Verena ReissDie Hütte im Wald

Es war spät, als Kelly die Türe ihres Apartments aufschloss. Kichernd stolperte sie in den schmalen Flur. In der einen Hand eine Flasche Prosecco, in der anderen ihre High Heels, gab sie der Tür mit ihrem wohlgeformten Becken einen kräftigen Stoß und ließ sich dann an dieser auf den Boden hinabsinken. Was war das für ein Abend gewesen! Kelly hätte nie geglaubt, dass sie auf einem Klassentreffen so viel Spaß haben würde. Sie hatte es sich eher spießig und langweilig vorgestellt in ihr Heimatkaff zurückzukommen, um mit Menschen, die sie zum Großteil seit zehn Jahren nicht gesehen hatte, gezwungene Gespräche zu führen. Aber tatsächlich war es ganz anders gewesen. Wirklich alle waren gekommen. Lukas, der ehemalige Klassensprecher, die Sportcracks Finn, Phillipp und Alex, Chris, mit dem sie in der achten Klasse gegangen war. Sogar Tom, der damals als Stufenbester die Schule verlassen hatte und inzwischen in den USA arbeitete, hatte sich die Zeit genommen. Außerdem noch einige Mitglieder ihrer alten Cheerleadergruppe und natürlich ihre Mädels – Lara, Mina und Sophie. Zwischen den Vieren war es sofort wieder wie früher gewesen. Gut, sie hatten sich nach der Schule auch nicht komplett aus den Augen verloren. Schließlich waren sie seit der siebten Klasse die besten Freundinnen gewesen. Aber wie das nunmal war, wenn man erwachsen wurde, so war doch jede ihren eigenen Weg gegangen und der Kontakt war mit den Jahren seltener geworden und verlief meist nur übers Handy.

Umso schöner war es gewesen, als sie sich alle endlich wieder in die Arme gefallen waren. Es war ein großartiges Gefühl gewesen und fast genauso gut war die Tatsache, dass die vier zusammen immer noch alle Blicke auf sich gezogen hatten – genau wie damals in der Schule. Kelly hatte alles, was man sich wünschen konnte, das wusste sie. Sie sah immer noch verdammt gut aus – schon in der Schule war sie der Schwarm vieler Jungs gewesen – hatte inzwischen einen coolen Job in einer angesagten Agentur und sich einen heißen Typen geangelt, den sie hin und wieder mit ihrem ebenfalls gutaussehenden Chef betrog. Sie wusste, dass Daniel es ernst mit ihr meinte, aber Kelly war noch nicht bereit sich in eine feste Beziehung zu begeben, vielleicht sogar zu heiraten und Kinder zu bekommen.

Schnell verdrängte sie den Gedanken an ihren Freund. Viel lieber ließ sie ihre Gedanken zurück zur Party wandern. Mit einem Lächeln dachte sie daran, wie Chris sie angesehen hatte. Er stand eindeutig noch auf sie. Kelly hingegen hatte ihre Aufmerksamkeit viel lieber Herrn Schreil zukommen lassen. Der war zu ihrer Schulzeit Referendar gewesen und – so fand Kelly – immer noch echt sexy. Er schien ähnlich von Kelly gedacht zu haben, zumindest war er allzu schnell auf ihren Flirt eingestiegen und hatte auch ihre Nummer eingesteckt, mit dem Versprechen, sich baldmöglichst zu melden. Kelly zweifelte keine Sekunde daran. Sie war es gewohnt, dass Männer sich in ihrer Gegenwart mehr als wohl fühlten. Sie hoffte nur, Georg – wie sie Herrn Schreil inzwischen nannte – würde sich nicht zu viel Zeit lassen. Schließlich war sie nur übers Wochenende nach Hause gekommen. Sonntagnachmittag würde sie kurz bei ihren Eltern vorbeischauen – das hatte sie versprechen müssen – und dann ging es wieder ab nach München.

Kelly seufzte. So sehr sie die Party auch genossen hatte, sie vermisste die Großstadt jetzt schon. Dieses Kaff hier war einfach unter ihrer Würde. Auch das war etwas, was sie schon sehr früh erkannt hatte. Nach dem Abi hatte sie es gar nicht erwarten können auszuziehen, endlich raus aus der elterlichen Betüddelei. Kelly verzog das Gesicht, als sie an den bevorstehenden Elternbesuch dachte. Ihre Mutter hatte sicherlich wieder gebacken und sie müsste aus Höflichkeit etwas von diesem süßen Zeug essen. Außerdem würden die beiden sie mit Fragen zu ihrem Job und vor allem zu ihrem Beziehungsstatus nerven und – was vielleicht das Schlimmste war – beide würden sie ununterbrochen Kathleen nennen. Kathleen. Unwillkürlich machte Kelly eine Handbewegung, als könne sie den Namen einfach wegwischen. Was hatten ihre Eltern sich nur dabei gedacht, ihr so einen altmodischen Namen zu geben? Kelly hatte ihn schon immer gehasst, er passte überhaupt nicht zu so einer coolen Frau wie ihr. Seit der siebten Klasse ließ sie sich von allen nur noch Kelly nennen und niemand hatte es je gewagt, das infrage zu stellen. Außer ihren Eltern, die hartnäckig an Kathleen festhielten.

Kelly zuckte die Achseln. Was brachte es schon, sich bereits jetzt darüber zu ärgern? Ändern konnte sie es eh nicht und vor dem Treffen mit ihren Eltern blieb ihr ja noch der ganze Samstag, den sie vielleicht mit Georg verbringen würde…

Als ob das Universum ihre Gedanken gelesen hätte, brummte auch schon ihr Handy. Freudestrahlend fummelte sie an ihrer Handtasche herum und fischte es heraus. Doch – merkwürdig – eine Nachricht war nicht eingegangen. Dabei hatte sie doch eindeutig ein Brummen gehört. Da, schon wieder! Kelly schaute verdutzt auf. Das Brummen kam nicht von ihrem Handy, sondern aus dem Schlafbereich ihres kleinen Hotelzimmers. Nun, wo sie in die richtige Richtung blickte, sah sie auch ein schwaches Leuchten, direkt auf ihrem Bett.

Ungläubig starrte Kelly für einen Moment reglos auf das bläuliche Licht. Dann erhob sie sich schwungvoll und ging auf das Bett zu. Tatsächlich. Dort lag ein Handy. Kelly überlegte fieberhaft, wie es hierhergekommen sein konnte, doch das Plausibelste, was ihr einfiel war, dass die Putzfrau es hier vergessen hatte. Aber… Mitten auf dem Bett? Und warum hätte sie es überhaupt rausholen sollen?

Wieder zuckte Kelly mit den Achseln und schnappte sich das Handy. Wenn es schon da war, konnte sie es sich wenigstens genauer ansehen. Sie drehte es in der Hand und schnaufte verächtlich. Irgendein altes Samsung. Wer hatte heutzutage denn noch sowas?

Das Handy brummte wieder, eine neue Nachricht war eingegangen. Kelly wischte über den Bildschirm und stellte verwundert fest, dass das Handy nicht durch eine Pinneingabe oder Ähnliches gesichert war. „Was für ein Trottel!“, murmelte sie mit dem Gedanken an den Besitzer. „Tja, dein Pech, Kumpel. Wollen wir doch mal sehen, wer dir um diese Zeit lauter schöne Nachrichten schickt.“ Kelly öffnete Whatsapp. Tatsächlich fand sie hier nur eine einzige Konversation vor, was sie kurzzeitig stutzen ließ. Sweety – so hieß der Kontakt – hatte drei neue Nachrichten geschickt. „Scheinst ja nicht gerade viele Freunde zu haben, Kumpel.“, lachte Kelly leise „Aber immerhin jemanden, den du sweet findest.“

Ohne groß zu überlegen, klickte sie auf die neuen Nachrichten. Die erste lautete „Na, bist du zu Hause?“ und dann „Hattest du Spaß?“. Doch es war die dritte Nachricht, die Kelly in ihren Bann zog. Es handelte sich um ein Foto. Ein Foto von ihr und ihren Mädels, aufgenommen am heutigen Abend. Alle hatten kurze Partykleider an, prosteten sich zu und sahen dabei unverschämt gut aus. Kelly lief ein Schauer über den Rücken. Wer hatte dieses Foto von ihnen gemacht? Und wem gehörte das Handy?

Auf einmal lachte sie auf. Aber natürlich! Das musste Sophies Handy sein! Kelly hatte ganz vergessen, dass Sophie sie vom Hotel abgeholt hatte und sie zusammen zur Schule gefahren waren. Wahrscheinlich hatte Sophie ihr Handy rausgeholt, als Kelly sich im Bad noch den letzten Schliff verpasst hatte und es dann hier liegen lassen. Kelly wunderte sich zwar, dass Sophie so ein lahmes Handy besaß, viel spannender fand sie aber nun die Nachrichten. Wer war wohl Sophies Sweety? Sophie war die einzige von ihnen, die schon verheiratet war, aber das Bild musste jemand gemacht haben, der auch auf der Party gewesen war. Hatte Sophie eine Affäre mit einem der Jungs? War das hier ein heimliches Zweithandy? Das würde erklären, warum es so ein altes, unscheinbares Ding war und dazu noch, warum Sweety der einzige Kontakt war. „Sophie, Sophie, Sophie, du kleine Schlampe!“, lachte Kelly leise. „Dann wollen wir doch mal sehen, wer sich hinter Sweety verbirgt!“

Kelly ließ sich mit dem Handy in der Hand aufs Bett fallen. Mit schnellen Fingern schrieb sie: „Oh ja, war superlustig! Hattest du auch Spaß? ;-)“ und schickte die Nachricht ab. Keine zehn Sekunden später ploppte die Antwort von Sweety auf. Du hast es aber eilig, dachte Kelly amüsiert und las. „Ja, und wie. Ich habe so lange darauf gewartet, euch alle wiederzusehen! Vor allem auf dich habe ich mich gefreut!“, Kelly kicherte. „Du bist ja süß!“, schrieb sie „Und, hat es sich gelohnt?“ Wieder kam die Antwort sofort. „Ja, ihr seid alle immer noch so bezaubernd wie früher.“ Zusammen mit dieser Nachricht schickte Sweety wieder ein Foto und wieder zeigte es die vier Freundinnen.

Diesmal war es allerdings ein altes Foto, aufgenommen zu Kellys Schulzeit. Kelly stutze. Woher hatte der Typ so ein altes Foto? Andererseits, warum nicht…? Vielleicht war das Bild sogar aus dem Jahrbuch. Kelly erinnerte sich nicht. „Wow, das ist ewig her.“, tippte sie ins Handy. „Für dich ja.“ Schrieb der Fremde „Mir kommt es so vor, als wäre es gestern gewesen. Du bist jedenfalls noch genauso schön, wie früher, Kelly.“ Kelly verzog das Gesicht. Was für ein Schleimer. Sie überlegte gerade, was sie zurückschreiben könnte, als ihr mit einem heißen Kribbeln im Nacken bewusst wurde, was dort stand. Kelly. Nicht Sophie. Kelly. Dieser Typ schrieb ihr diese Nachrichten. Gesendet an ein fremdes Handy. Ein Handy, das in ihrem Zimmer gelegen hatte, mitten auf dem Bett. Als ob es auf sie gewartet hätte.

Das unangenehme Kribbeln in ihrem Nacken weitete sich aus und ließ sie zusammenzucken. Sie zwang sich, die Augen zu schließen und ruhig zu atmen. Klar, das war gruselig. Aber gruselige Spinner war sie gewohnt. Sie hatte schon immer auch die Aufmerksamkeit der Loser auf sich gezogen. Irgendwelche bebrillten, pickeligen Typen, die meinten, nur weil sie ihre Hausaufgaben machen durften, wäre Kelly in irgendeiner Form an ihnen interessiert, ja, würde sie tatsächlich mögen. Wie lächerlich. Damals waren diese Freaks eine willkommene Abwechslung im Schulalltag gewesen. So hatten ihre Clique und die coolen Jungs schließlich was zu lachen gehabt und konnten an diesen Losern klarstellen, wer das Sagen hatte.

Viele dieser Spinner waren am heutigen Abend auch da gewesen. Vielleicht hatte einer von denen es immer noch nicht kapiert und sich Chancen erhofft. Hatte das hier vielleicht als romantisch empfunden und sich unter einem Vorwand vom Personal das Zimmer öffnen lassen. Klar, es war lästig – und auch ein bisschen gruselig – aber nichts, was man ernstnehmen musste. Kelly, die nun wieder vollkommen gefasst war, griff erneut nach dem Handy. „Ist ja echt lieb von dir.“ Kelly hatte sich dazu entschieden, erstmal nett zu antworten. Vielleicht konnte sie mit dem Typen am anderen Ende noch etwas Spaß haben „Finde die Idee mit dem Handy auch voll süß <3!“, log sie „Aber jetzt möchte ich schon wissen, wer du denn bist ;-)“ Kelly stellte sich vor, wie der Typ sich dank ihrer Nachrichten nun Chancen bei ihr ausmalte. Sicher war sein Schwanz schon ganz hart. Kelly lachte bei dem Gedanken.

Wie erwartet ließ die Antwort nicht lange auf sich warten. „Natürlich weißt du nicht, wer ich bin. Aber ich habe dich nie vergessen!“ Kelly war genervt. Was war los mit dem Typen? Konnte er keine klare Antwort geben? Gerade als sie eine Antwort eingeben wollte, ploppte erneut eine Nachricht auf. Wieder ein Bild. Wieder Kelly und ihre vier Freundinnen. Wieder entstanden zu ihrer Schulzeit. Und doch ließ dieses Bild Kelly das Blut in den Adern gefrieren.

Es zeigte sie, Mina, Sophie und Lara zusammen mit einem fünften Mädchen. Gemeinsam standen sie vor einer alten, verfallenen Hütte, tief im nahegelegenen Wald. Zitternd, halb vor Furcht, aber auch vor Wut auf den Unbekannten schnappte sie das Handy. „WER BIST DU, VERDAMMTE SCHEISSE? WOHER HAST DU DIESES FOTO? WER HAT DIESES FOTO ÜBERHAUPT GEMACHT?!“ Kellys Gedanken rasten. Der Wald. Das Haus. Wuldas Haus. Das Haus der Hexe. Sie erinnerte sich genau an diesen Tag. An ihren Ausflug. An alles, was dort im Wald passiert war. An das, was niemand jemals erfahren durfte. An das, was sicher niemand fotografiert hatte. Das Brummen des Handys riss sie aus ihren Gedanken. Sie starrte auf den Bildschirm. Aber anstatt einer Antwort hatte Sweety ihr noch ein Bild geschickt. Wieder zeigte es das verfallene Haus und die Mädchen. Nein, das stimmte so nicht. Zu sehen waren diesmal nur noch vier Mädchen. Vier Mädchen, die mit vor Angst aufgerissenen Augen aus der Hütte rannten. Sicher nichts, was man normalerweise mit einer Kamera festhalten wollte.

Panik stand in Kellys Augen. „Was willst du?“ „Wer bist du?“ „Willst du Geld?“ „Sag mir endlich, wer du bist, oder ich rufe die Polizei!“ Alle Nachrichten hatte Kelly schnell nacheinander in das Handy gehämmert. Sie atmete stoßweise. Das konnte alles nicht wahr sein! Das alles war so verdammt lange her! Wie konnte jemand jetzt mit solchen Fotos auftauchen? Mit Sicherheit hatte die Person auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, um möglichst viel Geld aus Kelly zu pressen. „Du mieses Drecksschwein.“, knurrte sie. Warum war sie nur für dieses scheiß Klassentreffen nach Hause gekommen? Wäre sie doch ihrem Instinkt gefolgt und einfach in München geblieben. Wieder brummte das Handy. Diesmal hatte sich der Schreiber ungewöhnlich lange Zeit gelassen. „Aber, aber, Kelly… Wir wissen beide, dass du nicht zur Polizei gehen wirst :-)“ Kelly fluchte wütend. Dieser Arsch hatte Recht. Sie würde nicht zur Polizei gehen. Sie konnte nicht zur Polizei gehen. Wieder dauerte es eine Weile, doch gerade, als Kelly selbst nochmal etwas schreiben wollte, ploppte eine neue Nachricht auf. „Ansonsten bin ich enttäuscht von dir, Kelly. Aber gut, du warst ja noch nie die Hellste. Stimmts? Hast immer die anderen für deine guten Noten arbeiten lassen…“ „Also gut.“ „Wer ich bin?“ „Ich bin Sweety.“ „Und was ich will?“ „Ich will, dass du mich besuchen kommst.“

Stille. Kelly starrte auf das Handy. Für einen Augenblick verstand sie gar nichts, doch dann prasselten die Erinnerungen auf sie ein. „Na, Sweety? Sitzt du wieder ganz alleine hier? Will keiner bei dir sitzen? Dabei bist du doch sooo sweet mit deinen süßen, langen Zöpfen!“ „Ihhh, Kelly, fass ihre Haare bloß nicht an! Die hat sicher Läuse! Schau sie dir doch mal an! Läuft immer in den gleichen dreckigen Klamotten rum!“ „Haben deine Eltern kein Geld, um dir anständige Klamotten zu kaufen, Sweety? Oder, um die hier wenigstens mal zu waschen? Ups! Ich vergaß! Du hast ja gar keine Eltern!“ „Oh Kelly, du bist so böse! Sieh doch, jetzt heult die arme Sweety gleich! Sweety, wie war das eigentlich mit deinen Eltern? Sind die wirklich tot oder haben die dich nur im Heim abgegeben, weil du schon als Baby so gestunken hast?“ „Sweety-Svea! Sweety-Svea! Sweety-Svea!“

Der hämische Gesang drehte sich in Kellys Kopf noch weiter, als sie aus ihren Erinnerungen hochschreckte. Sweety-Svea! Svea Krüger… Dieses langweilige, schüchterne und immer etwas traurig wirkende Mädchen ohne Eltern. Obwohl es gute fünfzehn Jahre her war – Svea war mit ihnen in die neunte Klasse gegangen – sah Kelly sie genau vor sich. Selbst wenn sie Svea nicht eben auf einem Foto präsentiert bekommen hätte, hätte sie ganz genau gewusst, wie sie aussah. Wie hätte sie Svea auch jemals vergessen können? Aber das alles hier musste ein dummer Streich sein. Svea war tot. Tot und vergessen.

Entschlossen blickte Kelly wieder auf das Handy und rief den Eintrag von Sweety unter Kontakten auf. Leider fand sie hier keine weiteren Infos. Ein Profilbild gab es nicht. „Hör mal zu, Kumpel“, hämmerte Kelly in das Handy ein „Keine Ahnung, wer du bist, aber der Spaß ist jetzt vorbei. Das waren harmlose Streiche und wenn du das anders siehst, ist das dein Problem! Ich lass mir von dir keine Angst machen! Zur Polizei kann ich vielleicht nicht, aber ich kenne genug Typen, die dich liebend gerne für mich aufmischen.“ Zufrieden mit sich schickte Kelly die Nachricht ab. Sie würde sich nicht verarschen lassen. Etwas überrascht registrierte sie, dass die Antwort wieder nicht lange auf sich warten ließ. „Ja, da bin ich sicher… Aber ob diese Typen dir immer noch helfen würden, wenn sie wüssten, zu was die hübsche, coole Kelly fähig ist?“ Und wie zur Bestätigung kam ein weiteres Bild. „Scheiße!“, fluchte Kelly laut „Scheiße, scheiße, scheiße! Wie kann das sein?“ Das Foto zeigte Svea. Sie lag auf dem Boden – im Keller von Wuldas Hütte, wie Kelly wusste – und ihre Gliedmaße waren unnatürlich abgewinkelt. Unter ihr hatte sich bereits eine Blutlache gebildet. Kelly stöhnte. Das konnte alles nicht wahr sein! Wie konnte dieser Typ solche Fotos haben?

Plötzlich schrie Kelly auf. Das Handy in ihrer Hand hatte unerwartet – und dazu noch unerwartet laut – angefangen zu klingeln. Mit zitternden Händen drückte sie auf den blinkenden grünen Hörer. Langsam hielt sie das Telefon ans Ohr. „H-Hallo?“, stotterte sie leise und viel ängstlicher, als ihr lieb war. Am anderen Ende war nur ein stoßweises Atmen zu hören, ganz so, als ob jemand verzweifelt versuchte Luft zu bekommen. Kelly traten Tränen in die Augen „Hallo? B-Bitte… D-Das habe ich nicht ge-gewollt! Es… Es war ein Unfall! Das mü-müssen Sie mir glauben.“ Auf einmal begann die Person am anderen Ende zu kichern. „Ein Unfall… Soso“ Kelly schrie erneut. Ungläubig schlug sie sich eine Hand vor den Mund. Diese Stimme! Aber das konnte nicht sein! „Sweety – I-Ich meine Svea?“, stammelte sie. „Ich sagte dir doch, dass ich es bin.“, lachte die Stimme „Komm zu mir Kelly. Komm zu der Hütte. Heute Nacht noch. Wenn du es nicht tust, gehe ich zur Polizei. Oh, wie wird das bloß aussehen! Die coole, erfolgreiche Kelly. Von allen begehrt, von allen bewundert. Aber am Ende eine Mörderin. Tja, zumindest versuchter Mord. Blöd gelaufen, was?“ Die Stimme bekam sich gar nicht mehr ein, vor freudiger Erregung. „Nein! Nein, bitte! Ich komme! I-Ich mache mich sofort auf den Weg! Nur bitte – keine Polizei!“ „Beeil dich!“, krächzte die Stimme, dann war nur noch ein Tuten zu hören. Die Person am anderen Ende hatte aufgelegt. Kelly ließ sich auf das Bett sinken. Ihren Kopf in den Händen vergraben dachte sie fieberhaft nach.

Es war eindeutig Svea gewesen. Kelly wusste nicht, wie das sein konnte, aber diese Stimme hätte sie überall wiedererkannt. Schließlich hatte die Stimme sie jahrelang verfolgt. „Kelly, b-bitte… K-Können wir nicht wieder gehen? Wir w-waren doch jetzt drin…“ „Ach was, du willst doch zu unserer Clique gehören, oder?“ „Ich… Ich würde mich einfach freuen, wenn wir Freunde sein könnten.“ „Na siehst du! Aber um zu den coolen Kids zu gehören, musst du nunmal mutig sein! Feiglinge können wir nicht aufnehmen!“

Kelly sah nun deutlich die Hütte vor sich. Obwohl sie gut versteckt im Wald lag, war sie unter Teenagern eine Attraktion gewesen. Man erzählte sich, dass dort früher eine alte Kräuterfrau namens Wulda gelebt hatte. Wulda war für ihre Fähigkeiten geschätzt, aber auch gefürchtet worden. Schließlich war – so erzählte man es sich zumindest – ein Winter so hart gewesen und hatte so lange gedauert, dass zunächst der Großteil des Viehs verhungert war und den Tieren schließlich auch einige Menschen gefolgt waren. Und – wie es allzu oft bei Menschen der Fall ist – war der Sündenbock schnell gefunden. Wulda wurde der Legende nach aus ihrer Hütte gezerrt und direkt davor verbrannt. Während sie auf dem Scheiterhaufen schrie und jammerte, habe sie auch einen Fluch ausgerufen. Alle Dorfbewohner und jeder, der es wagen sollte, sich ihrer Hütte zu nähern, sollte einen schnellen, grausamen Tod finden.

Kelly hatte diese Geschichte nie besonders kreativ gefunden. Solche Geschichten gab es tausend- ja wahrscheinlich millionenfach für jedes kleine Kaff. Und doch hatte diese Legende die Teenager natürlich wie die Scheiße die Fliegen angezogen. Auch Kelly und ihre Freundinnen hatten die Hütte für ihre Mutproben genutzt, waren aber nie reingegangen. Nun, zumindest nicht bis zu dem verhängnisvollen Sommertag, als sie sich einen Spaß daraus gemacht hatten, Svea glauben zu lassen, sie könne eine von ihnen werden.

Svea, die immer alleine gewesen war, die nichtmal eine Familie hatte, war natürlich allzu schnell auf sie hereingefallen. Die Chance, so gering sie auch sein mochte, sich mit jemandem anzufreunden – und dann auch noch mit jemandem, der in der Schule beliebt und geachtet war – musste für sie zu verlockend gewesen sein. Sofort hatte sie eingewilligt, als Kelly sie gefragt hatte, ob sie nicht mit ihr und ihren Freundinnen einen Ausflug machen wolle. Die dumme Kuh hatte nicht mal gefragt, wo es denn hinginge. Der Gedanke kam ihr erst, als die Gruppe schon mitten im Wald war.

„Hör mal.“, hatte Kelly ihr verschwörerisch zugeflüstert „Ich mag dich echt gerne, aber die anderen sind skeptisch. Sie glauben das du… Nun… Etwas langweilig bist.“ Dabei hatte Kelly ihr an einen ihrer Zöpfe gefasst. „Ich glaube das natürlich nicht! Aber die anderen müssen überzeugt werden. Daher musst du diese kleine Mutprobe hinter dich bringen. Dann kannst du mit uns befreundet sein!“ Freudestrahlend hatte sie der nun sehr ängstlich wirkenden Svea zugezwinkert. „I-Ihr wollt… Das ich zum Haus von Wulda gehe?“ „Oh nein!“, hatte Mina gekichert „Das wäre doch zu einfach, nicht wahr? Am Haus war schließlich jeder schon mal! Wir wollen, dass du ins Haus gehst!“ Svea hatte vor Angst gezittert, aber Kelly hatte einen Arm um ihre Schulter gelegt. „Keine Sorge, ich gehe mit dir rein!“ Allein die freundschaftliche Umarmung hatte Svea Mut gemacht und sie schließlich mit den anderen Mädchen die Schwelle zum Haus übertreten lassen.

Mina, Sophie und Lara waren am Eingang stehen geblieben, aber Kelly hatte Svea immer weiter in das Haus hineingeführt. Svea hatte mehrfach kehrt machen wollen, aber Kelly konnte sie immer wieder überreden zu bleiben. Schließlich waren sie in einem verstaubten Raum angekommen, der wohl mal das Schlafzimmer gewesen sein musste. Mitten im Zimmer standen die schimmligen Überreste eines Bettkastens und an der Wand stand ein grober Schrank, der tatsächlich noch recht gut in Schuss war.

Der Plan war so einfach wie genial gewesen. Kelly hatte auf den Schrank gedeutet und erklärt, wenn Svea sich trauen würde, dort hineinzusteigen, dürfe sie zur Gruppe gehören. Natürlich hatte sie vorgehabt, den Schrank hinter ihr zu versperren und sie für einige Zeit dort einzusperren. Was für ein Spaß das gewesen wäre! Und tatsächlich hatte Svea sich getraut, in den Schrank zu klettern. Was hatte die gejammert und geheult, als sie gemerkt hatte, dass Kelly die Türe zuhielt. Kelly hatte kaum glauben können, wie lustig das war und sich vorgestellt, dass Svea sich vor Angst einpisste. Doch auf einmal hatte der Boden laut geknarzt und alles hatte eklig gekracht. Dann ein Schrei und dann… Stille. Kelly hatte den Schrank aufgerissen und feststellen müssen, dass der Boden unter Svea eingebrochen war. Sie war in den ungewöhnlich tiefen Keller gestürzt.

Danach war Kellys Erinnerung verschwommen. Sie wusste nur noch, dass Svea sich nicht mehr gerührt hatte. Dass dort Blut gewesen war. Viel Blut. Dass Svea irgendwie falsch ausgesehen hatte. Verdreht. Und dann war sie gerannt. Sie hatte den anderen etwas zugerufen. Alle rannten sie. Kelly wusste nicht mehr, wie sie nach Hause gekommen war. Sie wusste nur noch, dass allen Freundinnen klar gewesen war, niemals ein Wort über diesen Ausflug zu verlieren. Und tatsächlich lief alles noch besser als gedacht. Niemand schien sich für die verschwundene Svea zu interessieren. Schnell sickerte durch, dass Svea auch im Heim keine Freunde gehabt hatte und die Betreuer waren nur allzu bereitwillig davon ausgegangen, dass Svea abgehauen war. Auch in der Schule stellte niemand diese Theorie in Frage. Viele machten sich lustig über die Loserin Sweety-Svea, die das Weite gesucht hatte und Kelly und ihre Freundinnen waren gerne in diese Späße mit eingestiegen.

Und nun… Das. Svea hatte irgendwie überlebt. Nur wie? Und wie war sie dort unten rausgekommen? „Was solls.“, schnaubte Kelly grimmig. „Hat die kleine Versagerin es irgendwie aus dem Loch rausgeschafft. Fürs Erste zumindest.“ Entschlossen stand sie auf. Sie warf ihren Mantel über, ließ ihr Handy und das fremde in ihre Manteltasche gleiten, zog sich feste Schuhe an und stürmte nach draußen. In ihrem Auto angekommen, kramte sie aus dem Handschuhfach eine Taschenlampe und ein Taschenmesser heraus. Dann brauste sie los. Unterwegs versuchte sie, Mina, Lara und Sophie zu erreichen. Wenn schon, hatten die drei auch mit dieser Scheiße zu tun! Doch keine der drei ging ans Telefon. Kelly schnaubte wütend. „Was solls. Dann nur du und ich, Bitch! Ich werde auch alleine mit dir fertig!“

Kelly hielt am Waldrand. Sie sprang aus dem Auto, knipste die Taschenlampe an und stapfte los. Angst war grimmiger Entschlossenheit gewichen. Sie würde sich nicht von dieser Versagerin ihr Leben kaputt machen lassen. Um Svea war es nie schade gewesen. Niemand hatte um sie getrauert, niemand sie vermisst. Das war verdammt noch mal nicht Kellys scheiß Problem. Sie war wichtig! Sie hatte was zu verlieren. Und sie war nicht bereit, sich irgendetwas wegnehmen zu lassen.

Nach einer guten Stunde – Kelly hatte schon befürchtet, sie hätte sich nach all den Jahren doch verlaufen – tauchte die Hütte vor ihr auf. Nun lief ihr doch ein Schauer über den Rücken, doch Kelly schüttelte ihn schnell ab. Sie musste jetzt einen kühlen Kopf bewahren. Mit etwas Glück konnte sie Svea wieder dahin befördern, wo sie hingehörte – und diesmal endgültig.

Vorsichtig pirschte sich Kelly an die Hütte heran. Sie wollte das Überraschungsmoment auf ihrer Seite haben. Draußen vor niemand zu sehen. Wahrscheinlich versteckt sie sich drinnen, überlegte Kelly. Trotzdem umrundete sie vorher die Hütte, um ganz sicher zu sein. Schließlich schlich sie an die morsche Tür der Hütte und stieß sie auf. Obwohl sie das vorsichtig und mit Bedacht getan hatte, gab die Tür ein unheilvolles Knarzen von sich. Kelly zuckte zusammen. Scheiße. Sie lauschte in die Stille herein, doch nichts tat sich. Langsam und vorsichtig schlich sie in das Haus und begann, die wenigen Räume zu durchsuchen. Schließlich war sie am Schlafzimmer angekommen. Sicher, Svea hier zu finden, umklammerte sie das aufgeklappte Taschenmesser in ihrer Manteltasche. Doch – nichts. Der Raum war ebenfalls leer.

Kelly richtete sich ungläubig auf. Was sollte das? Hatte diese Schlampe sie verarscht? Hatte sie sie ganz umsonst hier antanzen lassen? Eine unglaubliche Wut durchfuhr Kelly. Was glaubte diese Bitch, wer sie war? Sie fummelte das fremde Handy aus der Tasche und drückte auf den Kontakt Sweety. Obwohl sie fest damit gerechnet hatte, hier so tief im Wald keinen Empfang zu haben, klingelte es und jemand hob ab. Ohne eine Antwort abzuwarten, schnauzte Kelly: „Ich bin hier, Svea! Wo bist du? Bist du am Ende doch zu feige, um mir gegenüberzutreten?“ Am anderen Ende war wieder ein Kichern zu hören, was Kelly nur noch wütender machte. „Nein, nein. Keine Sorge. Ich bin hier. Wir sind alle hier. Aber du musst schon da suchen, wo es geendet hat.“ Bevor Kelly etwas erwidern konnte, hatte Svea auch schon wieder aufgelegt. Wo es geendet hat… Natürlich! Kelly schlich langsam auf den Schrank zu. Den, in welchem sie Svea damals eingesperrt hatte. Mit einer ruckartigen Bewegung stieß sie in auf und blickte in das große Loch, welches den Keller offenbarte.

Kelly schrie, vor Schreck hatte sie das Handy in den Keller fallen lassen. Doch das nahm sie gar nicht wahr. Alles, was sie wahrnahm, war dort unten. Dort lagen drei Leichen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Kelly auf die toten Körper von Sophie, Mina und Lara. Alle drei starrten mit angstverzerrten Gesichtern, jedoch toten Augen zu ihr herauf. Kelly würgte. Sie taumelte. Und auf einmal bekam sie von hinten einen kräftigen Stoß und fiel in das Loch.

Kelly erwachte aus einem traumlosen Schlaf. Mühsam versuchte sie, die Augen zu öffnen. Alles um sie herum drehte sich. Bei dem Versuch, sich aufzurichten, durchzog ein unsagbarer Schmerz ihren Körper. Kelly stöhnte und blieb zitternd liegen. Vorsichtig blinzelnd schaute sie an ihrem Körper herab. Ihr rechtes Bein stand schräg von ihrem Körper ab und auch ihr rechtes Handgelenk schien gebrochen zu sein. Langsam ging ihr Blick hoch an die Decke. Hoch zu dem Loch, ihrem einzigen Ausweg. Sie wimmerte. Wie sollte sie dort hochkommen?

Ein Kichern hinter sich ließ sie zusammenzucken. Mühsam drehte sie sich um und tatsächlich. Dort stand Svea. Sie war älter geworden – natürlich. Und ihre Haare trug sie nun kurz. Aber es war unverkennbar Svea. „Hallo Kelly! Schön, dass du zu uns stößt.“ Nun blickte auch Svea zur Decke. „Unangenehm hier zu liegen, nicht wahr? Wirklich beängstigend, oder?“ „Svea – bitte.“ Kelly streckte ihre halbwegs unverletzte Hand nach Svea aus, doch diese trat ihre Hand beiseite. „Fass mich nicht an. Du stinkst!“ „Svea!“, Kelly weinte nun „D-Das war doch nur Spaß! W-Wir waren dumme Kinder!“ „Kinder! Das ich nicht lache!“, Svea spuckte auf den Boden. „Monster, das wart ihr. Du, deine Freundinnen, die Lehrer, die Betreuer im Heim… Ihr alle… Alle habt ihr mich nur zu gerne aus eurem Leben gestrichen.“ Für einen Moment schien es so, als ob Svea auch anfangen würde zu weinen, doch dann hatte sie sich wieder gefasst. „Svea, es-es tut mir so Leid! Bitte verzeih mir!“ Svea schaute zu Kelly herunter „Dir verzeihen? Es gibt nichts zu verzeihen. Ich sollte dir viel eher danken!“ Kelly starrte sie ungläubig an. „Ja, danken! Schließlich habe ich dank dir erfahren, was ich den Menschen wert bin. Dank dir habe ich erfahren, dass Menschen Monster sind und Monster… Nunja… Hilfreich sein können.“

Kelly konnte es einfach nicht fassen. „Svea… W-Was meinst du damit? W-Wie bist du hier überhaupt alleine rausgekommen?“ Für einen Moment schaute Svea verdutzt drein, dann lachte sie. „Oh, du Dummchen! Das sagte ich doch gerade! Ich war nie allein!“ Svea kniete sich neben Kelly und strich ihr gedankenversunken durch die Haare. „Gut, ich verstehe dich natürlich. Anfangs dachte ich ja auch, ich wäre alleine. Alleine und hilflos gefangen in diesem Loch. Als ich zu mir kam, da wart ihr längst verschwunden. Zu Anfang war ich noch so töricht zu glauben, ihr würdet Hilfe holen. Doch nachdem ich Stunden hier gelegen hatte, wurde mir klar, dass keiner mehr kommen würde.“ Svea zog immer kräftiger an Kellys Haaren. Der Schmerz trieb Kelly erneut Tränen in die Augen, doch sie brachte kein Wort heraus. „Ich war natürlich verzweifelt. Dachte, ich muss hier langsam vor Hunger oder am Blutverlust krepieren… Doch dann, als es schon tiefe Nacht war, kam sie. Sie hat meine Wunden versorgt. Sie hat mich gepflegt. Und schließlich half sie mir aus diesem Loch heraus.“ Kelly hatte die Augen weit aufgerissen, doch Svea schien das als stumme Frage zu deuten. „Oh, natürlich bin ich nicht ins Heim zurückgekehrt. Warum sollte ich auch dorthin zurück, wo mich nie jemand gewollt hatte? Nein, ich ging weit weg, schlug mich auf der Straße durch. Aber in Gedanken, da war ich immer bei dir, Kelly. Bei dir und deinen kleinen Freunden.“

In Kellys Kopf rasten die Gedanken. Svea war wahnsinnig! Vollkommen durchgeknallt! Kein Wunder, wenn sie die letzten fünfzehn Jahre tatsächlich irgendwo auf der Straße rumgelungert hatte. Kelly versuchte, langsam und unauffällig in ihre Manteltasche zu greifen. Sie musste Svea los werden. Wie sie hier rauskam war erstmal nebensächlich. Sie dachte daran, dass Sveas Handy hier Empfang gehabt hatte. Vielleicht hatte es den Sturz überstanden, dann könnte sie die Polizei rufen. „Tz, tz, tz.“, Svea schüttelte sanft den Kopf. „Ach Kelly, hältst du mich wirklich für so dumm?“ Mit einem Ruck war Svea aufgestanden und trat auf Kellys Hand ein. Kelly schrie vor Schmerzen, während auch ihr linkes Handgelenk brach.

Svea zog sich lächelnd von ihr zurück. „Ich habe dich wirklich für klüger gehalten. Mein Fehler… Wie dumm und naiv ich doch war.“ Kelly würgte. Sie hatte keine Kraft mehr. Wieder begann sich alles um sie herum zu drehen. „Tu es endlich!“, flüsterte sie leise. Svea sah sie fragend an. „Tu es!“ stöhnte Kelly nun lauter „Du willst mich doch töten! So, wie du Mina, Sophie und Lara getötet hast. Dann tu es!“ „Oh nein.“ Svea schüttelte leise lächelnd den Kopf. „Ich werde dich nicht töten. Das überlasse ich ihr. Weißt du, sie hasst Menschen wie dich mindestens genauso sehr wie ich. Und noch dazu hat sie viel… interessantere Wege Menschen wie dich zu bestrafen.“

Mit diesen Worten entfernte sich Svea noch ein weiteres Stück von Kelly. Diese starrte ihr ungläubig nach, dann lachte sie. „Was? Willst du mich verarschen? Glaubst du wirklich, dass ich dir diesen Scheiß mit Wulda abnehme?“, Kelly keuchte angestrengt, lachte aber weiter. „Huuuu, huuuu, die böse Wulda wird kommen und mich holen?“, Kelly gab sich alle Mühe, Svea einen verächtlichen Blick zuzuwerfen. „Du bist ein Freak, Sweety-Svea. Ein Freak, der sich Gespenster als Freunde ausdenken muss, weil ihn niemand leiden kann. Du warst immer ein Freak und du wirst immer einer sein!“ Kelly starrte Svea an, in der wilden Hoffnung, diese zumindest ein letztes Mal verletzt zu haben. Doch Svea lächelte schlicht. Dann wanderte ihr Bick langsam zurück an die Decke. Unwillkürlich und immer noch lachend, folgte Kelly Sveas Blick. Für einen kurzen Moment wunderte sie sich über den großen Schatten, der gleich neben dem Loch an der Decke hing. Was zum…?, bevor Kelly erkannte, was dort oben lauerte, stürzte sich der Schatten auf sie. Kelly wollte schreien, doch dafür blieb ihr keine Zeit mehr.

11 thoughts on “Die Hütte im Wald

  1. Wow 😮 Diese Geschichte ist der absolute Hammer. Dein Schreibstil ist absolut genial und die ganze Story ist mega spannend, durchweg! Ich konnte gar nicht aufhören zu lesen! Bitte schreib ein Buch, das hier ist ganz hohes Niveau! 🤗 Liebe Grüße, Christina ☺️

    1. Danke , dass du meine Geschichte gelesen hast und vielen Dank für deinen Kommentar! Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen albern, aber dein Kommentar hat mich sehr gerührt. Ich versuche momentan nämlich tatsächlich ein Buch zu schreiben (einfach nur für mich, aus Spaß) und dein Feedback macht einem richtig Mut! Vielen Dank!
      Falls du möchtest, würde ich mich auch sehr freuen, wenn du meine anderen Geschichten lesen würdest (gerne auch über negative Kritik / Verbesserungsvorschläge!):
      – 109
      – Das Rätsel
      – Der Albtraum

      Liebe Grüße

      Verena

      1. Das werde ich auf jeden Fall machen 😇 wusste gar nicht, dass du mehrere geschrieben hast, sehr gut ☺️ Bleib bloß am Ball! Und es freut mich, wenn mein Kommentar dich ermutigt! Die Geschichte ist bislang einer meiner Favoriten 🙂

      2. Nochmals danke <3 Ja, ich habe vier Stück geschrieben… Ich war so im Schreibrausch! Habe vorher noch nie geschrieben. Hast du auch eine geschrieben? Dann lese ich die natürlich auch gerne!

    1. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Geschichte zu lesen und vielen Dank für deinen Kommentar! Ich habe mich sehr darüber gefreut!
      Wenn du möchtest, würde ich mich freuen, wenn du auch meine anderen Geschichten lesen würdest und mir Feedback gibst (gerne auch negative Kritik / Verbesserungsvorschläge!)
      – 109
      – das Rätsel
      – der Albtraum

      Liebe Grüße

      Verena

    1. Hallo Merle,

      vielen Dank für deinen lieben Kommentar und dass du dir die Zeit genommen hast, meine Geschichte zu lesen! Das freut mich sehr! Falls du Lust hast, würde ich mich auch sehr über Feedback bei meinen anderen Geschichten (“Der Albtraum”, “109” und “Das Rätsel”) freuen. Falls du auch eine Geschichte geschrieben hast, sag mir doch gerne auch, wie diese heißt.

      Liebe Grüße

      Verena

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