Am nächsten Morgen wachte Laura mit pochenden Kopfschmerzen und Übelkeit auf. Sie stöhnte. Das nächste Mal würde sie nicht mehr so viel trinken, das nahm sie sich fest vor. Mühsam robbte sie aus ihrem Bett heraus und schlurfte in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen. Im Flur wäre sie beinahe über eine leere Flasche gestolpert, die vermutlich gestern Abend einfach jemand da hatte stehen lassen. Sie schaltete die Kaffeemaschine an und setzte sich auf einen der Hocker in der Küche. Ihr Blick fiel auf den Esstisch und sie konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. Auch hier standen noch jede Menge Gläser. Das war einer der Nachteile, wenn man Zuhause eine Party schmiss. Hinterher musste man wieder alles wegräumen und die Wohnung putzen. Trotzdem, nichts ging über eine gute Hausparty. Die Kaffeemaschine piepte und gab ihr somit das Zeichen, dass ihr Kaffee endlich fertig war. Sie schnappte sich die Tasse und wollte sich an den Esstisch setzen, stockte dann aber. Auf einem der Stühle lag ein schwarzes Handy. Komisch, hatte das jemand ihrer Freunde gestern Abend vergessen? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Genauso wenig, wie an das Ende der Party. Wann war sie ins Bett gegangen? Sie hätte auf die anderen hören sollen, was das Trinken anging. Das Handy kam ihr nicht bekannt vor, deswegen hob sie es auf und drückte die Knöpfe, bis das Display an ging. Sie wollte eigentlich ungern in die Privatsphäre anderer eindringen, aber vielleicht fand sie ja so heraus, wem das Handy gehörte. Es war nicht gesperrt, was sie ziemlich komisch fand und das erste was sie sah war ein Bild. Als sie erkannte, wen sie da sah, stockte ihr der Atem. Das Bild musste erst vor ein paar Tagen entstanden sein, denn sie erinnerte sich noch genau an die Situation. Ihr Freund saß auf dem Sofa und sie hatte sich an seine Schulter gelehnt. Doch dieses Bild hätte es eigentlich gar nicht geben dürfen, denn sie waren alleine in ihrer Wohnung gewesen und hatten Fernsehen geschaut. Nur sie zwei. Sie wischte weiter nach rechts und entdeckte noch mehr Bilder, teilweise nur von sich, manche auch mit ihrem Freund. In keiner der Situationen hatte sie bemerkt, dass jemand ein Bild von ihr gemacht hatte. Ihr wurde es ganz mulmig zumute. Warum existierten diese Fotos, und wer hatte sie gemacht? Sie durchstöberte das Handy auf der Suche nach Informationen über den Besitzer, aber sie fand keinerlei Hinweis. Als wäre alles restlos gelöscht worden. Frustriert und etwas verängstigt legte sie das Handy auf den Küchentisch. Am liebsten hätte sie jetzt ihren Freund angerufen, aber der arbeitete um diese Uhrzeit. Vielleicht war das ja auch nur irgend ein Scherz von ihren Freunden. Obwohl sie nicht das Gefühl hatte, dass es so war, ging sie ins Schlafzimmer, um ihr eigenes Handy zu holen. Als sie wieder in die Küche kam sah sie sich verstohlen um. Stand da draußen vielleicht gerade irgendwo jemand, der sie beobachtete? Sie schlich zum Balkon und riss die Tür auf. Nein, da draußen stand niemand. Sie schüttelte den Kopf. Jetzt wurde sie schon paranoid und hatte das Gefühl gestalkt zu werden. Sie nahm das fremde Handy und schickte ihren Freunden ein Bild davon. Doch eine halbe Stunde später kam die ernüchternde Nachricht. Niemand ihrer Freunde hatte das Handy beabsichtigt oder unbeabsichtigt liegen lassen. Es musste jemand Fremden gehören. Eine ihrer Freundinnen hatte ihr den Tipp gegeben, dass sie doch mal bei den Jungs nachfragen sollte, die gestern einfach so bei ihrer Party aufgetaucht waren. Doch da sie weder wusste, wer diese Jungs waren, noch ihre Nummern hatte, musste sie diese Option verwerfen. Aber was sollte sie jetzt machen? Das Einfachste wäre gewesen das Handy zum Fundbüro zu bringen, aber dann würde sie nie erfahren, wem das Handy gehörte und was es mit den Bildern auf sich hatte. Vielleicht sollte sie zur Polizei gehen? Vielleicht hatte sie ja wirklich einen Stalker. Sie hatte den Gedanken noch nicht einmal richtig fertig gedacht, als das fremde Handy klingelte. Unterdrückte Nummer. Laura nahm ab.
„Hallo? Gehört dir dieses Handy? Ich glaube du hast es gestern bei mir vergessen.“ Es ertönte ein raues Lachen. Es hörte sich eher nach einem Mann an, aber ganz sicher war sich Laura nicht.
„Gut, dass du das Handy gefunden hast. Das war meine Intention. Hast du dir schon die Bilder angeschaut? Sie sind doch wirklich gut, findest du nicht?“, sagte der Anrufer mit verzerrter Stimme. Laura schnappte hörbar nach Luft.
„Wer bist du und was willst du von mir? Und warum hast du diese Bilder gemacht?“ Wieder hörte man das unheimliche Lachen und Laura lief es kalt den Rücken herunter.
„Wer ich bin wirst du noch früh genug erfahren. Aber setz dich doch erst einmal hin, nicht dass das was jetzt noch kommt dich umhaut.“ Laura schaute sich im Raum um.
„Woher weist du, dass ich stehe?“, fragte sie verunsichert.
„Ach Laura, eines musst du wissen. Ganz egal, was du tust, ich werde dich immer beobachten. Ich sehe jeden deiner Schritte, also versuche nicht mich zu täuschen.“ Laura schluckte und ging ans Fenster. Wenn der Anrufer sie sehen konnte musste er ja ganz in der Nähe sein. Vielleicht konnte sie dann ja auch einen Blick auf ihn werfen. Wieder ertönte das Lachen und sie hätte beinahe das Handy fallen gelassen.
„Hältst du mich wirklich für so dumm? Du wirst mich erst sehen können, wenn ich das will. Und jetzt hör gut zu. Du wirst ab jetzt genau das tun, was ich will, denn wenn nicht, wird das schlimme Folgen für dich haben, das verspreche ich dir.“ Der Anrufer machte eine kleine Pause. „ Du gehst zur Bank und hebst zehntausend Euro ab. Mit dem Geld gehst du ins Parkhaus des City Center Einkaufszentrums und legst es in den Spind Nummer siebzehn. Die Zahlenkombination lautet 385. Danach gehst du sofort wieder nach Hause. Ach und falls du versuchen solltest die Polizei einzuschalten, ich bekomme es mit, verlass dich drauf. Denk dran, ich beobachte dich!“ Noch bevor Laura etwas erwidern konnte, hatte der Anrufer aufgelegt. Sie lies sich auf einen der Stühle fallen und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Diese Person war verrückt.
Als sie aus der Bank wieder herauskam fühlte sich Laura fast wie eine Verbrecherin, obwohl sie eher das Gegenteil davon war. Sie hatte problemlos das Geld abgehoben, auch wenn sie die ganze Zeit gehofft hatte, dass gleich jemand kommen und sie davon abhalten würde. Dass ihr jemand sagen würde, dass das alles nur ein schlechter Scherz war. Aber niemand war gekommen. Auf dem Weg zum Parkhaus vermied sie es, die Leute die ihr entgegenkamen anzuschauen. Sie hatte Angst, dass ihr jemand anmerken könnte, was sie vorhatte. Im dritten Untergeschoss des Parkhauses angekommen wandte sie sich nach links und ging zu den Schließfächern. Das blaue Schildchen mit der Nummer siebzehn sprang ihr sofort ins Auge. Sie schloss es auf und holte dann die Stofftasche mit dem Geld aus ihrem Rucksack heraus. Sie hatte sich nicht getraut, das Geld nur in der Tasche herumzutragen, weswegen sie es nochmal extra im Rucksack versteckt hatte.Vorsichtig schaute sie sich um, ob auch niemand da war, der sie beobachtete. Dann stopfte sie das Geld in das Schließfach, schloss es wieder zu und beeilte sich, nach Hause zu kommen. Auf dem ganzen Weg durch die Stadt schaute sie immer wieder nach hinten, da sie das Gefühl hatte, dass ihr jemand folgte. Doch es war niemand zu sehen. Trotzdem blieb das ungute Gefühl, beobachtet zu werden, bestehen. Sie ging etwas schneller, zwang sich aber ruhig zu bleiben. Das war vermutlich alles nur Einbildung. Als sie gerade ihre Wohnungstür aufschloss hörte sie von drinnen ein Klingeln. Es war das fremde Handy. Laura überlegte kurz, nicht ran zu gehen, nahm dann aber doch ab. Sie hatte zu viel Angst, was passieren würde wenn sie es nicht tat.
„Gut gemacht Laura, ich habe das Geld bekommen. Als nächstes wirst du die grüne Vase verkaufen, die bei euch im Wohnzimmer steht. Geh in ein Antiquariat und nimm den Preis an, den der Verkäufer dir anbietet. Kein Feilschen.“
„Aber das ist ein Erbstück von meinem Freund. Wenn ich die verkaufe, dann dreht er durch.“
„Ich weiß und genau das ist mein Plan. Und denk immer dran, ich beobachte dich!“ Laura wunderte sich nicht wirklich darüber, dass der Anrufer über die Vase Bescheid wusste. Er schien ihr komplettes Leben zu kennen. Sie ging ins Wohnzimmer und betrachtete die Vase. Sie war nicht wertvoll, aber für ihren Freund hatte sie einen hohen Wert. Er hatte sie von seiner verstorbenen Oma bekommen und hielt sie immer in Ehren. In ihr sträubte sich alles, die Vase zu verkaufen aber sie wusste, dass sie das tun musste. Also ging sie in den nächsten Trödelladen und verkaufte die Vase zu einem Preis von dreißig Euro. Dieses Mal klingelte ihr Handy nicht, als sie nach Hause kam, worüber sie auch ganz froh war. Kurze Zeit später kam auch schon ihr Freund von der Arbeit. Sie beschloss, ihm erst einmal nichts von ihrer Aktion zu erzählen. Aber er bemerkte es natürlich sofort.
„Wo ist die Vase, Schatz? Die grüne, die im Wohnzimmer stand?“, fragte er aufgebracht. Laura überlegte. Sie konnte ihm nicht von dem fremden Anrufer erzählen, wollte ihm aber auch nicht weh tun.
„Es tut mir so Leid, ich habe heute morgen geputzt und dabei ist sie heruntergefallen. Es war aus Versehen und ich konnte nichts machen. Ich wollte das nicht, das musst du mir glauben!“ Sein Gesichtsausdruck wurde etwas sanfter.
„Entschuldigung, ich wollte dich nicht so anfahren. Es ist nur so, die Vase hat mir viel bedeutet!“ Er gab ihr einen Kuss und verschwand wieder. Laura wollte gerade anfangen zu kochen, als das Handy ein drittes Mal klingelte.
„Bravo Laura. Jetzt hast du deinen Freund auch noch angelogen.“ Laura schaute sich nervös um. Sie hatte schon wieder das Gefühl beobachtet zu werden. Schnell zog sie alle Vorhänge zu. Das unheimliche Lachen erklang wieder.
„Eine Aufgabe habe ich noch, bevor wir uns sehen. Mach mit deinem Freund Schluss. Wenn das passiert ist, komm aus dem Haus, ich schicke dir die Adresse wo du dann hin kommen sollst.“ Gerade als der Fremde aufgelegt hatte, kam ihr Freund wieder ins Zimmer. Sie war noch viel zu geschockt, von dem Anruf, als dass sie irgendetwas hätte sagen können.
„Warum ist hier so dunkel?“, fragte er und zeigte auf die Vorhänge. „Alles okay, Laura?“ Sie drehte sich von ihrem Freund weg, in der Hoffnung sich etwas Zeit zum Denken zu schaffen. Der einzige Grund, warum sie all diese Dinge machte, war Angst. Was ironisch war. Sie wollte nicht, dass ihrem Freund etwas passierte, und musste ihm nun selbst weh tun. Aber es war das Beste für ihn, wenn er einfach sicher zu Hause bleiben würde.
„Ich brauche eine Auszeit. Von dir, von uns!“ Ihr Freund starrte sie ungläubig an.
„Meinst du das gerade ernst? Woher kommt auf einmal dein Sinneswandel?“ Laura schluckte.
„Es sind Dinge passiert, in letzter Zeit, die haben mich verändert. Ich weiß nicht, ob ich einfach so weiter machen kann, wie bisher. Ich glaube, es wäre das Beste, wenn wir eine Pause machen würden.“ Sie ging in den Flur und zog ihre Jacke an. Ihr Freund folgte ihr.
„Laura, bitte warte! Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst!“ Sie schaute ihn traurig an.
„Ich weiß, aber ich brauche erst einmal Zeit für mich, um mir klar zu werden, wie es weiter gehen soll. Pass auf dich auf!“ Als Laura aus dem Haus trat, strömten ihr die Tränen übers Gesicht. Sie hatte keine Ahnung, ob sie ihren Freund je wieder sehen würde.
Kaum hatte sie die kleine Hütte betreten spürte sie einen dumpfen Schlag auf den Hinterkopf. Als sie wieder aufwachte saß sie auf einem Stuhl, ihre Arme und Beine waren festgebunden. Sie versuchte, daran zu ziehen, aber es ging nicht.
„Endlich bist du wach. Ich dachte schon, das wird heute nichts mehr“, sagte plötzlich jemand hinter ihr. Sie hörte Schritte und dann tauchte eine junge Frau in ihrem Blickfeld auf.
„Maia?“, fragte Laura überrascht. Die Frau lächelte.
„Überrascht? Ich weiß, dass wir uns direkt zwei Tage hintereinander sehen, finde ich jetzt auch nicht so prickelnd, aber ich verspreche dir, ab morgen wirst du mich nie wieder sehen.“
„Warst du das mit dem Handy?“
„Gut erkannt. Es war ein leichtes, gestern auf der Party, das Handy liegen zu lassen. Schließlich bin ich als letzte gegangen.“ Maia lehnte sich an den Tisch, sodass sie Laura nun direkt gegenüber stand. „Und du hast so schön alle meine Anweisungen befolgt. Ich hoffe du hast gespürt, dass dieses Mal jemand anders die Kontrolle über dich hatte und nicht umgekehrt, wie sonst immer.“
„Was willst du von mir Maia? Ich habe doch alles gemacht, was du wolltest!“ Laura schaute sie flehentlich an.
„Ich will mich an dir rächen. Für das, was du mir in der Schulzeit angetan hast. Für das, was du Jasmin angetan hast.“ Sie kam jetzt ganz nah an Laura heran und schaute ihr tief in die Augen.
„Oh ja, ich weiß, dass du Jasmin den Abhang runter geschubst hast. Alle dachten, sie hatte sich selber umgebracht, aber dem war nicht so. Du wusstest die ganze Zeit die Wahrheit. Du hast meine beste Freundin einfach umgebracht, die übrigens auch deine beste Freundin war, falls du dich nicht mehr erinnerst. Du bist ein Monster!“ Die letzten Worte schrie Maia fast und Laura zuckte vor Schreck zusammen. Wo war die liebe, kleine Maia von damals?
„Ich… das stimmt nicht. Du kannst nichts beweisen.“ Maias Miene verzog sich zu einem gehässigen Grinsen.
„Ich habe Gerichtsmedizin studiert, Laura. Ich habe mir Zugang zu den alten Akten verschafft und den Fall von Jasmin durchgelesen. Aber was soll ich sagen? Er wurde gar nicht zu Ende bearbeitet, plötzlich hieß es einfach Selbstmord. Und das obwohl die Verletzungen für etwas anderes gesprochen haben.“ Laura schüttelte den Kopf. Das konnte nicht wahr sein. Nach all den Jahren. „Außerdem erzählst du auch gerne Geschichten von Früher wenn du betrunken bist“, fuhr Maia fort. „Und rate mal, was du mir für eine Geschichte erzählt hast, als ich dich gestern in deinem betrunkenen Zustand ins Bett gebracht habe.“ Sie zog ihr Handy aus der Tasche. „Ich habe alles aufgenommen.“ Laura schluckte. Daran konnte sie sich gar nicht mehr erinnern.
„Und was willst du jetzt von mir? Willst du mich etwa umbringen?“
„Auch wenn es vielleicht verlockend wäre, nein. Ich bin keine Mörderin, anders als du!“
„Was willst du dann?“
„Ich will, dass du leidest, so wie ich den Rest meiner Schulzeit wegen dir gelitten habe. Du hast behauptet, dass sich Jasmin umgebracht hat, weil sie mit mir befreundet war. Dass es nur meinetwegen so gekommen ist. Du hast mich das jeden Tag spüren lassen. Und ich habe dir geglaubt. Ich habe mich gehasst, für das was ich bin.“
„Aber…“ Laura wollte etwas erwidern, aber Maia war so aufgebracht, dass sie einfach weiter redete. „Ich habe alles, wirklich alles für euch gemacht, dass ihr mich wieder einigermaßen akzeptiert. Ich wollte doch nur dazugehören! Aber du falsche Schlange hast immer wieder dazwischen gefunkt. Niemand kennt dein wahres Inneres so gut wie ich, an der du es jeden Tag ausgelassen hast. Zu mir warst du wie eine Furie, die mich niedergemacht hat, sobald ich versucht habe mich zu wehren. Aber zu allen Anderen warst du die nette und hilfsbereite Laura.“ Sie hielt kurz inne. „Aber weißt du, was das Schlimmste war? Ich konnte mich nicht von dir abwenden, weil du das einzige warst, was mich noch mit Jasmin verbunden hatte.“ Maia schwieg und ihr Gesicht wurde wieder zu einer undurchdringlichen Maske. Dann holte sie ihr Handy hervor und tippte darauf herum.
„Ich habe den Anderen eine Nachricht geschrieben. Bald werden unsere lieben Freunde hier auftauchen. Und dann wirst du sehen, wie es sich anfühlt, auf einen Schlag seine Freunde zu verlieren.“ Es dauerte nicht lange und schon klopfte es an der Tür.
„Maia? Bist du da?“ Maia griff hinter sich und zog eine Pistole aus der Tasche. Dann ging sie zur Tür und lies die anderen herein. Nachdem alle drin waren, schloss sie die Tür wieder ab und lehnte sich mit dem Rücken dagegen, sodass sie alle im Blick hatte.
„Was zur…“ Eines der Mädchen zeigte auf Laura, die immer noch an den Stuhl gebunden war. Maia zog die Pistole.
„Ich will nicht schießen, denn ich will nicht zum Mörder werden. Aber die Pistole muss sein, damit ihr mir zuhört.“ Die anderen schauten sie geschockt an. Doch Maia hatte keine andere Wahl gehabt. Die Jungs hätten sie locker überwältigen können, wenn sie ihnen unbewaffnet entgegengetreten wäre.
„Ich weiß, dass ihr euch gerade fragt, was hier abgeht. Ob ich völlig durchgedreht bin. Ich kann euch beruhigen, so weit ist es noch nicht gekommen.“ Sie nickte zu Laura. „Auch wenn sie oft genug dafür gesorgt hat, dass ich kurz davor war.“
„Maia was wird das hier?“, fragte eines der Mädchen leise. Maia konnte die Angst in ihren Augen erkennen und zwang sich, die Pistole runter zu nehmen. Sie war hier, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und nicht, um alle ihre Freunde gegen sie aufzubringen.
„Ich will, dass ihr die Wahrheit erfahrt. Was damals wirklich mit Jasmin passiert ist.“ Ein paar zogen scharf die Luft ein. Sie ging zu Laura hinüber und legte ihr die Hände auf die Schultern. Sie spürte, wie sich Laura unter ihr verkrampfte.
„Erzählst du es ihnen? Oder soll ich es machen?“ Doch Laura starrte nur mit gesenktem Kopf auf den Boden.
„Laura hat Jasmin umgebracht. Sie hat sie zuerst gewürgt und dann den Abhang hinunter gestoßen.“
„Was? Das glaube ich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Laura jemanden umgebracht hat. Sie ist doch so…“
„… ein liebes Mädchen? Ja, zu euch vielleicht. Ihr habt aber auch noch nie ihr wahres Ich gesehen!“
„Woher weißt du das überhaupt Maia?“ Maia lies von Laura ab und ging wieder zu dem Tisch auf dem ihre Tasche drauf stand.
„Ich habe es schon immer vermutet. Und als ich dann den Obduktionsbericht gesehen haben, war mir alles klar. Der Fall wurde nicht weiter bearbeitet, vermutlich weil Mami und Papi die Zuständigen mit Geld bestochen haben, damit sie die Klappe halten. Einen richtigen Beweis habe ich aber erst gestern Abend bekommen.“ Sie spielte ihnen die Aufnahme vor.
„Weißt du was?“ Das war Lauras betrunkene Stimme. „Ich muss dir mal was erzählen. Ich habe jemanden umgebracht. Ich, ganz alleine. Kennst du noch Jasmin? Natürlich kennst du sie noch oder? Ich habe sie von einem Abhang runter geschubst. Hätte nicht gedacht, dass es funktioniert. Ups.“ Man hörte etwas klirren. „Und dann war sie einfach tot. Schwuppdiwupp. Aber ich habe es niemandem verraten.“ Sie kicherte. „Das war mein Geheimnis.“ Dann brach die Aufnahme ab.
„Laura, warum hast du das getan?“ Ihre Freunde schauten sie verständnislos an.
„Wie kann man nur? Warum?“ Man merkte, wie die Stimmung im Raum kippte. Laura hatte die ganze Zeit geschwiegen. Anscheinend hatte sie gemerkt, dass sie verloren hatte. Maia konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie hatte endlich bekommen, was sie wollte.
„Warum hast du nie etwas gesagt, wenn du eine Vermutung gehabt hattest?“, fragte einer der Jungs. Maia schaute ihre Freunde traurig an.
„Ich habe es euch gesagt, sogar mehr als einmal. Aber ihr wolltet es einfach nicht hören!“ Dann nahm sie ihre Tasche und ging.