EnviDie Schwarze Rose

Die Schwarze Rose

von: Vildan Lafci

 

 

Kapitel 1

 

 

Gedankenverloren blickte ich aus dem Fenster, das einzige was ich sah war der dunkle Wald. Ich bin hier in Spinwood geboren und aufgewachsen. Es war eine Kleinstadt mit ca. 3000 Einwohnern. Spinwood war bekannt für seine dichten und unendlichen erscheinenden Wälder. Das Gefühl der Bedrückung wuchs immer mehr, je länger ich den Wald ansah. Auch wenn ich es oft versucht hatte, konnte ich mich an meine Jugend nicht so gut erinnern. Vielleicht lag es an den ganzen Medikamenten, die ich seit Jahren nahm und seit wann ich das tat, wusste ich auch nicht so recht. Jedes mal, wenn ich den Wald sah, hatte ich das Gefühl, es würde mich zu sich rufen. Als die Tür vom Schlafzimmer mit einem mal aufging, holte mich diese in die Realität zurück. Ich sah ein letztes Mal zum Wald und schloss den Vorhang.

 

„Okay, soweit alles gepackt Schatz und du bist sicher, dass du nicht mitkommen willst?“

 

„Nein, ich habe noch vieles im Haus zu erledigen. Außerdem war ich ja erst vor kurzem bei deinen Eltern, um mich zu verabschieden.“

 

Mein Mann sah das mich etwas bedrückte, dennoch hielt er es wahrscheinlich für gut mich nicht anzusprechen. Auch wenn er mich ansprechen würde, wüsste ich nicht mal, was ich ihm hätte sagen können. Ich wusste selbst nicht, wieso ich jede Nacht Alpträume hatte.

 

„Na los, gehen wir runter zum Auto.“

 

Die Kinder saßen schon angeschnallt und sahen auf ihre Handys, als würden sie sich auflösen, wenn sie mal für paar Minuten den Kopf heben.

 

„Ruf mich an, wenn was sein sollte.“

 

„Mach ich und sei nicht besorgt, wenn ich nicht abhebe, du weißt die Netzwerkverbindung ist nicht gerade stabil. Fahr vorsichtig und grüß deine Eltern von mir.“

 

Er blieb für ein paar Sekunden stehen und dachte wahrscheinlich darüber nach ob es so klug war, eine stark depressive Ehefrau mit Panikattacken über das Wochenende allein zu lassen.

 

„Na los, bewege dein Hintern ins Auto, ich schaffe das schon.“

 

„Na gut. Ich liebe dich.“

 

„Ich liebe dich auch.“

 

Ein letzter Abschiedskuss, dann stieg er ein und fuhr mit den Kindern weg. Ich stand noch ein paar Minuten draußen und sah zur leeren Auffahrt.

 

„Ich schaffe das…“

 

 

 

Zwei Stunden, nachdem mein Mann mit den Kindern weggefahren war, rief mich Claire an. Ich saß im Wohnzimmer auf dem Sofa und hörte ihr zu, wie sie sich über ihren Frisörbesuch aufregte.

 

„Das ist eine Frechheit, ich meine, wofür machen sie die Ausbildung überhaupt? Um nicht zwischen Wein Rot und dunkel Rot unterscheiden zu können! Ach, und das beste, dafür wollen sie auch noch Geld!“

 

„Mhm.“

 

Augenverdrehend lehnte ich mich zurück und versuchte mit Mühe ein genervtes Seufzen zurück zu halten. Hatte diese Frau denn keine anderen Probleme als ihre Haare?

 

„Dann meint er auch noch, dass ich mich entschuldigen müsste. Oh bitte, für was denn? Du kannst dich so glücklich schätzen, bald bist du weg von diesem blöden Kaff.“

 

„Naja ich hasse Spinwood nicht, es ist nur wegen der Arbeit meines Mannes und…“

 

„Mary, bist du noch da? Ich glaube die Leitung…“

 

Plötzlich war die Verbindung weg. Das war nichts neues, wir hatten öfters solche Probleme. Eigentlich war ich dankbar dafür, endlich war es ruhig und ich musste nicht ihre schrille Stimme hören. Ich kannte Claire schon seit dem Kindergarten, eigentlich ist sie meine beste Freundin, doch manchmal konnte sie wirklich anstrengend werden.

 

„Ich sollte schlafen gehen.“

 

In dem Moment als ich aufstand, kam von oben ein dumpfes Geräusch. Langsam lief ich die Treppen rauf und versuchte ruhig zu atmen. Wurde ich etwa jetzt schon paranoid? Es kam von meinem Schlafzimmer bemerkte ich, während ich an der Wand entlang schlich.

 

„Hör auf damit Mary!“

 

Entschlossen ging ich zur Tür und schlug sie mit einem Mal auf.

 

„Das Fenster, es ist nur das Fenster.“

 

Ich schloss es und entschied mich sofort hinzulegen. Erst als ich lag bemerkte ich, wie ruhig es im Haus war. Das einzige was ich hörte war der Wind draußen und das Rascheln der Blätter.

 

„Hör auf damit Mary… hör auf!“

 

Es sind nur Bäume, es ist nur ein Wald!

 

 

 

15 Jahre vorher…

 

 

 

„Jetzt kommt schon Mary!“

 

Genervt rollte Claire ihre Augen und wartete mit verschränkten Armen auf mich.

 

„Sie hat Angst.“ Kicherte Josh vor sich hin.

 

„Nein, habe ich nicht! Ich finde nur, wir sollten das nicht tun.“

 

„Und wieso? Hast du etwa ANGST, dass dich die Hexe erwischt und verschlingt?“

 

„Es gibt keine Hexen Josh! Also na los, komm jetzt Mary.“

 

„Wieso machen wir das überhaupt?“

 

„Weil wir der ganzen Schule zeigen, dass WIR die super drei sind und die coolsten.“ Claire warf ihre Haare nach hinten und ging voraus.

 

Mit einem mulmigen Gefühl folgte ich ihnen zum Gitter.

 

Der Legende nach wohnte hier eine alte Hexe die Kinder entführte, um sie dann zu verspeisen. Ich war 16 und definitiv kein Kind, dass daran glaubte, dennoch bekam ich es mit der Angst zu tun als wir vor dem Haus standen. Die meisten Fenster waren zu, damit man nicht rein sehen konnte. Dieses Haus lag abgelegen von der Stadt und seit Jahren kamen Jugendliche für eine Mutprobe hierher. Wer es schaffte eine Schwarze Rose von der Hexe zu stehlen, galt als der coolste. Bis jetzt hatte es niemand geschafft. Man erzählte sich auch, dass diese Hexe einen Dämon, ein Monster bei sich als Haustier hatte, diese half ihr die Kinder zu zerstückeln, damit die Hexe es einfacher hatte. Wie gesagt das war alles nur dummes Geschwätz. Es wurde fast schon zur Tradition, das Jugendliche hier einbrachen, um eine der Rosen mitzunehmen.

 

„Jetzt komm endlich!“

 

Da wir nicht durch die Türe rein in den Garten konnten, mussten wir durch das kleine Fenster, das wahrscheinlich zum Keller führte. Ich wollte da nicht rein, doch wenn ich jetzt kneifen würde, dann würden mich die anderen während der ganzen Schulzeit nicht in Ruhe lassen.

 

„Ich komme schon.“

 

 

 

Heute…

 

 

 

Schweißgebadet schloss ich die Augen auf und atmete flach. Ich hatte jede Nacht diesen Traum, doch nie hatte ich es bis zum Ende gesehen. Ich wusste nicht mal, was mir daran so Angst machte. Es war noch nicht vorbei. Langsam glitt mein Blick zum Fenster. Es war wieder da, so wie jede Nacht stand es da und sah mich an. Ich bekam keinen Ton raus, weinte nur still und leise und hoffte, das es verschwand. Dieses etwas, mit diesem entsetzlich verstellten Gesicht stand einfach da und beobachtete mich. Ich schloss fest die Augen, die Tränen flossen immer weiter. Mein Herz pochte in meiner Brust, so als würde es jeden Augenblick rauspringen. Dieses Gefühl der Taubheit am ganzen Körper, nicht mal einen Finger konnte ich rühren.

 

Ich kniff die Augen zusammen und zitterte als ich bemerkte, dass die Matratze unter mir nachgab. Es war über mir! Nein, ich würde die Augen nicht aufmachen. Ich würde hier liegen und darauf warten das ich endlich aufwachte. Am liebsten würde ich lauthals schreien, alles rauslassen, doch nicht mal dazu war ich fähig. Dieses stechen in meinem Hals, ich wusste nicht was es war, doch es fühlte sich immer wie ein Nadelstich an. Sobald ich in der Früh aufwachte, war es verschwunden. Natürlich war es das, immerhin war das alles nur ein Alptraum! Und genau das war es was mir Angst machte, dieses Monster in meinen Alpträumen, das mir jede Nacht weh tat.

Kapitel 2

 

 

Wie jeden Morgen, wachte ich erschöpft auf. Ich hatte keine einzige Nacht, in der ich richtig durchgeschlafen hatte. Ich sah nach links, die Sonne schien durch das Fenster. Keine Gestalt, die dort stand und mich beobachtete. Früher war ich weinend aufgestanden und mein Mann hatte mich fast schon mit Gewalt zu einem Psychologen geschleppt. Diese meinte ich würde etwas verdrängen und wenn ich es nicht mit mir selbst klären würde, dann würde ich diese Angstzustände niemals loswerden. Das war definitiv alles andere als motivierend gewesen. Auch wenn ich es versucht hatte, ich konnte mich einfach nicht erinnern. Sie empfahl mir, sobald ich dieses Monster vor meinem Bett sah, sollte ich es ansprechen.

 

„Rede du doch mit einem Monster der dich anstarrt!“

 

Ich stieg unter die Dusche, um mich ein bisschen zu entspannen. Dann sollte ich mal anfangen den Keller aufzuräumen. Wir hatten lange darüber nachgedacht, ob wir wegziehen sollten oder nicht. Ich hatte jedem gesagt, es sei wegen der Arbeit meines Mannes. Doch das stimmte nicht ganz. Jedes Mal, wenn ich aus dem Fenster sah, oder raus ging, sah ich den Wald. Jedes Mal fühlte ich etwas in mir das dafür sorgte, dass mein Körper anfing zu zittern. Ich wusste nicht wieso, doch ich hatte Angst vor dem Wald. Und Spinwood war definitiv kein richtiger Ort wenn man Angst davor hatte. Die Wälder streckten sich ins weite.

 

Ich ging zum Waschbecken und wischte einmal über den Spiegel. Die Jahre waren nicht an mir spurlos vorbei gegangen. Meine braunen Augen sahen mich erschöpft an. Die Falten unter mein Auge wurden von Tag zu tag mehr. Das überraschte mich nicht besonders, ich hatte wirklich keine einzige Nacht, in der ich richtig geschlafen hatte und das seit einem Jahr. Ich strich meine schwarzen langen Haare zur Seite, um mir die Zähne zu putzen. Gerade als ich mich umdrehen wollte, blieb ich stocksteif stehen. Hatte ich es richtig gesehen, oder hatte ich es mir nur eingebildet? Wieso kam meine Atmung stoßweise? Wieso bekam ich langsam Panik?! Ich drehte mich wieder zum Spiegel und sah mich an, genauer genommen sah ich zum kleinen roten Punkt auf meinem Hals.

 

„Nein…“

 

Ich krallte meine Hände ans Waschbecken und konnte die Tränen nicht zurückhalten. Wieso sah ich es? Wieso sah ich es?! Voller Angst näherte ich mich dem Spiegel und fuhr mit zittriger Hand über die Stelle.

 

„Nein, es war nur ein Traum. Es war doch nur ein Traum!“

 

Jede Nacht, wenn Es in meinen Alpträumen kam und mir das antat, war am nächsten Morgen, sobald ich aufgewacht war, nichts davon zu sehen. Wieso sollte es das auch, es war ja nur ein Alptraum. Es kam doch während ich noch schlief, wie also war es möglich, dass ich genau dort eine kleine Stichwunde hatte. Ich zog meine Hand weg und ging rücklings bis ich mit dem Rücken gegen die Tür stieß. Dann glitt ich zu Boden und weinte. Vielleicht halfen die Medikamente nicht mehr, vielleicht musste die Dosis erhöht werden?!

 

„Hör auf Mary, das hat nichts zu bedeuten. Du kannst es dir im Schlaf irgendwie zugefügt haben!“

 

Doch was war so klein, dass mich während des Schlafes am Hals stechen konnte? Es war doch immer dieses Monster gewesen, das mir das antat. Als ich von unten ein lautes Geräusch hörte, hob ich den Kopf, blieb jedoch sitzen. Als es sich dann wiederholte, stand ich auf und ging runter. Es war die Klingel, jemand stand vor der Haustür. Als ich unten ankam, griff ich zur Türklinke, drückte sie jedoch nicht runter. Als die Person dagegen hämmerte, zuckte ich erschrocken zusammen.

 

„Mary! Bist du zuhause?“

 

„Claire?“

 

Erleichtert öffnete ich die Tür und sofort fiel sie mir um den Hals.

 

„Was hat denn so lange gedauert und wieso stehst du mit einem Handtuch bekleidet vor mir?“

 

„Tut mir leid, ich war unter der Dusche.“

 

Ohne dass ich sie rein bat, ging sie an mir vorbei ins Wohnzimmer.

 

„Ich habe mega tratsch für dich Schätzchen.“

 

Ich schloss die Tür und ging ebenfalls ins Wohnzimmer.

 

„Auch wenn ich dir gerne dabei zuhöre, wie du über andere lästerst, würde ich mich gerne vorher anziehen.“

 

„Ja, aber beeil dich, ich mache uns währenddessen Kaffee. Zack, zack.“

 

Manchmal war sie mir einfach zu anstrengend.

 

 

 

„Und dann hat sich herausgestellt, dass der Vater vom Kind, jetzt kommts…ihr Gynäkologe ist. Ich habe es schon vorhergesagt und hatte recht. Diese Frau braucht Schenkelketten. Naja egal, jetzt lässt sich Tom von ihr scheiden und möchte das Sorgerecht für die drei Kinder. Ich bin da voll auf seiner Seite.“

 

„Es tut mir so leid für Tom, er hat das nicht verdient.“

 

„Das Leben ist so wie es ist Schätzchen. Also erzähl, wie lebt es sich so ohne nervige Kinder?“

 

„Sie fehlen mir so sehr.“

 

„Echt? Genieß doch einfach die einzigen freien Tage, die du in deinem Leben haben wirst, bis diese Zwerge ausziehen.“

 

„Ich finde es immer bezaubernd, wie liebevoll du mit Kindern umgehst.“

 

„Kinder sind nervig, also? Lassen wir mal die Sau raus?“

 

„Nein Claire, ich muss den Keller und den Dachboden aufräumen.“

 

„Ach ja stimmt, der Umzug.“

 

„Kein, soll ich dir helfen?“

 

„Nö.“

 

Sie nippte an ihrem Kaffee, während ich gedankenverloren meine Tasse in der Hand hielt.

 

„Erde an Mary?!“

 

„Hm? Tut mir leid ich war…“

 

„Du bist echt komisch heute, alles okay?“

 

Obwohl Claire meine beste Freundin war, habe ich nie das Gefühl ihr vollkommen vertrauen zu können. Jedes Mal, wenn ich mit einem ernsten Thema auf sie zu kam, blockte sie ab. Außerdem hatte ich manchmal das Gefühl, das sie am liebsten nicht mit mir befreundet wäre.

 

„Claire, darf ich dich was fragen?“

 

„Ja klar.“

 

„Weißt du, gestern musste ich plötzlich an etwas denken. An den Tag wo wir die Schwarze Rose stehlen wollten.“

 

Sie hielt in ihrer Bewegung inne und stellte die Tasse wieder zurück. Es war nicht ganz die Wahrheit, ich sah jede Nacht diesen Abschnitt, konnte mich aber an den Rest nicht erinnern. Ich wusste nicht wieso ich ihr das nicht sagen konnte, also tat ich so als würde ich mich zum ersten Mal daran erinnern. 

 

„Wie meinst du das?“

 

Sie klang anders, eher ernst und Claire klang selten ernst.

 

„Nun ja, du weißt schon. Dort als wir in das Haus der Hexe eingebrochen sind. Es ist komisch, vorher habe ich mich nie daran erinnert. Eigentlich war es das erste Mal. Ich habe manchmal das Gefühl, die Pillen führen zu Gedächtnisverlust.“

 

Ich nahm ein Schluck von meinem Kaffee und sah sie an. Ihre Gesichtszüge wurden härter und ich sah Besorgnis in ihren grünen Augen, gemischt mit Angst.

 

„Alles in Ordnung Claire?“

 

„An was genau hast du dich denn erinnert!“

 

„Ich…naja, daran wie du und Josh mich dazu gezwungen habt.“

 

Ich lächelte sie an, das Lächeln erlosch jedoch, da sie mich weiterhin mit diesem Blick ansah. Ich fühlte mich plötzlich unwohl, so als hätte ich was Falsches gemacht.

 

„Ist das so ja! Und zu was genau haben wir dich gezwungen Prinzessin?“

 

„Prinzessin? Claire ich…“

 

Sie packte ihr Handy und die Autoschlüssel, stand mit einem Mal auf und sah auf mich herab.

 

„Wenn die Pillen Gedächtnisverluste hervorbringen, solltest du sie vielleicht öfter nehmen, um dich nicht daran erinnern zu müssen. Oh, warte…das tust du ja auch gar nicht!“

 

Sie drehte sich um und ging zur Haustür, während ich ihr verwirrt folgte.

 

„Claire warte, habe ich was falsches gesagt?“

 

Doch sie dachte nicht mal daran stehen zu bleiben, sie öffnete die Haustür und ging zu ihrem Wagen.

 

„Claire?“

 

Ich hielt sie am Arm fest und zwang sie mich anzusehen.

 

„Habe ich etwas Falsches gesagt? Das war doch nur ein Witz, dass ihr mich gezwungen hättet. Es tut mir leid.“

 

Eine Zeit lang blieb sie stehen und sah mir in die Augen. Doch nicht mit dem typischen Claire blick, sondern sie war weiterhin ernst.

 

„Nicht jeder von uns hat das Glück vergessen zu können Mary, also hör auf mit dem Bienenstock zu spielen!“

 

Sie stieg ohne mich anzusehen in ihren Wagen und fuhr davon. Was meinte sie damit? Wieso hatte letzteres wie eine Drohung geklungen?

 

Was habe ich den vergessen?

Kapitel 3

 

 

Wieso hatte sie so darauf reagiert, was hatte ich denn falsch gemacht. Ich konnte nicht einmal ganz erklären, was ich meinte. Sollte ich sie anrufen? So wütend hatte ich sie noch nie erlebt. Seufzend schloss ich die Tür und blieb im Flur stehen.

 

„Dachboden oder Keller? Keller.“

 

Ich holte die Kisten und Putzmittel aus dem Vorraum. Doch bevor ich anfing machte ich mir ein Sandwich und schluckte meine Pillen. Ja Pillen, ich hatte so viele, man könnte denken ich sei ein Dealer.

 

„Wenigstens sind sie Bund.“

 

Zugegeben, sie machten mich träge, jedoch beruhigten sie mich auch. Natürlich machte es mich manchmal traurig, da ich mich an vieles nicht erinnern konnte. Doch wenn ich sie nicht regelmäßig einnahm, fing ich an paranoid zu werden.

 

Ich würgte alles runter, schnappte mir mein Teller und ging runter. Es war so staubig hier drinnen, dass ich kaum Luft bekam, also entschied ich mich das kleine Fenster oben zu öffnen.

 

Es war ein angenehmer Wind hauch, dennoch zog sich meine Brust zusammen. Ich sah eine Zeit lang zum Fenster.

 

 

 

Vor 15 Jahren…

 

 

 

„Na los Mary, komm jetzt endlich!“

 

Ich sah mich um und konnte nicht leugnen, dass ich Angst hatte. Das war nicht okay, es war falsch.

 

Dennoch konnte ich jetzt nicht kneifen, sie würden mich ausschließen und jedem in der Schule sagen, wie feige ich doch bin.

 

Ich setzte mich auf den Boden und schob zuerst ein Bein durch das kleine Fenster. Nach einem tiefen Atemzug schob ich das zweite Bein durch und kroch ganz langsam rein. Wenn ich jetzt los lies, gäbe es kein Zurück mehr, ich wäre dann in diesem Horror Haus mit dieser Hexe eingesperrt.

 

„Na endlich, meine Güte reiß dich doch zusammen.“ Claire verdrehte die Augen und sah sich um.

 

„Es stinkt hier extrem.“ Josh hielt sich die Nase.

 

Ich sah nichts als ein paar Kartons und eine nackte Glühbirne, oben an der Decke.

 

„Seid doch leise, sie könnte uns hören.“

 

„Also erstens würde sie uns nicht hören, wenn wir hier lauthals schreien würden und zweitens, hör auf so ein Angsthase zu sein.“ Josh grinste mich an und nickte als Bestätigung.

 

„Wir sollten jetzt rauf, ich denke nicht das die Tür zugesperrt ist.“ Während sie sprach stand sie schon auf der zweiten Stufe.

 

Ich wollte ihr folgen, doch dann hörten wir ein Knarren. Von oben, es kam von der Tür. Jemand drückte die Türklinge runter.

 

 

 

 

 

Heute…

 

 

 

Ich zuckte erschrocken zusammen, als ich ein klirren hörte. Zum ersten Mal hatte ich mich an das erinnert. Wieso kamen diese Erinnerungen plötzlich? Naja, das war doch gut, oder?!

 

„Oh nein!“

 

Mein Teller war runtergefallen, jetzt lag mein Sandwisch auf dem dreckigen verstaubten Boden. Mein Hals brannte, wie noch nie. War das etwa diese Stelle, wo die kleine Wunde war?! Darum würde ich mich später kümmern. Als aller erstes müsste ich die ganzen Sachen runterbringen, sonst würde es lange dauern bis ich endlich fertig war.

 

Erschöpft setzte ich mich auf die Stufen und sah zu den vielen Kartons, die verteilt da lagen. Ich hatte nicht mal die Hälfte eingepackt. Das würde ich aber machen, nachdem ich endlich etwas gegessen hatte. Mein Magen fing schon an zu knurren. Ich ließ alles so wie es war, schloss das Fenster, da es schon kälter wurde und ging rauf in die Küche. Es war mal nett zur Abwechslung nichts kochen zu müssen. Ich meine, ich liebte es zu kochen, jedoch war es ab und an auch anstrengend, weil es immer jemanden gab, dem das was ich zubereitete, nicht gefiel.

 

„So Tiefkühlpizza, mal sehen wieso meine Kinder dich so vergöttern. Ich gebe dir zehn Minuten.“

 

Ich stellte den Timer auf zehn Minuten und setzte mich ins Wohnzimmer. Bis es fertig war konnte ich ein wenig fernsehen.

 

Nach einer Zeit war mir sogar das zu langweilig. Ich vermisste meine Kinder und meinen Mann. Wieso hatte er mich nicht angerufen?

 

„Wo ist mein Handy?“

 

Ich sah mich um, konnte es jedoch nirgends entdecken. Auch in der Küche war es nicht.

 

„Echt jetzt!“

 

Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich es das letzte Mal in der Hand hatte. Das war zum Beispiel eines der Nachteile dieser ganzen Pillen.

 

Ich entschied vom Haustelefon anzurufen, damit ich es klingen hören konnte. Gerade als ich das Telefon in der Hand hielt, hörte ich das Klingeln bereits. Okay, dann nicht. Ich legte es zurück und folgte dem Geräusch.

 

„Natürlich, der Keller.“

 

Ich stieg die Treppen runter, doch noch bevor ich abheben konnte wurde aufgelegt. Als ich einen Wind hauch spürte, blieb ich stehen und sah langsam zum offenen Fenster. Hatte ich es nicht geschlossen?

 

„Doch habe ich, oder? Nein, sonst wäre es ja nicht offen.“

 

Kopfschüttelnd schloss ich das Fenster, packte mein Handy und ging wieder rauf.

 

Ich würde zurückrufen, doch zuerst sollte ich nach der Pizza sehen. Auch wenn ich meinem Ofen vertraute, Kontrolle ist immer besser.

 

„Fünf Minuten, sieht gut aus. Ich habe so Hunger.“

 

Ich ging wieder ins Wohnzimmer zurück und nahm mein Handy in die Hand, dann läutete das Telefon.

 

„Hallo?“

 

„Hey, ich bin‘s.“

 

„Claire, hey es tut mir leid.“

 

„Nein alles gut, ich habe…egal. Ich wollte dir nur sagen das ich unabsichtlich dein Handy eingesteckt habe.“

 

„Was?!“

 

Ich sah zum schwarzen Handy, das neben mir auf dem Sofa lag.

 

„Bist du sicher Claire.“

 

„Ja, denn es sind deine nervigen Zwerge drauf. Nur kann ich heute nicht mehr zurück, ich muss…“

 

Ich hörte ihr gar nicht richtig zu. Wenn das was Claire hatte mein Handy war, wessen Handy war dieses, was neben mir lag?

 

„Mary?!“

 

„Tut mir leid, kein Problem. Ich werde es dann später abholen. Danke Claire.“

 

„Hey warte mal…“

 

Ich legte auf und schnappte mir das Handy. Als ich es entsperrt hatte, blieb mir fast die Luft weg. Auf dem Display, da war ein Bild von mir!

 

Kapitel 4

 

 

Was ging hier nur vor sich? Wessen Handy war das und wieso war es im Keller gelegen. Wie war es dorthin gekommen? Als ich aufgeräumt hatte, habe ich es nicht bemerkt. Polizei, sollte ich die Polizei anrufen? Das was mich am meisten Beunruhigte war die Tatsache, dass ich auf diesem Bild 16 Jahre alt war. Es war kein aktuelles Foto von mir. Ich sah mir den Inhalt genauer an. Keine Kontakte, keine Nachrichten und keine einzige App.

 

„Galerie!“

 

Mit zittrigen Fingern öffnete ich die Galerie und klickte auf die Fotos.

 

„Ich, ich mit meinem Mann, ich mit meinen Kindern, ich mit Claire, ich mit Josh und ein Foto von einer schwarzen Rose.“

 

Am liebsten würde ich mich oben einsperren und warten bis mein Mann und meine Kinder zurück waren. Was ging hier nur vor sich, passierte es etwa, fing ich an meinen Verstand zu verlieren?

 

Ich zuckte zusammen, als der Ofen anfing zu piepen, die Pizza war fertig. Mit dem Handy ging ich in die Küche und schaltete den Ofen aus. Essen konnte und wollte ich nicht. Sollte ich die Polizei anrufen? Ich rannte rauf zum Badezimmer und schluckte ein paar Tabletten, die mich beruhigen sollten. Mein Mann, ich musste ihn anrufen.

 

Zurück im Wohnzimmer schmiss ich das Handy auf das Sofa und schnappte mir das Telefon.

 

„Bitte heb ab! Bitte.“

 

Wieso hob keiner ab? Oh nein, die Kopfschmerzen. Das Stechen in meiner Brust machte die Situation auch nicht besser. Ich musste mich beruhigen, sonst würde ich die ganze Nacht darunter leiden.

 

„Ich weiß nicht was ich tun soll.“

 

So verzweifelt war ich schon lange nicht mehr.

 

„Ich sollte den Keller putzen, ich sollte mich ablenken. Ich kümmere mich später um das Handy.“

 

Ich ließ alles dort, wo es war und machte mich an die Arbeit. Als ich bemerkte, wie dunkel es draußen wurde, hörte ich für heute auf.

 

Die Ablenkung hatte gutgetan, ich war fast fertig. Am liebsten würde ich mich aufs Bett schmeißen und schlafen. Doch eine Dusche wäre jetzt die bessere Option.

 

Das Handy, es klingelt. Welches Handy?

 

Ich folgte dem Klingeln in das Wohnzimmer und sah es schließlich auf dem Sofa. Wessen Handy war das? Wieso war es in meinem Keller und wieso erinnerte ich mich erst jetzt wieder daran!

 

Ich hob es auf und sah zu der Nummer, die ich nicht kannte. Sollte ich wirklich abheben?

 

„Hallo?“

 

„Mary…“

 

Ich kannte die Stimme, aber wieso…

 

„Josh?!“

 

„Sie verfolgt uns Mary, wir sind verflucht.“

 

„Was? Wer? Josh, wieso rufst du…“

 

„Das ist alles eure Schuld!“

 

„Josh, ich weiß nicht was du meinst. Wieso?“

 

Wieso rief er mich nach Jahren an, um mir dann so etwas zu sagen?“

 

„Ich kann das nicht mehr Mary, nach so vielen Jahren. Wir hätten das nicht machen sollen, wir hätten die Hexe nicht wütend machen sollen. Jetzt kommt sie und holt uns alle.“

 

„Du machst mir Angst, bitte Josh. Hör auf.“

 

„Du musst dich erinnern Mary, bitte, ich flehe dich an.“

 

„Woran soll ich mich erinnern? Weißt du was, ich komme zu dir.“

 

Er hörte sich nicht gut an.

 

„Nein, bitte Mary, erinnere dich daran, bitte.“

 

Er fing an zu schluchzen und zu weinen, ich wusste nicht mal was er meinte. Woran sollte ich mich erinnern? Was ging hier vor sich. Ich hörte ein weiteres Geräusch, war Josh etwa nicht allein?

 

„Josh, ist jemand bei dir?“

 

„Das Monster!“

 

Ich war gerade aufgestanden und wollte zur Tür, blieb jedoch davor stehen.

 

„Welches Monster?“

 

„Bitte Mary, erinnere dich daran. Sag das es deine Schuld ist, bitte!“

 

„Was ist meine Schuld? Josh…“

 

Ich fing an zu weinen, er jagte mir eine große Angst ein.

 

„Keine Angst Josh, ich komme zu dir, okay? Bitte, beruhige dich.“

 

„Du verstehst es nicht… du verstehst es nicht. Es ist zu spät dafür. Es ist deine schuld!“

 

„Josh?“

 

Er antwortete mir nicht mehr, ich hörte nur, wie er das Handy weg lag.

 

„Josh? Ich komme zu dir, okay? Alles wird gut!“

 

„Ich habe mich entschieden.“

 

Er sprach nicht mich an, seine Stimme kam nur noch brüchig. Es war so, als hätte er das zu jemand anderes gesagt.

 

„Hallo?!“

 

Die Verbindung war weg. Er hatte aufgelegt, was war nur los? Er hatte mich seit Jahren nicht angerufen und jetzt wo er es tat, klang er so. Ich musste zu ihm, es ging ihm ganz und gar nicht gut.

 

Ich nahm nur meine Autoschlüssel, schlug die Tür zu und stieg ein. Ich hatte öfters versucht zurück zu rufen, doch er hob nicht ab.

 

Ich handelte einfach aus Angst, ich weiß, ich hätte irgendjemandem Bescheid geben sollen, doch ich wollte einfach zu Josh. Ich musste ihn beruhigen.

 

Vor seinem Haus angekommen, brennte kein einziges Licht im Haus. Ich hämmerte gegen die Tür, doch er öffnete nicht.

 

„Josh?! Bist du da? Ich bin es Mary! Josh!“

 

Ich lief um das Haus herum, um es durch die Hinter Tür zu versuchen, doch mein Blick blieb am kleinen offenen Fenster hängen. Ich lief weiter und versuchte die andere Tür zu öffnen, doch die war ebenfalls verschlossen.

 

„Josh?!“

 

Mir blieb nichts anderes übrig, ich musste durch das Fenster klettern. Ich nahm tief Luft und schwang beide Beine rein.

 

Drinnen angekommen musste ich zuerst meine Atmung kontrollieren, denn ich merkte wie die Panik in mir aufstieg. Es war so dunkel, deswegen war es eine Herausforderung an sich die Treppen zu finden.

 

Oben angekommen öffnete ich die Tür und lief ins Wohnzimmer. Als aller erstes musste ich das Licht einschalten, ich konnte kaum etwas sehen.

 

„Josh?!“

 

Er war nicht im Wohnzimmer, vielleicht oben im Schlafzimmer? Ich ging langsam die Treppen rauf und blieb vor seiner Tür stehen. Was war nur los, wieso hatte ich so sehr Angst.

 

„Josh, bist du da drinnen?“

 

Es war kaum mehr als ein Flüstern, auch wenn er da drinnen wäre, hätte er mich kaum gehört. Ich wischte die Tränen weg, nahm tief Luft und öffnete die Tür.

 

Ich sah ein Körper auf dem Boden liegen… Licht, schalte das Licht ein Mary.

 

„Oh mein Gott, nein…“

 

Er lag da… Blut, überall war Blut. Er lag in seinem eigenen Blut. Zwei tiefe Schnitte im Handgelenk. Doch nicht das war es was mich am meisten schockierte, es war das was aus seiner Brust ragte.

 

„Eine Schwarze Rose…“

 

Kapitel 5

 

 

„Sollen wir Sie nach Hause bringen?“

 

„Nein, nein danke.“

 

Ich stieg in meinen Wagen ein und sah eine Zeit lang zum Haus. Als die Rot-Blauen Lichter mich blendeten, startete ich den Wagen und machte mich auf den Weg nach Hause.

 

Was hatte er damit gemeint, wieso hatte Josh sich selbst getötet. Wieso gab er mir die Schuld? Was hatte ich denn getan? Wieso rief er mich nach all den Jahren an, um mir das zu sagen! Stimmte das? Trug ich Schuld daran? Die Kopfschmerzen wurden immer mehr. Ich fühlte mich so kraftlos und müde.

 

Zu Hause angekommen schmiss ich die Autoschlüssel auf die Kommode und blieb im Flur stehen. Die Trauer überkam mich mit einem Mal.

 

Ich hielt mir das Gesicht und weinte, ließ alles raus was ich durch den Schock nicht gekonnt hatte. Als das Telefon klingelte, musste ich mich zusammenreißen.

 

„Hallo?“

 

„Mary.“

 

Es war Claire. Sie hatte es mitbekommen. Natürlich hatte sie es, wenn hier was passierte dann war Claire die Erste, die davon erfuhr. Vielleicht lag es auch daran, dass ihr Mann Polizist war. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, konnte keine passenden Wörter finden. Gab es diese überhaupt?

 

„Ich kann nicht fassen das Josh sich das Leben genommen hat.“

 

„Ich auch nicht.“

 

„Geht es dir gut? Ach, was für eine dumme Frage, natürlich nicht! Immerhin hast du ihn so gefunden.“

 

Ja, das hatte ich, doch bevor ich die Polizei angerufen hatte, hatte ich etwas eingesteckt. Ich griff in meine Jackentasche und holte die zerknitterte Rose raus.Ich musste morgen ins Revier und eine erneute Aussage abgeben. Wieso hatte ich diese Rose überhaupt mitgekommen? War es ein Reflex gewesen? Als ich Josh so sah, überkam mich die Trauer, doch als ich dann die Rose gesehen hatte, war es nicht mehr Trauer gewesen. Es war Angst und Panik, niemand durfte davon wissen. Wovon? Ich weiß es nicht!

 

„Ich weiß es nicht!“

 

„Was weißt du nicht?“

 

Ach ja, ich telefonierte ja mit Claire. Das hatte ich komplett vergessen.

 

„Claire, ich würde mich gerne hinlegen.“

 

„Ja, mach das, ruhe dich aus. Soll ich dein Handy vorbeibringen?“

 

„Nein, ich hole es morgen ab. Ich muss so oder so ins Revier.“

 

„Na gut, pass auf dich auf.“

 

„Du auch.“

 

Ich brauche meine Medikamente! Als das Handy ein Ton von sich gab, starrte ich es ein paar Sekunden an. Mit zittrigen Händen hob ich es auf und öffnete das Display.

 

„Du hast Josh getötet!“

 

Ich verstand zuerst nicht, was vor sich ging. Langsam setzte ich mich zurück und tippte eine Antwort.

 

„Wer bist du?“

 

„Das spielt keine Rolle!“

 

„Wer bist du!“

 

„Das spielt keine Rolle!“

 

Okay, es reicht mir! Ich weiß nicht wer da mit mir seine Spielchen trieb, doch ich konnte einfach nicht mehr.

 

Die Kopfschmerzen waren unerträglich.

 

„Du solltest aufhören so viele Medikamente zu nehmen…Mary! Sie vernebeln deinen Verstand.“

 

Woher wusste dieser fremde das? Ich sollte einfach jetzt zur Polizei, was für einen Sinn hätte es zu warten? Jemand machte einen spaß aus der Sache, so krank war die Welt schon. Das er meinen Namen kannte überraschte mich nicht, immerhin fand ich auf dem Handy Bilder von mir und meiner Familie.

 

„Nimm die Medikamente nicht.“

 

„Wieso?“

 

„Sonst wirst du sterben.“ 

 

„Ich weiß nicht wer du bist, aber das alles ist nicht mehr witzig, verstehst du das?!“

 

„Nein, witzig war es nie. Sag mir eines Mary, wieso hast du die Rose mitgenommen?“

 

Ich brauche meine Medikamente, ich brauchte sie einfach. Die Kopfschmerzen wurden mit jeder Minute unerträglicher.

 

Alles was hier gerade passierte, war nicht wichtig.

 

Es war nicht wichtig das Josh gestorben war, es war mir egal, dass ich ein Beweisstück mitgenommen hatte und es war mir egal, dass diese fremde Person mich kannte und vielleicht sogar beobachtete.

 

„Ich brauche meine Medikamente.“

 

Ich schmiss das Handy auf den Boden und rannte fast schon rauf ins Badezimmer. Als ich die Schublade öffnete, war sie leer.

 

„Nein! Wo sind sie?“

 

Ich lief raus ins Schlafzimmer und öffnete jede Schublade, jeden Schrank und kontrollierte sogar unter dem Bett.

 

Dann lief ich runter in die Küche und suchte wie verrückt weiter. Ein kleiner Stich im Kopf und ich zuckte voller Schmerzen zusammen.

 

„Bitte nicht, ich brauche sie.“

 

Ich lief weiter ins Wohnzimmer und suchte jede Ecke ab, in der sie sich befinden könnten. Vor Verzweiflung schrie ich meine Wut raus und mein Blick glitt zum verfluchten Handy.

 

„Wo? Wo sind meine Medikamente!“

 

„Hör auf mich Mary, du brauchst sie nicht. Noch werde ich nicht zulassen das du stirbst.“

 

Ich schmiss dieses blöde Handy erneut aufs Sofa.

 

„Wer bist du.“

 

„Das spielt keine Rolle!“

 

Kapitel 6

 

 

Ich konnte mich nicht bewegen, nicht einmal Atmen konnte ich. Nicht umdrehen, dreh dich nicht um Mary. Das ist alles nur ein Hirngespinst, so wie damals.

 

Damals? Was ist denn damals passiert?

 

„Ich weiß es nicht…“

 

„Doch das tust du, du musst dich nur erinnern.“

 

Diese Stimme, dieser Präsenz, das konnte doch kein Hirngespinst sein. Jemand stand hinter mir.

 

Wieso sagt mir jeder ich solle mich erinnern, woran denn? Ich lebe seit meiner Geburt in dieser kleinen Stadt, ich bin immer nett und höflich, ich hatte nie etwas Falsches gemacht.

 

Wieso passierte mir das alles?

 

„Das ist nicht echt, du bist nicht wirklich da.“

 

Wieso drehst du dich dann nicht um. Dreh dich um, nein tu es nicht.

 

„Ich brauche meine Medikamente.“

 

Ich konnte ohne sie nicht schlafen, ich wurde paranoid. Es war keiner hinter mir. Wieso also stand ich hier und konnte mich keinen Millimeter bewegen?

 

Mein ganzer Körper versteifte sich, als ich ein Hauch auf meinem Nacken spürte.

 

„Lauf Mary.“

 

Meine Beine gehorchten diesem Befehl, ich rann wie verrückt und sah nicht nach hinten.

 

Als ich Schritte hinter mir hörte, lief ich weiter, doch wohin? Die einzige Tür die offen stand und in der Nähe war, war der zum Keller.

 

Ich knallte die Tür hinter mir zu uns schloss sie ab. Ein klopfen, dann noch eines. Dann nochmal, immer in gewissen abständen.

 

Dieser Tackt, ich erinnerte mich daran. Aber woher?

 

 

 

Vor 15 Jahren…

 

 

 

Eins, Zwei…kommt herbei

 

Drei, Vier…versammelt euch hier

 

Fünf, Sechs… es kommt die Hex

 

Sieben, Acht…sie kommt heut Nacht

 

 

 

„Josh! Hör mit dieser Scheiße auf. Von wo hast du das überhaupt?“

 

„Naja, die Kinder in der Nachbarschaft singen das immer.“

 

„Bist du ein Kind?!“

 

„Leute, wir sollten wirklich gehen. Das war sehr knapp.“

 

Flehend sah ich ihnen in die Augen. Fast wären wir erwischt worden. Gott sei Dank, wurde die Tür gleich wieder geschlossen.

 

„Nein, wir ziehen das jetzt durch. Auch wenn wir erwischt werden, die dumme alte wird uns bestimmt nicht fangen können“

 

„Wieso bist du so gemein Claire?“

 

„Das Leben, ist gemein! Na los, lasst und hoch gehen!“

 

Josh und ich warfen uns unsichere Blicke zu, doch uns blieb nichts anderes übrig als Claire zu folgen.

 

 

 

 

 

Heute…

 

 

 

Das Klopfen hörte auf, es war dieser Takt gewesen. Das was Josh damals gesungen hatte. Wieso erinnerte ich mich plötzlich daran.

 

Ein fester und lauter Schlag, erschreckte mich so sehr, dass ich stolperte und die Treppen runterfiel. Ich schaffte es zwar rechtzeitig mich festzuhalten, dennoch schlug ich nicht gerade sanft mit dem Rücken gegen die Treppen.

 

Schmerzvoll stöhnte ich auf.

 

Meine Sicht benebelte sich und ich bekam vieles um mich herum nicht mehr mit. Ich sah rauf zur Treppe und die Tür öffnete sich.

 

„Nein…“

 

Ich schlief doch nicht, wieso also stand es dort und sah zu mir runter. Dieses Monster mit dem entsetzlich verstellten Gesicht.

 

Wieso sah es mich an und wieso kam es auf mich zu. Das hatte es bis jetzt noch nie gemacht, es hatte sich nie bewegt.

 

„Nein, bitte.“

 

Es war kaum mehr als ein Flüstern, mein Herz schlug so fest gegen meine Brust das ich die sorge hatte es würde gleich rausspringen. Nicht kommen, bitte komm nicht.

 

Ich konnte nicht weglaufen, weil ich nichts an mir spürte. Es kniete vor mir nieder.

 

„Schlaf gut, Mary.“

 

Ein Stich in meinem Hals und mir wurde es schwarz vor Augen. Ich fiel in ein dunkles Loch.

 

 

 

Ein Klingeln riss mich aus meinem Schlaf. Mein ganzer Körper tat weh, als mir bewusst wurde, was gestern passiert war, saß ich mit einem Mal kerzengerade auf meinem Bett.

 

Moment mal, wieso lag ich auf meinem Bett. Ich war doch im Keller, da war dieses Monster und es wollte mich holen. Ich musste zur Polizei und alles erzählen was passiert war.

 

Ich musste dieses verfluchte Handy loswerden. Meine Medikamente, es hatte sie mir weggenommen! Was wenn es noch im Haus war? Ich hörte erneut das Klingeln und stand mühsam auf.

 

Wer rief mich denn um diese Uhrzeit an, wie spät war es überhaupt? Mein Kopf tat höllisch weh.

 

Dieser Sturz gestern war nicht gerade eine sanfte Landung gewesen.

 

„Diese blöden Kopfschmerzen!“

 

Ich ging die Treppen runter, um in die Küche zu gelangen. Mein Mund fühlte sich so trocken an und ich hatte das Gefühl, seit Tagen nichts getrunken zu haben.

 

Mit einem Mal trank ich das ganze Glas leer und füllte es erneut auf. Wieso hatte ich ihn mir gestern eingebildet? Dieses Monster war jahrelang vor meinem Bett gewesen… in meinen Alpträumen! Wieso hatte ich es also jetzt gesehen.

 

Auch wenn mein ganzer Körper weh tat und ich mich kaum aufrecht halten konnte, musste dieser Wahnsinn einfach ein Ende haben!

 

Ich ging ins Wohnzimmer, wo ich das Handy liegen gelassen hatte. Als ich dort ankam, blieb ich geschockt stehen. Meine Medikamente? Sie lagen auf dem Tisch.

 

„Aber, wie ist das möglich?“

 

Ich hatte doch gestern danach gesucht und hatte sie nirgendswo gefunden.

 

„Ich verliere meinen Verstand.“

 

Am liebsten würde ich mich hinlegen und die Decke über mein Kopf ziehen. Auch wenn die Kopfschmerzen nicht so schlimm waren wie gestern, waren sie dennoch da. Mir war kalt und ich fühlte mich so kraftlos.

 

Es fühlte sich nicht so an, als hätte ich eine Verletzung wegen dem Sturz erlitten. Ich brauchte meine Medikamente, doch als ich diese zu Hand nahm, hielt ich inne.

 

Die unbekannte Person behauptete, ich würde sterben, wenn ich sie weiter nehmen würde. Ich muss sie aber nehmen!

 

Ich tastete unbewusst meinen Hals ab, diese kleine Verletzung. Es brannte wie Feuer. Es war da gewesen, als ich gestern aufgewacht war. Oder? War es das wirklich? Ich war mir gar nicht mehr so sicher, was wenn ich es mir einfach eingebildet habe?

 

Entschlossen packte ich meine Sachen und ging raus zum Auto, denn ich musste endlich zur Polizei und die ganze Sache erklären.

 

Wie konnte ich es mir einbilden, wenn das Handy doch direkt neben mir lag. Ich musste dem Ganzen ein Ende setzen. Ich wusste nicht wieso ich diese Halluzinationen hatte, doch nichts an mir fühlte sich in Ordnung an. Ich hatte mich seit langem nicht so gefühlt.

 

Vor dem Revier angekommen stieg ich entschlossen aus und ging zur Tür. Drinnen angekommen wurde mir gesagt, ich solle noch fünf Minuten warten, also setzte ich mich hin. Wieso hatte ich Angst?

 

Wieso hatte ich mich noch nicht beruhigt? Wieso halfen die Medikamente nicht so schnell wie vorher! Während ich da wartete, bekam ich erneut eine SMS. Alles an mir wollte dieses verfluchte Handy gegen die Wand werfen, doch ich tat es nicht.

 

Ich öffnete die SMS und mein Herz setzte kurz aus.

 

„Wenn du dem Polizisten das Handy überreichst, stirbt deine Familie Mary. Überlege genau was du tust.“

 

Es war nicht nur der Text, die Person hatte mir auch ein Foto von meinem Mann und meinen Kindern gesendet, wie sie auf der Terrasse mit meinen Schwiegereltern saßen. Auf dem Bild sah man auch eine Waffe, die genau auf sie gerichtet war. Ich fing an still und leise zu weinen und wusste nicht wie ich mich verhalten sollte. Wer war diese Person und wieso tat es mir das an?

 

„Sie dürfen rein.“

 

Ich nickte dem Polizisten zu und ging Schritt für Schritt zur Tür. Es fühlte sich alles nicht mehr so real an, war das alles nur ein Alptraum? Ich wusste es nicht mehr, ich wusste es einfach nicht.

Kapitel 7

 

 

„Geht es Ihnen wirklich gut?“

 

„Den Umständen entsprechend.“

 

Wieso sah er mich so mitleidend an?

 

„Verständlich, es muss sicher ein großer Schock für Sie gewesen sein. Sie waren auf derselben Schule?“

 

„Ja, wir sind… waren befreundet.“

 

„Hatte Josh vorher schon Suizid Gedanken?“

 

„Nein. Ich glaube nicht.“

 

„Sie glauben?“

 

„Wir hatten länger keinen Kontakt.“

 

„Verstehe.“

 

Jedes Mal, wenn ich Josh angerufen hatte und ihn fragte ob wir etwas zusammen unternehmen möchten, hatte er immer abgesagt. Irgendwann hatte ich aufgehört zu fragen. Er hatte sich von selbst nie bei mir gemeldet.

 

Konnte es sein? War meine Familie in Gefahr? Konnte ich es wirklich riskieren? War das alles überhaupt echt. Ich wusste nicht mehr was ich sagen sollte und was nicht.

 

„Wieso waren sie im Haus von Josh?“

 

„Ich…“

 

Und was sollte ich ihm sagen? Ich konnte nicht riskieren das meine Familie in Gefahr geriert, falls das alles überhaupt echt war! Was sollte ich ihm sagen?

 

„Geht es Ihnen wirklich gut? Brauchen Sie vielleicht psychologische Unterstützung?“

 

„Nein. Machen Sie sich keine Sorgen um mich.“

 

„Wo ist Ihr Mann? So ein Anblick, besonders wenn es ein Mensch ist, den man kennt, ist es nicht gerade einfach zu verkraften. Sie sollten nicht allein sein.“

 

„Woher wissen Sie das ich allein bin!“

 

Steckte er etwa hinter all dem? Was wenn Josh gar nicht Tod war, was wenn er sich an mir rächen wollte. Was wenn Claire auch dahintersteckte? Aber wieso sollten sie das tun, was für ein Grund hätten sie? Oh mein Gott, ich wurde paranoid. Diese Kopfschmerzen wurden immer unerträglicher. Mein ganzer Körper tat weh.

 

„Nun ja, sie haben es den Kollegen vor Ort gesagt. Wieso waren Sie dort?“  

 

Sag es nicht Mary, erwähne das nicht sonst… aber wieso soll ich es nicht sagen? Wenn ich ihm jetzt sagen würde, das Monster wäre bei Josh gewesen und die Hexe hätte uns alle verflucht, würde er mich bestimmt zu meinem eigenen Wohl einsperren lassen.

 

„Ich wollte ihn einfach nur sehen, das ist alles. Mir geht es doch nicht so gut, ich würde gerne nach Hause fahren und mich hinlegen.“

 

Er sah mich ein paar Sekunden lang verwirrt an, dann nickte er und lehnte sich zurück.

 

„Natürlich, immerhin ist das hier kein Verhör.“

 

„Danke.“

 

Ich stand auf und griff zur Türklinke.

 

„Ich hätte noch eine Frage an Sie.“

 

„Ja?“

 

„Haben Sie etwas mitgenommen?“

 

Eine Zeit lang war es still im Raum und mit jeder Sekunde fühlte ich mich noch mehr unter Druck. Das Zittern war immer noch da und mir war so kalt. Ich wollte nur nach Hause. Ich musste meinen Mann anrufen und ihn warnen. Aber vor was? Ich wusste ja nicht mal was es war. Ich wusste nicht was diese Person von mir wollte.

 

„Nein. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.“

 

Damit verließ ich das Revier. Ich musste schnellst möglich nach Hause und meinen Mann anrufen. Es wunderte mich, dass er mich von selbst aus nicht angerufen hatte.

 

Nachdem ich eingestiegen war und mich im Rückspiegel gesehen hatte, verstand ich wieso der Polizist mich besorgt angesehen hatte.

 

Meine Haare waren total durcheinander, meine Augenringe und meine Blut unterlaufenen Augen stachen stärker hervor. Ich sah so aus als hätte ich seit Wochen nicht geschlafen.

 

Dann glitt mein Blick wieder zu meinem Hals, diese kleine Stichwunde war immer noch da.

 

Das erste was ich tun musste war, zu Claire fahren und mein Handy abholen. Sie würde mich nicht in Ruhe lassen und mich mit Fragen bombardieren.

 

Kapitel 8

 

 

„Du siehst scheiße aus.“

 

„Danke Claire, auch schön dich zu sehen.“

 

„Ich meine es ernst? Geht es dir gut?“

 

„Ja, es geht mir gut!“

 

„Okay, du musst mich ja nicht direkt anschreien.“

 

„Tut mir leid. Wo ist mein Handy?“

 

„Willst du nicht reinkommen?“

 

„Nein, vielleicht ein anderes Mal.“

 

„Na gut, erzähle mir wenigstens wie es lief.“

 

„Später.“

 

Sie reichte mir das Handy und ich nickte ihr dankend zu, bevor ich in mein Auto stieg und nach Hause fuhr.

 

Nein, mir ging es ganz und gar nicht gut. Ich wusste nicht mehr welche zusammenhänge es gab und es machte mich noch mehr fertig, dass die Medikamente immer noch nicht wirkten.

 

Zu Hause angekommen rief ich gleich meinen Mann an, doch wie beim letzten Mal hob er nicht ab. Genauso wie meine Kinder und meine Schwiegereltern.

 

Wieso hob keiner ab, war etwa etwas passiert? Müde lehnte ich mich zurück, wann hatte ich das letzte Mal was gegessen? Ich nahm das Handy in die Hand und tippte eine Nachricht ein.

 

„Was hast du getan? Lass meine Familie in Ruhe! Was willst du überhaupt von mir!“

 

„Ganz ruhig, deiner Familie wird es gut gehen. Ich habe kein Problem mit ihnen, sondern nur mit dir Mary.“

 

„Wieso? Was habe ich dir angetan?!“

 

„Ich mache es dir nicht leicht!“

 

„Hast du Josh getötet?“

 

„Nein. Du solltest was essen. Und nicht vergessen, du darfst keinem was davon erzählen!“

 

 

 

Ich hatte einfach nicht die Kraft aufzustehen und mir was zu essen zu machen. Ich wollte nur schlafen. Vielleicht sollte ich das auch.

 

Mich einfach hinlegen und die Augen schließen und so lange schlafen bis meine Familie zurück war. Sie müssten heute gegen Mitternacht ankommen. Doch was, wenn sie nicht kamen? Was wenn sie entführt worden waren? Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, mich nicht mal auf meine Gedanken fixieren. Es fühlte sich alles nicht real an.

 

Erschöpft schleppte ich mich hoch und schmiss mich direkt aufs Bett. Wieso hatte ich die Schwarze Rose mitgekommen, das war einfach nur ein Reflex gewesen.

 

Ich wusste nicht einmal wieso. Leise fing ich an zu weinen, ich hatte mich seit langem nicht mehr so gefühlt. Alles an mir kämpfte, um nicht zur Flasche zu greifen. Ich konnte das meiner Familie nicht antun, nicht wieder. Damals wäre meine Ehe fast zu Ende gewesen. Keiner wusste wieso ich so wurde, meine Eltern meinten, ich sei immer ein aufgewecktes Kind gewesen.

 

Josh, wieso hast du dich getötet? Hattest du auch solche Probleme? Aber wieso?

 

Wieso war es meine Schuld?

 

Ich schloss die Augen und betete zum ersten Mal, das ich einschlief. Es war mir egal ob das Monster kam, ich wollte einfach nur schlafen.

 

 

 

15 Jahre vorher

 

 

 

„Es stinkt.“ Claire hielt sich angewidert die Nase.

 

„Naja, sie ist halt nun mal eine alte frau und wahrscheinlich krank.“ Sagte Josh bemitleidend.

 

„Und jetzt wollen wir ihr auch noch was stehlen!“

 

„Mary! Es ist nicht stehlen okay? Sie hat bestimmt viele dieser scheiß Blumen.“

 

„Na gut und wie kommen wir in den Garten?“

 

„Folgt mir einfach ihr Dummköpfe!“ Claire zeigte den weg und wir folgten ihr.

 

Ich blieb kurz vor dem Kamin stehen, da hang ein Bild. Wahrscheinlich die alte Frau und ihre Familie.

 

„Hässliches Ding, ekelhaft. Da bekommt der Begriff Mistgeburt direkt eine andere Bedeutung.“

 

„Hör damit auf Claire!“

 

„Hör auf mich anzuschreien!“

 

„Beide aufhören, lasst uns einfach diese Scheiß Blume holen!“

 

Wir schlichen uns in den Garten und bemerkten drei Rosen.

 

„Drei? Oh mein Gott Leute, wir sollten sie alle nehmen. Könnt ihr euch vorstellen, wie es aussieht, wenn jeder von uns eine hat?“

 

„Nein, wir sind nur wegen einer hier.“

 

„Ach, hört doch auf! Wenn wir schon da sind.“

 

„Nein Claire! Josh hat recht nur eine.“

 

„Wir nehmen sie alle! Mein Gott, ich bin umgeben von Idioten.“

 

Ich versuchte sie weiterhin davon abzubringen, doch Claire riss einfach jedes einzeln.

 

„So, war das jetzt so schwer?!“

 

„Lasst uns einfach verschwinden.“

 

Kurz nachdem er das vorgeschlagen hatte, ging Josh auch schon vor. Ich sah Claire wütend an.

 

„Was denn?!“

 

„Du bist unglaublich.“

 

„Gehen wir.“

 

Wir gingen wieder rein, da wir denselben Weg zurück mussten. Das Haus grenzte am Waldgebiet und hinter dem Garten erstreckte sich dieser.

 

„Josh, wieso bleibst du stehe? Beweg dein Arsch!“

 

Ich sah in die Richtung wo Josh hinsah. Die alte Frau stand oben auf der Treppe und sah uns an, dann glitt ihr Blick auf die Rosen die Claire in der Hand hielt.

 

 

 

Heute

 

 

 

Schweißgebadet wachte ich auf und hatte nicht bemerkt das ich geweint hatte. Wir hatten einer alten Frau ihre einzigen Rosen gestohlen.

 

Wieso erinnerte ich mich daran und wieso tat es mir so sehr weh. War es etwa deswegen gewesen?

 

Meine Oma hatte immer gemeint, dass das Karma immer zurückschlägt und das zehnfach schlimmer.

 

Ich warf einen Blick auf die Uhr. Die Sonne war bereits untergegangen und ich fühlte die Taubheit in meinem Körper. Ich wurde immer kraftloser.

 

Die Medikamente hatten nicht gewirkt. Es fühlte sich alles nur noch schlimmer an.

 

Nachdem ich noch ein paar Pillen geschluckt hatte, entschied ich was zu essen. Nicht mehr lange dann würden sie zurück sein. Ich sollte nur im Bett liegen, dann wäre alles gut und nichts würde passieren.

 

Fünf Stunden noch etwa, dann wäre ich nicht mehr allein. Hatte sich so die alte Frau gefühlt? Allein und einsam voller Angst.

 

Sie wurde oft von Jugendlichen belästigt nur weil es das Gerücht gab, sie wäre eine Hexe. Mühsam schleppte ich mich zur Küche und entschied mir einfach ein Brot zu schmieren.

 

Das wäre besser als nichts und war nicht so anstrengend. Ich zuckte zusammen als das Handy ein Laut von sich gab.

 

„Lass mich doch einfach in Ruhe…bitte.“

 

Die Tränen liefen runter und mein Sandwich landete auf dem Boden, weil die Kraft aus meinen Fingern verschwand.

 

Ich sah ein paar Sekunden lang zu den Scherben, hatte sich so Josh gefühlt? War es so verzweifelt gewesen wie ich gerade. Ich konnte mich an nichts erinnern und zum ersten Mal lag dies so schwer auf meinem Herzen. Ich sah alles nur verschwommen, mein Kopf fühlte sich an als würde es jeden Moment explodieren. Meine Glieder fühlten sich an wie Blei, so schwer waren sie für mich. So fühlte es sich also an, wenn die Medikamente nicht mehr wirkten.

 

Ich hatte aufgehört die Tränen wegzuwischen, die mir immer weiter die Wangen runterliefen.

 

„Wie geht es dir Mary?“

 

„Bitte, was willst du von mir? Was habe ich dir angetan?“

 

„So einfach mache ich es dir nicht, du wirst genauso leiden wie ich.“

 

„Ich leide doch bereits.“

 

„Nein…nicht mal ansatzweise.“

 

Ein Foto, von meiner Tochter. Wie sie sich mit dem Handy beschäftigt. Sie lag da im Zimmer und trug diese blöden Kopfhörer, die ich so sehr hasste.

 

Immer hatte sie die auf, immer musste ich ihr dreimal etwas erklären da sie zu stur war dieses Ding runter zu nehmen und mir zuzuhören.

 

Das Foto wurde im Zimmer gemacht, die Person war im Zimmer meiner Tochter.

 

Tränen tropften auf das Display und ich konnte einfach nicht aufhören zu weinen.

 

„Bitte…“

 

„Wirst du dich erinnern?“

 

„Ich versuche es, ich schwöre ich versuche es… bitte…“

 

„Ein kleiner Tipp… Sieben, acht… sie kommt heut Nacht.“

 

Kapitel 9

 

 

Das alles hatte im Haus der alten Frau angefangen. Hatte Josh recht gehabt? Verfolgte sie uns? Waren wir wirklich verflucht, nur weil wir diese Rosen mitgenommen hatten.

 

Es waren doch nur Blumen gewesen, nein es war mehr. Es ist etwas passiert. Alles schien auf diesen Moment hinzuweisen und ich musste einfach dorthin zurück.

 

Ich musste mich erinnern, also entschied ich dort hin zu fahren. Ich konnte einfach nicht mehr, was war damals passiert, dass mich diese Person nicht in Ruhe ließ.

 

Hatte ich etwas getan? Wenn ja, wieso konnte ich mich nicht daran erinnern? Hatten mich die Medikamente so sehr in ihrem Besitzt das sie mein Gedächtnis verschleierten.  

 

Ich war müde, ich wollte einfach nur schlafen. Dieses Gefühl und diese Kraftlosigkeit raubten mir mit jeder Minute die Seele. Ich konnte nicht mal Angst um meine Familie haben, da war eine Person im Zimmer meiner Tochter und ich konnte nichts tun.

 

Während der Fahrt dachte ich an meine Familie. An meinen Mann, der mir jahrelang geholfen hatte und mich nicht aufgegeben hat. Meine zwei wundervollen Kinder.

 

Ich konnte mich erste jetzt erinnern wie schwer die Geburt meiner Tochter war. Ich lag stundenlang in den Wehnen und dachte ich würde es nicht überleben. Doch es war nicht die Angst sterben zu können, es war die Angst das meiner Tochter etwas passiert. Ich erinnerte mich an meinen Sohn, an seinen fünften Geburtstag. Doch nicht an Torte und Geschenke, sondern an den Streit mit meinem Mann der mich anschrie und ich, wie ich weinend auf dem Boden saß. Wieso erinnerte ich mich genau jetzt daran?

 

 

 

„Sieben, acht, sie kommt heut Nacht.“

 

Ich blieb ein paar Minuten im Auto sitzen und starrte zum Haus, das so düster und gefährlich aussah.  

 

Dennoch hatte es sich nicht verändert, es sah genauso aus wie damals. War diese fremde Person auch drinnen? Wartete es auf mich, wollte es mich töten?

 

Ich hatte immer noch die Möglichkeit zurück zu fahren, mich in mein Bett zu legen und einzuschlafen. Einfach schlafen, bis meine Familie zurückkam. Würde sie denn überhaupt noch zurückkommen? Ich konnte mich auf keinen klaren Gedanken fixieren. Nicht mal auf die Tatsache das meine Familie vielleicht in Gefahr war. Ich wusste nur eins, ich musste hier her zurück.

 

Die Kopfschmerzen, sie waren nicht mehr so stark. Zum ersten Mal seit langem, hatte ich keine Angst mehr. Entschlossen öffnete ich die Autotür und stieg aus. Ohne mich umzusehen, ging ich geradeaus zur Haustür.

 

Nichts war verriegelt, wieso auch? Keiner hatte diese alte Frau wahrgenommen und jedem war es egal gewesen.

 

Die Tür ging mit einem Mal auf, sie war also nicht mal verschlossen. Ich tritt in den dunkeln gang und hörte nur das Quietschen des Fußbodens unter mir. Da es so dunkel war und ich rein gar nichts sehen konnte, machte ich die Taschenlampe vom Handy an.

 

Es war alles so verstaubt und die meisten Möbel sahen so veraltet aus. Ich ging zum Kamin und sah mir das Bild an, was noch nach Jahren da hing.

 

Damals hatte Claire es als ekelhaft bezeichnet, doch mir hatte es weh getan. Die alte Frau stand da und lächelte glücklich in die Kamera. Sie stand im Garten, bei den schwarzen Rosen.

 

Eine kleine Hand umklammerte die von der alten Frau. Es war ein Junge gewesen das ängstlich aussah und zu Boden blickte. Es sah so aus als hätte er Angst fotografiert zu werden.

 

„Du warst es.“ Flüsterte ich in den leeren Raum, die Tränen kamen schon längst wie ein Wasserfall.

 

Dieser Junge müsste ihr Enkel gewesen sein. Ich konnte mir vorstellen wieso er versuchte sich hinter ihr zu verstecken.

 

Sein Gesicht, es war entstellt. Eine Krankheit müsste es gewesen sein.

 

„Das Monster.“

 

Claire hatte es damals so genannt, es sei ekelhaft und ein Monster. Keiner wusste damals, dass sie einen Enkel hatte. Dieser kleiner Junge, wo war er jetzt?

 

Als ich ein Knarren hörte, zuckte ich erschrocken zusammen und leuchtete zum Flur. Ich ging dem Geräusch nach und blieb vor der Treppe stehen.

 

Ein Geräusch was mich erneut zusammenzucken ließ. Das Handy, ich hatte eine neue SMS.

 

„Erinnerst du dich Mary?“

 

Ja, ich erinnerte mich!

 

 

 

15 Jahre vorher

 

 

 

„Wer seid ihr, was macht ihr in meinem Haus?“

 

Die alte Frau sah gar nicht so angsteinflößend aus wie es uns immer beschrieben wurde.

 

Sie sah eher zerbrechlich und krank aus. Man sah auch das sie Angst vor uns hatte.

 

„Ganz ruhig, wir gehen.“

 

Ich packte die beiden am Arm und wollte raus gehen.

 

„Nein! Bitte lasst meine Blumen hier.“

 

Sie sah uns flehend an und hatte Mühe die erste Stufe runter zu steigen.

 

„Bitte, ich bin alt ich kann keine neuen mehr pflanzen und das sind meine letzten. Bitte, lasst eins hier.“

 

„Claire! Lass die Rosen fallen. Wir sollten gehen.“

 

Claire riss sich aus meinem Griff und sah herablassend zur alten Frau hoch.

 

„Wir werden alle mit nehmen du alte Schabracke. Wie willst du uns zurückhalten?“

 

Sie lachte und wollte gehen, doch ich hielt sie erneut zurück.

 

„Claire bitte, lass die Rosen hier!“

 

Die Alte frau ging noch eine Stufe runter und man sah ihr an, dass sie sich sehr schwer tat.

 

„Ich flehe euch an Kinder. Lasst mir nur eine, die hat meine verstorbene Tochter angepflanzt. Ich flehe euch an.“

 

Sie fing an zu weinen, während Claire lachte.

 

„Nein! Gehen wir.“

 

Diesmal war sie diejenige, die uns am Arm packte und losrennen wollte.

 

Die Frau schrie so schmerzvoll auf, dass es in meinem Herzen weh tat.

 

Dann ein lautes Geräusch. Wir alle drei blieben stehen und gingen langsam zurück zur Treppe.

 

Die alte Frau lag dort und bewegte sich nicht. Sie war die Treppe runter gestürzt.

 

„Scheiße, ist sie Tod?!“

 

„Was sollen wir tun?“

 

„Wir tun gar nichts!“

 

Kapitel 10

 

Heute

 

 

 

„Erinnerst du dich jetzt Mary?“

 

Ich drehte mich zu der Stimme um und sah diesen Mann vor mir stehen, mit einer Waffe in der Hand das er auf mich gerichtet hatte.

 

„Das Monster…“

 

„Monster?! Ja, so wurde ich immer von allen genannt. Monster, Mistgeburt, der Sohn des Teufels. Ich war nur ein kleiner Junge, doch das hat keiner gesehen. Jeder sah in mir nur das Monster.“

 

„Du bist ihr Enkel.“

 

„Ja.“

 

„Ich wollte das nicht, ich wollte nicht…“

 

„Was? Sie töten?!“

 

„Nein, ich habe sie nicht…“

 

„Doch das hast du!“

 

„Nein!“

 

Er deutet mir an ihm zu folgen. Ich konnte nicht anders als es zu tun, immerhin war eine Waffe auf mich gerichtet.

 

„Du hast es immer noch nicht verstanden Mary.“

 

„Doch! Ich weiß es und ich verstehe deine Wut. Wir wollten das nicht tun, bitte du musst mir glauben.“

 

„Muss ich das?“

 

„Bitte, ich habe Familie.“

 

Wir gingen durch den Garten, alles sah so trocken aus.

 

„Ihr hättet nicht herkommen sollen damals.“

 

Er packte mich am Arm und zog mich weiter Richtung Wald.

 

„Bitte, bitte tu das nicht.“

 

„Aber, ihr musstet es ja tun, um euch etwas zu beweisen. Ihr musstet eine alte Frau umbringen, nicht wahr?“

 

„Nein…“

 

„Nein, eine Hexe, genau. So habt ihr sie genannt.“

 

Er schien mit jeder Minute wütender zu werden. Es gab ihn also wirklich.

 

Jede Nacht, in der ich aufgestanden war und dachte ich würde noch schlafen und hätte nur ein Alptraum, war er vor meinem Bett und hatte mich angestarrt.

 

„Wie bist du jede Nacht in mein Haus reingekommen?!“

 

„Spielt das wirklich noch eine Rolle?“

 

„Wieso?“

 

„Wieso? Weil ihr mir meine einzige Familie weggenommen habt. Jede Nacht stand ich da und beobachtete dich, sah in deinen Augen wie du nur darauf gewartet hast aufzuwachen. Doch du warst immer wach Mary. Hast du dich nie gefragt was dieser kurze Schmerz war? Dieses stechen in deinem Hals? Es war die Dorne einer schwarzen Rose. Die letzte war vergiftet.“

 

„Was?!“

 

Ich griff zu meinem Hals und sah ihn ängstlich an.

 

„Ist es das? Als Rache tötest du mich?!“

 

„Nein, dieses Gift wird dich nicht töten. Es ist wahrscheinlich schon längst raus aus deinem Blutkreislauf. Es sollte dich nur Halluzinieren lassen!“

 

„Wohin bringst du mich?! Wirst du mich töten, genauso wie Josh?“

 

„Nein, ich werde dich nicht töten genauso wie ich Josh nicht getötet habe. Ich habe ihm eine Möglichkeit gegeben sich davon zu befreien, und er hat die richtige Wahl getroffen.“

 

„Was meinst du damit?“

 

„Wirst du bald erfahren.“

 

Er zog mich weiter mitten in den Wald bis wir schließlich vor einer Schlucht stehen blieben.

 

Wollte er mich etwa hier runter werfen?! Keiner würde mich hier finden, kein Mensch kam hier her.

 

Die Wellen schlugen gegen die Felsen. Mir war kalt und ich war so müde.

 

„Was willst du von mir?!“

 

„Ich will das du dich erinnerst. Du kannst nicht mehr weglaufen Mary. Das hast du dein Leben lang gemacht, doch diesmal musst du dich den Konsequenzen stellen. Ich werde dir auch die Gelegenheit geben zu Leben. Du wirst zwei Möglichkeiten haben, was du wählst ist dir überlassen.“

 

„Es tut mir leid. Ich wollte das nicht bitte, meine Familie. Ich bitte dich, ich flehe dich an.“

 

Weinen kniete ich vor ihm nieder, nein ich wollte nicht sterben. Ich konnte die Vergangenheit nicht ändern und bereute alles. Ich hatte so sehr Angst, doch nicht vor diesem Monster sondern vor meinen Erinnerungen.

 

„Familie. Ich hatte nur eine und das war meine Oma. Weißt du, sie war keine Hexe, sie war eine liebe Frau. Der einzige Mensch auf dieser Welt, die mich liebte, so wie ich war. Sie hat mich niemals als Monster gesehen. Als meine Mutter während der Geburt gestorben war, hat sie auf mich aufgepasst. Wegen mir hat sie ihr Haus aufgegeben und ist hierhergezogen, weil mich die Kinder in der Schule immer verprügelt haben. Sie haben mir gesagt, ich sei eine Mistgeburt und hätte meine Mutter getötet. Gott sei Dank sei sie während der Geburt gestorben, sonst hätte sie sich das Leben genommen, wenn sie gesehen hätte, was für ein Monster sie auf die Welt gebracht hat. Es ist sehr leicht nicht wahr. Jemand sagt etwas, ohne darüber nachzudenken was es beim anderen auslöst. Wie verletzend Wörter sein können, das weiß keiner. Ich war wütend und wünschte mir, dass jeder einzelne dieser Kinder sterben soll. Doch meine Oma meinte stets, egal wie böse Menschen auch sein können, es gibt immer noch gute Menschen auf dieser Welt. Ich solle sie nicht alle gleichstellen. Ich wäre ein wunderschönes besonders Kind. Doch ich hatte Angst Mary. Ich hatte Angst nochmal verprügelt zu werden, also versteckte ich mich im Haus. Meine Oma brachte mir vieles bei, sie war der einzige Mensch, der mich an das gute glauben ließ. Doch sie wurde mir genommen, von wem? Ein paar Jugendlichen, die der Meinung waren, sie wäre eine Hexe! Wegen einer Scheiß Mutprobe! Diese Schwarzen Rosen, hatte meine Mutter gepflanzt und meine Oma hat auf dem Weg in diese Stadt stets darauf aufgepasst, damit ihnen nichts passiert. Denn sie waren die einzige Erinnerung an ihre Tochter, an meine Mutter. Ihr hättet alles nehmen können von ihr, sie hätte es euch sogar freiwillig gegeben, doch ihr musstet die letzten Rosen nehmen, die sie noch hatte. Die letzten Rosen die sie an ihre Tochter erinnerten.“

 

„Es tut mir so leid.“

 

„Ja das glaube ich dir sogar. Doch das bringt meine Familie nicht zurück. Ihr habt sie getötet.“

 

„Nein, ich wollte…ich wollte jemanden rufen doch…“

 

Plötzlich fing er an zu lachen, was mir noch mehr Angst machte.

 

„Weißt du ich wünschte ich hätte auch Medikamente, die mich vergessen lassen würden. Denkst du ich bin der Böse in dieser Geschichte Mary?! Sieh dich doch um, du bemerkst nicht mal wo wir sind. Obwohl du schonmal hier warst.“

 

„Nein…“

 

„Doch, genau hier habt ihr entschieden meine einzige Familie zu entsorgen. Den einzigen Menschen der mich an das gute hat glauben lassen. Nun, dies verschwand als ihr sie hier runter geworfen habt als wäre sie NICHTS!“

 

Kapitel 11

 

15 Jahre vorher…

 

„Scheiße, ist sie Tod?!“ Ich war den Tränen nahe.

 

„Was sollen wir tun?“ war Josh verzweifelt.

 

„Wir tun gar nichts!“ sah Claire zu uns.  

 

„Was soll das bedeuten, wir tun gar nichts! Spinnst du, wir können sie nicht hierlassen.“

 

„Wenn du dich nicht beruhigst schwöre ich dir, ich verpasse dir eins Josh! Was sollen wir tun ein Krankenwagen anrufen? Sie ist Tod und wenn die Polizei herkommt sind wir am Arsch!“

 

Sie hatte Recht, wenn die Polizei herkam und sie so auffinden würde, wäre es möglich das sie die Sache untersuchten. Wir würden alle wegen Mordes im Gefängnis landen.  

 

„Ich habe eine Idee. Wir begraben sie einfach im Wald. Kein Schwein kommt hier her.“

 

„Sag mal hast du sie noch alle Claire?!“

 

„Ihr beide hört mir jetzt genau zu verstanden? Wenn jemand herkommt und die Sache untersucht, werdet ihr im Gefängnis landen. Meine Eltern sind reich, ich schaffe es irgendwie raus aber ihr zwei habt die Arschkarte gezogen! Also hilft ihr mir dabei dieses Ding in den Wald zu schaffen. Sie wäre so oder so bald gestorben.“

 

„Wie kannst du so herzlos sein?“

 

„Wie kannst du so dumm sein?! Na los.“

 

Wir hatten im Garten einen Schubkarren gefunden, da rein hatten wir die alte Frau gelegt. Josh und ich mussten noch die Blutlache sauber machen, die Blutigen Fetzen lagen jetzt auf der alten Frau, Claire meinte wir müssten sie ebenfalls vergraben.

 

Wir fuhren leise durch den Wald, bei jedem quietschen der Reifen und das dagegen knallen der leblosen Hand von der alten Frau, zuckte ich zusammen.

 

Plötzlich blieb Claire stehen.

 

„Hört ihr das?“

 

Sie lief, ohne auf uns zu warten in die Richtung und wir folgten ihr, Josh sah so als stünde er kurz vor einem Nervenzusammenbruch.  

 

„Die Schlucht.“

 

„Was?!“

 

„Josh, wirf sie da runter.“

 

Josh schüttelte nur den Kopf und setzte sich schluchzend auf den Boden.

 

„Hör auf Claire! Ist dir bewusst was du da verlangst?“

 

„Hör mir zu, die Frau ist Tod verstehst du das? Und wenn wir sie vergraben, werden wir am ende nur dreckig und wie willst du das deinen Eltern erklären das wir so spät aus dem Wald kommen? Schubs sie runter Mary!“

 

„Nein.“

 

Claire packte mich am Arm und drückte zu.

 

„Hör mir zu, ich finde auch kein gefallen daran. Aber weißt du was passiert, wenn sie die alte finden? Keiner kümmert sich um diese alte Frau keiner wird sie suchen, aber wenn sie ihre Leiche finden dann werden Fragen auftauchen! Sie ist Tod und wir können das nicht ändern, verstehst du es nicht?“

 

Ich verstand was sie meinte, die Frau war schon längst Tod. Doch es war grausam sie einfach von der Schlucht zu werfen als wäre sie ein Gegenstand.  

 

Doch ich durfte nicht im Gefängnis landen, nein. Ich war noch so jung und wollte so viel im Leben erreichen. Ich wusste nicht was es war, doch plötzlich fühlte ich eine innere Ruhe. Vielleicht war ich jetzt diejenige die unter Schock stand.

 

„Ein Leben, gegen drei!“ sagte ich und sah zur alten Frau.

 

Ich packte den Griff, nahm einen tiefen Atemzug und hob die Karre mit meiner ganzen Kraft hoch. Plötzlich war diese Karre fast schon Feder leicht. Der Körper der alten Frau fiel runter. Josh fing an lauter zu weinen, ich schubste die Karre ebenfalls runter in die Schlucht.

 

„Und jetzt, werden wir eine Abmachung treffen! Ihr werdet diese Sache vergessen und keiner Seele etwas davon erzählen, habt ihr verstanden? Keiner wird davon erfahren. Vergisst nicht, sie war bereits tot als sie die Treppe runter gestürzt ist. Sie war dort schon Tod, wir haben sie nicht runtergeworfen sie ist gestolpert! Das sind Tatsachen. Sie war Tod und es war vorbei, es ändern hätten wir so oder so nicht können. Wir haben das getan, um uns selbst zu retten. Das hier ist niemals passiert.“

 

„Ein Leben, für drei! Gehen wir.“

 

Kapitel 12

 

 

 

Heute….

 

„Erinnerst du dich jetzt?“

 

Ja, das tat ich. Ich erinnerte mich an alles. Nachdem wir zu Hause wahren, hatte ich die Rose auf meinen Schreibtisch gelegt.

 

Als ich in dieser Nacht einschlief, hatte ich meinen ersten Alptraum. Ein Monster stand mitten in der Nacht vor meinem Fenster.

 

„Du warst dort an diesem Tag. Du warst in meinem Zimmer.“

 

„Ich war immer bei dir Mary. Ich habe mit angesehen, wie du und Claire und Josh groß geworden seid. Ich habe mit angesehen wie ihr eure Familien gegründet habt. Ich habe gesehen wie du und Claire bei der Grill Party gelacht und gegessen habt. Ihr habt so getan als wäre nichts.“

 

„Nein…ich, habe es vergessen.“

 

„Ja, das hast du. Du hattest dieses Glück. Josh hingegen konnte nicht vergessen. Er stand jeden Tag an dieser Schlucht und weinte und Claire? Nun ja, sie hat wirklich ihren eigenen Rat befolgt und so getan als wäre nichts und hat auch mit der Zeit daran geglaubt.“

 

„Es tut mir so leid, ich war jung und dumm. Ich war…ein Monster.“

 

Wie konnte ich so grausam sein, wie? Ich dachte immer ich wäre ein guter Mensch gewesen. Doch dabei habe ich zugelassen das die Medikamente mich vergessen lassen.

 

„Mir tut es auch leid. Du hast keine Ahnung wie es ist, wenn man sich ängstlich hinter einem Baum versteckt und das alles mitanhören musst. Du hast keine Ahnung wie es ist, zuzusehen wie der leblose Körper deiner Familie von den Wellen mitgerissen wird. Du hast keine Ahnung wie es ist, keine Identität zu haben. Ich habe mir oft gewünscht auch vergessen zu können, doch ich konnte nicht.“

 

„Wieso hast du so lange gewartet, um deine Rache zu nehmen?“

 

„Rache? Nein, es war anfangs nicht Rache. Ich hatte Angst, ich stand da vor der Schlucht und sah runter zu den Blutüberströmten Felsen, die mit der Zeit vom Wasser gereinigt wurden. Meine Familie war weg, ich war einsam und hatte Angst. Ich habe es nicht verstanden. Ich wollte es, doch ich konnte nicht. Es ist keine Rache, das einzige was ich wollte war, dass ihr euch erinnert. Doch keiner von euch hat es über die Jahre getan.“

 

„Wirst du mich töten?“

 

„Nein, ich lasse dir die Wahl, genauso wie ich sie Josh gelassen habe.“

 

„Also hast du Josh dazu gebracht!“

 

„Ein Leben für Drei, Mary. Du kannst gehen, wenn du willst, wenn du das tust wirst du deinen Mann, deinen Sohn und deine Tochter nie wiedersehen. Entscheide dich, ein Leben für Drei. Du hast die Wahl.“

 

Er senkte die Waffe und stand einfach da. Er sah mich an und bewegte sich nicht. Wie er es über die Jahre gemacht hatte.

 

„Bitte, ich flehe dich an. Es tut mir leid. Bitte…“

 

Ich wollte nicht sterben, wer würde das denn wollen. Doch verdiente ich es nicht?

 

Ich hatte einen Menschen getötet, er hatte recht. Aber ich wollte das alles nicht.  

 

„Ein Leben für Drei, entscheide dich Mary.“

 

Ich holte das Handy raus und sah mir erneut die Bilder von meiner Familie an.

 

Könnte ich es schaffen? Was wenn ich wegrenne? Nein, ich hatte kaum Kraft auf den Beinen zu stehen. Ich will doch einfach nur schlafen. Ich schloss die Augen und spürte nur den Wind, ich dachte zurück an meine Vergangenheit und konnte mich jetzt an vieles erinnern. Doch diese Erinnerungen waren nicht geprägt mit Glück und Freude. Ich hatte oft jede Nacht geweint, getrunken und meinen Mann angeschrien. Die Medikamente, sie hatten mich dazu gebracht, doch war nicht ich es selbst gewesen, die unbedingt Pillen schlucken wollte? Ich sollte nur schlafen und darauf warten bis meine Familie zurück war. Bald wären sie es und dann wäre ich nicht mehr allein.

 

„Ein Leben, für drei…“

 

Kapitel 13

 

 

 

Ein starker Wind ließ die Bäume um ihn herum Rascheln.

 

Der Mann zog den Kragen seines Mantels fester, es wurde immer kälter. Er griff zu seinem Handy und rief die einzige Nummer an, die er gespeichert hatte.

 

Noch bevor der Mann am anderen Ende der Leitung Fragen stellen konnte, kam er ihm zuvor.

 

„Mission abbrechen. Die Familie bleibt am Leben. Zieh dich zurück.“

 

„In Ordnung. Wer ist das nächste Ziel?“

 

„Claire Envi. Bleibe jedoch verdeckt, ich werde mich darum kümmern und rufe dich an, falls es etwas gibt was du tun kannst.“

 

„Verstanden.“

 

Damit legte er auf und steckte das Handy zurück.  

 

Es gab keinen Grund mehr für ihn weiter zu leben, sobald er sich um Claire gekümmert hatte. Nein er hatte nicht gelogen. Er war kein Mörder und hatte keinen getötet. Jahrelang musste er zusehen, wie die Menschen, die seine Familie getötet hatten, ihr Leben lebten. Während er sich immer im Dunkeln verstecken musste, ohne eine Identität, ohne zu wissen wer er war.

 

Er sah zur Schlucht, ein letztes Mal noch würde er herkommen und dann für immer verschwinden. Er lachte kurz auf, das alles nur wegen einer einzigen Schwarzen Rose. Dann fing er an zu singen.

 

 

 

Eins, Zwei…kommt herbei

 

Drei, Vier…versammelt euch hier

 

Fünf, Sechs… es kommt die Hex

 

Sieben, Acht…sie kommt heut Nacht

 

 

Neun, Zehn…wir werden uns wiedersehen

 

 

 

 

 

 

 

 

ENDE

 

 

 

 

 

5 thoughts on “Die Schwarze Rose

  1. Eine wirklich sehr schön inszenierte Kurzgeschichte. Das spielen mit den Gedanken und die aufbauende Spannung halten die Geschichte hinsichtlich Unterhaltung durchlaufend auf hohem Niveau. Respekt an die Autorin!

  2. Mir gefällt, dass die Story in Richtung Horror geht und ich finde die Geschichte an sich gut. Sie hat viel Potenzial. Allerdings hat man das Gefühl, dass die Geschichte kurzfristig, bzw unter Zeitdruck geschrieben wurde. Der Ausdruck ist manchmal zu umgangssprachlich (damit meine ich nicht die Dialoge) und es fehlt hier und da an genauerer Beschreibung. Des Weiteren hat sich hier und da ein kleiner Fehlerteufel eingeschlichen. Es wäre besser gewesen, wenn jemand drüber gelesen hätte.

    Trotzdem gebe ich ein Herzchen für die gute Idee.

    Liebe Grüße Sandra
    Wenn du magst, kannst du auch meine Geschichte lesen und wenn sie dir gefällt liken. Sie heißt: Das zerstörte Band

  3. Hallo liebe Envi,

    als erstes muss ich Dir sagen, dass mich der Titel Deiner Geschichte sehr angesprochen hat: Als Schulkind haben wir uns auf diversen Freizeiten gerne Gruselgeschichten erzählt, und eine davon hieß auch “Die schwarze Rose” – und auch wenn Deine von der Handlung ganz anders ist (ich war tatsächlich gespannt, ob die Handlung von Deiner so ähnlich verlaufen würde :D), hat auch Deine Geschichte Potenzial dafür, als eine Art Gruselgeschichte weitererzählt zu werden.

    Mir gefällt die Idee Deiner Geschichte sehr, ich mag es, wenn Dinge aus der Vergangenheit, speziell der Kindheit, einen später einholen und Einfluss auf das eigene Leben nehmen.
    Man merkt, dass Du Dir viele Gedanken über das Innenleben der Protagonistin, ihre Krankheit gemacht hast, und dass viel Herzblut in Deiner Kurzgeschichte steckt!
    Was Mary miterlebt hat ist natürlich sehr heftig und tragisch, der Tod der alten Frau trifft mich als Leser natürlich mitten ins Herz.
    Du umschreibst speziell zum Beginn der Geschichte sehr genau und detailliert was passiert, wie sie sich fühlt und was sie alles macht (sie geht in den Keller, sie macht sich Pizza, sie telefoniert mit Claire) was einerseits gut ist, weil man als Leser “mittendrin” im Geschehen ist, andererseits aber die Geschichte sehr in die Länge zieht. Vielleicht könnte die eine oder andere Kürzung hier und da Deiner Geschichte noch mehr Drive verleihen.
    Hier und da sind mir ein paar Rechtschreibfehler ins Auge gefallen. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich unglaublich daran stören, so was kann vorkommen und ich persönlich überlese die bei meinen Texten auch irgendwann vor lauter “Betriebsblindheit” 🙂
    Gerade, wenn man unter Zeitdruck ist, finde ich hier Helferlein wie eine automatische Rechtschreibprüfung (z.B. bei Duden Online) ganz praktisch.
    Die sich steigernden Rückblicke in die Vergangenheit gefallen mir sehr gut.

    Ich hoffe, Du bekommst noch viele Like für Deine außergewöhnliche Geschichte!

    Liebe Grüße
    Anita (“Räubertochter”)

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