Leonie DautDie Wohnung

 

„Olivia kannst du jetzt in Gottes Namen an die Tür gehen? Bist du denn eigentlich für irgendwas zu gebrauchen?“ hörte ich die mürrische Alte aus der Küche brüllen.

 

Es war natürlich in solchen Zeiten, in denen man von irgendwem anscheinend bedroht wird, super ohne einen Spion an der Tür, einfach so die Tür aufzureißen. Aber was blieb mir anderes übrig?

 

Also riss ich mit einem Schwung die Tür auf.

 

Mit 2 Koffern und einem Rucksack in der Hand stand ein Mann vor mir auf der Türschwelle.

 

„Olivia?“ kam es brüchig aus dem Mann heraus.

 

Das kann nicht sein. Das ist unmöglich.

 

Bevor ich meine Stimme wiedergefunden hatte, schob mich Großmutter aus der Tür und brüllte das ganze Haus zusammen, mit einem Namen der meinem toten Ehemann gehörte.

 

 

 

3 Stunden zuvor…

 

 

 

Mit dem Fotoalbum auf dem Schoß schaute ich abwertend zu meiner Schwiegermutter hinüber, die Wrestling im Fernsehen schaute. Kalter weißer Rauch wehte mir entgegen. Wie glücklich ich zu der Zeit noch war, dachte ich. Da wo André noch da war. Der Flimmerkasten schien so grell, dass das ganze Zimmer hell erleuchtet war. Die alte Frau, die mit Schweißflecken überzogen war, zog an ihrer übelriechenden Zigarette und erzeugte eine riesige Rauchwolke. Seitdem André auf mysteriöse Weise getötet wurde lebte diese nach Trüffel riechende alte Dame in unserem Haus und veranstaltete nichts außer Unordnung, weswegen ich sie manchmal den Kroll nannte. Meterhohe Tellerstapel mit aufgeweichten braunen Kippenstummeln räumte ich jeden Tag weg. Ich hatte so schon genug zutun, seitdem ich in eine neue Wohnung gezogen bin, aber Schwiegermutter musste ja sowieso noch eine Schippe drauflegen. Das ich diese Wohnung doch tatsächlich finanziert bekommen hatte, hätte ich mir auch nicht erträumen lassen, so war das doch die günstigste Wohnung im Kreis Leipzig und kaum ein Katzensprung von dem alten Haus entfernt. Klar sie war nicht jedermanns Sache, denn die braunen glanzlosen Möbel waren teilweise noch erhalten, aber es war sowieso bis jetzt egal. Ich würde doch so gerne mal wieder die Ruhe alleine mit meiner karamellfarbenen Hündin verbringen, aber die lag wie so oft schnarchend unter dem Sofastuhl und obendrauf der Abschaum der Familie. Schwiegermutter war so gehässig das man sie doch glatt für den Tod ihres eigenen Sohnes beschuldigen könnte. Nachdem ich das Fotoalbum verstaut hatte, räumte ich den großen kakaobraunen Wandschrank auf, in der Hoffnung etwas Wertvolles zu finden das mir mein mickriges Gehalt aufpeppen würde. Das einzige was ich in diesem modrigen und mit Spinnenweben übersäten Schrank fand, war ein altes Nokia 3100 mit Kratzern an der Ladebuchse.

 

Kratzer an der Ladebuchse sollten auf Alkoholiker hinweisen, wie ich in einem Zeitungsbericht gelesen hatte.

 

Ansonsten waren die Schränke leergefegt, eigentlich komisch in den anderen Schubladen waren überall noch Kontoauszüge und Finanzordner zu finden. In dieser Wohnung sei wohl zuletzt eine Frau auf tragische Weise im Bad ermordet wurden, weswegen keiner diese Wohnung mieten wollte. Das weiße Smartphone ließ sich erschreckend einfach mit einer leisen Melodie entsperren. Im selben Augenblick ploppte ein Video auf, es ließ sich wie nerv tötende Werbung nicht abschalten. Es zeigte in einer schwarz-weißen Aufnahme ihren Mann André gefolgt von einer Frau. André kroch auf allen Vieren mit einem angsteinflößenden weit über streckten Kopf. Seine Augenränder waren tief unterlaufen und seine Kleidung war zerrissen. An seinem Hals waren schwarze Fingerabdrücke zu sehen. Rote Hämatome waren tief in der Haut am Hals zu sehen. Der Mann blickte mit feuerroten Augen in die Kamera, so als wüsste er wo sie war.

 

Die Frau hatte ein schwarzes frisch geschärftes Messer in der Hand was im Licht der Deckenlampe bei jeder Bewegung aufleuchtete. Die dünne Frau hatte einen geschwungenen Dutt und geschlossene Augen. Sie trug eine langes weißes Gewand, indem sie aussah wie ein Geist. Das Messer gab die dünne Frau in den Schatten hinein, ohne auch nur etwas mit ihm anzufangen.

 

Im Raum war nur eine schäbige kleine Lampe. Die Lampe erleuchtete einen dunkeln Teppich mit Blumenmuster, den  braunen Schrank, aus dem das Nokia stammt, und einen kleinen leuchtenden Spiegel, mit schwarzem Mosaik verziertem Rand. In der Aufnahme sah der Raum so klein aus und man konnte kaum etwas erkennen, das Einzige was man sehen konnte war ein kleiner Schatten im Spiegel, der weder von André noch von der Frau verursacht wurde. Der Schatten im Spiegel war so winzig, dass er glatt von einem Kind hätte sein können.

 

Wer kann das sein?

 

Bevor aus mir auch nur ein Ton gekommen war, wurde mir bewusst dass ich die abgebildete Frau war. Diese Aufnahme fand in diesem Haus, in dieser Wohnung statt. Aus den Aufnahmedetails war zu erkennen, dass diese Aufnahmen am 31.06.2003 um 03.50 gemacht wurden.

 

Der Tag an dem mein Mann gestorben war. Aber wie soll das passiert sein? Wir beide waren noch nie in dieser Wohnung gewesen, geschweige denn in diesem Haus.

 

Es stand nie zur Debatte mit meinem Mann, der erfolgreicher Bankkaufmann war, umzuziehen. Wir hatten genug Geld, eine riesige Villa mit großem grünen Vorgarten und Tennisplatz. Das einzige woran es seit Jahren scheiterte waren Kinder. Und jetzt wo mein Mann seit fast einem halben Jahr tot ist, erfahre ich, dass ich schwanger bin und dass von meinem toten Ehemann. Und so wie es auf dieser Aufnahme aussieht bin ich auch noch die Mörderin des Vaters eines ungeborenen Kindes. Bevor ich auch nur einen weiteren Gedanken an die Aufnahme verschwenden konnte, vibrierte mein Handy in der Hosentasche.

 

Eine SMS von einer unbekannten Nummer.

 

„Wie ich gesehen habe, hast du mein deponiertes Handy gefunden. Mit diesem Video wird die ganze Welt sehen, dass DU Olivia die Mörderin von deinem eigenen Mann bist. Und jetzt mein Schätzchen wird dein ungeborenes Kind leider ein Vollwaise werden, aber keine Angst ich werde mich gut um sie kümmern! Du wirst beobachtet! TP“

 

 

 

Erschreckend schaute ich mich in alle Richtungen um, wenn in diesem Raum eine Kamera gehängt hat, bestünde dann nicht der Verdacht, dass sie immernoch hängt? Nachdem ich mir die Aufnahme nochmal gründlich angeschaut hatte, schubste ich den Kroll von ihrem heißgeliebten Sessel um dann alle Ecken des Raumes auf Kameras durchzuchecken. In der Topfpflanze, die vom Vormieter noch war, aber nicht in der Aufnahme zu erkennen war, fand ich eine Kamera. So klein das sie kaum sichtbar war, nur das kleine grüne Lämpchen war zu sehen.

 

„Was machst du denn da für Unsinn?

 

Ich habe grade mit Leonard gesprochen. Leonard hat äußerst mitfühlend auf deine nicht anwesende Trauer reagiert und würde gerne morgen auch mal mit dir sprechen!“ sagte der Kroll mit Vorwurfsvoller Miene zu mir.

 

Schwiegermutter spielte immer wieder mit dem Vorwurf, dass ich nicht genug um André trauerte. Das stimmte so nicht, aber mit ihr zu diskutieren war sowieso hoffnungslos.

 

Leonard war André´s 2 Minuten älterer Bruder und engster Vertrauter von mir. Er war immer nett zu mir gewesen, im Gegensatz zu anderen Familienmitgliedern. Seitdem der Kroll festgestellt hat, dass zwischen André und mir sich vor 7 Jahren eine Liebesbeziehung aufgebaut hat, konnte sie mich nicht leiden. Zuerst hatte sie geglaubt ich sei nur eine von vielen, weswegen sie mit mir einverstanden war, aber auf Dauer war ich ihr nicht gut genug. Leonard war das egal, er war das Ebenbild von André, die beiden waren eineiige Zwillinge. Seine Haare waren genauso dunkelbraun und verwuschelt, das einzige was die beiden unterschied war ihre Sturheit. Während Andre der absolute Sturkopf war, war Leonard eher der gelassene Typ, aber dafür immer auf dem Sprung, man wusste nie genau in welchem Land er sich zu dieser Zeit grade befand, weswegen es auch mal der Fall sein konnte, das er nachts um 3 anrief. Leonard und André waren sich nie einig, es war eigentlich eigenartig, aber Schwiegermutter hatte schon so oft einen Spalt zwischen die beiden geschoben. Es passte ihr nicht aufs verderben, dass Leonard so gut mit mir klar kam, er sollte mich genauso wie der Kroll hassen.

 

„Er ist grade in München und ruft später nochmal an.“ meinte der Kroll mit einem monotonen Brummen.

 

Warum war diese Frau eigentlich noch hier? Konnte sie nicht einfach ins Altenheim oder so?

 

„Ich gehe mit dem Hund eine Runde um den Block.“ meinte ich schwach.

 

Der Kroll lächelte zufrieden als ich aus dem Haus ging. Das Wetter passte sich nicht meiner verdammten Laune an, sobald ich aus der Tür ging begrüßte mich Sonnenschein und ein wolkenloser Himmel. Als ich an dem großen Lindenbaum angekommen war, vibrierte mein Handy erneut. Hier am Hang konnte ich meine Hündin losmachen und den unbekannten Anruf annehmen.

 

„Anscheiend hast du meine kleine Kamera entdeckt, aber alles gut, das war nur der Anfang!“ sprach eindeutig ein Mann mit stimmverzehrter Stimme.

 

„Wer ist da?“ kam es unsicher aus mir heraus. Diese Person müsste doch komplett den Verstand verloren haben.

 

„Wie geht es dem ungeborenen Kind? Wann ist dein Entbindungstermin? Nur damit ich die Wände schon mal blau streichen kann. In meinem Haus versteht sich ja.“ und nachdem er das gesagt hatte legte er einfach von selber auf.

 

Ängstlich schaute ich in alle Richtungen. Außer einem Mann mit schwarzem Hut, der weit in sein Gesicht gezogen war, sah ich niemanden in meiner Nähe. Langsam sah man den Mond aufgehen, hell leuchtete er durch den blauen Himmel.

 

Wie konnte diese Person wissen, dass ich einen Junge erwarte? Ich hatte es keiner Menschenseele erzählt und die Gynäkologin hatte Schweigepflicht, die einzige Person der es noch zustehen würde es zu erfahren wäre mein toter Ehemann.

 

 

 

Als ich meine Wohnungstür öffnete, begrüßte mich der Kroll mit einer Zigarette im Mund.

 

Wie mich diese Frau anekelte.

 

„Ist ja nicht so das ich dich vermisse, aber essen hättest du wenigstens noch vorkochen können, ich sterbe hier vor Hunger!“ sagte sie mit dominanter Stimme. Nachdem ich essen gemacht hatte und ihre zerdrückten Zigarettenstummel auf dem Boden aufgekehrt hatte, nahm ich den Anruf von Leonard auf dem Festnetz entgegen.

 

„Hallo Olivia, ich kann jetzt nicht viel reden, bin grade auf dem Weg zu dir. Ist es okay wenn ich nochmal bei dir für ein paar Stunden vorbei schaue? Wie geht es dir und Mutter?“

 

„Ja klar. Uns geht es den Umständen entsprechend gut.“ erwiderte ich missmutig.

 

Ich hatte mich seit langem nicht mehr zurecht gemacht. Für wen denn auch? Den Kroll? Nie im Leben!

 

Ich zog mir eine schicke rote Bluse mit Blumenmuster, meine neuen Chucks und eine verwaschene Jeans an. Nachdem ich nochmal alle Fenster geöffnet und Schwiegermutter dazu überredet hatte, sich auch mal umzuziehen, vibrierte mein Handy erneut.

 

Die Aufnahme hatte ich in den letzten beiden Stunden total vergessen. Was mache ich denn jetzt?

 

Erzähle ich Leonard von den erschreckenden Aufnahmen? Eine SMS von Anonym zeigte der weiße Bildschirm an.

 

 

 

„Ich finde es schön wie du dich anscheinend für mich schick machst. Aber alles gut, dieser Tag wird sowieso in einem Blutbad enden, also hättest du dir die Mühe sparen können. Und wenn ich dir das Kind selber aus dem Leib schneiden muss. TP“

 

Angehängt war eine Video-Datei mit dem Namen „Die Wahrheit“. Bevor ich aber auf Play gedrückt hatte, klingelte es an der Wohnungstür. Das Video ging 30 Sekunden, sodass ich es bevor ich die Haustür aufmachte, noch schauen konnte. Zu sehen war wieder eine Schwarz-weiß Aufnahme von dem Mord. Diesmal startete die Aufnahme ab der Stelle, in der ich das vermeintliche Messer halte. Wie kann das alles sein? Ich erinnere mich nicht an eine Sache. Dieser klitzekleine Schatten, den ich auch schon vorher in der Aufnahme gesehen hatte, kam immer näher und näher… bis.

 

„Olivia kannst du jetzt in Gottes Namen an die Tür gehen? Bist du denn eigentlich für irgendwas zu gebrauchen?“ hörte ich die mürrische Alte aus der Küche brüllen.

 

Es war natürlich in solchen Zeiten, in denen man von irgendwem anscheinend bedroht wird, super ohne einen Spion an der Tür, einfach so die Tür aufzureißen. Aber was blieb mir anderes übrig? Also riss ich mit einem Schwung die Tür auf. Mit 2 Koffern und einem Rucksack in der Hand stand ein Mann vor mir auf der Türschwelle.

 

„Olivia?“ kam es brüchig aus dem Mann heraus.

 

Das kann nicht sein. Das ist unmöglich. Bevor ich meine Stimme wiedergefunden hatte, schob mich der Kroll aus der Tür und brüllte das ganze Haus zusammen, mit einem Namen dem mein toter Ehemann gleich kam.

 

 

 

Ein kalter Schauer überzog mich vom kleinsten Zeh bis zur Kopfhaut. Warme Tränen fingen an sich in meinen Augen zu bilden, die ich aber voller Stolz herunterschluckte.

 

“Was machst du hier?” sprach ich vor mich hin, aber ohne jegliche Emotion zu zeigen.

 

Tausende von Fragen stauten sich an, und führten dazu das mein Kopf einen grellen pochenden Schmerzen abschickte, um vermutlich Platz zu schaffen.

 

An welchem Grab stande ich ein halbes Jahr lang? Welcher toten Person habe ich hinterher geweint? Und die wichtigste Frage von allen: Kannte ich meinen Mann jemals genug, wenn er mir anscheindend seinen Tod vorgetäuscht hatte?

 

“Ich muss mit dir reden. Mutter kannst du…” sagte er im vorbeigehen, indem er den Kroll auch nur um Zentimeter verschiebte um in den Flur zu schlüpfen.

 

“Was soll das alles André? Was spielst du hier für ein falsches Spiel? An welchem Grab haben Olivia und ich mindestens jeden Sonntag getrauert? Wer bist du?” sprach Schwiegermutter aus.

 

Das war das erste Mal, seit langem, dass der Kroll und ich mal genau den gleichen Impuls verspürten und das Gleiche dachten.

 

Nur das sie es aussprach und ich immer noch schockgefrostet hinter einer nicht platzenden Seifenblase stand.

 

“Später Mutter, ich muss jetzt erstmal mit meiner Frau reden.” säuselte er in einer Stimme vor sich hin, als würde ihm der ganze Seelenterror richtig Spaß machen.

 

Meiner Frau.

 

Ich hatte lange nicht mehr das Vergnügen so genannt zu werden. Und wenn ich ehrlich bin, hatte ich auch niemals vor, wieder so genannt zu werden.

 

Etwas stocksteif führte ich ihn in die Stube und ließ ihn auf Schwiegermutters Sessel Platz nehmen.

 

“Wie ich sehe habt ihr euch beide es hier in der Wohnung gemütlich gemacht.” sprach er.

 

“Ich hatte keine andere Wahl, deine Mutter brauchte eine Unterkunft.”

 

“Ich rede nicht von meiner Mutter, ich rede von unserem kleinen Jungen.” sprach er gelassen und arrogant.

 

Unserem kleinen Jungen, von einem Mann in dem ich mich anscheind von Grund auf getäuscht hatte. Wenn er anscheinend selbst in der Lage war seinen eigenen Tod vor seiner Ehefrau zu verheimlichen.

 

Ich übersprang seine Aussage und fragte viel eher: “Wie kannst du nicht tot sein? Dein Grab steht an Ort und Stelle und ich habe von einer anonymen Person ein Tötungsvideo von dir in dieser Wohnung gesendet bekommen. Wie kann das alles sein?”

 

“Die anonyme Person war ich und das war alles geplant.” sprach er während in der Küche die Kaffeemaschiene ratterte.

 

War vermutlich das erste Mal seit einem halben Jahr das der Kroll sich mal wieder bewegte.

 

“Wie du vielleicht festgestellt hast, war die Aufnahme Schwarz-weiß, die tote Person in dem Video war Leonard und nicht ich. Wir haben Leonard getötet!” kam es voller Hass aus ihm heraus, während er sich über die Lippen leckte.

 

Wir haben gar nichts, wenn dann Du.

 

Mir wurde in genau der Sekunde bewusst, dass mein vermeintlicher wieder- Ehemann verrückt war.

 

Er ist ein Psycho.

 

“Ich habe das alles nur für uns gemacht. Leonard war von Anfang an in dich verschossen. Ich brauche euch beide und zwar nur euch. Er war stöhrendes Unkraut.

 

Ihr seid meine Familie. Und er hat es nicht verdient zu leben! ”

 

Familie.

 

Ich bin weder mit André in einer jetzigen Partnerschaft, noch mit ihm verheiratet, denn bis der Tod euch scheidet ist schon sehr eindeutig. Dieser Mann wird nie wieder Teil meiner Familie sein und ich lasse es auch nicht zu das dieses Geschöpf mein Kind, denn von unserem konnte schon lange nicht mehr die Rede sein, auch nur im Ansatz berühren wird.

 

Mein Gehirn fing an immer wilder gegen meinen Schädel zu hämmern. Im Sekundentakt bildete sich das Schwindelgefühl in meinem Körper aus. Es würde nicht mehr lange dauern bis ich in Ohnmacht fallen werde.

 

“Nur du und das Kind, ihr seid das was ich brauche! Nichts weiter, nichtmal meine Mutter. Wenn du möchtest können wir mit ihr genauso, wie mit Leonard verfahren!” blickte er gewissenhaft drein.

 

Ich sah im Blickwinkel nur noch wie sich die Tür leise öffnete. Was André noch hinter diesen bedeutungslosen Sätzen hinterher brabbelte, verstand ich nicht. Ich sah nur noch wie Schwiegermutter auf ihren Sohn, auf André, draufsprang bevor mich das tiefe schwarze Loch in Empfang nahm.

 

 

 

Ein paar Stunden später…

 

 

 

Ich wachte in einem anscheind sterilem Raum auf, was ich anhand des geruches von Desinfektionsmittel ausmachen konnte. Meine Augen brannten und waren bestimmt feuerrot, als ich sie öffnte.

 

Ein etwas älterer Mann stand vor mir. Tiefe Furchen hatten sich unter seine Augen gelegt und ich roch sein After Shave trotz eines Abstandes von 2 Metern.

 

“Guten Morgen Frau Peterson. Ihrem Baby geht es gut. Ich bin ihr Anwalt. Ich sollte ihnen von den Behörden nebenan berichten das ihr Mann mit ihnen sprechen wollen würde.”

 

Ich hieß schon lange nicht mehr Peterson und das wird auch nie wieder der Fall sein.

 

“Er ist nicht mehr mein Mann.” war das Einzige was ich in dieser Situation aus mir herauspressen konnte.

 

“…ich habe keinen Bedarf mit meinem totem Mann zu reden.”

 

“Frau Peterson, sie werden beschuldigt mit ihrem Ehemann den Herr Leonard Tommy Peterson getötet zu haben. Ich würde ihnen raten die Unschlüssigkeiten mit ihrem Wieder-Ehemann zu bereden und den Behörden ihren Stand der Dinge zu erläutern. Sollten sie das verweigern, würden sie in Untersuchungshaft verwiesen.”

 

Schwanger in der Untersuchungshaft. Wie soll ich denn einen Mord begangen haben, an den ich mich nicht ans geringste erinnern kann? Schwanger im Gefängnis. Nachdem ich das Kind geboren hätte, würde es mir weggenommen werden.

 

“Wenn sie mich bitte begleiten würden..?” sagte mein Anwalt während er mich unter dem Arm kurz stützte, um mich in einen Rollstuhl zu bugsieren.

 

Da lag er, mit einer Augenklappe auf der einen Seite und er langen aufgerissenen Wunde an der Wange. Sein eines Auge konnte er kaum öffnen, aber nachdem ich an sein Krankenbett heranfuhr, leuchteten seine Augen und er grinste über das ganze Gesicht.

 

“André, wir brauchen keine Willkommensreden. Warum weiß ich nichts von der Ermordung, bei der ich anscheind anwesend war?” fragte ich mit großer Unsicherheit und ließ mit dieser Frage die Polizisten aufblicken und meinen Anwalt einen Block heraus nehmen.

 

“Du hast geschlafen!” lächelte er selbstsicher.

 

Lächerlich. Das kann nie und nimmer passiert sein. Wenn ich schlafe muss ich irgendwo liegen.

 

“Mach mich doch nicht lächerlich und rücke jetzt mit der Wahrheit raus! Du bist unerträglich André.” wurde ich langsam ungedultig.

 

“Du hast geschlaftwandelt meine wunderschöne Frau. Du hast Leonard gewürgt und daran ist er gestorben. Ich habe mit dir darüber geredet und dich im Schlaf nach dieser Art des Tötens gefragt, du warst mit der Aktion einverstanden. Du wolltest ihn töten Olivia! Leonard war nur ein unnutzer Ballast. Und das ist okay!”

 

Meine wunderschöne Frau. Einverstanden. Unnützer Ballast.

 

Das kann alles nicht sein. Ich war nie damit einverstanden, weil wir über sowas nie geredet haben.

 

“Ich bin nicht mehr deine Frau. Mein Mann ist am 31.06.2003 in meiner jetzigen Wohnung ermordet worden. Und wir haben uns nie darüber unterhalten ob wir Leonard getötet haben.”

 

“Frau Peterson, wir haben das Grab von ihrem Ehemann umgegraben, um sicherzustellen welche Peron in diesem Grab lag und es stellte sich heraus, dass es leer war.” sprach der bärtige Kommissar.

 

Was hat er mit Leonard gemacht?

 

“Was soll das? Welches falsche Spiel spielst du mit uns?” schrie ich schon fast.

 

Ich habe anscheindend den falschen Bruder rausgesucht.

 

Mit einem Klack hörte ich im Hintergrund eine Tür ins Schloss fallen.

 

“Olivia! Ich bin so schnell ich konnte von München hergefahren. Wie geht es dir?” flüsterte Leonard vor mir.

 

“André? Was machst du hier? Ich denk wir hatten uns darauf geeinigt, dass ich Olivia und das Baby bekomme und du dafür untertauchst! Also was machst du hier?” brüllte Leonard das ganze Krankenhaus zusammen.

 

“Ja mein Gott ich habe es mir anders überlegt, ich wollte das Baby haben. Es ist mein Kind! Du kannst gerne Olivia haben die ist nur meine Leihmutter.” sagte André.

 

Hier wird ein falsches Spiel gespielt. Wie konnte ich von Grund auf nur so verarscht werden?

 

“Ich regel das für sie, sie trifft keine Schuld. Nicht einer dieser beiden Männer wird auch nur in die Nähe ihres ungeborenen Kindes kommen.” sprach mein Anwalt einfühlsam auf mich ein, während er mir über den Rücken streichelte.

 

Das falsche Spiel ist zu ende. Das Spiel ist ausgespielt.

 

 

 

 

 

 

 

4 thoughts on “Die Wohnung

  1. Super Geschichte! Mit dem ersten Satz ist man direkt drin und kann nicht aufhören zu lesen. Toll ausgearbeitet und sprachlich flüssig. Danke das ich sie lesen durfte 😊.
    Meine Stimme hast du! Viel Erfolg.

    Vielleicht magst du dir auch meine Geschichte anschauen “Alte Bekannte”, würde mich freuen.

    Viele Grüße

    Maddy

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