SofiaCarlaDie Stimme der Schatten

Mit einem Klicken öffnete sich das Türschloss. Dom sah sich noch ein letztes Mal um und huschte lautlos in das Hausinnere. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, umgab ihn vollkommene Dunkelheit. Dom knipste seine Taschenlampe an und ließ den Lichtkegel über einen makellosen Marmorboden, cremefarbene Samtvorhänge und eine Reihe eleganter Glasregale an den Wänden gleiten. Silberne Kerzenhalter, Figuren und weitere Dekorationen schmückten das Wohnzimmer und funkelten unwiderstehlich, als Dom den Schein seiner Lampe auf sie richtete. Volltreffer. Er ließ den Rucksack sanft von seinen Schultern fallen, öffnete den Reißverschluss und streckte die Hand nach dem ersten Schmuckstück aus. 

Ein schrilles Klingeln ließ Dom zusammenzucken. Wie ertappt wirbelte er herum und schwang den Lichtkegel seiner Lampe dabei durch den finsteren Raum. Sein Blick fiel auf einen leuchtenden Gegenstand, der wenige Schritte von ihm entfernt auf einem Wohnzimmertisch lag. Ein Handy. Bloß ein Anruf.

Dom schüttelte den Kopf, verärgert über seine eigene Schreckhaftigkeit und wandte sich wieder den Silberfiguren zu. Offenbar versuchte jemand einen der Hausbewohner zu erreichen. Ohne Erfolg, schließlich hatte die Familie das Anwesen vor etwa zwanzig Minuten verlassen. Also war Dom ungestört. Er ließ mit zügigen Griffen die ersten Silberfiguren in seinem Rucksack verschwinden und spürte zufrieden, wie das Gewicht seiner Tasche durch die kostbaren Schätze immer schwerer wurde.

Das Handy klingelte noch immer.

Wer rief so hartnäckig an? Dom spürte wie er immer unruhiger wurde. In seinen Ohren schrillte das Handyklingeln wie eine Alarmsirene. Alles gut, gleich bist du hier raus. Dom griff nach einer letzten Silberfigur. Lass dir nicht von einem Handyklingeln Angst einjagen. Er schulterte seinen Rucksack und wollte gerade wieder durch die Terrassentür verschwinden, als er gegen eine harte Kante stieß, stolperte, und zu Boden stürzte. Fluchend rappelte Dom sich auf und griff nach seiner Taschenlampe, die bei dem Sturz unter den Wohnzimmertisch gerollt war. Das Scheppern der Silberfiguren in seinem Rucksack hatte einen Heidenlärm verursacht! Was ihn aber fast noch mehr zur Weißglut trieb…

Das Handy klingelte noch immer.

Dom packte seinen Rucksack, trat kurzerhand an den Tisch, auf dem das Handy lag und wollte gerade danach greifen, als das Klingeln erstarb. Dafür ploppte eine Nachricht auf dem Display auf.

Dom erstarrte. Er spürte wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief, als sich seine Finger langsam um das fremde Handy schlossen.

 

Hey Dom, willst du mir nicht antworten? Oder du möchtest du zuerst deinen Einbruch beenden? Lass dir Zeit.

 

Dom blickte auf den Absender. Unbekannt.  

Wer hatte ihm das gerade geschrieben? Woher kannte diese Person seinen Namen? Wurde er beobachtet? Aber wer konnte wissen, dass er gerade hier war? Mitten im Haus eines der wohlhabendsten Familien der Stadt, beide Hände in deren wertvoller Echtsilberfigur-Sammlung?

Ein angelehntes Fenster wurde von einem Windstoß aufgeschleudert und Dom zuckte vor Schreck zusammen. Er griff nach seinem Rucksack, sprang mit einem Satz durch die Terrassentür und flüchtete in die dunkle Nacht hinaus. Bei jedem Schritt hatte er das Gefühl hunderte Augenpaare würden ihn aus den Schatten beobachten und jede seiner Bewegungen verfolgen. 

 

Dom riss die Wagentür auf, ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und schleuderte seinen Rucksack auf die Rückbank. „Fahr!“

„Das ging aber schnell“, sagte Marcus und drückte auf das Gaspedal. „Hast du alles bekommen?“

„Warst du das?!“ Dom hielt Marcus das fremde Handy unter die Nase. „Wenn das ein Scherz sein soll, dann…“

„Wem gehört dieses Handy?“, unterbrach ihn Marcus.

„Sag du`s mir! Es hat ununterbrochen geklingelt und dann diese Nachricht!“

Marcus nahm ihm das Telefon aus der Hand.

„Jemand muss mich gesehen haben!“, zischte Dom. „Und diese Person kennt meinen Namen.“ Er fuhr sich nervös durch die zerzausten Haare. „Du bist der Einzige, der von diesem Einbruch wusste! Wie kann…“

Es klingelte. Der schrille Ton des Handys hallte durch den Wagen und Marcus sah überfordert vom Telefon zu Dom.

„Geh ran!“

Dom wollte alles andere als dieses Gespräch entgegennehmen. Aber wie sollte er sonst herausfinden, wer ihn in diesem Haus gesehen hatte? Und noch viel schlimmer: Ihn dabei erkannt hatte.

Dom drückte auf Gespräch Annehmen. Für einen Moment war es totenstill. Ein Rascheln. Dann hörte er die Stimme. Dom hätte vieles erwartet, eine tiefe, bedrohlichen Stimme oder einen Stimmverzerrer zum Beispiel. Das was einem eben in den Sinn kam, wenn man einen mysteriösen Anruf entgegennahm und gerade eine Straftat begangen hatte, von der eigentlich niemand wissen konnte. Umso mehr überraschte ihn die freundliche Mädchenstimme, die plötzlich aus dem Handy ertönte.

„Endlich! Ich dachte schon du würdest nie rangehen. Du warst so schnell wieder weg, ich konnte gar nicht mit dir sprechen.“

Dom und Marcus sahen sich an. Beide schienen sich mit ihren Blicken wortlos dieselbe Frage zu stellen. Was soll das?

„Wer bist du?“, fragte Dom mit fester Stimme, dabei spürte er wie seine Hände zu schwitzen begannen.

„Erkennst du meine Stimme nicht?“

Jetzt verstand Dom gar nichts mehr. „Was?“

„Ach übrigens, du hast etwas bei mir vergessen. Oder lässt du immer einen persönlichen Gegenstand von dir in den Häusern zurück, in die du einbrichst?“

Dom wurde mit einem Schlag kreideweiß im Gesicht.

„Was ist los?“, raunte Marcus. „Du siehst aus als müsstest du dich gleich übergeben.“

Dom griff in seine offene Jackentasche. Nein. Nein! Nein! „Ich weiß was sie meint“, flüsterte Dom, seine Hand zu einer Faust geballt. Die Jackentasche. Leer. Sein Handy. Weg. Es musste ihm bei seinem Sturz aus der Tasche gefallen sein!

„Du hast zwanzig Minuten, Dom“, sagte die Mädchenstimme. „Entweder du holst dir dein Handy zurück, oder die Polizei wird es bei mir finden. Zwanzig Minuten.Vielleicht erinnerst du dich bis dahin wieder an meinen Namen.”

Dann legte sie auf.

 

Marcus stellte den Motor ab. Sie hielten erneut im Schatten einer Baumreihe leicht abseits des Hauses. Erkennst du meine Stimme nicht? Ihre Worte hallten in Doms Gedanken wider.

„Ich halte das für eine schreckliche Idee“, sagte Marcus, als Dom die Wagentür aufstieß und auf den Bürgersteig trat. „Du kannst da nicht einfach wieder allein reingehen, lass mich wenigstens mitkommen.“

Dom schüttelte den Kopf, dabei hatte er Marcus kaum zugehört. Vielleicht erinnerst du dich bis dahin wieder an meinen Namen. Die Stimme hatte so jung geklungen.

„Dom, ich hab echt kein gutes Gefühl dabei.“

„Was schlägst du vor, Marcus? Soll die Polizei mein Handy finden?“

„Denkst du wirklich diese Person will dich der Polizei ausliefern? Dann hätte sie es doch schon in dem Moment getan, als du das Haus betreten hast!“

Dom sah auf seine Uhr. „Ich habe noch fünfzehn Minuten. Also wenn dir jetzt sofort eine bessere Alternative einfällt, eine bei der ich nicht verhaftet werde, lass hören.“

Marcus seufzte und griff in sein Handschuhfach.

„Dann nimm wenigstens die hier mit.“ Er drückte Dom eine Pistole in die Hand.

Dom starrte seinen besten Freund fassungslos an. „Warum hast du eine Pistole dabei?! Hast du zu viele amerikanische Serien gesehen, oder was?“

„Du weißt, dass mein Vater eine Lizenz besitzt und…“

„Ich bezweifle aber, dass du seine Waffe in deinem Handschuhfach verstecken sollst.“

Marcus seufzte erneut. „Okay, hör mal: Ich sag dir immer, dass ich dir den Rücken freihalte. Egal was kommt. Und das meine ich auch so.“

Dom starrte auf die Pistole in seinen Händen.

„Marcus“, begann Dom. „Bist du dir sicher, dass dieses Haus heute Abend leersteht?“

„Ich hab die Familie selbst wegfahren sehen.“

Dom legte die Pistole auf den Beifahrersitz.

„Dom…“

„Nein, die würde alles nur noch schlimmer machen. Was wenn diese Mädchenstimme einer der Töchter gehört, die sich einfach nur einen Scherz mit mir erlaubt?“

„Ich widerhole mich gerne nochmal: Ich hab beide Töchter mit ihren Eltern wegfahren sehen. Mal ganz davon abgesehen, dass dich keine der beiden beim Namen kennen sollte.“

Auch wieder wahr. Dom blickte auf seine Armbanduhr und holte tief Luft. „Gib mir fünfzehn Minuten, okay?“

„Wie gesagt, ich halte das für keine gute…“

„Fünfzehn Minuten.“

Marcus seufzte.

 

Dom schlich geräuschlos in das Innere des fremden Hauses. Er leuchtete mit seiner Taschenlampe in das dunkle Wohnzimmer und den Flur. Doch alles schien genauso verlassen, wie bei seinem ersten Einbruch. Er ließ den Lichtkegel suchend über den Marmorboden wandern. Natürlich war sein Handy fort.

Das fremde Telefon in seiner Jackentasche klingelte. Dom holte es langsam hervor und starrte auf das Display. In was für ein krankes Spiel war er hier eigentlich reingeraten?

„Wo ist es?“, fragte Dom.

„Hast du meine Stimme erkannt?“, erwiderte die Fremde. „Beide Antworten gehen nämlich Hand in Hand. Aber ich merke schon, du scheinst einen Denkanstoß zu brauchen. Komm in die Garage, dritte Tür am Ende des Flures.“

Dann herrschte erneut Funkstille.

Dom fluchte. Mit jeder weiteren Minute, die er in diesem Haus herumschlich, verringerten sich seine Chancen unentdeckt wieder davonzukommen. Woher kenne ich diese Stimme? Doch Dom wollte es nicht einfallen. Sie kam ihm bekannt vor. Doch woher? Dom ging in den Flur und suchte mit dem Licht der Taschenlampe nach der dritten Tür. Sie lag ganz hinten, halb versteckt hinter einer Garderobe. Dom zögerte, drückte die Türklinke nach unten und trat in eine Garage.

Hier war es noch finsterer als im Rest des Anwesens. Doms Taschenlampe flackerte. Ein stechender Geruch erweckte seine Aufmerksamkeit. Als er sich einen weiteren Schritt vortastete, hörte er Wasser unter seinen Schuhsohlen plätschern. War er gerade in eine Pfütze getreten?

Mit einem Rumms krachte die Tür hinter ihm ins Schloss.

„Nein!“ Dom sprang nach vorne und stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen. Zwecklos. Seine Taschenlampe flackerte erneut. Dom blickte sich panisch um.

Das fremde Handy klingelte. Doms Hand zitterte, als er auf Gespräch Annehmen drückte.

„Und? Hast du jetzt eine Idee?“, fragte die Stimme.

„Lass mich verdammt nochmal hier raus!“, rief Dom. „Was willst du von mir?!“

„Ich habe es dir schon gesagt: Die Antwort darauf ist meine Identität. Wer bin ich, Dom?“

„LASS MICH HIER RAUS!“

„Wer bin ich?“

Doms blickte verzweifelt auf seine Taschenlampe, die endgültig den Geist aufgegeben hatte. Jetzt lag der gesamte Raum im Dunkeln. Dom stemmte sich erneut mit aller Kraft gegen die Tür.

„WER BIN ICH?“, widerholte die fremde Stimme laut. „Denk nach Dom, denk nach. Dein Leben hängt davon ab.“

„Verdammt, ICH WEISS ES NICHT!!!“, brüllte Dom.

„Ich gebe dir einen Tipp, vielleicht erfrischt das ja deine Erinnerungen: Worin stehst du gerade?“

Sie legte auf.

Dom sah zu Boden. Er konnte nichts erkennen, nur das leise Plätschern von Wasser hören, das sich unter seinen Schuhsohlen sammelte. Moment. Dom ging in die Knie und der stechende Geruch wurde stärker. Das war kein Wasser. Das war Benzin. Dom drehte sich der Magen um. Was hatte sie mit ihm vor? Jetzt konnte er seine Panik überhaupt nicht mehr zurückhalten. Er hämmerte, schlug und trat mit aller Kraft gegen die Tür. Aber sie gab nicht nach. Dom ignorierte den pochenden Schmerz in seinen Fingerknöcheln und versuchte sich zu beruhigen. Benzin. Das war ihr Hinweis? Aber was hatte das zu bedeuten? Dom schloss die Augen und dachte an die Stimme. Woher kenne ich sie? Woher kenne ich sie? Woher kenne ich…

Dom schlug die Augen auf. Die Erkenntnis traf ihn mit solcher Wucht, dass er sich im gleichen Moment dafür hasste nicht früher darauf gekommen zu sein. Aber wie konnte er auch? Drei Jahre. Drei verdammte Jahre…

Das Geräusch von quietschendem Metall ließ ihn zusammenfahren. Das Garagentor vor ihm öffnete sich. Und aus der Dunkelheit des Gartens, mit einer Taschenlampe in der Hand, trat sie hervor. Den Lichtkegel ihrer Lampe auf ihn gerichtet.

„Olivia“, hauchte Dom.

 

„Hallo Dom“, sagte Olivia. Sie sah noch genauso aus wie vor drei Jahren. Die wilden, dunkelblonden Locken. Die zierliche Figur. Und die Narben, welche sich über ihren gesamten linken Arm zogen. Olivia stand in einem orangenen Sommerkleid vor der Garage, die Wangen gerötet, ein Funkeln in den Augen.

„Was machst du hier?“, fragte Dom und trat einen Schritt auf Olivia zu.

„Stopp!“ Olivia streckte den Arm aus, ein Gegenstand blitzte in ihrer Hand auf. „Keinen. Schritt. Weiter.“

Dom starrte auf das Feuerzeug in ihrer Hand. Ihm wurde schlecht. „Olivia, du willst das nicht tun…“

„Und wie ich das will“, zischte Olivia. „Aber erst will ich dein Geständnis.“

„Mein Geständnis? Wovon sprichst du?“

Olivia zündete das Feuerzeug an. „Stell dich nicht dumm. Du weißt GENAU wovon ich rede. Ich konnte es nicht fassen, als du hier eingebrochen bist. Ausgerechnet du.“ Olivia schüttelte den Kopf. „Ich will es hören, Dom. Drei Jahre hat mir kein Mensch geglaubt und daran bist du schuld.“ Sie zeigte auf ihren Arm. „Wehe du lügst mir jetzt wieder ins Gesicht!“

Dom sah von Olivias Narben, zu dem Feuerzeug in ihrer Hand und schließlich in ihr Gesicht. „Es tut mir leid“, sagte er und hob beide Hände. „Es tut mir leid, was passiert ist, Olivia.“

„Sag. Es.“

Dom sah die Bilder von vor drei Jahren vor seinen Augen aufblitzen. Das Sommerlager. Die Wälder. Die vielen Zelte. Er sah wie die Feuerwehr ein in Brand geratenes Zelt löschte und Rettungskräfte ein Mädchen aus den Flammen trugen. Es war das letzte Mal, dass er Olivia sah, bevor sie die Schule verlassen und in eine andere Stadt ziehen musste. In psychiatrische Behandlung. Das merkwürdige Mädchen, das schon in der Grundschule tote Tiere in ihrem Rucksack versteckte. Das mit Geistern zu sprechen schien, die nur sie selbst sehen konnte. Und jetzt hatte sie ihr eigenes Zelt angezündet und sich beinahe umgebracht. Das erzählte man sich zumindest.

„Gib es endlich zu!“, schrie Olivia, Zorn und Hass blitzten in ihren Augen auf. Eine Träne rann ihr über die Wange. „Ich habe nicht gelogen! Ich war das nicht!“

„Du hast nicht gelogen, Olivia“, sagte Dom leise. „Du hast das Feuer damals nicht gelegt.“

Olivia holte tief Luft.

„Wir können reden, okay?“, sagte Dom. „Hör auf damit, Olivia, leg das Feuerzeug weg, wir können reden…“

„Du hattest drei Jahre Zeit um zu reden, Dom“, flüsterte Olivia, ihre Stimme war nur noch ein Krächzen. „Ich will nicht mehr reden.“

Sie zündete das Feuerzeug und hob es über die Benzinlache vor ihren Füßen.

„Warte!“, schrie Dom und sprang nach vorne.

Ein Knall ertönte.

Dom sackte auf die Knie. Olivia riss die Augen auf; ihr Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei. Dann brach sie zusammen. Das Feuerzeug viel neben ihr ins Gras. Hinter ihr stand Marcus, die Pistole in den Händen. Er zitterte am ganzen Leib und starrte wie festgefroren auf Olivias leblosen Körper. 

 

Dom saß in einem kahlen Raum und lauschte dem elektrischen Surren einer kaputten Klimaanlage. Der Blick des Polizisten pendelte zwischen Dom und der Akte auf seinem Tisch hin und her. Es gab viele Fragen zu beantworten. Und Dom fing an zu erzählen. Doch er begann nicht mit dem Augenblick, in dem er in das fremde Haus eingebrochen war. Sondern mit der Nacht vor drei Jahren.

Als er im Sommerlager leichtsinnig am Waldrand kokelte, die Funken übersprangen und eines der Zelte Feuer fing. Erst dachte er es wäre verlassen, bis er die Schreie hörte. Später erzählten sich alle dieselbe Geschichte. Das verrückte Mädchen, das ihr eigenes Zelt angezündet hatte. Er wusste, dass diese Geschichte falsch war. Das Olivia die Wahrheit erzählte, als sie davon sprach das jemand ihr Zelt in Brand gesetzt hatte. Aber niemand glaubte ihr. Es gab keine Beweise. Kein einziges Indiz, welches Dom verdächtig erschienen ließ. Und da alle Welt Olivia schon zuvor für verrückt erklärt hatte, verschwand dieses schreckliche Ereignis schließlich in Vergessenheit, ohne jemals tiefer untersucht zu werden. Bis zu dieser Nacht. Der Nacht in der sich Dom und Marcus unwissentlich das Haus von Olivias Tante für ihren Einbruch ausgesucht hatten. Olivia musste Dom wie einen Schatten dabei beobachtet haben, wie er die Terrassentür aufbrach, in das Haus eindrang und die Silberfiguren stahl.

Dom blickte auf. Er versuchte die richtigen Worte zu finden, aber das konnte er nicht.

„Keiner hat Olivias Geschichte geglaubt, dabei hat sie die Wahrheit gesagt. Ja, sie war eigenartig und hatte ihre Probleme. Aber alle haben sie für etwas verrückt erklärt, was sie nicht getan hat. Sie hat das Feuer nicht gelegt.“ Dom sah auf seine Hände. „Hätte ich mich damals gestellt, wäre vielleicht alles anders gekommen.“

„Haben Sie auf Olivia Ehlin geschossen?“

Dom dachte an Marcus. Wie er in Schockstarre die Waffe fallen ließ. Wie er zitternd neben Olivias Leiche in die Knie ging, um nach ihrem Puls zu tasten. Die Panik in seinen Augen. Ein einziger Schuss. Der Schuss der ein Leben retten und dabei ein anderes nehmen sollte.

Dom sah auf.

„Ja, ich habe Olivia getötet.“  

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