susanne.daehlerDie goldene Badewanne

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Das Einzige was mich seit Jahren am Leben hält, ist das Wissen, dass irgendwann die Zeit kommen wird, um mich an dir zu rächen.

Erfolgreich habe ich meine Selbstmordgedanken immer wieder verdrängt, um einen perfekten Plan zu erarbeiten, um dich zu vernichten.

Jetzt ist es so weit!

Sorgfältig überprüfe ich nochmals das Smartphone, alles perfekt. Ab in die Schachtel, zukleben und los geht‘s. Ich wünsche dir eine gute Reise. Der Kurierdienst müsste in zwanzig Minuten hier sein.

“Lisa du musst los, du bist spät dran!”

“Ich komme ja schon,” ruft sie aus dem Bad.

Sebastian versteckt das Paket hinter dem Sofa, damit es Lisa nicht sieht. Denn sie weiss nichts von seinen Plänen.

Zehn Minuten später verlässt Lisa endlich die Wohnung, und macht sich auf den Weg in die Klinik. Gerade noch rechtzeitig, bevor der Kurier klingelt um das Paket abzuholen.

 

Der Gynäkologe Dr. Markus Auer trifft um neun Uhr in der renommiertesten Schweizer Privatklink ein. Sie liegt in den Alpen. Er steht auf der Sonnenseite des Lebens. Geld, Macht, gutes Aussehen und einen guten Job. Alles Eigenschaften, die ihn erfolgreich machen und auf die er unheimlich stolz ist. In dieser Klinik zu arbeiten ist ein Privileg. Das was wir hier bieten, ist einzigartig. Eine exklusive Einrichtung, was in diesem Fall fünfzig Suiten und zehn Chalets bedeutet. Außerdem wird Wert auf die neusten Geräte und das Wichtigste, die Verschwiegenheit und die Loyalität, gelegt. Dafür ist die Schweiz bekannt. Geld ermöglicht einem einfach alles. Er geht im Kopf nochmals das Programm von heute durch.

Als erstes tritt eine sechzehnjährige junge Dame in der Begleitung ihrer Mutter ein. Sie wird das Chalet Nr. 112 beziehen. Laut Krankenakte weilt sie seit fünf Monaten in dem nicht weniger vornehmen Internat, das keine zwanzig Kilometer von hier entfernt ist. Man sagt, es sei ein Zufluchtsort für reiche Problemkinder. Um das Problem der jungen Dame werden wir uns morgen kümmern, so dass sie in zwei Tagen wieder nach Hause zu ihren Freunden kann.

Guten Morgen Sabine

Guten Morgen Markus, ich habe dir die Post, die Krankenakte und ein Paket bereits auf den Schreibtisch gelegt.

Ein Paket? Habe ich etwa meinen eigenen Geburtstag vergessen?” antwortet er mit einem Lächeln.

“Glaube nicht!”

Danke, du bist einfach die Beste Sekretärin die man haben kann.

Neugierig öffnet er das Paket. Es enthält eine mattschwarze Geschenkbox, die er sogleich öffnet. Die Box ist ausgelegt mit rotem Samtpapier auf dem sich eine schwarze Schachtel befindet, die mit einem roten Geschenkband umwickelt ist. Vorsichtig zieht er an der roten Schleife, öffnet die Schachtel. Zum Vorschein kommt ein Smartphone. Wer schickt mir ein Smartphone? Nicht mal eine Karte wurde beigelegt. Er schaltet es ein.

Auf dem Bildschirm erscheint ein Zahlenfeld. Jetzt brauche ich nur noch den richtigen Pin! Wo bekomme ich den her? Probieren wir es mal mit meinen bekannten Pins. Funktioniert alles nicht. Während er das Smartphone gedankenverloren in seiner Hand umdreht, bemerkt er, das Cover auf der Rückseite.

Darauf steht in roter Schrift: NIMM MICH WEG!!!

Gut, denkt er sich, probiere ich es mal. Zum Vorschein kommt die Zahl 95743. Das muss der Pin sein. Wieso kommt mir die Zahl so bekannt vor? Beim Eingeben wird Ihm bewusst, dass es seine Autonummer ist. Gute Idee, darauf wäre ich nie gekommen. Wer kommt auf so eine Idee?

Es erscheint erneut eine Nachricht. Wieder in roter Schrift auf schwarzen Hintergrund.

ICH VERNICHTE DICH!!!

Erstaunt darüber, was das zu bedeuten hat, schießt ihm der Begriff Drohung in den Kopf.

Damit hat er nun wirklich nicht gerechnet. Etwas verwirrt schaut er sich um, soll das ein Scherz sein? Hat es hier irgendwo eine versteckte Kamera? Er schaut aus dem Fenster. Nichts zu sehen, niemand ist da.

Beim nochmaligen Betrachten der Nachricht macht sich ein mulmiges Gefühl in seinem Magen breit. Ich weiß wirklich nicht was das soll! Ich habe nichts getan. Genervt legt er das Smartphone beiseite und wendet sich seinen Akten zu.

Zehn Minuten später verlässt er sein Büro um die junge Dame zu besuchen. (Ich nenne sie beim Vornamen Elisabeth. Sie wissen schon, wegen der Schweigepflicht.)

 

Zur gleichen Zeit sitzt Sebastian in der Wohnung, in die er vor sechs Monaten mit Lisa eingezogen ist. Eine Altbauwohnung im ersten Stock, in einem ruhigen Quartier. Direkt vor der Haustüre befindet sich ein Park mit einem Teich, wo sie im Sommer immer wieder mal zum Schwimmen und Grillen hingehen.

Ich bin bereit für den nächsten Schritt.

Die nächste Nachricht wird ihm so richtig Angst machen.

Das Foto ist der Beweis.

 

Markus beendet gerade seinen Besuch bei Elisabeth und Ihrer Mutter als sein Smartphone klingelt.

Hallo Lisa”

Hallo Markus, kannst du bitte kurz rüberkommen, damit wir für morgen alles vorbereiten können?

Bin in fünf Minuten bei dir! Habe gerade das Eintrittsgespräch beendet.“

Gut, bis später

Ja bis später Auf dem Weg zur Säuglingsstation schleicht sich die bereits bekannte bestimmende Stimme in sein Gehirn ein. TU ES. LOS, DU BRAUCHST ES UM ZU ÜBERLEBEN. Drei Monate ist es her, seit dem letzten Mal. Das Gefühl, die Macht über Leben und Tod zu besitzen, ist wahrlich das beste Gefühl das ich je erlebt habe. Ich brauche es, zum Überleben. Ich nehme niemandem etwas weg, sondern löse nur ein Problem.

Hallo Markus

Hallo Lisa, alles vorbereitet für morgen?

Soweit ja, möchtest du es noch kontrollieren?

Nein ich vertraue dir, die goldene Badewanne ist auch bereit?

Ja die habe ich bereits nach hinten gestellt.

„Sehr gut, dann ist ja alles vorbereitet. Somit sind wir fertig für heute. Wir sehen uns morgen früh, genieße noch den schönen warmen Frühlingstag.“

„Mache ich, du auch.“

Zurück in seinem Büro fällt ihm das Smartphone auf, das immer noch auf seinem Schreibtisch liegt. Es leuchtet auf. Markus nimmt es widerwillig in die Hand und gibt den Pin ein. Was darauf erscheint, lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren. Er muss sich setzten.

ZUERST IN LEBENSGEFAHR BRINGEN, UND DANN REANIMIEREN!

Dazu noch eine Aufnahme, die Markus mit der goldenen Badewanne zeigen. Das rasante Ansteigen seines Adrenalinspiegels versetzt seinen Körper in Alarmbereitschaft. Das äußert sich unter andrem durch den Anstieg seines Blutdrucks. Sein Herz schlägt schneller und seine Atemwege weiten sich. Jetzt erst entdeckt er, dass es noch ein zweites Foto gibt. Darauf erkennt Markus sich, wie er den Säugling reanimiert! Seine Gedanken überschlagen sich. Woher kommen diese Bilder? Wann wurden die gemacht? Das ist wirklich eine Drohung! Ich brauche dringend frische Luft, damit ich wieder einen klaren Gedanken fassen kann. Er geht zum Fenster, öffnet es und nimmt einen tiefen Atemzug. Das tut gut. Ich muss ruhig werden, um meinen Körper unter Kontrolle bringen. Fünf Minuten später hat er sich soweit wieder beruhigt, dass er seine Sachen zusammenpackt und nach Hause geht. Schnellen Schrittes verlässt er sein Arbeitszimmer und verabschiedet sich noch schnell im Vorbeigehen bei Sabine. Angekommen in seinem neuen weißen Maserati, öffnet er zuerst alle Fenster. Luft, ich brauche Luft. In Gedanken versunken fährt er ohne Ziel in der Gegend herum. Während er langsam wieder in die Realität zurückkehrt, entdeckt er einen kristallblauen See auf der linken Fahrseite. Er hält bei nächster Gelegenheit an, parkt sein Auto und setzt sich auf eine einsame Bank. Langsam erholt er sich von dem Schreck. Er holt das Handy aus der Jackentasche, um nachzusehen, wann die Aufnahme gemacht wurde. Elfter Januar 2019. Vor einem Jahr. Seine Gedanken kehren zurück ins Jahr 2019. Das war das erste Mal, dass ich es getan habe. Von wem sind diese Aufnahmen? Warum jetzt? Was will er oder sie damit erreichen? Während er gedankenverloren auf den See hinausschaut, trifft ihn die Erkenntnis wie aus heiterem Himmel. Der Pfleger! Wie war nochmals sein Name? Sebastian, genau! Er hat mich damals beobachtet. Ich dachte bis heute, dass er nicht alles gesehen hat und das Thema erledigt ist. Da habe ich mich wohl getäuscht. Seine Erpressungsversuche sind Ihm damals schon zum Verhängnis geworden. Er hat Geld gekriegt, ist daraufhin aber entlassen worden. Wieso probiert er es jetzt wieder! Braucht er Geld? Oder ist er jetzt komplett verrückt geworden? Ich habe jetzt keine Zeit für so was. Morgen ist mein großer Tag.

Ein Anruf holt ihn aus seinen Gedanken zurück. Etwas verwirrt betrachtet er das Smartphone in seiner Hand, das stumm bleibt. Er greift in seine Hosentasche und nimmt sein eigenes Handy aus der Tasche.

“Hallo Thomas, was verschafft mir die Ehre?”

“Hallo Markus, hast du Lust auf einen Männerabend bei mir zuhause? Whisky und Zigarren stehen bereit.”

“Sehr gerne, das ist jetzt genau das Richtige nach einem anstrengenden Tag.”

“Sehr gut, dann treffen wir uns in einer Stunde bei mir im Loft.”

“Bin in einer Stunde bei dir”

Während Markus zu Thomas unterwegs ist, betritt Lisa gerade Ihre Wohnung.

 

“Hallo Sebastian, bin wieder da”

“Hallo Lisa, schon Feierabend?” fragt er sie ein wenig überrascht.

“Ja, Markus hat mich nach Hause geschickt, weil wir im Moment nicht viel zu tun haben. Dafür könnten wir zusammen in den Park gehen und das schöne Wetter genießen.”

“Ahm, ja, können wir machen”

“Du klingst nicht sehr überzeugt, bringe ich deine Pläne durcheinander?”

“Nein, nein. Gib mir zehn Minuten, dann bin ich ganz für dich da.”

“Alles klar, ich muss mich sowieso noch umziehen”

“Sollen wir picknicken? Oder hast du schon was gegessen?”

“Picknicken tönt gut.”

Während Lisa sich umzieht und das Picknick vorbereitet, bereitet Sebastian aufgeregt seine nächste Nachricht für den Herrn Doktor vor. DU BIST NICHT ALLEIN!

“Alles klar Sebastian? Ich bin bereit, können wir gehen?”

“Ja, los geht’s ab in den Park.”

“Morgen muss ich länger arbeiten, wir haben einen Kaiserschnitt. In der 35. Schwangerschaftswoche. Du weißt ja, wie das ist.“

“Dann müssen wir den restlichen Nachmittag ja erst recht genießen.”

“Das machen wir. Ich habe dein Lieblingsessen eingepackt. Musst du immer auf dein Handy schauen? Leg das blöde Ding doch mal weg!”

“Ja gleich, muss die Nachricht nur noch abschicken. “

 

Markus genießt den hervorragenden Whisky, eine Zigarre und entspannt sich sichtlich dabei.

“Hast du am Wochenende frei?” fragt Thomas.

“Ja, von Freitag bis Sonntag, wir könnten mal wieder nach Monaco zum Spielen gehen, was meinst du dazu?”

“Super Idee, haben wir schon lange nicht mehr gemacht. Das ganze Programm? ”

“Buchst du die Suiten im Hotel de Paris?”

“Mache ich sofort, Flug oder Auto?”

“Wann kannst du los?”

“Am Donnerstagabend, und du?”

“Das ist perfekt, dann nehmen wir dein neues Luxusgefährt und testen es mal richtig”

“Abgemacht, freue mich drauf.”

“Ich muss dich jetzt leider verlassen, habe morgen einen strengen Tag vor mir.”

“Bis dann, mach’s gut”

Müde, aber entspannt fährt Markus nach Hause. Ich muss jetzt einfach nur noch schlafen. Morgen wird ein aufregender Tag, der mir wieder die Macht und somit das gute Gefühl der Überlegenheit gibt. Ich kann es kaum erwarten. Zuhause angekommen, durchsucht er seine Jacke nach seinem Handy. Dabei kommt ihm das fremde Smartphone in die Hand. Er wollte es schon zurück in die Jacke stecken, als er ein Blinken entdeckt. Nicht schon wieder, hätte ich es nur ausgeschaltet. Nach einem kurzen Zögern entscheidet er sich dazu es nur kurz anzuschauen und es dann abzuschalten. Sein Blick bleibt an vier Worten haften.

DU BIST NICHT ALLEIN!

Seine Entspannung ist wie weggefegt.

Er fühlt sich verfolgt. Wann hört das endlich auf? Was muss ich tun? Was hat er mit mir vor? Ich muss mit ihm reden! Ich muss ihn stoppen! Er meint es ernst! Das ist ein Missverständnis. Ich muss das klarstellen, aber wie? Kann ich ihm eine Rückantwort senden? Fragen über Fragen gehen im durch den Kopf. Markus tippt eine Antwort ein, drückt auf senden, nichts, es geht nicht. Verärgert schaltet er das Smartphone aus und legt es zu seinem Schlüsselbund auf das Regal.

Müde und ausgelaugt legt er sich ins Bett. Sein letzter Gedanke bevor er einschläft galt Lisa. Ich muss morgen unbedingt als erstes mit ihr reden.

Nach einer unruhigen Nacht fährt Markus mit einem unguten Gefühl zur Klinik. Auf direktem Weg geht er zu Lisa auf die Säuglingsstation. “Lisa, ich muss mit dir reden!”

“Guten Morgen Markus, was ist los?”

“Bist du alleine?”

“Ja, was ist los mit dir?”

“In fünf Minuten in meinem Arbeitszimmer, das können wir nicht hier besprechen.”

Fünf Minuten später betritt Lisa mit einem mulmigen Gefühl das Arbeitszimmer von Markus.

” Was ist los? Habe ich etwas falsch gemacht?”

“Setz dich erst mal, ich muss dir was zeigen.” Er nimmt das Smartphone aus der Tasche und reicht es Lisa.

“Was soll ich damit? Hast du ein neues Smartphone, dass du mir zeigen willst? Das ist nicht dein Ernst, oder?”

“Sicher nicht,” bemerkt er in einem etwas unangemessenem Ton. “Das ist nicht meins! Das wurde mir zugeschickt, ohne Angaben. Ich werde erpresst. Schau es dir an, es geht auch dich an.”

Mit leicht zittrigen Händen schaut Lisa die Nachrichten an. Ihr wird heiß und kalt zugleich. Ihr Puls beschleunigt sich, ihr wird übel.

“Von wem hast du das? Wer hat solche Bilder von dir? Was will er oder sie von dir? Und was hat das Ganze mit mir zu tun?”

“Lies nochmals ganz genau den letzten Satz” rät ihr Markus. DU BIST NICHT ALLEIN!

“Oh mein Gott” platzt es aus Lisa raus. “Du denkst, dass jemand weiß, dass du es nicht alleine machst?”

“Sieht ganz so aus”

“Hast du einen Verdacht, wer dahinterstecken könnte?”

“Ja, denke da an einen gewissen Sebastian, er hat hier mal gearbeitet. Ich glaube nicht, dass du ihn kennst. “ Lisa wird immer bleicher, ihr Mund wird immer trockener. Ihre Gedanken drehen sich immer schneller. Sebastian, mein Sebastian? Was tust du? Warum machst du das? Wenn Markus wüsste, dass wir ein Paar sind, würde er mich sofort entlassen. Oder was wahrscheinlicher ist, er würde mich umbringen.

“Wie kommst du auf Sebastian?”

“Ich habe ihm gekündigt, weil er schon mal versucht hat mich damit zu erpressen. Ich gehe mal davon aus, dass er sich an mir für seine Entlassung rächen will. Ich habe ihm einen Haufen Geld gegeben, damit er mich in Ruhe lässt. Wahrscheinlich ist ihm das Geld ausgegangen.

“Und jetzt, was machen wir? Wir können das heute unmöglich durchziehen! Was, wenn er uns wirklich beobachtet? Ich kann das nicht. Das ist mir zu viel. Ich drehe gleich durch.” Beschwichtigend legt Markus seine Hände auf die Schulter von Lisa.

“Schau mich an, Lisa. Es wird alles gut. Wir sind alleine, wenn wir es tun. Du brauchst keine Angst zu haben. Wir können es nicht verschieben. Ich brauche das jetzt und nicht erst in drei Monaten oder so. Die Stimme in meinem Kopf wird immer lauter. Ich bin davon überzeugt, dass es dir genauso geht. Denke an die Gefühle die es in dir auslöst. Wir werden noch vorsichtiger sein als sonst. Einverstanden?”

“Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das unter diesen Umständen kann. Ich habe Angst, dass wir erwischt werden. Bist du sicher, dass es Sebastian ist? Hast du Kontakt zu ihm?”

„Nein, ich wollte ihm eine Nachricht senden, hat aber nicht funktioniert. Es kann nur er sein, da bin ich mir zu neunundneunzig Prozent sicher.”

“Ich muss jetzt zuerst mal raus hier. Brauche frische Luft um meine Gedanken zu ordnen.”

Draußen setzt sich Lisa im weitläufigen Park auf eine abgeschiedene Parkbank. Sebastian war in den letzten Tagen schon ein bisschen merkwürdig. Andauernd war er an seinem Handy. Er hat mir nie erzählt, warum er nicht mehr in der Klinik arbeitet. Er hat immer gesagt, dass er Depressionen und Selbstmordgedanken hat, die mit seiner Vergangenheit zu tun haben. Er wollte nie darüber reden. Also habe ich auch nicht mehr nachgefragt. Ist er dazu überhaupt fähig?

Warum hat er nie mit mir darüber geredet?  Er ist ein so lieber, warmherziger, einfühlsamer Mensch, der keiner Fliege was zu leide tun kann. Das irritiert mich total.

Was soll ich jetzt bloß tun? Markus hat schon recht, mit dem was er sagt. Die Stimme meldet sich bei mir auch immer stärker. Es ist schon zu lange her seit dem letzten Mal. Das Risiko ist extrem hoch. Aber ohne ein gewisses Risiko geht nichts. Wie sagt man so schön: No risk, no fun.

Auf dem Rückweg in die Klinik ruft Lisa bei Markus an, um ihm zu sagen, wie sie sich entschieden hat. „Ich wusste du würdest mich nicht im Stich lassen. Du hast die richtige Entscheidung getroffen, ich bin stolz auf dich. Zusammen schaffen wir das. „

 

Sebastian macht sich auf dem Weg in die Klinik. Wie versprochen wird er Markus nicht alleine lassen. Er freut sich darauf, den Herrn Doktor das Handwerk zu legen.

 

Markus und Lisa machen sich auf den Weg in den OP. Der Kaiserschnitt wird ca. 15 – 30 Minuten dauern. Routineeingriff. Kurze Zeit später hält Lisa den kleinen Jungen in ihren Armen. Sein Gesicht ist etwas blau, aber das kommt schon, nach dem ersten Schrei. Sie eilt mit dem Neugeborenen aus dem Operationssaal, damit die Mutter den Schrei nicht hören muss. Markus näht die Patientin noch zu und kommt nach. Mit dem Säugling, schön warm eingepackt, geht sie ins Säuglingszimmer, um den kleinen Jungen zu wiegen und zu messen. Ein bisschen klein und leicht ist er, aber sonst scheint er gesund zu sein. Die Atmung bereitet ihm noch ein wenig Schwierigkeiten. Sie gibt ihm noch ein wenig Sauerstoff, bis Markus kommt.

Sebastian geht auf seine Position. Er hat alles gut im Blick. Perfekt. Er sieht Lisa, die das kleine Bündel in den Händen hält. Mal schauen wie es weitergeht. Markus betritt aufgeregt das Zimmer. Lisa hat die Badewanne schon gefüllt. Alles vorbereitet.

Aus Angst lässt Markus die Jalousien herunter.

“Lisa kommst du? Ich bin bereit.”

“Bin schon auf dem Weg, hast du dir einen Namen ausgedacht, heute bist du dran.”

“Ich würde ihn gerne Elias nennen.”

“Von mir aus, gefällt mir. Na dann machen wir den kleinen Elias mal sauber. Hast du die Jalousien runtergelassen?”

“Ja, damit uns niemand beobachten kann.”

 

Sebastian sieht nichts mehr, er muss einen anderen Weg finden um das Geschehen zu beobachten. Damit hat er nicht gerechnet. Zum Glück hat er mal hier gearbeitet.

 

Lisa badet den Kleinen in einem wohlriechenden Schaumbad mit einem blauen Babyschwamm. Sie lässt sich Zeit. Als sie sicher ist, dass Elias überall sauber ist, setzt sie ihrem perfiden Plan um. Sie führt den Kleinen langsam mit dem ganzen Körper, samt dem Kopf, unter das lauwarme Wasser. Zählt bis zwölf und holt ihn dann wieder an die Wasseroberfläche zurück. Panisch schnappt Elias nach Luft. Lisa macht weiter, bis er nicht mehr atmet. Dann kommt Markus ins Spiel. Er reanimiert ihn. Er muss aufpassen, dass er ihn nicht zu hart anfasst, Babys sind sehr empfindlich. Nach etwa drei Minuten hat er ihn wieder ins Leben zurückgeholt. In Lisa und Markus breitet sich nun endlich das langersehnte Gefühl der Überlegenheit aus. Sie sind wie in Trance. Sie wiederholen das ganze immer und immer wieder.

 

In der Zwischenzeit hat Sebastian seinen neuen Beobachtungsplatz erreicht. Erstarrt steht er dort und schaut dem ganzen Geschehen fassungslos zu. Er kann es nicht glauben. Er möchte gerne etwas dagegen unternehmen, aber es kommt kein Ton aus seinem Mund. Sein Körper gehorcht im auch nicht mehr. Er ist machtlos! Er fühlt sich in seinem Körper gefangen. Es fühlt sich an wie in einem engen Tunnel. Weder vor noch zurück. Seine Gedanken überschlagen sich. Ich muss sie aufhalten. Nein Lisa, was machst du da! Warum tust du das? Hat er dich gezwungen? Bist du die Verbündete von Markus? Was hat dir das kleine Geschöpf getan? Eine tiefe Trauer kehrt in ihm ein. Die Enttäuschung ist riesig. Damit habe ich nicht gerechnet.

 

Während Sebastian noch in der Situation gefangen ist, bemerkt Markus, nachdem er den kleinen Elias ein weiteres Mal zurück ins Leben geholt hat, dass er beobachtet wird. Die beiden schauen sich überrascht an. Sie werfen sich finstere Blicke zu. Markus findet als Erster wieder zu den Worten.

“Sebastian, was machst du hier? Du darfst hier nicht rein!” Lisa dreht sich um, und lächelt Ihn an.

“Hallo, du bist also Sebastian?”

Etwas unsicher sagt Sebastian. “Lisa, was soll das? Wieso tust du so als ob wir und nicht kennen? Was machst du mit dem Kleinen?”

“Ich kenne dich nicht. Ich bade den Kleinen, er ist frisch geboren.” Markus mischt sich ein.

“Was geht hier vor? Woher kennst du Lisa?”

“Sie ist meine Freundin. Wir wohnen zusammen.”

“Wie bitte! Stimmt das, Lisa?” “Ich kann dir alles erkl…, weiter kam sie nicht. Markus kann sich nicht mehr beherrschen. Er zieht Lisa unsanft am Arm zu sich heran. Ein eiskalter Blick trifft Lisa.

“Auf diese Erklärung bin ich gespannt. Im Moment haben wir aber keine Zeit für Erklärungen. Wir müssen weg hier. Du versorgst den Kleinen und ich kümmere mich in der Zwischenzeit um Sebastian. Danach kommst du hoch!” Er packt Markus unsanft am Arm und beugt ihn nach hinten. “Raus hier!” Sebastian führt ihn zu seinem Arbeitszimmer. Er setzt Ihn unsanft auf den Stuhl und schließt die Tür.

“So jetzt zu dir. Hast du mir dieses Smartphone geschickt?” Ein Lächeln breitet sich auf seinem rechten Mundwinkel aus.

“Ja, das ist von mir. Du fragst dich ernsthaft warum? Du weißt es ganz genau.”

„Du erpresst nicht nur mich, sondern auch deine Freundin! Sie ist doch deine Freundin, oder? ”

„Ja, ist sie. Ich habe ja nicht gewusst, dass sie darin

verwickelt ist! Du Schwein, hast sie sicher erpresst, so etwas würde sie nie freiwillig machen.”

“Das stimmt so nicht ganz. Du kennst sie eben doch nicht so gut wie du dachtest. Sie und ich haben die gleichen Gefühle, wenn wir es tun. Wir haben uns einfach gefunden. Wir sind doch ein gutes Team.”

“Was wäre passiert, wenn ich euch nicht dabei gestört hätte?”

“Dann hätten wir es zu Ende gebracht, dieses Kind will ja sowieso niemand haben.”

“Das soll der Grund sein?”

“Das verstehst du nicht und wirst es nie verstehen. Lisa und ich sind wie Seelenverwandte. Wo ist sie überhaupt? Sie sollte doch nachkommen. Ich rufe sie mal an. Sie geht nicht ran. Los gehen wir nachschauen.” Das Säuglingszimmer ist leer. “Vielleicht ist sie in der Umkleide. Los komm schon.” Als sie die Umkleide betreten, finden sie Lisa am Boden liegend vor. In Ihrem linken Arm steckt eine Spritze. Markus eilt sofort zu Ihr. Kein Puls, keine Atmung.

“Los reanimieren, hilf mir.”

 

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