CarlyDraußen am Fluss

Hello little girl is your daddy home? Did he go and leave you all alone? Schon zum fünften Mal plärrt Bruce Springsteen mir entgegen, während ich auf das Handy starre, das auf dem Wohnzimmertisch liegt. Ooh, I got a bad desire. Oh oh oh I’m on fire. Ob ich rangehen soll? Nur noch wenige Sekunden, dann wird das Handy verstummen. Ich greife danach, doch die letzten Töne erklingen – I’m on fire – und der Bildschirm wird wieder schwarz. Ich drücke auf die Hometaste. Fünf verpasste Anrufe, doch das ist es nicht, was meine Aufmerksamkeit fesselt. Ich kenne dieses T-Shirt. Schnell wische ich die Benachrichtigung beiseite. Das kann nicht sein, denke ich, während ich auf das Bild starre. Eine jüngere Version von mir selbst sieht mir entgegen. Ich erinnere mich noch genau an diesen Tag und ich weiß ganz genau, dass von diesem Tag kein Bild existieren dürfte, schon gar nicht auf einem Handy. Versuchsweise wische ich über den Bildschirm. Die Face-ID wird gestartet und ich sehe mein Gesicht im Bildschirm. Sinnlos denke ich noch, als sich das Handy auch schon entsperrt. Was zum Teufel? Was da gerade passiert ist, sollte absolut unmöglich sein. Warum hat sich das verdammte Ding entsperrt? Und warum zur Hölle befindet sich da ein Bild von mir auf dem Sperrbildschirm? Oder vielmehr auch im Hintergrund des Handys. Ein weiteres Mal starre ich auf eine jüngere Version meiner selbst. Noch jünger als auf dem Sperrbildschirm und ich weiß ganz genau, dass das Bild da in einem Fotoalbum bei meiner Mutter klebt und ganz sicher nicht auf irgendeinem Handy verfügbar sein sollte. Wenn ich es so recht bedenke, dann ist das auch genau das Bild aus dem Fotoalbum meiner Mutter. Ich kann die vergilbten Seiten im Hintergrund erkennen. Hello little girl is your daddy home? Ich zucke erschrocken zusammen.

„Hallo?“

„Gefällt dir mein Geschenk?“

„Wer ist denn da?“

Aufgelegt.

Ich nehme das Handy vom Ohr und starre weiter auf den Bildschirm. Die Stimme kommt mir nicht bekannt vor. Erlaubt sich da jemand einen Scherz mit mir? Es kann gar nicht anders sein. Irgendeiner meiner Freunde findet es wahrscheinlich lustig mir eine Heidenangst einzujagen und lacht sich gerade schlapp über mich, weil ich hier sitze und es wirklich gruselig finde, dass das Handy sich einfach so entsperrt hat. Mein Finger schwebt über der App für die Bildergalerie. Ich zögere, drücke aber schließlich darauf und fange an die Bilder durchzugehen. Das ist einfach unmöglich, denke ich, während ich weiter nach unten scrolle. Jedes einzelne Bild zeigt nur mich. Mal jünger, mal älter. Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter. Ein paar Fotos können nicht älter als eine Woche sein. Ich erkenne die Orte, weiß noch was ich gemacht habe und spüre wie ich eine Gänsehaut bekomme. Auf jedem aktuellen Foto starre ich direkt in die Kamera. Ich hätte die Person sehen können, aber auch wenn ich es versuche, so kann ich mich nicht daran erinnern in irgendeiner Situation jemanden mit einer Kamera gesehen zu haben. Ich scrolle weiter, immer weiter bis zum letzten Bild in der Galerie und stutze. Zwei Babys, vielleicht zwei Monate alt. Beide tragen den gleichen Body mit einem Löwen darauf. Ich kenne dieses Bild, aber ich habe es schon lange nicht mehr gesehen. Nach seinem Tod hat meine Mutter alle Bilder mit ihm darauf verbrannt. Sie sagte, sie könne es nicht ertragen ihn zu sehen. Meine Hände zittern, während ich die Galerie schließe. Dieses Bild sollte gar nicht mehr existieren. Wie aber ist es dann auf dieses Handy gelangt und wer verdammt nochmal hat es mir überhaupt zukommen lassen? Ich überlege, ob ich die Polizei rufen sollte, aber was soll ich denen sagen? „Auf meinem Tisch liegt ein Handy, das nicht mir gehört, sich aber von mir entsperren lässt und auf dem nur Bilder von mir drauf sind?“ Klingt unwahrscheinlich und vermutlich werden die Beamten es auch für einen Scherz halten. Andererseits ist irgendjemand hier eingebrochen. Das Handy lag einfach auf dem Tisch, als ich vorhin aus der Dusche gekommen bin und ich habe mich fast zu Tode erschreckt, als es plötzlich losgeplärrt hat. Ich sitze noch ein paar Minuten reglos da und gehe meine Optionen durch, bevor ich aufstehe und zur Haustür rübergehe. Wenn sich dort Hinweise auf einen Einbruch finden lassen, dann kann ich die Polizei rufen. Aber es findet sich nichts. Nicht, dass ich dafür einen besonderen Blick hätte, aber die Tür sieht so unbeschadet aus, dass ich einen Einbruch für sehr unwahrscheinlich halte. Die Fenster überprüfe ich erst gar nicht. Ich wohne zwar nur im dritten Stock, aber man müsste Fassadenkletterer sein, um hier hoch zu kommen. Es gibt weit und breit keinen Baum, der hoch genug wäre, um eines der Fenster zu erreichen.

„Hast du in letzter Zeit irgendjemandem unsere alten Fotoalben gezeigt?“ Ich habe mich entschlossen, meine Mutter anzurufen. Vielleicht weiß sie ja, was hier gespielt wird. „Nein. Wieso sollte ich denn?“ Wäre auch zu einfach gewesen. „Ach, nur so. Ich habe zufällig ein altes Foto von mir in die Hände bekommen und habe gedacht, vielleicht hast du es ja jemandem gezeigt.“ Ich lenke schnell vom Thema ab, damit meine Mutter nicht weiter fragt und beende nach 15 Minuten das Gespräch. Meine Mutter also nicht und mein Vater würde nie auf die Idee kommen irgendwelche alten Fotos auszukramen und einen nostalgischen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Dafür ist er eindeutig zu pragmatisch und zu wenig sentimental.

„Die Vergangenheit heißt so, weil sie vergangen ist, mein Sohn“, hat er früher schon immer zu mir gesagt, wenn ich wieder mal grübelnd in einer Ecke gesessen habe. „Denkst du nicht manchmal an ihn?“ Er hat dann immer den Kopf geschüttelt und einfach nur nein gesagt. Als ich älter wurde, habe ich verstanden, dass das seine Art war zu trauern, aber als Jugendlicher konnte ich es nicht verstehen. Wir haben uns oft gestritten und wenn es mir zu viel wurde, dann bin ich einfach weggelaufen, irgendwohin ganz ohne Ziel. Meistens bin ich irgendwo am Fluss gelandet und habe dort stundenlang ins Wasser gestarrt, bevor ich irgendwann wieder nach Hause gegangen bin. Meine Eltern kannten das schon. Niemand hat mich gesucht.

Hello little girl is your daddy home? Das vermaledeite Klingen reißt mich aus meinen Erinnerungen und diesmal hebe ich sofort ab. „Wer verdammt nochmal sind Sie? Und was wollen Sie von mir?“

„Hast du sie dir angesehen?“

„Ja.“

„Hast du sie dir richtig angesehen?“

„Ja, verdammt.“

Aufgelegt. Dieser Mistkerl. Was will der nur von mir?

Hast du sie dir richtig angesehen? Das hat er gesagt. Gibt es da irgendeinen versteckten Hinweis, den ich suchen muss? Ich öffne ein weiteres Mal die Galerie und gehe jedes Bild einzeln durch. Ich kenne die meisten oder erinnere mich zumindest wo die Neueren aufgenommen wurden, aber ich kann nichts Ungewöhnliches entdecken. Keinen Hinweis, gar nichts. Es sind nur Bilder von mir allein. Bis auf das Letzte. Das mit den Babys. Ich scrolle bis nach unten und klicke darauf. Es ist als hätte ich das Bild noch gestern gesehen, dabei weiß ich, dass ich es schon einige Jahre nicht mehr gesehen habe. Trotzdem kommt es mir so vertraut vor und ich kann nichts darauf entdecken, das mir irgendeinen Hinweis darauf geben könnte, was hier überhaupt gespielt wird. Vielleicht doch nur ein dummer Scherz. Morgen lachen sich meine Freunde wahrscheinlich tot über mich, weil ich auf so einen albernen Taschenspielertrick hereingefallen bin. Ich lege das Handy weg. Wenn ich nicht mehr daran denke, dann verschwindet es ja vielleicht einfach wieder. Ich werde jedenfalls nicht mehr rangehen, wenn das vermaledeite Handy wieder klingelt. Auf keinen Fall!

Hello little girl is your daddy home? Ich fahre aus dem Schlaf und starre auf das Handy. Wie zur Hölle ist es auf meinen Nachtschrank gekommen? Ich weiß noch ganz genau, dass ich es auf dem Wohnzimmertisch habe liegen lassen. Das ist einfach unmöglich. Und doch liegt es jetzt hier und Bruce Springsteen singt seinen Song, während ich mich panisch in meinem eigenen Schlafzimmer umsehe. Irgendjemand muss das Handy auf meinem Schreibtisch platziert haben, während ich geschlafen habe. Es hat mittlerweile aufgehört zu klingeln, aber keine dreißig Sekunden später fängt es wieder an. Ich werde auf keinen Fall da ran gehen, sage ich mir immer wieder in Gedanken und warte ab, dass das Handy endlich aufhört zu klingeln, aber jedes Mal, wenn die Mailbox angesprungen ist, dauert es ungefähr 30 Sekunden, bis es wieder zu klingeln anfängt. I’m on fire. Ist es nur Zufall, dass ausgerechnet dieses Lied bei den Anrufen gespielt wird oder hat auch das Methode? „Was zur Hölle willst du von mir?“ Ich habe doch nachgegeben und bin dran gegangen. Vielleicht wird endlich einer meiner Freunde den ganzen Spuk auflösen, wenn sie merken, dass ich das echt nicht mehr lustig finde.

„Hast du es dir angesehen?“

„Ja!“

„Und weißt du, was es bedeutet?“

„Nein. Wer sind Sie? Was wollen Sie denn von mir?“

„Ich will, dass du bereust, was draußen am Fluss passiert ist, in dieser Hütte.“

 

Draußen am Fluss. Schon lange habe ich nicht mehr darüber nachgedacht, aber als ich jetzt diese Worte höre, spüre ich wie ein Schauer durch meinen Körper geht. Ich erinnere mich wieder daran, als wäre es erst gestern gewesen. Der Fluss, das frische Gras, Kinderlachen und die Hütte, die wir immer irgendwie gruselig gefunden haben. „Fang mich doch, Robert. Fang mich.“ Lachen, rennen, verstecken, Fröhlichkeit.

 

„Ich erinnere mich“, sage ich zu dem Mann am Handy, aber er hat bereits aufgelegt. Ich bin mir sicher, dass die Person am anderen Ende nur ein Mann sein kann, auch wenn die Stimme natürlich auch die einer Frau mit tiefer Stimme gehören könnte.

Ich scrolle ein weiteres Mal durch die Bilder, versuche die älteren Bilder einzuordnen und mich zu erinnern, wo diese Fotos gemacht wurden. Kindergarten, Grundschule, Mittelstufe, Abschlussball. Draußen am Fluss. Ich stocke und starre auf das Bild. Es ist das erste Bild, das mir bei den Anrufen angezeigt wird. Drei Jungen lachen fröhlich in die Kamera und nichts scheint ihnen das Leben verderben zu können. Minutenlang starre ich auf das Bild und frage mich, ob ich irgendetwas besonderes darauf erkennen kann. Irgendeinen Hinweis. Irgendetwas, das nicht dort sein sollte, aber ich kann nichts entdecken. Das Foto sieht genauso aus, wie sein Ebenbild, das in meinem Portemonnaie sicher aufbewahrt wird. Der einzige Beweis seiner Existenz, den ich vor meiner Mutter verstecken konnte, bevor sie das Foto zerstören konnte. Wobei sie nicht einmal die anderen Fotos zerstört zu haben scheint, so wie sie es gesagt hat. Wenn dieses Babyfoto noch existiert, dann ist die Chance groß, dass meine Mutter noch mehr Fotos bei sich trägt. Ich überlege, ob ich sie anrufen soll, aber dann fällt mir ein, dass es mitten in der Nacht ist und meine Mutter mir vermutlich etwas husten wird, wenn ich sie jetzt aus dem Schlaf reiße und ihr irgendetwas von wiederaufgetauchten Bildern erzähle, die rein zufällig auf einem Handy sind, das nicht mir gehört. Klingt unwahrscheinlich und ich bin mir sicher, dass ich mir selbst nicht glauben würde, wenn mir diese Geschichte gerade nicht selbst passieren würde.

Das Handy klingelt in dieser Nacht kein zweites Mal und als ich morgens aufwache, hätte ich es schon fast wieder vergessen, wenn es nicht weiterhin auf meinem Nachtschrank liegen würde und mir angezeigt wird, dass eine neue Nachricht eingetroffen ist. Ich öffne die Messenger-App.

Erinnerst du dich an den Fluss, an das Haus und an den Tag, als wir das letzte Mal zusammen waren?

Ja, schreibe ich zurück, denn das tue ich. Ich weiß noch, dass wir wieder Fangen gespielt haben, dass Tim zu der alten Hütte gerannt und einfach durch die Tür gelaufen ist, als sei gar nichts dabei. „Tim“, habe ich gerufen, mich aber nicht getraut auch reinzugehen. „Tim?“ Keine Reaktion. „Tim?“ Zehn, vielleicht fünfzehn Minuten später kam er wieder raus und tat, als sei alles wie immer, aber ich habe ihm angesehen, dass irgendetwas vorgefallen sein musste. Er hat mir nie gesagt, was er in dieser Hütte gesehen hat, aber es hat alles verändert, es hat ihn verändert. „Woher wissen Sie davon?“ Ich schreibe diese Nachricht und bin mir sicher, dass ich darauf keine Antwort erhalten werde. Bisher hat er mir auf keine meiner Fragen geantwortet. Wieso also sollte er es jetzt tun? Ich warte zehn Minuten, ich warte fünfzehn Minuten. Hello little Girl is your daddy home. Langsam gewöhne ich mich an diesen Song. „Hallo?“

„Du sollst die Antworten erhalten, die du suchst.“

„Wer sind Sie?“

„Ist es wirklich das, was du wissen willst?“

„Ja.“

„Bist du dir sicher?“

„Nein.“ Ich zögere. Worauf will er hinaus? „Woher wissen Sie von meinem Bruder?“

„Du fängst langsam an die richtigen Fragen zu stellen.“

„Antworten Sie mir. Woher wissen Sie von meinem Bruder? Woher wissen Sie von dem Fluss und der Hütte?“

„Dein Bruder war ein so lieber Junge.“

„Verdammt nochmal! Sie haben mir versprochen, dass ich Antworten bekommen werde. Also fangen Sie an zu reden!“ Ich schreie jetzt ins Telefon, aber das beeindruckt den Anrufer kein bisschen.

„Nur Geduld. Schon bald wirst du sie bekommen. Ich lege jetzt auf. Ich möchte, dass du dir jedes Bild noch einmal ganz genau ansiehst und wenn ich das nächste Mal zurückrufe, dann will ich eine Antwort auf die Frage. Hast du sie dir ganz genau angesehen?“

Noch bevor ich irgendetwas sagen kann, hat er auch schon wieder aufgelegt. Dieses Katz-und-Mausspiel macht mich wahnsinnig. Langsam glaube ich nicht mehr daran, dass es irgendein dummer Scherz von meinen Freunden ist. Nur wenige wissen überhaupt von meinem Bruder und keiner weiß von der Hütte und dem Fluss. Ich habe nie ein Wort darüber verloren. In dieser Hinsicht habe ich es wie mein Vater gehalten: Die Vergangenheit heißt so, weil sie vergangen ist.

Ich entschließe mich der Anweisung des Anrufers zu folgen und gehe jedes Bild noch einmal durch und gleich noch ein zweites Mal. Und ein drittes Mal. Worauf will dieser Irre nur hinaus? Ich starre auf ein Foto, das erst vor wenigen Wochen aufgenommen wurde. Ein Café ganz in der Nähe. Ich weiß noch, dass ich mich dort mit einem Freund treffen wollte, aber der hat kurz vorher abgesagt. Ich habe mir trotzdem eine heiße Schokolade und ein Stück Sachertorte gegönnt. Das ist es! Perplex starre ich auf das Bild und sehe es jetzt zum ersten Mal richtig. Die Person auf dem Foto sieht zwar aus wie ich, aber es fehlt die Sachertorte und der Winkel ist irgendwie komisch. Ich habe am Fenster gesessen und man sieht das Fenster auch auf dem Bild, aber während es eigentlich zu meiner Rechten hätte sein müssen, ist es hier auf meiner Linken. Dort habe ich nicht gesessen. Das ist unmöglich. Hat sich da jemand mit Photoshop zu schaffen gemacht? Es muss ein Trick sein, denn die einzige Person, die mir so ähnlichsieht, dass selbst ich darauf hereinfallen würde, ist nicht mehr am Leben. Tim ist tot. Das weiß ich genau. Irrtum ausgeschlossen. Das Handy klingelt. Ich hebe sofort ab. „Wie haben Sie das gemacht?“

„Was genau meinst du?“

„Wie haben Sie das Bild manipuliert.“

„Das habe ich nicht.“

„Aber das ist unmöglich. Er ist tot.“

„Bist du dir da sicher?“

„Ja, verdammt! Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Wir haben ihn beerdigt.“

„Bist du dir sicher?“

„Natürlich. Ich habe die Hütte doch …“

„Sprich ruhig weiter. Ich kenne dein Geheimnis. Du musst dich vor mir nicht verstecken.“

„Ich habe die Hütte doch selbst angezündet.“

Stille.

„Hallo?“

„Ich hätte nicht gedacht, dass du es zugeben würdest.“

Ich schweige, denn ich weiß nicht, was ich sagen soll. Jahrelang habe ich geschwiegen. Wenn man mich gefragt hat, habe ich gesagt, dass wir mit dem Feuerzeug gespielt haben und plötzlich hat alles in Flammen gestanden. „Irgendwelches altes Holz hat plötzlich Feuer gefangen. Ich bin rausgerannt, aber Tim hat es nicht geschafft.“ Niemand hat an meinen Worten gezweifelt. Man kennt doch Jugendliche, die mit Feuer spielen. Jugendlicher Leichtsinn und dabei ist einer der Brüder ums Leben gekommen. Es stand überall groß in den Zeitungen und sogar das Fernsehen war da. Immer wieder habe ich die Geschichte wiederholt, sodass ich irgendwann angefangen habe, sie selbst zu glauben. Zumindest fast. Denn im Gegensatz zu allen anderen, wusste ich wie es wirklich gewesen ist und das konnte ich eben nicht ganz verdrängen. „Ich habe ihn verbrennen lassen.“

„Wieso hast du das getan?“

„Nachdem er in dieser Hütte gewesen ist, ist er nicht mehr derselbe gewesen. Ich konnte nicht zulassen, dass er irgendjemandem wehtut. Ich musste ihn aufhalten.“

„Und warum hast du dann nie jemandem davon erzählt, was wirklich passiert ist, wenn du es doch nur zum Wohl aller gemacht hast?“

„Weil ich ihn getötet habe. Niemand hätte mir geglaubt.“

„Was ist damals in der Hütte passiert, Richard?“

„Das weiß ich nicht. Er hat es mir nie erzählt.“

„Was ist damals passiert?“

„Ich weiß es nicht!“

„Denk nach, Richard. Was ist damals passiert?“

„Nichts! Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen. Tim hat mir nie erzählt, was in dieser verdammten Hütte passiert ist. Er war nie wieder derselbe. Ich musste ihn aufhalten!“

„Wieso?“

„Er hat Bubble getötet.“

„Eure Katze?“

„Ja.“

„Wie hat er sie getötet?“

„Er hat ihr das Genick gebrochen, nachdem er sie immer wieder unter Wasser gedrückt hatte.“

„Woher weißt du das?“

„Ich habe ihn dabei erwischt.“

„Was hast du gemacht?“

„Ich habe ihn angeschrien.“

„Wo waren eure Eltern?“

„Nicht da.“

„Wieso hast du ihnen nichts gesagt?“

„Sie hätten mir nicht geglaubt.“

„Du hattest doch Bubble als Beweis. Wieso hast du ihnen nichts gesagt.“

„Weil er mich auch töten wollte, wenn ich etwas gesagt hätte.“

„Und Bubble? Was habt ihr mit ihr gemacht?“

„Sie im Garten vergraben.“

„Richard?“

„Ja?“

„Warum hast du nach meinem Tod nichts gesagt? Hattest du noch Angst vor mir?“

„Nein. Wieso bist du hier?“

„Weil du mich in dieser Hütte sterben lassen wolltest. Was ist damals in der Hütte passiert, Richard?“

„Nichts, ich weiß es nicht! Du warst in dieser Hütte. Du hast Bubble getötet, Du bist verbrannt in dieser Hütte.“

„Was ist damals passiert?“

„Das weiß ich nicht!“

„Wie ist Bubble gestorben?“

„Ich habe sie unter Wasser gedrückt und ihr dann das Genick gebrochen.“

One thought on “Draußen am Fluss

  1. Hallo Carly
    Wow! Ich bin immer noch geflasht, ungläubig, frustriert und begeistert von deinem Ende. Sehr fies – auf die positive Art! Das mit dem Song als Klingelton fand ich super. Hat sofort das Kopfkino starten lassen. Obwohl ich den Protagonisten dadurch in den ersten Sätzen als Frau vor Augen hatte 😅 Durch die Spannung war der Geschlechterwechsel aber gar nicht so störend, denn ich wurde einfach mit der Story mitgerissen. Dein Ende war wie schon gesagt spitze und auch dein Schreibstil war sehr angenehm zu lesen. Ich lass dir ein Herz da. LG Lisa

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