Nachtrose98Die Glasvase

Er öffnete den Versandbeutel. Darin war eine kleine schmale Pappschachtel. Ein Smartphone in Luftpolsterfolie eingewickelt. Alex verstand nicht, was das sollte. Er hatte in letzter Zeit nichts bestellt. Als das Smartphone anging, scannte es sein Gesicht. Es arbeitete also mit Face ID. Er hatte noch nie bei einem Smartphone diese Funktion genutzt. Zumal dieses hier, nicht sein Eigenes war. Wie also, war dies möglich? Zu allem Überfluss begrüßte ihn das Ding mit seinem Namen! Willkommen Alexander Vogens, stand im Display. Im Hauptmenü befand sich nur ein Ordner. Die Galerie. Was würde ihn da erwarten? Es kam Alex vor, als sei er in einem dieser Filme, wo ab einer bestimmten Szene das Leben des Protagonisten schlagartig geändert wurde. Hin und hergerissen, überlegte er. Sollte er das Smartphone weg legen und ignorieren oder weiter nach einer Erklärung suchen? Vielleicht war das alles nur ein billiger Scherz, den sich ein paar Jugendliche erlaubt hatten. Die meisten mieden ihn, bis auf seine Kunden. Er war Ocularist, ein Glasaugenmacher. Denn die meisten, die nicht wussten, wie es war ein Auge verloren zu haben, denen war sein Beruf skurril. Seine Kunden schätzten ihn, Alex gab ihnen fast ihr altes Aussehen wieder. Kaum einer bemerkt es, wenn jemand ein Glasauge trug. Natürlich konnten sie damit nicht mehr sehen, aber es verlieh ihnen ein Stück Normalität zurück. Auch ein Glasauge konnte sich abnutzen und musste alle 12 Monate ersetzt werden, viele dachten, es sei rund, eine Kugel. Doch eigentlich ist es eine flache, gewölbte kleine Scheibe, wie ein Stück aus einem 3D– Puzzle. Anders wie bei einer Kontaktlinse bleiben sie auch über Nacht in der Augenhöhle des Trägers. Dem bläulich schimmernden Glas wird Kryolith beigemischt, das Mineral macht es weicher und verringert den Schmelzpunkt bei der Herstellung. Jedes Glasauge ist ein Unikat und wird seinem Träger individuell angepasst. Schlussendlich tippte er die Galerie an. Die Fotos, die ihm nun entgegen sprangen, lösten etwas in ihm aus. Es war nun schon so lange her… Schuld und Scham breiteten sich in ihm aus. Die Bilder schienen ihn zu verhöhnen, ihn auszulachen. Alex hatte nie gewollt, das es passierte. Und trotzdem passierte es. Ein schmerzvoller lauter Schrei erklang in seiner Erinnerung an die Tat. Er war ein Kind, hatte nicht ahnen können, was dieser kleine Fehler alles auslöste. Er erinnerte sich noch haargenau, was danach alles folgte. Jedes noch so winzige Detail hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Seither war seine Familie zerbrochen. Er ließ das Smartphone fallen. Als er das registrierte, hoffte er, es würde wie Glas zerschellen. Und damit auch, seine Erinnerungen. Doch den Gefallen tat es ihm nicht. Alex hatte geglaubt, wenn er Ocularist werden würde, dann würde er diese Tat wieder gut machen. Wie ein Faustschlag, traf ihn die Erkenntnis. Ganz gleich, was er auch tat, nichts würde die Sache wieder gut machen. Eine Kleinigkeit, hatte so viel Zerstörung angerichtet. Wie eine Art Schmetterlingseffekt. Der winzige Flügelschlag eines Schmetterlings, der in weiter Ferne einen Tornado auslöste. Vor seinen Füßen, lag ein Zettel. Er hob ihn auf. Handgeschrieben. ,,Ich weiß, was du getan hast!” Der erste Teil war fein säuberlich, während der zweite krakelig und fast schon unlesbar war. Es wirkte, als hätte nicht nur eine Person ihn geschrieben. Wie konnte das sein? Niemand außer ihm und seine Familie wusste davon. Panik machte sich ihn ihm breit. Was würde passieren, wenn die Öffentlichkeit davon erfuhr? Alex dachte nach. Er hatte zwar niemanden umgebracht, aber das was danach alles folgte, war viel schlimmer. Er wusste nicht viel, nur das sein Vater nach der Trennung Alkoholabhängig wurde. Oliver litt darunter sehr. Der Kontakt brach jedoch schon nach wenigen Monaten ab. Hatten sie es weiter erzählt? Alex wandte sich ab. Er brauchte dringend frische Luft. Ihm wurde schlecht. Er griff nach seiner Jacke und seinem Schlüssel und verließ das Haus. Es regnete. Das war ihm völlig egal. Alex wollte nur weg. Wollte vergessen. Als er in seinem blauen Seat Ibiza saß, meldete sich das Smartphone. Unbewusst hatte er das blöde Ding in seine Jacke getan, nachdem er es aufgehoben hatte. Ganz vorsichtig, als sei es eine tickende Zeitbombe. ,,Sieh in deinem Kofferraum nach”. War die Nachricht. Alexs Herz pochte. Seine Finger begannen zu zittern. Was war hier nur los? Widerwillig verließ er sein Auto und öffnete den Kofferraum. Er traute seinen Augen nicht. Eine kaputte Glasvase, zumindest der Rest davon. Der Boden an dem nach oben hin eine scharfe spitze Kante ragte. Scheiße, nie hätte er gedacht, dieses Teil je wieder zu sehen. Die Regentropfen wurden stärker, er wurde klitschnass. Diese Glasvase tauchte immer wieder in seinen Träumen auf. Und nun, lag sie vor ihm. In seinem Kofferraum. In jenem Augenblick schossen so viele Gedanken durch seinen Kopf. Wie kam dieses verdammte Ding in seinen Kofferraum? Seine Vergangenheit schien ihn einzuholen. Er knallte den Kofferraum zu und stieg wieder ins Auto. ,,Wer bist du?”, tippte er ins Smartphone ein und versandte die Nachricht. Alex wartete. Erst fünf, dann waren es zehn Minuten. Keine neue Nachricht. Er hatte schon die Hoffnung aufgegeben. Doch dann ertönte das ,,Ping” von vorhin. Angespannt sah er auf das Display. ,,Ich bin der, der dir das Augenlicht nehmen wird!” Alex verstand nicht, was der Typ meinte. Konnte es vielleicht sein, das es ein Kunde von ihm war, der mit seiner Arbeit nicht zufrieden war? Was für ein Schwachsinn! Wer auch immer es war, es spielte keine Rolle. Der Regen prasselte immer heftiger gegen die Windschutzscheibe. Alex schmiss das Smartphone auf den Beifahrersitz, er verwarf, was da eben passiert war und startete den Wagen. Einfach nur eine kurze Rundfahrt, etwas runter kommen. Sicher war das ganze wirklich nur ein dummer Scherz. Nichts weiter. Vielleicht war es ein Traum und er würde jeden Moment neben Lilly aufwachen. Versuchsweise biss er sich auf seine Lippe, ein kurzer leichter Schmerz zeigte ihm, das es leider kein Traum war. An ihm blitzten Bäume, Häuser, und Menschen mit ihren Vierbeinern vorbei. Egal was er auch versuchte, immer trat die Glasvase wieder in seine Gedanken. Wie ein kleiner Holzsplitter bereitete sie ihm Schmerzen und erinnerten ihn an jenen verhängnisvollen Tag. Hätte er bloß nie diesen Versandbeutel aufgemacht! Davor hatte er sein Gewissen mit seinem Beruf beruhigt, doch nun, drücke ihn ein dunkler Schatten nach unten. Zog ihn in ein tiefes schwarzes Loch. Alex war so in seine Gedanken vertieft, das er gar nicht merkte, wie ein kleines Mädchen die Straße überquerte. Auf ihrem Rücken trug sie einen Schulranzen, sie war gerade auf dem Heimweg. Sein Seat war vielleicht nur noch wenige Meter von ihr entfernt. Er hatte sie immer noch nicht bemerkt. ,,Daddy pass auf! Das Mädchen!!!”, rief seine Tochter Lea vom Rücksitz. Alex trat auf die Bremse. Er schaffte es noch rechtzeitig, kurz vor dem Mädchen kam der Wagen zum stehen. Ängstlich hob sie ihre Hände vor ihr Gesicht, als hätte das Mädchen einen Schutzengel gehabt. Sofort stieg Alex aus und lief zu dem Mädchen. ,,Geht es dir gut? Bist du irgendwo verletzt?” Das Mädchen sah ihn mit geweiteten Augen an. Sie musste sich erst vom Schock erholen. ,,Ich… Denke schon, nein.” ,,Wo wohnst du?” Misstrauisch betrachtete das Mädchen ihn. ,,Nicht weit von hier.”, antwortete sie. In dem Moment kam eine Frau angelaufen und fielt dem Mädchen um den Hals. ,,Schätzchen, geht es dir gut?!” ,,Ja Mama.” Mit einem wütenden Blick, wandte sie sich an Alex. ,,Danken sie ihrem Schutzengel, das Sie meine Tochter nicht überfahren haben! Seien Sie das Nächste mal gefälligst vorsichtiger und achten auf die Straße!” Bevor er eine Entschuldigung stammeln konnte, ist die Frau bereits verschwunden. Was war nur in ihn gefahren? Wenn er kurz vorher nicht seine Tochter Lea von der Schule abgeholt hätte und sie ihn nicht vor dem Mädchen gewarnt hätte. Was dann passiert wäre, das konnte er sich nicht mal annähernd vorstellen. Das wollte er sich nicht einmal vorstellen. Schuldgefühle schlichen sich in seine Gedanken. Er hätte besser aufpassen sollen, da hatte die Frau recht. Beklommen stieg er wieder in den Seat. Alex warf einen kurzen Blick auf seine Tochter, ihr schien es soweit gut zu gehen. ,,Was hältst du davon, wenn wir uns noch was zum Abendbrot holen? Deine Mutter würde sich freuen, wenn wir ihr was Schönes kochen?” Leas Mine hellte sich auf. ,,Au ja!”

 

kurze Zeit später…

Ihr Weg führte sie zu einem Supermarkt, der nicht weit von ihrem Haus entfernt war. Sie kauften alles für das gemeinsame Essen ein. Lea entdeckte ein Stofftier, das in einem der Regale saß. Es war Scar, der Bösewicht aus Der König der Löwen. Alex ahnte jetzt schon, wohin das führen würde. Sie standen bereits in der Schlange, vorne an der Kasse. Lea neben ihm, mit diesem Stofflöwen in ihren Armen. Alex betrachtete das linke Auge des Stofflöwen, das von einer Narbe gezeichnet war. Sofort fiel ihm die Glasvase in seinem Kofferraum wieder ein. Das konnte doch so langsam alles kein Zufall mehr sein. Er sah sich kurz um, an eine der anderen Kassen stand ein Mann. Irgendwie kam er ihm bekannt vor. Als sich ihre Blicke kreuzten, bildete sich ein Name in seinem Kopf. David Ulmann. Natürlich. Das war sein einziger Kunde, der je unzufrieden mit seiner Arbeit gewesen war. David nickte ihm zu. Unwillkürlich musste er an die letzte Nachricht des Unbekannten denken. ,,Ich bin der, der dir das Augenlicht nehmen wird!” David Ulmann war der Einzige, der in das Profil des Unbekannten passte. Sobald sie an der Kasse fertig waren, sah Alex zu, dass sie schnellstmöglich zum Seat kamen. Er räumte alles – bis auf den Stofflöwen – in seine Einkaufstasche und verstaute alles auf dem Rücksitz. Alex dachte so schon genug an das verdammte Ding in seinem Kofferraum, da musste er es sich nicht ein weiteres Mal ansehen. Auch Lea brauchte es nicht mitzubekommen. Alex lächelte seiner Tochter zu und sie ihm zurück. ,,Danke Daddy, hab dich lieb.”, sagte sie glücklich. ,,Ich dich auch, Spatz.” Er ging um den Wagen herum. Nicht weit stand ein Mann der ihn verwundert ansah. Als wäre er nicht ganz bei Sinnen. Doch Alex machte sich nichts daraus, er war es gewohnt, von anderen als speziell bezeichnet zu werden. Auf der Rücktour verhielt sich Lea ganz ruhig, sie musste wohl eingeschlafen sein. Alex ertappte sich dabei, wie er erneut an die Glasvase denken musste. Es wurde schlimmer, dachte er. Vorher hatte er nur davon geträumt und nun plagte ihn das blöde Ding schon am helllichten Tag. Es ließ ihn einfach nicht mehr los. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als das blöde Ding einfach verschwinden zu lassen. Ob er dann Ruhe hätte? Nein, das würde nie passieren. Es würde immer an ihm haften, wie ein unsichtbarer Schatten. Alex durfte sich nur nicht von diesem unsichtbaren Schatten auffressen lassen. Dann hätte er verloren und würde im Meer der Dunkelheit untergehen. Das durfte nicht passieren. Dann würde er seine zwei liebsten Menschen Lilly und Lea verlieren. Sie waren sein Ein und Alles, ohne sie hätte auch sein Leben keinen Wert mehr. Alex parkte seinen Seat, stieg aus, ging um den Wagen herum, nahm die Einkaufstasche heraus und hängte sie sich über seinen Arm. Alex konnte einfach nicht anders, er musste nach der Glasvase sehen. Also öffnete er den Kofferraum und -. Leer! Das verdammte Ding war weg! Er hatte sie sich doch nicht eingebildet! Das verdammte Ding war wirklich hier gewesen! So ein Mist, was wird hier gespielt?! Die Autotür stand offen, sicher war Lea bereits vorgegangen. Ihr Stofflöwe lag noch auf dem Rücksitz, Alex griff danach und nahm ihn mit. Im Haus angekommen, ging er die Treppe hoch und stellte kurz die Einkaufstasche ab. Im Wohnzimmer fand er Lea auf dem Sofa, er deckte sie behutsam zu und legte den Stofflöwen in ihre Arme. Ein lächeln huschte über seine Züge. Dann kehrte er in den Flur zurück, nahm die Einkaufstasche und kümmerte sich in der Küche um das Abendbrot. Immer noch musste er an das verdammte Ding denken, wie konnte sie erst im Kofferraum auftauchen und dann wieder verschwinden? Er war nicht verrückt, Alex hatte sich diese Glasvase nicht eingebildet. Immer mehr fühlte er sich beobachtet, hier stimmte etwas nicht. Er deckte den Esstisch im Wohnzimmer, lange dürfte es nicht mehr dauern, bis Lilly von ihrer Arbeit kam. Er fühlte sich unwohl, weiterhin beobachtet, bei jedem noch so leisen Geräusch suchte er verzweifelt nach der Ursache. Bis er sich dabei ertappte, im Wohnzimmer umherzugehen. Auf der Suche nach Etwas, das nicht hier her gehörte. Lea schlief immer noch, ihre kleine Hand hing vom Sofa herunter. Sein Blick wanderte zum Fenster und von da aus zur Palme die auf dem Boden stand. Doch etwas ließ seine Alarmglocken läuten. Erde war um die Palme herum verteilt worden, ganz so, als hätte sie Jemand versehentlich umgestoßen und sich nicht weiter darum gekümmert. Das sähe Lilly ganz und gar nicht ähnlich, Lea ging nicht an die Palme und er war es auch nicht. Als Alex sich gerade umdrehte, stand abrupt Lilly hinter ihm. Er zuckte kurz und verfluchte sich dafür, so in seine Gedanken vertieft gewesen zu sein, dass er sie hatte gar nicht reinkommen hören. Sie wirkte antriebslos und müde. ,,Du hast mich gar nicht gehört, dabei habe ich sogar gerufen. Du solltest langsam mal was dagegen machen.” ,,Tut mir leid, Schatz, ich dachte nur… Ach, egal. Ich war mit Lea einkaufen, nun hat sie ein neues Stofftier.” Alex blickte zum Sofa auf dem Lea schlief. Lilly folgte seinem Blick, sah den Stofflöwen und schüttelte betrübt ihren Kopf. Kurz schloss sie ihre Augen und atmete tief durch. Als sie sie wieder öffnete, wirkten sie glasig. ,,Ich habe auch für uns gekocht.” Alex ging auf Lilly zu und gab ihr einen Kuss. ,,Was gibt es denn?” ,,Leas Lieblingsessen, Spaghetti Bolognese.”Lilly wirkte überhaupt nicht erfreut, doch Alex bemerkte es gar nicht. Als Lilly zum Esstisch ging, schlenderte er zum Sofa um Lea zu wecken. ,,Lea, wach auf mein kleiner Spatz.” Lea lächelte Alex an, nahm ihren Stofflöwen und ging zum Esstisch. Auch er folgte ihr. Lilly betrachtete den gedeckten Tisch und Alex Bemühungen trostlos. ,,Was wollt ihr trinken?”, fragte er. ,,Ich möchte bitte Apfelsaft.”, antwortete Lea. Alex lachte. ,,Ok, mein Spatz und du, Schatz?” Lillys Mine änderte sich schlagartig. Eine Träne rann ihrem Gesicht runter. ,,Hör endlich auf damit! Verdammt noch mal, was stimmt denn nicht mit dir?!” Alex wusste nicht, was er von Lillys Reaktion halten sollte. Er hatte doch nichts getan, oder? ,,Schatz, was ist denn los? Ist etwas auf der Arbeit gewesen?” Lilly stand einfach auf und verließ das Wohnzimmer. Was war das denn? ,,Vielleicht hatte Mama nur einen schlechten Tag.”, meinte Lea. Alex griff nach der Flasche Apfelsaft und goss Lea etwas ein. Gemeinsam unterhielten sie sich, bis Lea ins Bett musste. Als Alex sich ein letztes Mal dem Esstisch zuwandte, sah er das volle Glas Apfelsaft darauf stehen. Kurz war er verwirrt, wieso war das Glas noch voll? Er schüttelte den Kopf und folgte Lea. Er lass ihr noch etwas vor und wünschte ihr die Schönsten Träume. Als er selbst langsam zum Bett ging, sah er das Lilly bereits schlief. Sie musste einen harten Tag gehabt haben, in letzter Zeit kam das häufiger vor. Auch ihre Ausbrüche häuften sich, er machte sich Sorgen um sie. Egal wie oft er fragte was los sei, jedes Mal sah sie ihn an, als wäre er nicht ganz bei Sinnen. Er hatte ihr sogar vorgeschlagen zusammen zu einem Psychotherapeuten zu gehen, wieder war ihre Antwort der gleiche Gesichtsausdruck. Alex wusste nicht mehr, was er noch machen sollte. Zusätzlich ignorierte Lilly ihre eigene Tochter. Das war vorher nie gewesen, doch seit einer Woche fing sie plötzlich damit an. Wie sollte alles nur weiter gehen, was war vorgefallen? Was hatte Lea getan, das ihre Mutter sie so missachtete? Er konnte es sich einfach nicht erklären, weder Lea noch Lilly sagten ihm, was zwischen ihnen vorgefallen war. Er wälzte sich nur hin und her, grübelte über alles nach und wenn er mal schlief, dann träumte er von diesem verdammten Ding. Doch nicht nur davon, etwas anderes schlich sich in seine Träume. Es war ein orangener Transporter, der seinen blauen Seat rammte. Mit weit aufgerissenen Augen wachte er schweißgebadet auf, völlig verwirrt und sein Puls erhöht. Der orangene Transporter. Es war als öffnete sich eine weitere Tür, dessen Schlüssel zuvor gefehlt hatte. Alex konnte nur schemenhafte Schleier ausmachen, beinah wie dichter Nebel verdeckte es ihm die Sicht auf das was sich im inneren der Tür befand. Er versuchte nach den Nebel zu greifen, doch es zerfloss in seinen Händen. Es war so ein lebhafter Traum gewesen, doch es konnte einfach nichts anderes sein. Er würde nie einen Autounfall einfach so vergessen. Niemals.

 

Sein Plan funktionierte perfekt, alles lief, wie er es gedacht hatte. Er würde Alexander Vogens alles nehmen, so wie er es bei ihm auch getan hatte. Vogens musste dafür zahlen. Nur so könnte er selbst damit abschließen, vielleicht ein neues Leben leben. Weg von all den Pessimisten, Lügner und Verräter. Nur Vogens war Schuld an seinem verkorksten Leben. Er hatte ihn nicht nur zu einem Krüppel gemacht, er nahm ihm Alles, was ihm Damals wichtig war. Vogens hatte ihn eingeschränkt, ihm seine Familie genommen und ihm sogar sein früheres Ich zerstört. Nur ein winziger kleiner Funke lebte zurückgezogen in der hintersten Ecke seiner Seele. Im System hatte sich eine große Menge Wut und enormer Hass angesammelt, es wurde Zeit Vogens eben jene zu präsentieren. Wer weiß, vielleicht schaffte er es, ihn später in seinen eigenen Selbstmord zu drängen. Auf die richtige Bahn bringen, wie das System es nannte. Zumindest, wenn er mit ihm fertig wäre. Er hatte noch Großes mit ihm vor, die Öffentlichkeit würde noch lange daran denken. Siegessicher starrte er sein Opfer an, welches sich hin und her wälzte wie ein kleines Baby. Sicher träumte er von drei Dingen, der Glasvase, den orangenen Transporter und das Smartphone. Die Glasvase brachte alles ins rollen, der orangene Transporter zeigte ihm das es noch lange nicht vorbei war, das Smartphone erinnerte ihn und das nächste Objekt stellte seinen Untergang dar. Er hielt es in seinen Händen, drohend, wie einen Vorboten des Todes. Er stand einige Zeit so dar, beobachtete am Fuße des Bettes sein Opfer. Ein grinsen huschte über seine Züge, bald würde es so weit sein. Bald könnte er sich rächen. Er wäre der, der zu Letzt lachte.

 

Alex fühlte sich erschöpft, er hatte kaum geschlafen, nur schreckliche Alpträume ertragen. Lilly war bereits weg, als sein Wecker klingelte. Lea stand bereits fertig angezogen vor seinem Bett, als Alex sich aus seiner Bettdecke kämpfte. Nachdem sie das Haus verließen, liefen an ihnen zwei Schulkameradinnen von Lea vorbei. Die weder Alex noch Lea groß beachteten. ,,Wieso begrüßen sie dich nicht?” Lea zuckte nur mit ihren Schultern. Als sie den blauen Seat erreichten, erinnerte er sich an den Unfall, er hatte die Spuren noch immer nicht beseitigt. Wie ein Sinneseindruck schoss ihm der orangefarbene Transporter ins Gedächtnis. Es war kein Traum. Er begann langsam an allem zu zweifeln, erst das Smartphone, der Unbekannte, das verdammte Ding, Lillys Hysterie. Und zuvor der Unfall mit dem orangenen Transporter. Himmel, was war bloß los? Er ließ den verbeulten Seat stehen und nahm stattdessen das Auto seiner Frau, die heute Morgen lieber ihr Fahrrad genommen hatte und fuhr seine Tochter zur Schule. Seine linke Schulter machte sich bemerkbar. Das Smartphone meldete sich mit diesem grauenvollen ,,Ping”. Was sollte jetzt kommen? Er stand mittlerweile vor der Schule seiner Tochter, als vor seinem Wagen eine Lehrerin stand. Er kurbelte das Fenster herunter. ,,Herr Vogens, ich habe gehört was passiert ist. Es tut mir so Leid, es ist wirklich traurig… Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann, zögern Sie nicht. Aber, was machen Sie hier eigentlich?” Es war Leas Lehrerin, die ihn angesprochen hatte. Was passiert war? Wusste sie etwa davon? ,,Danke. Was ich hier mache? Ich habe nur meine Tochter zur Schule gebracht, weiter nichts.” Verwundert und voller Trauer blickte ihn die Lehrerin an. Alex verstand nicht, was los war. Es war doch normal seine Tochter zur Schule zu bringen, oder etwa nicht? Warum sollte das Leas Lehrerin so traurig machen? Vorher hatte er das doch auch getan. ,,Auch wenn Sie so tun, als wäre es nie passiert, wird es nicht mehr wie früher sein… Versuchen Sie, es zu akzeptieren. Solche Dinge passieren und niemand kann Sie ändern, wenn er sie leugnet…” Wovon redete Sie? Es war doch alles gut, bis auf die Geschichte mit dem Smartphone. Er verabschiedete sich von Leas Lehrerin und fuhr weiter. Er überlegte, was er nur übersah. Da war etwas, nur wusste er nicht was. Was, wenn sie von seinem dunklen Geheimnis wusste? Die Glasvase, seine Tat. Was er als Kind getan hatte. Panik machte sich in ihm breit, die Angst davor, was passierte wenn es Alle wussten. Es wurde nie publik, seine Eltern hatten es unter den Teppich gekehrt. Wenn jemand danach fragte, was Oliver zugestoßen sei, schwiegen sie. Ob er noch mehr gelitten hatte? Wie ging es ihm Heute? Alex blickte in den Rückspiegel. Seine Augen weiteten sich, als er einen orangenen Transporter sah. Wieder erwachte seine Panik verbunden mit Angst. Er wurde verfolgt! Der Unbekannte, es musste David Ulmann sein. Alex bog in eine Seitenstraße, erst glaubte er, er hätte den orangenen Transporter abgehängt. Doch kurze Zeit später bog auch der Transporter in die Seitenstraße ein. Alex könnte ewig so weiter machen, der Fahrer würde ihm folgen. Fieberhaft überlegte Alex was er nun tun sollte. Die Front des Transporters war nicht beschädigt, war es überhaupt eben jener Transporter? Angestrengt versuchte er, Ulmann auszumachen. Doch der orangene Transporter war einfach zu weit hinter ihm. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen und fuhr zu seiner Praxis mit Werkstatt. Er hatte heute einen Termin mit einem seiner Kunden. Noch immer folgte ihm der orangene Transporter, er war nun fast bei seiner Praxis. Als Alex sie erreicht hatte, zog er das Smartphone hervor. Er hatte sich das ,,Ping” vorhin nicht eingebildet. Es war diesmal keine Nachricht, sondern ein Foto. Schweißperlen bildeten sich auf Alex Stirn, sein Herz begann schneller zu schlagen, seine Finger zitterten heftig. Als er das Foto öffnete, gefror sein Körper. Dieses Mal zeigte das Foto nicht sein dunkelstes Geheimnis, stattdessen war er und Lilly darauf zu sehen. In ihrem Ehebett, während sie schliefen. Sein Wecker zeigte Datum und Uhrzeit, das war gestern Nacht! David Ulmann hatte sie fotografiert, er war in ihrem Haus gewesen… Sein Magen rebellierte, beinah verlor er sein Frühstück. Er konnte nur noch das Foto anstarren, in seinen Ohren hörte er das Pochen seines Herzens. Alex konnte nicht mehr klar denken, wusste nicht, was er nun tun sollte. Sein Gefühl welches er gestern Abend in seinem Haus hatte, war richtig gewesen. Er war wirklich nicht allein gewesen, womöglich hatte Ulmann ihn beobachtet… Die Erde, die um die Palme herum verteilt worden war. Er schluckte. Weder er, noch seine Familie würde weiterhin in ihrem Haus noch sicher sein können. Scheiße. Er musste etwas tun, bevor Ulmann zuschlagen würde… Alex holte tief Luft, zählte bis Zehn und stieg dann aus. Erstmal würde er sich um seinen Kunden kümmern und danach um sein Problem.

Er betrat seine Praxis und sah auf die Uhr. Mist, schon so spät? Sein Kunde dürfte bereits auf ihn gewartet haben. Schnell bereitete er alles vor und empfing seinen Patienten. Ben Brandt. Schon bei der Ersten Sitzung mit Herr Brandt erinnerten seine Augen Alex an etwas aus seinem früheren Leben. Seiner Kindheit. Er wusste nur nicht, warum ausgerechnet diese Augen etwas in ihm auslösten. Alex zeigte seinem Patienten das neue Glasauge, welches er zuvor gefertigt hatte. Es sah zwar nicht exakt wie das erste Glasauge aus, aber es passte ebenfalls zu seinem echten Auge. Er nahm das Alte heraus, reinigte die Augenhöhle und setzte das Neue hinein. Alex hielt ihm einen Handspiegel hin. ,,Wie vorher. Ich danke Ihnen, Herr Vogens. Was würde ich nur ohne Sie machen?” Alex lächelte und winkte ab. ,,Ist doch nicht der Rede wert, das ist mein Job.” Etwas spiegelte sich in seinem echten Auge, blitzte nur für wenige Sekunden darin auf. War das Hass? Was es auch war, er bildete es sich nur ein. Herr Brandt schätzte ihn, genau wie seine anderen Kunden auch. Er verabschiedete sich von ihm und widmete sich wieder seinem persönlichen Problem. Als er die Praxis verließ und sie zuschloss, fiel sein Blick auf einen Transporter. Erleichtert atmete er auf, es war ein anderer. Alex wusste immer noch nicht, was er nun tun sollte. Mit seiner Familie in seinem Haus bleiben konnte er jedenfalls nicht. Er machte sich auf den Weg zu Leas Schule, sicher wartete sie bereits auf ihn. Alex blickte in den Innenspiegel seines Wagens und bemerkte das Leas Stofflöwe auf der Rückbank lag. Sie musste ihn vergessen haben. An ihm fuhr ein orangener Transporter vorbei, als er diesem hinterher blickte, öffnete sich eine weitere Tür. Die Erinnerung traf ihn so heftig, dass ihm für kurze Zeit die Luft weg blieb. Das Geschehene lief vor seinen Augen wie ein Film ab. Der orangene Transporter der seinen Seat rammte, seine Tochter die dabei tödlich verletzt wurde… Alles was zuvor war, als Lea im Auto saß und ihn vor dem Mädchen was über die Straße lief gewarnt hatte, der Supermarkt, in dem sie sich den Stofflöwen ausgesucht hatte, als sie auf dem Sofa schlief und er sie geweckt hatte um gemeinsam zu essen, das volle Glas Apfelsaft, all das waren nur Einbildungen gewesen… Zu jenen Zeitpunkt war Lea gar nicht mehr am Leben gewesen… Nun ergaben die Worte seiner Frau, sowie die der Lehrerin Sinn… Er konnte und vor allem wollte es nicht glauben, aber nun ergab alles Sinn. Er zog sein richtiges Smartphone aus der Hosentasche und rief bei Lilly, seiner Frau an. Jedoch meldete sich nur ihre Mailbox. Bisher war es eher selten, das seine Frau nicht zu erreichen war. Alex musste zurück, er durfte seine Frau nicht auch noch verlieren. Nicht nachdem er sich wieder an den Unfall erinnern konnte. Es war kein Traum, das wusste er nun. Endlich hatte er sein Haus erreicht, nachdem er überall nach Lilly gesucht hatte, sank er völlig erschöpft in den Sessel im Wohnzimmer. Verdammter Mist! Er war zu spät, dieses Schwein hatte seine Frau bereits geholt… Er hätte gleich gestern Abend noch mit ihr von hier verschwinden sollen. Dann wäre es nie so weit gekommen. Sollte er nun die Polizei miteinbeziehen? So schnell wie ihm der Gedanke kam, so schnell verwarf er ihn auch wieder. Wenn er das tun würde, dann müsste er sein Geheimnis preis geben… Sicher würde das alles nur noch viel schlimmer machen. David Ulmann rechnete sicher damit, nachher würde er noch Lilly töten, wenn er die Polizei hinzu zog. Er musste sie alleine retten, nur so hätte er eine Chance. Die Stille wurde vom ,,Ping” des Smartphones zerrissen. Alex konnte sich nur zu gut vorstellen, was sich ihm nun bot. Erneut traten Schweißperlen auf seine Stirn, seine Finger begannen heftig zu zittern und auch sein Herzschlag spielte völlig verrückt. Als stürze er in einen tiefen Abgrund, bloß ohne auf den Boden aufzuschlagen. Vor lauter Aufregung ließ er das Smartphone beinah fallen, er konnte es gerade noch auffangen. Dieses Mal, war es wieder eine Nachricht. ,,Wenn du Sie lebend wiedersehen willst, entschlüssle meine Nachricht: Ev gjoeftu vot jo efs bmufo Tdixjnnibmmf. Beeil dich, dir läuft die Zeit davon.” Was sollte das zum Teufel nur bedeuten? Völlige Panik machte sich ihn in breit, wie sollte er das nur lösen? Erstrecht unter Zeitdruck? Vielleicht war es nur ein Trick und hinter den Buchstaben verbarg sich nichts. Oder sollte man sie ersetzen? Eventuell verrücken? Angestrengt versuchte er, der Lösung näher zu kommen. Doch egal wie er es drehte, nichts machte daraus einen lesbaren Text. David spielte mit ihm. Wie die Katze mit ihrer Maus, bevor sie sie verspeiste. Leider gab es niemanden in seinem Umfeld, der sich mit so was auskannte. Ihm blieb nur eines übrig. Er würde David Ulmann einen Besuch abstatten. Diesem grauenhaften Spiel endlich ein Ende bereiten. Alex suchte in seinem Büro nach der Akte von Ulmann, als er sie gefunden hatte verließ er das Haus und stieg in den Wagen seiner Frau. David Ulmann wohnte mitten in der Stadt, seine Wohnung wäre sicher mehr als ungeeignet für eine Entführung. Alex dachte nach, er konnte nicht einfach bei Ulmann an der Tür klopfen und hoffen das er ihm Einlass in seine Wohnung gewährte. Er müsste anders an die Sache rann gehen. Erstmal beobachtete er Ulmann, vielleicht würde das ihm helfen, um herauszufinden wo er Lilly hatte. Er schämte sich für sein Verhalten, das er sich seine tote Tochter eingebildet hatte, kein Wunder das Lilly ihm gegenüber so reagiere. Dabei hätte er eine Therapie gebrauchen können und nicht Lilly. Er würde es wieder gut machen, in dem er Lilly rettete. Endlich tat sich etwas, Ulmann verließ seine Wohnung zu Fuß, in seinen Händen hielt er einen Karton. Alex stieg aus seinem Wagen und folgte ihm in einem gewissen Abstand. Immer wieder versteckte Alex sich hinter Hauswänden und Büschen, nur um nicht von Ulmann gesehen zu werden. Dieser blickte sich immer wieder verstohlen um, ganz so als fürchtete er ertappt zu werden. Plötzlich ertönte das ,,Ping” des Smartphones und Alex glaubte schon, Ulmann hätte es auch gehört. Aber er lief weiter, ungeachtet ob in seiner Nähe ein Smartphone geklingelt hatte. Erleichtert atmete Alex auf. Schnell sah er auf das Smartphone, ein Foto. Innerlich schrie er auf, hätte am liebsten dieses blöde Teil gegen die nächste Hauswand geklatscht. Doch das würde alles auch nicht ungeschehen machen. Als er das Foto öffnete, sah er das verdammte Ding vor sich, die Glasvase. Die Fotos auf diesem Teil begannen sich zu häufen, immer mehr zeigten nun sein dunkelstes Geheimnis. Verdammt! Wo führte das alles nur hin? Wenn diese Glasvase nie kaputt gegangen wäre, dann wäre alles anders. All das war seine Schuld gewesen und Jemand wusste davon. Ulmann lief weiter, folgte einer schmalen Gasse und erreichte eine Garage. Ob er Lilly dort drinnen festhielt? Alex beobachtete Ulmann dabei wie er die Garage aufschloss und hinein ging. Schnell schlich er zur Garage und blickte durch das Schlüsselloch der Tür, die darin eingebaut war. Ulmann stand mittig im Raum, vor ihm der Karton. So weit Alex sehen konnte, war alles mit Gerümpel voll gestellt und als Ulmann den Karton öffnete, holte er daraus Comic Hefte hervor. Comic Hefte!? Das konnte doch nicht wahr sein, er war dem Falschen auf der Spur…! Als er sein Haus erreichte, dämmerte es bereits. Und noch immer war er keinen Schritt weiter… Wenn David Ulmann es nicht war, wer war es dann? Im Wohnzimmer lief er an einer Glasvitrine mit Kristallfiguren vorbei, seine Frau und auch seine Tochter liebten diese Figuren. Aber eine fehlte… Die Lieblingsfigur seiner Tochter, eine Giraffe. Eigenartig, er könnte schwören die Kristall Giraffe gestern noch gesehen zu haben… Dafür hatte er jetzt keine Zeit, er musste Lilly finden! Der Unbekannte wollte unbedingt das er den Text entschlüsselte, irgendwie würde er schon noch dahinter kommen, was es bedeuten sollte. Alex schnappte sich einen Block und Stift und schrieb den unlesbaren Satz auf. ,,Ev gjoeftu vot jo efs bmufo Tdixjnnibmmf”. Sieben Wörter mussten es sein. Das Erste und das Letzte wurden groß geschrieben. Womöglich musste er nur die Buchstaben verschieben. Alex probierte es aus, er verschob jeden Buchstaben einen weiter nach rechts. ,,Fw hkpfguv…”, nein, falsch. So kam nur weiteres durcheinander heraus. Und wenn er es nach links rücken würde? ,,Du findest uns in der alten Schwimmhalle…” Plötzlich ergaben die Buchstaben einen Sinn, es war tatsächlich ein Satz. Nun wusste er, wo der Unbekannte mit seiner Frau war. Die alte Schwimmhalle, die schon seit Jahren verlassen war. Er griff nach dem Smartphone und sandte den Satz zum Unbekannten. ,,Gut. Als nächstes gehe an deinen Briefkasten. Darin findest du einen Schlüssel mit einer Nummer. Finde das dazugehörige Schloss und bringe den Inhalt zur Schwimmhalle.” Alex hatte geglaubt, wenn er den Satz herausgefunden hätte, dann wäre es bald vorbei. Stattdessen wurde es nur noch schlimmer. Er ballte seine Hände zur Faust, nur noch dieser dämliche Schlüssel, danach würde er aufhören und sich seine Frau zurück holen! Er ging runter zum Briefkasten und öffnete ihn. Darin befand sich wirklich ein Schlüssel mit der Nummer 211, dahinter stand ,,Step In”. Zusätzlich lag eine Clubkarte dabei. Alex überlegte, er hatte es irgendwo schon mal gelesen. Step In, Moment mal, das war doch ein Fitnesscenter hier in der Stadt! Der Schlüssel musste für einen Spind mit der Nummer 211 sein. Es war bereits spät, aber Alex wusste das dass Step In bis 00:00 geöffnet hatte. Er rannte die Treppe hoch, griff nach dem Autoschlüssel und stürmte wieder nach unten. Alex stieg in Lillys Wagen und fuhr zum Step In, wenn er sich beeilte, dann würde er es noch schaffen können. Erst war es eine rote Ampel, dann eine Baustelle, durch die er Zeit verlor. Das durfte nicht war sein! Ausgerechnet jetzt musste das passieren und als würde es nicht schon reichen, musste er auch noch hinter einem langsamen Transporter hinterher fahren. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit, er musste sich beeilen. Endlich hatte er das Step In erreicht, es waren nur noch fünfzehn Minuten übrig. Alex rannte zum Eingang, als er am Empfangsschalter vorbei kam, wurde er von einem Mann gestoppt, der für das Step In arbeitete. ,,Jetzt lohnt sich das nicht mehr, wir schließen gleich.” ,,Ja ich weiß. Muss nur schnell zu meinem Spind, hab was vergessen. Dauert nicht lang. Wirklich.” Der Mitarbeiter musterte ihn. Alex sah nicht gerade aus, als würde er oft hier her kommen. ,,Aha, wie steht es mit der Clubkarte?” Alex zeige ihm die Clubkarte und den Spindschlüssel. Der Mitarbeiter überprüfte beides. ,,Ich hab das Abo geschenkt bekommen, bin noch nicht lange dabei.” Weiterhin musterte der Mann ihn, zog eine Augenbraue hoch und fragte. ,,Und wo ist dann Ihre Sporttasche?” Mist! An so was hatte er vor lauter Aufregung gar nicht gedacht. Alex wurde zunehmend nervöser. ,,Na wo wohl, im Spind. Deshalb bin ich doch auch hier, kann ich nun zum Spind, Bitte?” Die Mine des Mitarbeiters wurde weicher, seine zuvor verschränkten Arme ließ er nun runter hängen. ,,Na gut, los. Holen Sie ihre Sporttasche.” Alex bedankte sich und lief zu den Raum in dem sich der Spind befand. 211. Er schloss ihn mit zitternden Händen auf und betete das wirklich eine Sporttasche darin lag. Ansonsten konnte er nur behaupten, er habe sich geirrt. Quietschend öffnete sie sich und tatsächlich, eine rote Sporttasche fiel in sein Blickfeld. Erleichtert atmete er aus. ,,Und? Sporttasche gefunden?”, fragte ihn der Mitarbeiter, der ihm scheinbar gefolgt war. Alex zuckte kurz zusammen. ,,Ja.” Demonstrativ hielt er sie dem Mitarbeiter entgegen. ,,Danke nochmal.” Alex schloss den Spind wieder. ,,Keine Ursache, nur nächstes Mal, wäre es besser sie nicht hier zu vergessen. Wenn hier was verschwindet, haften nicht wir.” ,,Ok, bin das nächste Mal nicht so vergesslich.” Der Mitarbeiter nickte. Er begleitete Alex noch bis zum Ausgang, dann verabschiedete er sich von ihm. Alex stieg wieder in den Wagen. Sollte er in die Sporttasche schauen? Letztendlich siegte seine Neugier. Er öffnete die Sporttasche, als er das Innere betrachtete, hätte er sie am liebsten aus dem Fenster des Autos geschleudert. Deswegen sollte er hier her kommen?! Wegen diesem blöden Ding?! Das konnte doch nicht wahr sein, der Unbekannte verhöhnte ihn. Erinnerte ihn so oft es ging an seine Tat. Alex durchsuchte die Sporttasche nach weiteren Hinweisen, irgendetwas musste doch auf den Unbekannten deuten. Eine Trinkflasche mit den Initialen des Step In und ein Familienfoto, welches er betrachtete. Das konnte nicht wahr sein… Unmöglich… Das selbe Familienfoto hatte er auch… Eine schreckliche Vorahnung nistete sich wie ein Insekt in seine Gedanken ein. Nun hatte er seinen Hinweis, nie hätte er es geglaubt, wenn ihm jemand gesagt hätte, was passieren würde. Sein Blick fiel auf das verdammte Ding in der Sporttasche. Er hasste es. Zorn breitete sich in ihm aus. Er musste diese Sache Endlich zu Ende bringen, seine Frau Lilly retten und ihm klar machen, das dass ganze ein schrecklicher Unfall war. Nun wusste Alex, mit Wem er es zu tun hatte. Er startete den Wagen und wollte gerade den Parkplatz verlassen, als ihm ein Transporter auf fiel. Er konnte trotz der Laternen nicht erkennen, welche Farbe der Transporter hatte. Als er an ihm vorbei fuhr, konnte er dafür einen Schriftzug ausmachen. ,,Brandt & Sohn. Möbeltransport.´´ Der Name traf ihn wie ein Blitz. Sofort sah er Ben Brandt vor seinen Augen. Er war bei ihm gewesen. Und Alex hatte ihn nicht erkannt. Alex begann zu lachen. Er hatte sich längere Haare und einen Bart wachsen lassen, trug eine Cappy und eine Hornbrille. Um sein krankes Spiel spielen zu können. Und nun würde er Alex Frau dafür zahlen lassen. Für seine Tat. Ohne auch nur weiter darüber nachzudenken, fuhr er los. Er durfte Lilly nicht auch noch verlieren. Nicht nach der Sache mit Lea. Er musste zu dieser Schwimmhalle.

Er hatte den Ort ausgewählt, weil das Haus in dem das Ganze damals passiert war, in der Nähe lag. Er wollte so nahe wie möglich an den Ort zurückkehren, an dem es passierte. Allerdings kam es für ihn nicht in Frage, sein Spiel in dem Haus zu beenden, wo alles angefangen hatte. Das System verbot es ihm, in das Haus zurückzukehren. Sie wollten nicht, das er dort hin zurück ging. Sie glaubten, das würde dem System schaden, es könnte ihn vielleicht triggern. Gewisse Erinnerungen aktivieren, vor denen das System schützen will. Nicht Jeder glaubte an seine Methoden, doch er, Ben, wollte Rache. Alles war vorbereitet. Sein Blick fiel auf zwei Scheinwerfer, die der Schwimmhalle immer näher kamen. Das musste Vogens sein. Bald würde seine dunkle Tat öffentlich sein. Jeder würde wissen, was er getan hatte…


Alex griff nach der Sporttasche die auf dem Beifahrersitz lag und stieg aus dem Wagen. Vor ihm ragte die verlassene dunkle Schwimmhalle auf. Ein schauriger Ort, doch das war ihm egal. Er wollte nur noch Lilly retten. Vielleicht könnte er ihm endlich sagen, das dass alles nur ein schrecklicher Unfall war. Er suchte nach dem Smartphone um die Taschenlampe darauf nutzen zu können. Hier funktionierte kaum noch eine Lichtquelle, ohne Licht würde er nicht weit kommen. Alex folgte dem zugewucherten Weg der in die Schwimmhalle führte. Vorbei an der Eingangshalle, durch die Umkleidekabinen, an den Schließfächern vorbei. Alles war verdreckt, die Natur holte sich schleichend alles zurück. Ein alter Baum war in eine der Seitenwände gekracht. Er hielt es nicht mehr aus, seine Hände ballten sich zu Fäuste. Adrenalin schoss durch seine Adern. Er vernahm einen angstvollen Schrei, der durch die alten Räume hallte. ,,LILLY!!!´´, schrie er so laut, wie er nur konnte. Das musste Lilly sein. Alex rannte weiter, bis er das leere verschmutzte Schwimmbecken vor sich erahnen konnte. Er hielt das Smartphone in die Höhe, um überhaupt etwas sehen zu können. Seine Vermutung war richtig, vor ihm lag das Schwimmbecken wie ein tiefer Abgrund in die Hölle. Aber weit und breit nicht eine Spur von Lilly, egal wohin er auch sah. ,,Lilly!´´, rief er wieder. Doch dieses mal vernahm er nichts als Stille. Alex fluchte. Irgendwo hier musste sie doch sein! Er hatte sich ihren Schrei doch nicht eingebildet, sie war hier. Das wusste er. Er lief am Beckenrand lang, in der Hoffnung ein winziges Zeichen oder etwas anderes finden zu können. Als er die Treppe erreicht hatte, die hoch zur Besonnungsplattform führte, rutschte er beinah auf etwas Nassem aus. Als er sich wieder gefangen hatte, leuchtete er mit dem Smartphone darauf. Seine Augen weiteten sich, Panik vermischt mit Angst breitete sich in seinem Körper aus. Das war Blut, frisches Blut! Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Sein Verstand formte nur ein einziges Wort. Nein! Wie ein Mantra sprach er es leise vor sich hin, als würde das dass Zauberwort sein, was alles ungeschehen machte. Das durfte nicht sein! Alex stürzte die Treppen hoch. Oben fiel er völlig außer Atem auf die Knie. Er durfte jetzt nicht aufgeben! Er musste sich beherrschen und seine Frau finden! Er rappelte sich wieder auf, griff nach der Sporttasche und suchte fast schon verzweifelt nach dem Smartphone, das ihm bei seinem Sturz aus der Hand geflogen war. Ohne Licht, könnte er genau so gut auch aufgeben. Plötzlich ertönte das ,,Ping´´ des Smartphones direkt vor ihm. Der Bildschirm erhellte sich und zeigte ihm eine neue Nachricht. Alex griff danach mit zitternden Händen. Er war dem Ende so Nah. Es war ein Foto, weder von seiner Tat, noch von dem verdammten Ding. Stattdessen was es ein Foto von Lilly, wie sie in einem weißen Kleid, auf einem alten Stuhl gefesselt saß, über und über mit Blut beschmiert. Ihre Augen voller Angst. Ein Stück Stoff im Mund um sie am schreien zu hindern. Hinter ihr die verdreckten Fenster der Schwimmhalle. Das musste hier oben sein! Auf der Plattform. Alex hielt das Smartphone vor sich, das Licht präsentierte weitere Blutflecken auf dem grünen Teppich, die schmutzig weißen Liegen waren alle beiseite geschoben worden. Die Blutspur führte bis zum Drei Meter Sprungturm, von dem er nur noch wenige Schritte entfernt war. Sein Herz schlug so heftig, als wolle es ihm aus seiner Brust springen. Einerseits hatte er auch Angst, was ihn nun erwarten würde, vor allem aber, das jede Hilfe für Lilly bereits zu spät kam. Er hatte das widerliche Foto gesehen, das viele Blut, was wenn… Nein! So durfte er nicht denken! Ein kupferartiger Geruch hing in der Luft. Alex ging weiter, er hatte keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Er bemerkte gar nicht, das an der Seite etliches Technisches Equipment stand. Er sah nur Lilly auf diesem Stuhl vor sich. Abrupt ging hinter ihm Licht an, es zeigte Lilly, wie sie da so hilflos saß. Als sie ihn erkannte, wurden ihre Augen größer, sie versuchte sich aus ihren Fesseln zu winden, versuchte das Stück Stoff aus ihrem Mund zu bekommen. Sie wimmerte hilflos. ,,Wir haben dich schon erwartet.´´, es kam aus der Dunkelheit, hinter Lilly hervor. ,,Hör auf mit dem Scheiß, Oliver! Ich weiß, das du dass bist!´´ Zuvor hatte Alex das Smartphone fallen lassen. Dieses mal passierte das was er sich ganz zu Anfangs gewünscht hatte. Das es zerschellen würde, wie Glas. Das Smartphone schlitterte über den grünen Teppich bis zum Abgrund der Plattform und fiel nach unten, es zersprang in seine Einzelteile. Doch Alex registrierte es gar nicht. Ein schelmisches Lachen erklang hinter Lilly. ,,Oliver? Ich bin nicht Oliver!´´ Eine weitere Lichtquelle schaltete sich ein, die ein Stück höher ausgerichtet war, als die Erste. Hinter dem Stuhl auf dem Lilly saß, stand ein Mann. Alex war es, als würde er in sein Spiegelbild blicken. Er hatte recht gehabt, er war bei ihm gewesen, in seiner Praxis. Nur dieses Mal ohne Cappy, mit zusammen gebundenen Haaren, ohne Hornbrille und ohne Bart. Er hatte sich ihm damals als Ben Brandt vorgestellt, Brandt, der Nachname ihres gemeinsamen Vaters. Durch seiner Verkleidung, war es Alex gar nicht aufgefallen, wie er direkt vor ihm gesessen hatte. ,,Und wer bist du dann? Wenn nicht Oliver?´´ Ben grinste. ,,Du weißt gar nicht, was du damals alles ausgelöst hast!´´ Das stimmte, Alex wusste nur, das nach dem Unfall ihre Eltern sich getrennt hatten. Sie glaubten, an dem Unfall eine gewisse Schuld zu haben. Alex wuchs bei der Mutter auf und Oliver bei ihrem Vater. Doch schon nach wenigen Monaten brach der Kontakt ab. Ihr Vater begann immer öfter zur Flasche zu greifen, wurde alkoholabhängig. ,,Nicht viel, nur das unser Vater alkoholabhängig wurde.´´ Ben schnaufte wütend. ,,Es war viel mehr als das! Je mehr er trank, um so gewalttätiger wurde er. Und jedes Mal, wenn er in unser entstelltes Auge blickte, verprügelte er uns! Er warf uns vor, nutzlos und dumm zu sein. Es wurde von Tag zu Tag schlimmer. DU bist schuld!!!´´ Es war surreal das er ,,uns´´ sagte, zusätzlich benahm er sich kurzzeitig wie ein kleiner Junge und stampfte mit dem Fuß auf. So als hätte seine Mutter ihm beim letzten Einkauf ein Ü-Ei verwehrt. ,,Wer bist du?´´, fragte Alex. Kurz knurrte sein gegenüber. ,,Ich bin Ben. Ben Brandt. Das System schützt Oliver.´´ Alex verstand nicht, was Ben mit diesem System meinte. Wurde sein Bruder etwa verrückt? Oder litt er an Schizophrenie? ,,Ok, gut. Ben, hör mir bitte zu. Es war ein Unfall, ich -´´, Alex wurde von Ben unterbrochen. ,,LÜGEN! Du hast mich geschubst!´´, wieder wirkte es, als sei er ein Kind und kein Erwachsener. Alex konnte nicht glauben, was Ben plötzlich in seiner Hand hielt. Es war die Kristall Giraffe von Lea. Ben hielt die Giraffe drohend vor Lillys linken Auge. ,,Sag was du uns angetan hast!!!´´ Alex musste handeln, sofort. Er legte die Sporttasche ab, holte die Glasvase hervor und hielt sie in Bens Richtung. ,,Es passierte im Haus unserer Eltern, wir waren fünf Jahre alt. Wir rannten durch das Haus, stellten uns vor, dass ich der Superheld und du der Bösewicht warst. Dabei stießen wir gegen die Kommode, auf der die Glasvase stand. Sie fiel zu Boden und zerschellte, die Glasscherben leuchteten im Sonnenlicht. Ich weiß bis heute nicht, warum ich das tat, ich wusste nicht, wozu das Führen würde… Ich schubste dich Oliver und du bist direkt mit deinem linken Auge auf die Spitze der Glasvase gefallen, konntest dich gerade noch mit deinen Armen abstützen, doch für dein Auge kam jegliche Hilfe zu spät. Dein Schrei hallt noch immer nach, in meinen Erinnerungen an der Tat.´´ Ben lauschte Alexs Stimme, sein gesundes Auge war glasig. ,,Es war ein dummer Unfall, nie hatte ich die Absicht, dir wirklich weh zu tun… Ich konnte ja nicht ahnen, das Vater mit dem trinken anfangen würde und… -´´ Bens Blick änderte sich, Wut schien sich in ihm zu sammeln. Er brüllte lauthals auf, seine Hand in der die Kristall Giraffe war, schnellte nach oben, auf Lillys linken Auge zu. Ihr Schrei wurde arg gedämpft, durch den Stofffetzen in ihrem Mund. Alex schrie ebenfalls, stürzte nach vorne, riss den Stuhl mit Lilly weg von Ben. Durch den immensen Schwung den Alexs Körper bekam, stieß er Ben immer weiter zum Abgrund des Sprungturms. Ben war auf Alexs Attacke nicht vorbereitet gewesen und konnte sich gerade so noch am Rand des Sprungturmes festhalten. Alex griff nach Bens Hand, gerade als er sich nicht mehr halten konnte. Er war sein eineiiger Zwillingsbruder, Alex konnte ihn einfach nicht fallen lassen. ,,Du hast Leas Tod zu verantworten, oder?´´ Ben sah zu ihm hoch. ,,Ja.´´ Auch wenn es nun viele Gründe gab, Ben fallen zu lassen, tat er es nicht. Schließlich, war es seine Tat, die Bens Leben zerstört hatte. Er war der Auslöser für die Trennung ihrer Eltern, was dazu führte das ihr Vater trank und seinen Sohn misshandelte, den er als Schande sah. Einen kurzen Moment, wollte er ihn fallen lassen. Er hatte sein Schicksal nun an Lilly weiter gegeben, die für all das gar nichts konnte. Zusätzlich hatte er ein eben so unschuldiges Mädchen für die Tat ihres Vaters büßen lassen. Wenn, dann hätte Bens Rache ihn strafen müssen und nicht seine Familie. Alexs Hand begann immer mehr zu schwitzen, länger könnte er ihn nicht mehr halten. Gerade als er dachte, das es damit endete, wie Ben in die Tiefe stürzte, legte sich Jemand neben Alex und griff nach Bens zweiter Hand. Dank der zusätzlichen Hilfe konnten sie Ben wieder nach oben ziehen. Es war ein Polizist der Alex geholfen hatte. Hinter ihm kümmerten sich ein Arzt und Sanitäter um Lilly. Ben wurden sofort Handschellen angelegt und er wurde abgeführt. ,,Woher wussten Sie, wo wir sind und was gerade passiert?´´, fragte er den Polizisten. ,,Sie hatten Glück, das der Täter alles von Anfang an als Livestream auf einer Videoplattform gepostet hatte. Viele haben alles mitverfolgt und sogar bei Uns angerufen, Dank des Smartphones konnten wir sie noch rechtzeitig finden.´´ Alex wusste, das dass kein Glück war. Ben, Oliver, – Wer auch immer er war, hatte alles bewusst aufgenommen. Er wollte unbedingt das Alexs dunkles Geheimnis den Weg in die Öffentlichkeit fand. Er hatte es auch geschafft, nun wussten Alle von seiner Tat. Der Polizist wandte sich ihm zu. ,,Kommen Sie Herr -´´ ,,Vogens. Alexander Vogens.´´

 

Zwei Wochen später…

 

Lilly hatte sich von der Entführung bereits erholt, bloß ihr verlorenes linkes Auge machte ihr noch sehr zu schaffen. Sie war bei einem Psychologen in Behandlung. Alex tat es leid, das sie dank ihm nur noch ein Auge besaß. Dafür half er ihr, so weit er nur konnte. Auch wenn es noch etwas dauern würde, bis er ihr ein Glasauge machen durfte. Er war froh, das sie nicht weiter verletzt war, das viele Blut war nicht von ihr. Und auch nicht menschlich. Ihm wurde gesagt, die Untersuchungen ergaben, das es von Tieren stammte. Ihm fiel ein Sprichwort ein. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Auch wenn Oliver nun Schuld an Lillys Schicksal war, Alex würde nicht auf Rache sinnen, wie Oliver. Er erhielt einen Anruf. ,,Herr Vogens? Hier ist Dr. Eckmann, der Psychotherapeut ihres Bruders. Wir haben nun eine Diagnose vorliegen, Dissoziative Identitätsstörung. Kurz auch DIS genannt. DIS ist eine Störung bei der verschiedene Persönlichkeitszustände abwechselnd die Kontrolle über das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen übernehmen. Dissoziation ist ein Mechanismus der Psyche, der das Überleben sichern soll. Wenn eine Situation unerträglich für ein Kind wird, dann spalten sich Teile ab. Es entstehen Identitäten, die den schrecklichen Teil in sich tragen, und Andere, die im Alltag funktionieren können. Meist wird die DIS als Schizophrenie oder Borderline-Störung verwechselt und falsch diagnostiziert. Bei Schizophrenie hören die Patienten Stimmen, die ihre Handlungen kommentieren und beobachteten, das was als Co- bewusste Identität bei einer DIS Auftritt kann fälschlicher Weise falsch gedeutet werden. Bei jedem Patienten ist es anders, manche haben regelrechte Zeitsprünge und können nicht sagen, was in dieser Zeit passiert ist, oder was sie gemacht haben.´´ Gebannt hörte Alex Dr. Eckmann zu. ,,Sagen Sie Herr Dr. Eckmann, kommt bei dieser DIS auch das Wort System vor? Oliver oder eher Ben sagte nämlich: Das System schützt Oliver. Was sollte das Bedeuten?´´ ,,Ja, dieses Wort wird oft bei Patienten genutzt, die eine DIS haben. Das System stellt die vielen unterschiedlichen Identitätsanteile dar, es können dreißig, achtzig oder gar über hundert verschiedene Anteile sein, wenn nicht sogar mehr, die in einem Patienten leben. Von Einigen wissen die Co- bewussten Identitäten, aber nicht Jede stellt sich Ihnen vor und nicht Jeder kann mit Jedem kommunizieren. All diese Identitätsanteile gehören dem System an und sorgen dafür, das es dem Körper gut geht.´´ ,,Das erklärt so einiges. Vielen Dank, Dr. Eckmann.´´ Alex verabschiedete sich und legte auf. Endlich war der Alptraum vorbei. Er ging zu Lilly, die auf dem Sofa saß. Auf der Lehne des Sofas, hatte er den Stofflöwen platziert. Auch wenn Lea ihn nie bei sich gehabt hatte, würde er ihn immer an sie erinnern. Das Verhältnis zu Lilly hatte sich trotz der schrecklichen Sache wieder etwas gebessert. Er würde nie wieder zulassen, das ihr etwas passierte. Lillys Therapie tat ihr gut, sie lernte mit ihrem neuen Schicksal zurecht zu kommen. Alex konnte sich Dank seines Berufs in Lilly hineinversetzen und verstand wie sie sich fühlte. Nun würde wieder alles besser werden. Allenfalls  gab es für Lilly und Alex nun eine zweite Chance, vielleicht sogar Familienzuwachs. Der ihr Leben bald völlig auf den Kopf stellen würde.

6 thoughts on “Die Glasvase

  1. Hallo,
    Unglaublich, dass deine Geschichte so wenig Kommentare und Likes bisher hat. Ich finde, du hast dir eine wirklich spannende Geschichte ausgedacht. Sehr vielschichtig und kreativ.
    Du könntest an manchen Stellen etwas Klarheit reinbringen, damit man dem Geschehen besser folgen kann und es etwas einkürzen, da die Geschichte schon recht lange ist.
    Dadurch konntest du aber viele Hintergründe, auch medizinische, gut erklären. Das macht es natürlich sehr glaubhaft.
    Vielleicht musst du noch etwas Werbung für dich machen? Dann stell dich doch auf Instagram unter wirschriebenzuhause vor, falls du da noch nicht bist.

    Viel Erfolg noch.

    Liebe Grüße,

    Jenny /madame_papilio

    Ich würde mich sehr freuen, wenn du Lust hast auch meine Geschichte zu lesen. Sie heißt “Nur ein kleiner Schlüssel”.

  2. Hallo Jenny /madame_papilio, vielen lieben Dank für deine Tipps und die Idee mit Instagram, ich habe da gar nicht dran gedacht, mich auf der Seite vorzustellen. Wäre ein Versuch wert.
    Ich bin schon auf deine Geschichte gespannt,
    Liebe Grüße Jessica Nachtrose98

  3. Liebe Nachtrose98,
    mir gefällt deine Geschichte sehr gut. Endlich mal etwas außergewöhnliches: alles dreht sich ums Glasauge. Es war schon sehr spannend zu lesen. Zwischendurch dachte ich zwar auch einmal, diese oder jene Stelle hätte man kürzen können, aber das ist sicherlich auch Geschmacksache. Die Rettung am Schluss kam sehr abrupt und unerwartet. Alles in allem eine Geschichte, die deutlich mehr Likes verdient hätte. Meines bekommst du sehr gern und ich hoffe, es kommen noch viele hinzu. Ich drücke dir dafür ganz fest die Daumen!!

    Ich würde mich sehr freuen, wenn du auch bei meiner Geschichte vorbeischauen würdest. Sie heißt „Stunde der Vergeltung“.
    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/stunde-der-vergeltung#

    Liebe Grüße
    Angela

    1. Liebe Angela, vielen lieben Dank für dein Kommentar. Es freut mich, das dir meine Geschichte gefallen hat😉 Das mit den Glasaugen kam, weil ich etwas ,,Neues” ausprobieren wollte und bisher selber kaum etwas in diese Richtung gelesen hatte. Da es auch zu meiner Ursprungsidee passte, entschied ich mich dafür den Beruf eines Ocularisten mit in die Geschichte einfliessen zu lassen. Und ich muss gestehen, dass die Geschichte wirklich etwas viel und langatmig ist. Ich spiele mit dem Gedanken, manches noch etwas zu kürzen. Mit der Rettung wollte ich etwas Spannung einbringen. Ich danke dir für dein Like und auch für die aufbauenden Worte👍, vielleicht mache ich noch etwas mehr Werbung.
      Und ich freue mich schon auf deine Geschichte, gerne lese ich sie mir durch!😊

      Liebe Grüße,
      Jessica / Nachtrose98

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