Jessyyy607Diese eine Mutprobe…

 

Niklas geht mit seinem Mops Felix, wie jeden Tag zur Morgenrunde, im Wald spazieren. Es scheint ein schöner Sommertag in Rhede zu werden. Um diese Uhrzeit ist es noch recht ruhig im Wald und deswegen lässt er Felix von der Leine und alleine vorlaufen. Während Niklas durch den Wald schlendert, überlegt er was er heute noch erledigen muss. Gleich bringt er erstmal Felix zur Hundesitterin und fährt dann zur Arbeit. Gegen 17 Uhr macht er Feierabend, holt Felix zur Abendrunde ab und geht anschließend zum Sport. Mal schauen, was heute so beim Hockey los ist. Vielleicht schafft seine Freundin Linda es nachher auch zum Training und kann ihm zuschauen. Darüber würde Niklas sich freuen. Sie sind schon seit 5 Jahren ein Paar, haben bereits ein eigenes Haus und sind überglücklich. Linda scheint die Frau fürs Leben zu sein. Sie haben auch schon übers heiraten gesprochen, Niklas konnte nur noch nicht den Mut fassen ihr einen Antrag zu machen. Vielleicht wird er das noch diesen Sommer umsetzen. Als er mit seinen Gedanken zum Ende kommt und nach Felix schaut, ist Felix nirgends mehr zu sehen. Abrupt bleibt Niklas stehen und ruft nach Felix. Er schaut in alle Richtungen, aber sieht ihn nirgends. So langsam breitet sich ein komisches Gefühl in seinem Magen aus. Er ruft immer lauter, läuft vor und wieder ein Stück zurück und geht irgendwann auch ein wenig vom Waldweg ab zwischen die Bäume und Gebüsche hindurch und sucht nach Felix. Als Niklas seinen Hund endlich entdeckt, sieht er, wie Felix irgendetwas frisst. Sofort zieht er Felix vom Fressen weg und schimpft mit ihm. Von dem was Felix gefressen hat, ist leider nichts mehr übrig, sodass Niklas nicht weiß was es war. Hoffentlich kein totes Tier, das schon halb verwesen und voller Maden war. Als er sich zu Felix umdrehen will um wieder auf den Waldweg zurückzukehren, entdeckt er ein Stück weiter etwas Glänzendes im Gebüsch. Er schaut sich im Wald um, aber weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen oder zu hören. Niklas geht vorsichtig zum Gebüsch und bückt sich zu dem glänzenden Etwas. Es sieht aus wie ein Handy. Er hebt das Handy auf und schaut sich nochmals um, ob hier irgendjemand ist. Das Handy sieht unbeschädigt aus und als er auf den Menü-Button drückt, leuchtet direkt der Hintergrund auf. Komisch, das Handy hat gar keine Tastensperre, denkt Niklas. Ganz schön fahrlässig heutzutage. Das Hintergrundbild ist ein Friedhof, wie bei Friedhof der Kuscheltiere von Stephen King, ein gruseliges Buch. Es scheint ein komischer Kauz zu sein, dem dieses Handy gehört. Niklas ruft ein paar Mal „Hallo?“, aber nichts passiert. Er nimmt das Handy erstmal mit und überlegt, wo er es am besten abgeben könnte. Nachdem er es in seine Hosentasche gesteckt hat, ertönt ein kurzes Signal von diesem Handy. Er holt es nochmal raus und dort steht, dass der Speicher fast voll ist und er ein paar Dateien löschen soll. Erst will er den Hinweis wegdrücken, ist ja schließlich nicht sein Handy, aber als dort steht „Galerie öffnen um Dateien zu entfernen“ ist es schon ein wenig verlockend, sich die Bilder einfach mal anzuschauen, ist ja sowieso keiner in der Nähe. Als er auf die Galerie klickt und die Fotos sieht, bleibt sein Herz fast stehen! Alles um ihn herum dreht sich auf einmal und er reibt sich die Augen. Er vergrößert das erste Foto und sieht tatsächlich sich selbst auf diesem Bild, wie er mit Felix morgens durch den Wald spaziert. Da Niklas das nicht glauben kann, schaut er sich das nächste Bild an. Darauf ist er ebenfalls zu sehen, wie er gerade vor seiner Haustür aus seinem roten Golf steigt. Danach folgt ein Bild, wie er nach Feierabend die Arbeit verlässt und zu seinem Auto läuft. Das nächste Foto zeigt ihn schon wieder, diesmal beim Hockey-Training. Er klickt ganz schnell weiter und weiter, weil er das nicht glauben will, aber auf jedem Foto ist er zu sehen. Manchmal ist auch seine Freundin Linda mit auf den Fotos, aber meistens nur er alleine. Neben Niklas liegt ein abgeschlagener Baumstamm, auf dem er erstmal Platz nimmt. Er fragt sich, ob er noch im Bett liegt und träumt, aber dann müsste er langsam mal aufmachen.  Niklas schließt die Bildergalerie und geht in das Adressbuch. Kein einziger Eintrag. Auch in der Anrufliste ist alles leer. Nachrichten gibt es auch keine und Apps sind nur die üblichen Vorinstallierten vorhanden. Niklas weiß gar nicht wie ihm gerade zumute ist… Felix schaut ihn schon ganz traurig an, weil er plötzlich so blass im Gesicht ist. Sein Hund stuppst ihn am Arm und Niklas streichelt ihn. Leider scheint es kein Traum zu sein, aber wie ist das bloß möglich? Wieso wird er heimlich beobachtet und fotografiert? Was soll das alles? Und vor allem wer tut sowas? Und warum verliert dieser Jemand sein Handy?

 

Er steckt das Handy in die Tasche, leint Felix wieder an und geht sofort nach Hause. So hat er sich seinen Tag eigentlich nicht vorgestellt. Niklas ist total durch den Wind. Tausend Gedanken kreisen durch seinen Kopf. Was soll das alles? Warum er? Ist das ein schlechter Scherz? Heute ist doch gar nicht der 1. April, wir haben bereits Juli. Während er eilig mit Felix nach Hause läuft, fühlt er sich plötzlich beobachtet. Niklas wird immer schneller und dreht sich dauernd um, aber da ist niemand. Zumindest sieht und hört er Niemanden. Irgendwann rennt er nur noch, Felix weiß gar nicht, was los ist, rennt aber hinterher. Als sie zuhause sind und Niklas die Türe hinter sich schließt, sackt er auf dem Boden zusammen.

 

Nach einer viertel Stunde, als Niklas langsam wieder ein bisschen klarer im Kopf wird, blickt er in bettelnde Hundeaugen. Felix hat Hunger. Niklas steht auf um Felix sein Frühstück zu geben. Er nimmt das gefundene Handy und legt es auf den Küchentisch. Linda kommt gerade die Treppe runter und fragt Niklas was denn los sei, weil er gar nicht „Hallo“ gerufen hat, als er reinkam. Außerdem macht Niklas einen total verwirrten Eindruck und ist sehr blass. Nachdem Niklas Linda die ganze Geschichte erzählt hat, kann sie das ebenfalls nicht glauben und schaut sich erstmal die Fotos auf dem Handy an. „Das kann doch nicht sein“ sagt Linda. „Das bist du gar nicht, schau mal der Kerl sieht viel kleiner aus als du und seinen Hund sieht man auch nur von hinten. Und so ein roter Golf ist jetzt auch nicht gerade selten. Oh. Allerdings dieser Baum vor dem Haus, vor unserem Haus. Da sind unsere eingeritzten Initialen im Baumstamm zu sehen…“ Plötzlich wird auch Linda ganz blass und Niklas wirkt nun noch betrübter als vorher schon. „Was willst du denn jetzt machen? Du musst zur Polizei gehen und das melden“ sagt Linda ganz aufgeregt. „Und was dann?“ fragt Felix leicht vorwurfsvoll. „Die glauben mir doch sowieso nicht, dass ich ein Handy im Wald gefunden habe, das mir nicht gehört, aber auf dem rein zufällig jede Menge Fotos von mir sind!“. Beide schauen sich nachdenklich an und wissen nicht, was sie sagen sollen. Niklas hofft immer noch endlich aufzuwachen, doch vermutlich wird das nicht passieren. „Also du willst nicht zur Polizei gehen? Was hast du denn stattdessen vor?“ fragt Linda leicht verwirrt. „Willst du eine Suchanfrage bei Facebook aufgeben, wer sein Handy verloren hat?“ „Das ist vielleicht gar nicht mal so eine schlechte Idee, Linda“ sagt Niklas, der mittlerweile wieder etwas mehr Farbe im Gesicht bekommen hat. „Ich überlege mir schon noch was, ich muss jetzt erstmal zur Arbeit, ich habe um 9 Uhr einen wichtigen Termin. Wir sehen uns später.“ Niklas gibt Linda einen Kuss, schnappt sich Felix und verlässt das Haus. Als er in seinen roten Golf steigen will, schaut er sich nochmal um, um herauszufinden, von welcher Perspektive dieses Foto gemacht worden sein könnte. Eigentlich ist hier alles voller Häuser. Er und Linda wohnen in einer Spielstraße in Rhede und kennen fast alle Nachbarn. Rhede ist ein kleiner, schöner und ruhiger Ort, bis heute Morgen zumindest noch. Neben den Häusern sind Garagen, Stellplätze oder Gärten, aber nichts wo man sich verstecken könnte um unbemerkt Fotos von Niklas zu machen. Wer bist du nur? fragt Niklas sich in Gedanken, steigt ein und fährt davon.

 

Während der Arbeit kann Niklas sich nicht hundertprozentig konzentrieren. Immer wieder muss er an diese Fotos denken und überlegt, wer unbemerkt Fotos von ihm gemacht haben könnte. Das ergibt doch alles keinen Sinn. Warum sollte ihn überhaupt jemand heimlich fotografieren, er hat ja schließlich nichts zu verbergen. Und selbst wenn ihn jemand beschattet, warum verliert dieser Jemand das Handy und ausgerechnet Niklas findet es? Oder hat dieser Jemand das Handy gar nicht verloren, sondern extra dort versteckt? Schließlich weiß diese Person, den Fotos nach zu urteilen, genau was Niklas jeden Tag macht. Wenn er wirklich schon länger beobachtet wird, weiß diese Person auch, dass morgens nicht viel im Wald los ist und Niklas jeden Tag die gleiche Runde mit Felix geht. Die Person muss das Handy absichtlich versteckt haben und hat vermutlich extra etwas zu fressen in der Nähe des Handys positioniert, damit Felix ihn direkt zu diesem Handy führen kann. Was soll das bloß?

 

Nach Feierabend holt er Felix von der Hundesitterin ab und fährt wieder nach Hause. Linda hat bereits Essen gekocht und fragt Niklas, was er sich nun mit dem Handy überlegt hat. „Das weiß ich auch noch nicht so genau, das ist schon alles sehr komisch, ich habe noch nie Jemanden etwas getan. Warum werde ich verfolgt und fotografiert?“ hinterfragt Niklas rhetorisch. „Vielleicht ist deine Facebook-Such Idee gar nicht mal so dumm. Ich mache das einfach mal, habe ja schließlich nichts zu verlieren!“ Wenn Niklas da mal nicht so falsch mit seiner Annahme liegt.

 

Niklas macht ein Foto von dem Handy und lädt es in der Gruppe „Rhede aktuell“ hoch. Dort werden öfter mal Beiträge von gefundenen oder vermissten Sachen hochgeladen. Manche Leute verlinken andere Personen und teilen Niklas‘ Beitrag. Auch am nächsten Morgen, gibt es keine interessanten Kommentare unter seinem Beitrag. Da piept plötzlich das gefundene Handy. Er läuft barfuß in die Küche und rutscht auf etwas Nassem aus. Als er das Licht anschaltet, sieht er, dass Felix sich auf dem Boden erbrochen hat. Auch ein bisschen Blut ist in dem Erbrochenem, aber Niklas macht sich keine weiteren Gedanken und wischt das Erbrochene weg. Danach schaut er auf das Handy. Eine eingegangene SMS. Er öffnet die SMS und liest „Denkst du wirklich, ich melde mich zu deinem Beitrag und fordere mein Handy zurück? Wohl kaum. Du wirst schon noch sehen was du davon hast.“ Niklas schaut auf den Absender, doch dieser ist anonym. Es ist keine Handynummer hinterlegt, die man anrufen könnte, so ein Mist! In diesem Moment scheint Felix schon wieder zu würgen und Niklas läuft zu ihm. „Was ist los, mein Junge? Geht´s dir nicht gut? Hast du was falsches gefressen?“ Und als er das letzte Wort ausspricht, fällt ihm ein, dass Felix gestern tatsächlich etwas Unbekanntes gefressen hat. Sofort schnappt er sich sein Handy und ruft in der Tierklinik an. Er kann direkt vorbeikommen. Er ruft Linda, sie zieht sich schnell etwas an und fährt mit.

 

Beim Tierarzt angekommen, erklärt Niklas was passiert ist und der Tierarzt untersucht Felix sofort. „Das Erbrechen ist ein gutes Zeichen, scheinbar versucht Felix etwas Unverträgliches loszuwerden. Ich werde ihm ein Mittel geben, damit er sich weiter erbricht, bis der Magen leer ist und danach bekommt er eine Infusion. Wir werden ihn für 24 Stunden hierbehalten. Ich werde vorab auch noch Blut abnehmen um herauszufinden, was er gefressen hat. Bitte machen Sie sich keine Sorgen, er ist bei uns in guten Händen.“ Traurig fahren Niklas und Linda nach Hause. „Ich nehme mir heute frei“ erklärt Niklas nachdenklich.

 

Alleine zuhause macht Niklas sich ein paar Gedanken. Gibt es irgendjemanden, den er verärgert haben könnte? Hat er sich bei Jemandem unbeliebt gemacht, indem er aus Versehen etwas Falsches gesagt hat? Nur bei wem? Niklas hat nicht viele Freunde, aber die, die er hat, würden ihn niemals heimlich verflogen und fotografieren, zumindest glaubt er das. Linda hingegen hat wesentlich mehr Freunde, aber da fällt ihm auch keiner ein, den er verletzt oder verärgert haben könnte. Das darf doch alles nicht wahr sein. Was soll das bloß? Und was soll ich bereuen? Er durchsucht das Internet nach ähnlichen Fällen, um eventuell einen Zusammenhang festzustellen. Vielleicht hat er Keinem etwas getan, sondern es gibt einfach eine Person, die gerne andere Personen in den Wahnsinn treibt, aber warum soll ich dann etwas bereuen?

 

Heute vor genau zehn Jahren war Niklas mit seinen Jungs für ein langes Wochenende im Wald zelten. Sie waren damals gerade 18 und hatte jede Menge Alkohol dabei. Sie wollten ein richtig saufreiches Männerwochenende machen. Eines Nachts, als sie alle mal wieder sehr betrunken waren, haben sie mit Mutproben angefangen. Anfangs war alles harmlos. Jemand sollte nackt durch den Wald laufen, ein anderer sollte dessen Unterhose oben in die Baumkrone hängen und so Scherze eben. Doch irgendwann kam Matthias, Niklas´ bester Freund, auf die Idee, eine Mutprobe in dem Gruselhaus zu machen und dort etwas mitgehen zu lassen. Dieses Gruselhaus, komplett aus Holz und schon sehr verwesen, war mitten im Wald und stand schon sehr lange leer. Keiner weiß, wer da mal gewohnt haben könnte. Diese Geschichte erzählen sich zumindest die Teenies in Rhede. Niklas sollte reingehen und etwas klauen, was man im besten Fall auch noch gebrauchen kann. Da er sowieso schon angetrunken war und keine Angst hatte, hat er sich sofort dieser Aufgabe gestellt. Er hatte eine Taschenlampe bei und ist in das Haus gegangen. Die anderen Jungs haben ein paar Meter weiter draußen gewartet. Drinnen roch es ein wenig muffig und es war total unordentlich, als wären hier Einbrecher oder Wildtiere gewesen. Während er so durch das dunkle Haus lief, hörte er plötzlich das Knarren einer Holzdiele von oben. Niklas bekam nun doch ein wenig Angst und versteckte sich im nächsten Raum. Das musste einmal die Küche gewesen sein. Einen Moment lang hielt er den Atem an und lauschte. Alles war wieder still. Vielleicht nur ein Tier, das sich ein warmes Plätzchen zum Schlafen gesucht hat. Er ging weiter durch das Erdgeschoss und suchte nach etwas, womit er seine Mutprobe erfüllen konnte. Plötzlich hörte er ein Rumpeln von oben und vor Schreck knallte er gegen einen Holzpfosten und das ganze Haus wackelte. In diesem Moment sah er ein Taschenmesser auf einer Kommode liegen, schnappte sich dieses und schlich langsam wieder zur Türe. Nun gab auch noch seine Taschenlampe ihren Geist auf und er konnte nichts mehr sehen. Nicht mehr weit und er müsste wieder am Ausgang sein. Kurz vor seinem Ziel stieß er mit dem Fuß gegen einen weiteren Holzpfosten und nun wackelte das Haus noch mehr und schien gleich einzustürzen. Niklas rannte zur Türe, schmiss sie auf und lief nach draußen. Als er draußen angekommen war, hörte er wie das Haus einstürzte und dreht sich um. In Sekundenschnelle war dieses Haus dem Boden gleich geworden. Seine Jungs blickten ihn total schockiert an „Das war´s dann wohl mit dem Gruselhaus!“ und alle lachten wieder. Als Niklas das Taschenmesser hervorholte, klatschten alle und gingen zurück zum Zelt. Was für eine Mutprobe. Gut, dass er so schnell das Haus verlassen hatte…

 

Das ist die einzige Geschichte, an die Niklas sich erinnern konnte, wo er mal Mist gebaut hatte, aber es war nur ein leerstehendes Holzhaus im Wald, warum sollte er den Einsturz bereuen? In diesem Moment bekommt er einen Anruf vom Tierarzt, der Niklas darüber informiert, dass Felix tatsächlich vergiftet wurde und leider soeben verstorben ist. Eine Welt bricht für Niklas zusammen. Felix war erst drei Jahre alt, aber Linda und er liebten ihn wie ein Familienmitglied. Da piepste auch schon wieder das gefundene Handy. „Und wie fühlt sich das an?“ Mehr stand nicht in dieser SMS. Wurde er also jetzt gerade wieder beobachtet? Und sogar belauscht? Er schrie ganz laut: „Was habe ich dir nur getan? Mein armer Felix!“ Er stürmte aus dem Haus und sah sich um, doch er sah einfach Niemanden. Wie konnte das nur sein? Wo versteckt sich diese Person?

 

Nachdem Niklas wieder ins Haus gegangen ist und ein paar Tränen aus seinem Gesicht gewischt hat, kommt er auf die Idee das Internet nach dem eingestürzten Haus von damals zu durchsuchen. Vielleicht stand seinerzeit etwas dazu in der Zeitung, aus dem er schlauer wird. Es gibt nicht sehr viele Artikel darüber, aber Niklas fängt an sich alle durchzulesen. Bei dem letzten Artikel wird er schließlich fündig. Damals waren zwei 15-jährige Mädchen in dem Gruselhaus, weil sie herausfinden wollten, ob das, was alle in Rhede über das Haus erzählen auch wirklich stimmt. Als das Haus eingestürzt ist, wurden beide Mädchen in den Trümmern begraben. Eines dieser Mädchen schaffte es sich mit einer ausgekugelten Schulter aus den Trümmern zu befreien und Hilfe zu holen. Für ihre Freundin war es jedoch zu spät, als die Polizei sie fand. Sie ist in jener Nacht in den Trümmern verstorben…

 

Bei Niklas beginnt sich wieder alles zu drehen und er fängt an zu weinen. Oh nein, das wollte ich nicht. Ich bin schuld, dass dieses Mädchen gestorben ist. Wenn wir nicht so betrunken gewesen wären, hätten wir das Mädchen vielleicht noch retten können, aber wir haben es einfach nicht gewusst. Wie soll ich nur damit leben? Fragt Niklas sich in Gedanken. Er weint noch eine Weile, bis ihm klar wird, warum Felix sterben musste. Dieses Mädchen will sich wahrscheinlich rächen, weil er schuld ist, dass ihre beste Freundin damals gestorben ist. Aber ich wusste es doch einfach nicht, wie soll ich nur damit leben und jetzt ist deswegen auch noch Felix tot? Er heult und heult, bis Linda irgendwann nach Hause kommt. Niklas erzählt ihr alles, was heute passiert ist und auch Linda fängt an zu weinen. Nachdem sie sich ein wenig beruhigt hat, sagt Linda „Niklas, das geht so nicht weiter, du musst zur Polizei gehen, dieses Mädchen scheint verrückt zu sein. Sie beobachtet und verfolgt uns, sie will sich scheinbar rächen, bitte geh zur Polizei bevor noch mehr passiert!“ „Ja okay, ich werde hingehen, begleitest du mich?“ fragt Niklas verängstigt.

 

Der Besuch bei der Polizei war leider kein Erfolg. Die Polizei glaubt nicht was Niklas und Linda erzählen, weil auf dem gefundenen Handy alle Fotos und die beiden SMS gelöscht wurden und sie keine Beweise mehr haben. Felix wird leider einen Giftköder gegessen haben, den irgendjemand ausgelegt hat, das hat nichts mit Rache zu tun, haben sie gesagt. „Also sind wir wohl doch wieder auf uns alleine gestellt.“ sagt Niklas bedrückt. „Zusammen schaffen wir das schon irgendwie. Vielleicht lässt sich ja doch noch irgendwie herausbekommen, wie die Frau heißt. Im Internet hast du wirklich nichts dazu gefunden?“ fragt Linda. „In keinem dieser Artikel wurden Namen erwähnt, aber vielleicht lässt sich irgendwie herausfinden, wie das verstorbene Mädchen hieß, anhand einer Todesanzeige oder sowas… Ich habe eine ganz verrückte Idee, wir gehen einfach beide Friedhöfe durch, bis wir ein Grabstein finden, wo der Todestag heute genau 10 Jahre her ist, was hältst du davon?“ fragt Niklas ganz begeistert von seiner Idee. „Also den Alten Friedhof können wir ausschließen, da war damals kein Platz mehr, weswegen der Neue Friedhof angelegt wurde. Lass uns gleich morgen nach der Arbeit hinfahren, jetzt haben die schon zu und außerdem möchte ich erstmal Felix´ Tod verarbeiten.“ fügt Linda traurig hinzu.

 

Da Niklas sich auch den Tag nach Felix´ Tod nochmal frei genommen hat und nicht warten will bis Linda nach Hause kommt, fährt er alleine zum Neuen Friedhof und macht sich auf die Suche. Ständig hat er das Gefühl beobachtet zu werden, obwohl er Niemanden sieht. So langsam scheinen seine Gendanken ihm ein Streich zu spielen. Ob er sich das nur einbildet beobachtet zu werden oder ist da wirklich Jemand? Eine SMS auf dem gefundenen Handy holt ihn aus seinen Gedanken. „Ich warne dich!“ Mehr steht da nicht, ist das zu fassen? Du hast mir schon meinen Hund genommen, was willst du mir noch antun?

 

Nach fünf Stunden ist Niklas endlich fündig geworden. Eine Amanda Meier ist am 18. Juli 2009 im Alter von 15 Jahren verstorben. Das muss sie sein. Schnell schreibt er eine WhatsApp an Linda mit den Namen von dem verstorbenen Mädchen und dass er nun wieder nach Hause fährt um Recherche über Amanda zu betreiben und so hoffentlich etwas über ihre beste Freundin herauszufinden.

 

Zuhause angekommen, legt er gleich los und wird auch direkt fündig. Amanda war auf der Gesamtschule Rhede in der 10. Klasse, als sie verstorben ist. Die Schule hatte seinerzeit auf der Homepage ihr Beileid bekundet, aber leider war das auch schon alles. Social Media wird sie wohl nicht mehr haben, das wurde bestimmt schon gelöscht, denkt Niklas, als er plötzlich fündig wird. Na sieh mal einer an, es gibt noch eine Myspace-Account und der ist sogar öffentlich. Volltreffer. Da sind auch einige Fotos immer mit dem gleichen Mädchen zu sehen, ob das ihre beste Freundin war? Zumindest heißt diese Freundin Svenja R. Vielleicht bin ich schon ganz nah dran…

 

Niklas schaut auf sein Handy und stellt fest, dass es schon 16 Uhr ist. Eigentlich wollte Linda um 15 Uhr zuhause sein. Sie arbeitet bei Aldi und hatte heute Frühschicht bis 14 Uhr, echt komisch. Als Niklas sie anruft, geht Linda nicht ans Telefon. Vielleicht muss sie noch etwas erledigen und hat vergessen Bescheid zu sagen. Also zurück zu Svenja. Niklas googelt gleich mal, was es so über Svenja im Internet gibt. Sie scheint Instagram zu haben, jetzt muss Niklas nur noch vergleichen, ob sie wirklich das Mädchen von Amandas Fotos ist. Bingo! Svenja R. muss es sein, die ihn verfolgt und fertig machen will. In diesem Moment geht wieder eine SMS auf dem gefundenen Handy ein. Als Niklas das Handy in die Hand nimmt, ist es diesmal sogar eine MMS. Er öffnet diese und lässt vor Schreck das Handy fallen. Er hebt es wieder auf und traut seinen Augen kaum. Unter dem Foto, auf dem Linda gefesselt und scheinbar bewusstlos auf dem Boden liegt, steht „Jetzt wo du weißt wer ich bin, macht es mir noch viel mehr Spaß!“. Für Niklas bricht eine Welt zusammen. Gestern ist Felix gestorben, weil diese rachsüchtige Svenja ihn vergiftet hat und nun will sie sogar einen Menschen umbringen? Die muss doch verrückt sein, denkt Niklas. Was soll er nur tun? Er weiß nicht mehr weiter. Die Polizei glaubt ihm nicht, weil die Nachrichten auf dem Handy immer wieder von Svenja gelöscht werden und als vermisst melden, kann er Linda auch nicht, weil die Polizei frühestens nach 24 Stunden die Vermisstenanzeige aufnimmt und dann könnte es bereits zu spät sein. Also bleibt Niklas nichts anderes übrig, als sich selbst auf die Suche zu machen, nur wo soll er suchen?

 

Ein paar Minuten später schellt es an der Tür, Niklas springt auf und rennt zur Türe. Er reißt sie voller Hoffnung, dass Linda dort steht, auf, aber dort ist niemand. Er schaut sich um und wundert sich, dass keiner mehr zu sehen ist. Gerade als er die Türe wieder schließen will, findet er einen Umschlag auf der Fußmatte. Während Niklas den Umschlag mit reinnimmt, schließt er die Türe hinter sich. In dem Umschlag ist ein Zettel mit GPS-Koordinaten. Diese erkennt Niklas sofort, da Linda und er gerne Geocachen gehen. Beim Geocaching wird man zu bestimmten Orten geführt und sucht dann nach Hinweisen entweder für ein Versteck, in dem man seinen Namen hinterlassen kann oder es ist wie eine Schnitzeljagd aufgebaut und man sucht Hinweise für neue Koordinaten. So wandert man von Ort zu Ort bis man ein Ziel erreicht und dort seinen Namen hinterlassen kann.

 

Er gibt die Koordinaten in Google Maps ein und es handelt sich um den Wald, in dem er damals mit seinen Jungs zelten war. Sofort setzt Niklas sich ins Auto und fährt los. Nachdem er sein Auto geparkt hat, muss er noch ein paar Minuten zu Fuß gehen, bis er die angegeben Koordinaten erreicht. Als er sein Ziel erreicht hat, steht er genau an der Stelle, wo damals das Gruselhaus stand, es ist zwar nichts mehr von dem Haus übrig, aber an dieser Stelle sind nur kleine Bäume und seine Erinnerung an jenen Abend kommt wieder hoch. Diese Geräusche, die er damals im Haus gehört hat, müssen von Amanda und Svenja gewesen sein. Wenn sie sich doch nur gezeigt hätten, dann hätte er sich vielleicht nicht so erschrocken oder wenigstens gewusst das dort noch andere Personen sind und helfen können als das Haus eingestürzt ist. Leider lässt sich die Zeit nicht mehr zurückdrehen. Niklas schaut sich um und fragt sich, was er denn nun hier soll? Hier scheint Linda wohl kaum versteckt zu sein. Zumindest sieht Niklas keine Versteckmöglichkeiten für einen Menschen. Er schaut sich ein wenig um und läuft ein paar Meter im Umkreis, ob er irgendeinen Hinweis entdeckt. Schließlich müssen diese Koordinaten ihn zu irgendetwas führen. Nach einer Weile entdeckt er ein etwas größeres Blatt an einem Baumstamm, was dort nicht so recht hinzugehören scheint. Niklas geht zu diesem Baum und hebt das Blatt hoch. Tatsächlich ist dahinter ein Loch im Baumstamm, in dem eine kleine Filmdose versteckt ist. Er nimmt die Filmdose heraus und öffnet sie. Als er den Inhalt sieht, lässt er die Dose vor Schreck fallen und ein kleiner abgetrennter Finger fällt heraus. Ob das Lindas kleiner Finger ist? Hoffentlich nicht! Ein wenig angewidert hebt er beides auf und entdeckt noch einen kleinen blutverschmierten Zettel in der Dose. Auf diesem stehen tatsächlich weitere Koordinaten. Niklas gibt sie in sein Handy ein, steckt den Finger zurück in die Dose und macht sich mit der Dose auf den Weg zu den neuen Koordinaten. Vielleicht kann man den Finger wieder annähen. Er macht sich ziemliche Sorgen, weil er Linda das eingebrockt hat und fragt sich ob er sie jemals lebend wiedersehen wird. Sie hatten doch noch so viel vor. Heiraten, die Welt bereisen, Kinder kriegen. Das kann doch jetzt nicht alles vorbei sein!

 

Die neuen Koordinaten sind nicht so weit weg und Niklas erreicht nach 10 Minuten Fußweg durch den Wald einen See. Hier muss er weitersuchen. Er blickt sich um, aber kann auf Anhieb nichts finden, was ihn weiterbringt. Niklas läuft am See entlang eine Klippe hinauf, bis er eine Höhle entdeckt. Vorsichtshalber blickt er sich nochmal in alle Richtungen um, während er langsam und möglichst leise zu der Höhle schleicht. Plötzlich schreit Niklas auf und bricht zusammen. Er ist in eine Bärenfalle getreten und sein Bein blutet tierisch. „Hilfe!“ schreit Niklas „Hört mich jemand? So helft mir doch!“ Aber nichts passiert. Er schaut auf sein Bein und versucht mit seinen Händen die Falle zu öffnen, leider hat er nicht genug Kraft. Er versucht es immer und immer wieder und schaut sich um, ob er irgendwo etwas findet, was ihm dabei behilflich sein könnte, aber leider ist dort nichts. Oder doch? Ein paar Meter weiter entdeckt er einen dicken Holz Ast, den er vielleicht als Hebel benutze könnte, wenn er ihn nur erreicht. Niklas zieht sich mit den Armen langsam über den Boden in Richtung Holz Ast, als plötzlich von hinten jemand auf die Falle um sein Bein tritt. Erneut schreit er auf und dreht sich schmerzerfüllt um. „Hallo Niklas, ich habe dich schon erwartet“ begrüßt Svenja ihn voller Schadenfreude. „Bitte lass Linda frei, du kannst mit mir machen was du willst, aber bitte lass Linda da raus, sie kann nichts dafür, was ich damals getan habe. Es tut mir so leid, wenn ich gewusst hätte, dass dort jemand im Haus ist, hätten wir euch geholfen, aber wir wussten es nicht, bitte es tut mir so leid!!!!“ fleht Niklas. „Gar nichts tut dir leid! Du hast uns gehört und trotzdem zurückgelassen. Amanda war meine beste Freundin, danach war nichts mehr wie vorher, alle haben mir die Schuld an ihrem Tod geben und ich war ganz alleine.“ Eine Träne läuft über Svenjas Gesicht. „Du bist das alles Schuld und wirst das heute büßen. Ich werde dir deine liebste Person nehmen, während du dabei bist. Nur so ist meine Rache perfekt und ich kann meinen Frieden finden!“ „Bring lieber mich um, ich kann nicht damit leben, dass du Linda tötest, wäre es nicht viel beruhigender für dich den Mörder deiner besten Freundin umzubringen, als ihm nur Leid zuzufügen?!“ bettelt Niklas. „Vielleicht kann ich ja auch beides haben!“ sagt Svenja schadenfroh grinsend.

 

Nach ein paar Minuten fährt Svenja die gefesselte Linda auf einer Schubkarre aus der Höhle und stellt die Schubkarre direkt an einer Klippe vor dem See ab. Linda gibt kein Geräusch von sich, nur der Arm mit der blutenden Hand hängt von der Schubkarre. Sie scheint immer noch bewusstlos zu sein. „Kannst du alles sehen, Niklas? Oder möchtest du näher rankommen, wenn ich sie von der Klippe werfe?“ fragt Svenja voller rachsüchtiger Freude im Gesicht. „Nein bitte nicht, bitte lass sie in Ruhe, du kannst mich nehmen und dort hinunterwerfen!“ „Das würde allerdings nicht so viel Spaß machen!“ sagt Svenja, während sie die Schubkarre über die Klippe rollt und Linda in der Schubkarre hinunterstürzt bis man ein lautes platschen hört. „Neeeeeeeein!“ schreit Niklas robbt zur Klippe und lässt sich hinterher fallen um Linda zu retten. „Das war ja einfach!“ denkt Svenja freudestrahlend und verlässt diesen Ort…

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