zeit, um solche Szenen richtig aufs Blatt zu bekommen.“, erklärte er mit einem zögernden Lächeln.

„Darf ich Ihnen kurz ein paar Fragen stellen? Ich würde sie gerne in…“

„Nein!“, unterbrach er Frau Schmitt etwas abrupt. „Also tut mir leid, aber ich muss ehrlich sagen, dass ich kein großer Fan von Reportern bin.“

„Ehm, okay. Ja, kein Problem. Ich dachte nur, dass es vielleicht eine schöne Möglichkeit wäre einen kleinen Einblick in ihre Tätigkeit als Schriftsteller zu bekommen. Aber sollten sie es sich in den nächsten Tagen anders überlegen, haben Sie hier meine Karte.“ Frau Schmitt schob ihm mit einem Zwinkern eine weiße Visitenkarte über den Tisch zu, obwohl der Tisch lediglich eine Breite von 80 cm hatte und sie ihm die Karte locker in die Hand drücken konnte. Er griff nach der kleinen Karte und fühlte mit seinen Fingerspitzen an dem geprägten Papier. Neben ihrem Namen befand sich ebenfalls ihre geschäftliche Telefonnummer und E-Mail-Adresse darauf. Kurz dachte er über die gegebene Möglichkeit nach, beschloss aber letztendlich den Abend erst einmal sacken zu lassen.

„Könnten Sie mir auch eine signierte Auflage geben?“, sie lächelte ihn liebevoll an und zeigte kurz mit ihren Augen auf den kleinen Bücherstapel neben Michael.

„Natürlich.“, Michael griff zu dem Buch und signierte es für sie. Mit einem Lächeln hielt er ihr das Buch hin. Sie nickte ihm zu, bedankte sie sich bei ihm und griff nach dem Buch. Ihre Hand umschloss das Buch fest, wodurch sich ihre rotlackierten Fingernägel zeigten. Er erstarrte und konnte den Blick von ihrer Hand nicht lösen. Die roten Fingernägel weckten in seinem Gedächtnis dunkle Erinnerungen, die er schnellstens mit einem Kopfschütteln wieder vergessen wollte.

Irritiert schaute Rebecca Schmitt ihn an und runzelte ihre Stirn: „Ist alles in Ordnung?“ – „Ja. Ja, klar. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und ich hoffe, dass Ihnen meine Vorlesung gefallen hat.“, antwortete er schnell mit einem gezwungenen Lächeln. Verdutzt wandte sie sich von ihm ab und packte ihren kleinen bunten Rucksack mit ihrem Notizbuch und das frisch signierte Buch von Michael Stein.

Nachdem auch die Reporterin das Geschäft verließ, wandte sich Michael zu seiner Freundin und begann mit ihr wieder eine Normalität in die Buchhandlung zu bringen. Die Beiden unterhielten sich über die Zuhörer, machten ein paar Witze und spaßten herum, sodass die Arbeit schnell getan war. Bevor er sich auf den Nachhauseweg machen wollte, umarmte er Stefanie nochmal liebevoll: „Vielen Dank, dass ich hier sein durfte. Das bedeutet mir viel.“, er legte seine Hände auf ihre Schultern und lächelte sie an.

„Gerne.“, sagte sie kurz und lächelte Michael ebenfalls an.

Nachdem sie sich kurz in ihren Blicken verloren, wendete er sich ab und griff nach seiner Ledertasche, welche auf einer Sitzbank neben einer großen Grünpflanze stand. Mit seiner Tasche über seiner Schulter und einem kurzen Wink zu Stefanie, lief er aus der klingelnden Tür der Buchhandlung. Der kalte Wind blies ihm beim Öffnen der Tür direkt ins Gesicht. Er kuschelte sich mehr in den Kragen seiner Daunenjacke und zog den Reißverschluss bis zu seinem Kinn hoch. Entgegen dem Wind kämpfte er sich vor zu seinem Auto und stieg ein.

Während der Fahrt von wenigen Kilometern nach Hause kam ihm erneut das Gesicht von Rebecca Schmitt wieder in den Sinn. Ihre blauen Augen schienen zwischen den dünnen Strähnen aus dem Zopf überarbeitet, aber er spürte, dass sie unbedingt das Interview mit ihm haben wollte. Er dachte an ihre Worte und für einen kurzen Moment musste er einen Gedanken an seine Vergangenheit verschwenden, doch schüttelte diesen schnell wieder ab.

Als Michael seinen schwarzen VW Passat in den Carport neben dem Haus fuhr, musste er sich tatsächlich fragen, ob er die Strecke gerade fast blind zurückgelegt hatte. Während sein Kopf bereits die Dialoge mit der jungen Reporterin durchspielte und er versuchte auf alle möglichen Fragen die richtige Antwort zu geben, gab er der Straße keinerlei Aufmerksamkeit. Es hätte alles passieren können, doch nach einer unkonzentrierten Fahrt stand er nun sicher und munter auf seinem Parkplatz direkt neben dem Haus.

Nachdem er noch einmal tief durchatmete, stieg er aus dem Auto und musste leider feststellen, dass der zweite Platz in der Einfahrt leer stand. Üblicherweise würde der weiße Golf seiner Frau Emma um diese Uhrzeit direkt danebenstehen, aber heute Abend wohl nicht. Denn bevor Michael zu seiner Lesung aufgebrochen war, entfachte zwischen den Beiden erneut ein, für ihn, unnötiger Streit über den Veranstaltungsort. Das Thema kochte bereits vor Wochen auf und eigentlich war es nach etlichen Streiten erledigt, doch Emma ließ nicht locker. Sie sah in Stefanie eine Konkurrentin. Obwohl Michael ihr oft seine Liebe zu ihr zeigte und seiner Frau versicherte, dass Stefanie lediglich eine gute alte Freundin sei, beruhte Emma sich nicht auf seinen Aussagen. Im Gegenteil, sie nutzte fast jede Chance, um ihn zu kontrollieren. Viele von Michaels Freunden stellten seine Ehe in Frage, doch Michael hielt weiterhin daran fest. Er hatte in Emma seine Traumfrau gefunden, auch wenn ihre Familie nur aus zwei Personen bestehen würde. Nachdem Emma vor vielen Jahren drei Fehlgeburten erleiden musste, gaben die Beiden ihren Wunsch nach einem Kind auf und schworen sich alleine gemeinsam glücklich zu werden. Trotz der Kontrollsucht und Eifersucht seiner Frau gab es selten einen großen Streit. Vielleicht lag es auch daran, dass Emma durch ihre vielen Geschäftsreisen als Vertrieblerin eines großen Konzerns, nicht viel daheim war oder ihre Abende in ihrem Büro statt mit Michael auf dem Sofa bei einem spannenden Film verbrachte. Doch die Beziehung des Ehepaars lief gut, egal wie viele Tage sie sich nicht gesehen hatten.

Der Wind zog wieder durch die offenen Wände des Carports und trieb Michael vor Kälte zu seinem Haus. Der Bewegungsmelder für die Außenlampe zeigte, wie seit zwei Wochen, nichts an. Michael war bisher zu bequem gewesen die Batterien zu wechseln und musste daher damit leben, im Dunkeln zu seiner Haustür zu gelangen. Doch da das Paar nun seit 11 Jahren das Haus bewohnte, kannten sie jeden einzelnen Stein an den Hauswänden, somit viel fiel es Michael trotz der Dunkelheit leicht, den direkten Weg zu finden.

Entspannt lief er den Kiesweg zu der großen Haustür aus Holz und wollte soeben die erste Stufe betreten, als ihm eine kleine schwarze Schachtel vor der Treppe im Kies auffiel. Er schaute die „Schachtel“ mit zusammengekniffenen Augen an, bis er sie als ein Handy identifizieren konnte. Das Handy sah weder wie das IPhone von Emma noch wie seines aus. Für einen kurzen Moment musste er schmunzeln und stempelte das Handy als einen kleinen Scherz auf sein neustes Buch ab, denn hier findet Adam, die Hauptfigur, in den ersten Kapiteln ein Handy im Treppenhaus zu seinem Atelier, welche er als Vorwarnung sah, da sich hierauf Bilder von Adams bisherigen Gemälden und Opfern zeigten. Doch der Gedanke ließ ihn nicht los, dass er es doch ernst nehmen sollte. Also beschloss er das Handy aufzuheben. Gerade als er es in seiner Hand genauer betrachtete und erneut feststellte, dass ihm das Handy nicht bekannt vorkam, leuchtete das grelle Display mit dem üblichen Standard-Hintergrund von Samsung auf. Darauf erschien eine graue Zeile für eine neue Benachrichtigung. Michael war sich unsicher und schaute sich um, er blickte vorbei an seinen Hecken die Straße entlang, doch diese war menschenleer. Erneut sah er auf das hellleuchtende Handy in seiner Hand und erneut blinkte es auf mit einer Benachrichtigung. Er las nur die ersten Wörter der Nachricht: „Achtung, könnte weh…“. Er strich mit seinem Zeigefinger quer über das Display, womit sich die Info öffnete, dass das Handy per Fingerabdruck entsperrt werden sollte. Ohne weiter nachzudenken drückte er seinen Daumen gegen das kleine runde Feld im unteren Bereich des Displays, er erhoffte sich daraus nichts, doch trotzdem entsperrte sich das Handy direkt. Michaels Augen wurden groß und er erstarrte. Er war nicht einmal von dem Fakt, dass sich ein fremdes Handy ohne Probleme mit seinem eigenen Fingerabdruck des Daumens entsperren ließ, erschrocken, sondern von den ihm bekannten Bildern, welche sich auf dem Handy zeigten. Die geöffnete Galerie zeigte ihm ein Bild nach dem anderen von gefesselten jungen Frauen. Teilweise schienen sie bewusstlos, anderen sah man die Angst in ihren Augen an. In manchen Gesichtern befanden sich Blutflecken und auch ihr Dessous-Stück, welches jede trug, war damit beschmiert. Schnell wischte er die Bilder durch, doch jedes Bild war vom gleichen Winkel aus aufgenommen worden. Je mehr er sich anstrengte auf den Bildern etwas zu erkennen, desto mehr wurde ihm klar, dass jemand seinem dunklen Geheimnis auf den Fersen war.

Doch bevor er den Gedanken beenden oder eine Schlussfolgerung bilden konnte, spürte er einen dumpfen, aber harten Schlag auf den Hinterkopf und fiel zu Boden in den kalten Kies.

„Ahh!“, er schrie auf und riss seinen schweren Kopf hoch, als wäre er aus einem Alptraum erwacht. Michael versuchte sich an seinen Kopf zu greifen, um die Schmerzen zu massieren, doch die Fesseln hinter dem Stuhl hinderten ihn daran.

„Na, endlich. Ich dachte schon, dass du nie wieder zu dir kommst.“, sagte eine weibliche Stimme.

„W-Was?“, er kniff seine Augen zusammen, um in dem blendenden Licht etwas zu erkennen. Nachdem sie sich langsam daran gewöhnten, sah er an sich hinunter. Lediglich in seiner schwarzen Baumwoll-Unterhose saß er an einem Stuhl gebunden in einem ihm unbekannten Raum. Vorsichtig hob er wieder seinen Kopf und sah sich im Raum um. Die Wände waren kahl und wirkten kalt, wobei der ganze Raum keine Temperatur über 16 Grad haben dürfte, wie ein Kellerraum. Seine Härchen stellten sich vor Kälte auf und auch der kühle Zug durch das geöffnete kleine Kellerfenster ließ ihn am Hinterkopf eine blutige Wunde spüren. Selbst nach mehreren Anläufen der Konzentration konnte sich Michael lediglich an das Handy vor seiner Haustür erinnern, danach schien alles schwarz zu sein. Er bemerkte zu der Kälte ein Pochen am Hinterkopf und auch die damit verbundenen starken Kopfschmerzen.

„Ich glaube, Adam kam auch in so einer Situation wieder zu sich, oder?“, sie drehte sich zu ihm. Ihre blonden langen Haare fielen ihr teilweise in ihr zierliches Gesicht, als sie sich zu ihm beugte und sich bei ihm erkundigte. „Sag du es mir, Autor. Ich habe ehrlich gesagt nicht so aufgepasst. Vielleicht war der Raum bei ihm etwas schöner und wärmer“

„Rebecca?“, fragte er verwirrt.

„Wer?“, die junge Frau sah ihn irritiert an.

„Zoey.“, brachte er letztendlich erschrocken hervor.

„Hey, 100 Punkte an den gefesselten Kandidaten. Kamen wohl Erinnerungen hoch? Welche genau? Wie du mich angesprochen hast und gefragt hast, ob ich an einem Projekt interessiert wäre?“, sie lächelte verträumt und griff dann ruckartig nach seinem Hals: „Oder eher wie du mich in so einem Loch gefesselt und vergewaltigt hast, hm?!“, sie betonte jedes Wort, während ihre Wangen rot anliefen. Er blickte in ihre blauen Augen, welche von Hass erfüllt waren.

„Sie müssen mich verwechseln.“, stieß er hervor.

„Oh, nein!“, sie verstärkte ihren Griff an seinem Hals und würgte ihn. „Wie viele Autoren wird es in Würzburg wohl geben? Wie viele von denen wollen für ihre Bücher möglichst reale Szenen. Und wie viele … gehen dafür über Leichen?“, er zuckte bei der kurzen Pause zusammen. Ihre Hand löste sich wieder von ihm und sie drehte sich von ihm weg. „Genau. Einer. Michael Stein. Der große Autor aus der ländlichen Domstadt.“, sie grinste diabolisch. „Und ich habe dich endlich gefunden und werde dich zur Rechenschaft ziehen!“

„Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.“, wiederholte er sich ruhig.

„Nein? Dann werde ich ‚Ihnen‘ etwas auf die Sprünge helfen…“, Zoey zog ihre schwarze Sweatshirt-Jacke aus, ließ sie auf den Boden fallen und hielt ihm ihre Hände hin. Indem sie ihre Handflächen drehte, zeigten sich große Narben an ihren Handgelenken, welche wohl von Fesseln stammten. Sie beobachtete ihn und versuchte seine Reaktionen einzuschätzen, da Michael sich allerdings nichts anmerken ließ, drehte sie sich um und zog das weiße T-Shirt hoch, sodass sich viele verschieden große Narben auf ihren Rücken zeigten. Durch die dünne Haut am Rücken zeigten sich ihre Wirbel. Nachdem er wieder keinen Laut von sich gab, rutschte sie ihr T-Shirt zurecht und drehte sich wieder zu ihm.

„Wer hat Ihnen das angetan?“, fragte er vorsichtig, aber bestimmt, ohne seine Mimik zu verändern. Ruckartig griff sie wieder nach seinem Hals und würgte ihn fester als zuvor. Michael schreckte zusammen, nicht nur vor der schnellen Reaktion oder der plötzlichen Nähe der Beiden, eher vor den stechenden Kopfschmerzen, die mit dem Ruck kamen.

„Du.“, hauchte sie ihm ins Ohr: „Und dafür wirst du bezahlen!“

Zoey entfernte sich wieder von seinem Ohr, hielt ihn aber weiterhin am Hals fest. Mit der anderen Hand griff sie nach der kleinen Tube Sekundenkleber auf den Tisch neben ihm.

„NEIN!“, rief er und spürte damit schon die ersten Tropfen der klebrigen Flüssigkeit auf seinen Lippen. Sie verteilte den Kleber auf seinem Mundbereich genau, krallte sich mit einer Hand in seine Haare und drückte mit der Anderen seinen Mund fest zu.

„Weißt du, ich war damals so naiv. Ich war 16 und es war einfach nur eine dumme Mutprobe, weil ich dazu gehören wollte. Mein Wunsch war es immer, mein Abitur erfolgreich zu absolvieren und danach in ein Medizin-Studium zu gehen.“, sie schluckte, aber hielt den Griff fest, um sicher zu gehen, dass der Kleber auch wirkte. „Sie wollten, dass ich einen Fremden anspreche und mich als Prostituierte ausgebe. Das Ganze klang nicht schwer, immerhin war ich in meiner Pubertät eh sexuell sehr aktiv. Man könnte fast sagen, dass mir sogar die Partner egal waren. Und dann… Ja, dann gerate ich ausgerechnet an dich. Der Autor, der mir für eine Nacht mit Rollenspiel 650 Euro geboten hat und für einen zusätzlichen guten Blowjob nochmal 150. Ich war so naiv und hab das Angebot noch angenommen.“, ihre Stimme klang brüchig, auch ihre Hände verschwanden aus seinen Haaren und von seinem Kinn. Doch trotz verschiedener Versuche brachte Michael kein Wort heraus, seine Lippen klebten fest aufeinander „Du hast mir alles versaut…“, sagte sie wieder wütend. Und drehte sich von ihm weg zu einem weiteren Tisch. Michael rüttelte an den Fesseln, welche ihn fest am Stuhl hielten, aber er konnte sie leider nicht lockern. Am liebsten hätte er sie angeschrien, dass er davon damals nichts wusste, und ihr eigentlich nichts Böses wollte, doch bis auf ein „mhm“ verstand man nichts. „Du wolltest, dass ich mich auf einen Holzstuhl setze und mich von dir fesseln ließ, was ich sogar noch mitgemacht habe. Ganz ehrlich, ich stand sogar darauf, aber…“, sie schaute ihn verdutzt an: „Weißt du, was du mit uns gemacht hast? Mit mir und den 8 Mädchen nach mir?! Ich hatte dich immer im Blick. Ich bin nie geflohen vor dir und deinem Geist. Ich bin geblieben und weiß alles von deinem dreckigen Spiel! Du suchst dir deine Mädchen aus, bezahlst sie mit dem Vorwand, dass du ein Freier bist und spielst mit ihnen dein krankes Spiel. Keines dieser Bücher ist bisher groß rausgekommen. Weißt du warum? Weil du scheiße bist! Weil das Leben so nicht funktioniert! 3 von 9 Leben hast du zerstört, die Restlichen genommen. Glaub mir, dafür wirst du leiden. Ich werde dich hier nicht lebend rauslassen.“, in ihrem Blick zeigte sich die Wut. Michael fühlte sich verloren, er hatte keine Zeit mehr, aber er wusste sich auch nicht zu helfen. Es war ausweglos.

„Ich saß auf diesen harten Stuhl. Nackt, gefesselt und dir vollkommen ausgeliefert. Ich hatte Todesangst und das nur wegen einer lächerlichen Wette. Du hast mich am ganzen Körper angefasst, geküsst, abgeleckt, geschlagen und…“, sie stoppte kurz. „mich vergewaltigt. Ich wollte das nicht, aber ich hatte keinerlei Möglichkeit dir zu entkommen. Nicht einmal meine Tränen und mein Wehren haben dich von deiner Tat abgehalten!“, Zoey stoppte, als sie bemerkte, dass ihm die Tränen in die Augen schossen. Keinen Ton gab er von sich, lediglich die Tränen liefen über seine rotglühenden Wangen. Sie kniete sich vor ihn: „Du zeigst Reue? Ich dachte du wärst so ein gefühlsloses Monster.“, sagte sie emotionslos.

Zoey lief gezielt an ihm vorbei und kramte hinter seinem Rücken nach etwas. Mit einem Klicken und einem lauten Rauschen wurde ein Bild direkt vor ihm an eine Wand projiziert, woraufhin Zoey wieder mit einer Fernbedienung in der Hand kam.

„Natürlich habe ich mir viele Gedanken gemacht, was ich dir antun werde. Und ich dachte, dass ich es in eine kleine Geschichte packe.“, sie grinste und blickte zur Wand, auf der sich ein Word-Dokument öffnete. Das Dokument bestand lediglich aus einem Satz: „DU BIST TOT!“.

Sie wartete einen kurzen Moment, bis sie ihn stolz fragte:

„Sag mir, wie findest du meine kleine Geschichte?“

„WOW! Einfach nur: WOW!“, sagte Michael entsetzt mit einem leichten Lächeln. „Die Geschichte muss genauso aufgebaut werden. Vielleicht bauen wir noch kleine Details ein, mal schauen. Mir gefällt es!“

„Ich habe mich gerade wirklich wie eine andere Person gefühlt, also wie Zoey. Ich konnte ihre Lage nachvollziehen. Ich hätte es fast komplett durchgezogen, wobei es gruselig war, dich bei deinem richtigen Namen zu nennen“, lachte Stefanie und zog sich die dunkelblonde, lange Perücke vom Kopf. „Du hast recht, sobald man die Szene durchspielt, kann man sich viel mehr hineinversetzen. Das zeigt eine komplett andere Sichtweise.“

„Tatsächlich hatte ich Angst, dass du wirklich Sekundenkleber hast.“, schmunzelte Michael, als seine Hände von ihr aus den Fesseln befreit wurden.

„Ich war in der Überlegung.“, gestand Stefanie lachend. „Wollen wir uns gleich hinsetzen und die Szene niederschreiben?“

„Die Szene ist gut. Aber ich weiß nicht, ob ich mit der Konstellation zufrieden bin. Wollen wir nicht doch nochmal die Rollen tauschen? Eine Autorin mit einem dunklen Geheimnis klingt auch sehr speziell, zudem könnte man dem Hauptcharakter weiblichere und einfühlsame Charakterzüge geben.“, schlug Michael vor.

„Also willst du vor der Haustür wieder anfangen?“, fragte sie erstaunt.

„Nein, wir fangen da an, wo der Autor wieder zu sich kommt.“, Michael lief in eine Ecke des Raumes und beendete die Aufnahme der Kamera. Mit wenigen Einstellungen begann er eine Neue.

Er stellte sich wieder hinter den Holzstuhl und zeigte mit einem Klopfen auf die Lehne, dass Stefanie sich setzen sollte. Ohne Widerrede nahm sie Platz und streckte ihre Arme nach hinten. Michael griff nach ihren Händen und hielt sie fest nach unten gedrückt.

„Ich bin gespannt, wie es jetzt ausgeht.“, sagte er grinsend, zog aus seiner Hosentasche ein weißes in Chloroform-getauchtes Tuch und drückte es auf ihre Nase und Mund. Ihre Augen rissen auf und schauten ihn aus dem Blickwinkel entsetzt an, sie versuchte sich zu wehren, aber konnte sich nicht aus seinem Griff befreien.

„Das ist nicht deine Geschichte, Steffi. Es ist MEINE!“, flüsterte er ihr ins Ohr, als ihre Kraft nachließ und ihr Kopf regungslos auf die Stuhllehne sank.

 

8 thoughts on “Der Autor

    1. Hallo Denise

      Was für ein sensationelles und doppelt überraschendes Finale.

      Total gelungen.

      Wie übrigens auch deine komplette Geschichte.

      Du hast einen schönen und souveränen Schreibstil.
      Man merkt, dass du über viel Erfahrung und Talent verfügst.

      Die gesamte Handlung war schön stringent aufgebaut, die Idee mit dem Autor natürlich exzellent und raffiniert, die Dialoge sind realistisch und klug, die Spannung steigerte sich permanent, und das Ende war fulminant.

      Herzlichen Glückwunsch.
      Da ist dir ein wahrer Knaller gelungen.
      Mega gut.

      Ich zolle dir den höchsten Respekt.
      Man spürt, wie sehr du das Schreiben liebst.
      Wie du es liebst, mit deinen Lesern zu spielen, sie in die Irre zu führen, sie auf die falsche Fährte zu schicken.

      Das machst du großartig.
      Und da kannst du sehr zufrieden mit sein.
      Und stolz.

      Man spürt in dieser Story deine Leidenschaft, die sich auf den Leser überträgt.
      Das ist eine wahre Kunst.

      Ich wünsche dir und deiner Geschichte alles Gute und viel Erfolg.
      Und natürlich noch viele begeisterte Leserinnen und Leser und zudem noch viel mehr Likes.

      Deine aktuelle Herzchen-Anzahl ist definitiv ein Skandal.
      Du müsstest schon mindestens 10 x so viele haben.

      Ich lass dir natürlich gerne ein Herzchen da.

      Liebe Grüße und schreib bitte IMMER weiter.
      Denn du hast es drauf.

      Pass auf dich auf.
      Swen Artmann (Artsneurosia)

      Vielleicht hast du ja Lust und Zeit, auch meine Story zu lesen.
      Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen.

      Meine Geschichte heißt:
      “Die silberne Katze”

      Vielen Dank.
      Swen

      1. Oh mein Gott, was für eine schöne Bestätigung!

        Tatsächlich habe ich keinerlei Erfahrung, bis auf selbstgeschriebene Geschichten und eine handvoll Bücher, die ich in den letzten Jahren verschluckt habe. Selbst Deutsch war nicht mein Lieblingsfach in der Schule 😀
        Ich schreibe seit ca. 8 Jahren (seit dem 14. Lebensjahr) ab und an ein paar Geschichten, aber habe noch nie so ein Feedback bekommen.

        Vielen Dank!

      2. Hey, Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen! 👏 Die Idee mit dem Autor und der Lesung ist super. 👍 Die Handlung ist spannend und überraschend und hat keine Sekunde gelangweilt. Ich könnte mir das auch sehr gut als Roman vorstellen. 😉
        Mach auf jeden Fall weiter! 🖤 mein ♥️ hast Du!

        Vielleicht möchtest Du ja auch meine Geschichte “Stumme Wunden” lesen, darüber würde ich mich sehr freuen! 🖤
        Liebe Grüße, Sarah! 👋 (Instagram: liondoll)

        Link zu meiner Geschichte: https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/stumme-wunden?fbclid=IwAR1jjPqPu0JDYk0CBrpqjJYN78PYopCEU1VGdqzCvgp7O4jnGKQSFdS6m6w

  1. Hallo Denise,
    eine wirklich tolle, eindringliche Geschichte hast Du geschrieben!
    Der doppelte Twist am Schluss und das offene Ende haben mich besonders begeistert!
    Das Problem, dass sich hier und da mal Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler einschleichen, haben wir alle, denke ich.
    Vielen Dank für die Geschichte, sie hat mich sehr gut unterhalten!

    LG,
    der schweenie
    P.S. vielleicht hast Du ja Zeit und Lust, auch meine Geschichte zu lesen und ein Feedback da zu lassen.
    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/glasauge

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