Anna1002Du hast eine neue Nachricht.

Sein Puls raste und auch seine Atmung wurde stetig schneller. Er merkte, wie ihm der Schweiß den Nacken und die Stirn runter tropfte, das gerötete Gesicht sich vor Anstrengung verzerrte. „Du schaffst das“, flüsterte er sich immer wieder zu, während sein dunkles Haar auf und ab wippte. Der junge Mann zog die Geschwindigkeit noch ein letztes Mal an, bevor er kontinuierlich wieder langsamer wurde. Keuchend strich er sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht und versuchte seine Atmung zu normalisieren. Das Piepen der Armbanduhr an seinem rechten Handgelenk riss ihn aus seiner Konzentration, auf dem Display stand: ‚Hallo Robin, gute Leistung! Weiter so!‘ Ohne darüber nachzudenken, wischte er die Meldung von seiner intelligenten Uhr. Er nahm noch ein paar tiefe Atemzüge und machte sich dann auf den Rückweg. Während er in die Richtung seiner WG ging, traf er auf viele Menschen, die auf ihre Uhren oder ihre Handys fixiert waren, kaum die Welt um sich herum wahrnahmen und alles um sich herum vergaßen. Sie lebten in einer Welt, die durch die Technologie und Vernetzung bestimmt wurde. Jeder besaß heutzutage ein Smartphone und die dazugehörigen Tracker, alles abgestimmt auf deine Merkmale und dein Leben. Auch Robin hatte eine intelligente Uhr, die seine Vitalität überwachte und ihn immer wieder daran erinnerte, sich mehr zu bewegen, besser zu ernähren und einen positiven Lebensstil zu führen. Gerade schaut er schaute gerade auf sein Handy und, prüfte die Statistik seines Laufes und postete ein Update in den sozialen Medien, um seine zahlreichen Follower auf den aktuellen Stand zu bringen.  ‚Du hast eine neue Nachricht, Robin‘, kündigte seine Uhr eine Textnachricht seiner Freundin an. Sie wartete schon in der WG auf ihn und wollte wissen, wann er endlich sein Sportprogramm beendet hatte und wieder zurückkommen würde. Er schüttelte den Kopf, denn sie machte das ständig. Ihm hinterherlaufen und ständig an seinem Rockzipfel hängen, doch irgendwie liebte er das an ihr. Das Gefühl gebraucht zu werden. Robin bog um die letzte Ecke und ging dann den Treppenaufgang zu einem Haus im Altbaustil hinauf. Er zog noch ein schmales Paket aus dem Briefkasten und sprang dann die Stufen bis zu seiner Wohnung hoch. ‚Willkommen Zuhause, Robin!‘, begrüßte ihn seine Armbanduhr. Er empfand die intelligente Technik als sehr praktisch, denn so konnte er ohne großen Kontakt in Hotels einchecken, Rezepte beim Arzt abholen, im Supermarkt an der Kasse bezahlen oder Onlinebestellungen aufgeben.

„Ich bin ja schon da“, rief er in die WG hinein, wohlwissend, dass seine Freundin ihn hören würde. Doch es kam keine Antwort aus seinem Zimmer. „Corinna?“, fragte er, während er seine Zimmertür öffnete. Leer. Niemand wartete auf ihn. Ungläubig zog er das Handy aus der Tasche und prüfte die Nachricht von Corinna, welche keine 10 Minuten her war. Also wo war seine Freundin jetzt hin? Robin durchsuchte die ganze Wohnung, aber diese war leer. Planlos ließ er sich auf sein Bett sinken und versuchte nun zum bestimmt zehnten Mal Corinna zu erreichen. Als sie wieder nicht ranging, rief er seinen Mitbewohner an. Aber auch er hatte Corinna heute nicht gesehen. Als er anfing ihre sozialen Medien zu durchsuchen, vibrierte das schmale Paket. Es lag neben ihm auf dem Bett und er hatte es bereits wieder komplett vergessen. Verwundert nahm er es in die Hand, da hatte es schon wieder aufgehört zu vibrieren. Er hielt sein Ohr an das Paket, hörte aber auch nichts aus dessen Inneren. Robin öffnete etwas zaghaft die zugeklebte Lasche und schüttelte den Inhalt auf sein Bett. Es war ein Handy. Viel kleiner als die Modelle, die er kannte. Es vibrierte wieder kurz auf. Nervös nahm er es in die Hand und sah, dass es Nachrichten waren, welche das Handy zum Vibrieren brachten. Mit einem Wischen über das Display entsperrte er das Telefon und bemerkte, dass auf diesem Handy viel weniger Apps waren als auf seinem eigenen. Lediglich die Nachrichten-App, die Galerie und eine Anwendung, um Anrufe zu tätigen. Keine anderen Apps waren auffindbar, also öffnete Robin die für Nachrichten App und sah sich die drei neuen Mitteilungen an. In diesen konnte er keinen Text finden, jedoch waren an jede Nachricht Fotos angehängt. Und als Robin jedes einzelne Foto öffnete, rutschte ihm mit jedem weiteren das Herz ein wenig weiter tiefer in die Hose. Es waren Kinderfotos von ihm. Auf dem einen sah man einen kleinen, blonden Jungen, der strahlend einen Schokoweihnachtsmann in der Hand hielt, das zweite zeigte ein lachendes Kind auf einer Schaukel und auf dem dritten erkannte Robin seine Mutter, in dessen Armen er als Baby lag. „Was zur Hölle?“, flüsterte er. ‚Ich habe dich nicht verstanden, Robin.‘ Als seine Uhr ihn aus dem Nichts heraus ansprach, bekam er eine Gänsehaut. Er hatte seine Uhr doch gar nicht angesprochen oder sie bedient? Wahrscheinlich war das ein Fehler in der Software. Das hatte bestimmt alles nichts zu bedeuten, weder das Verschwinden seiner Freundin noch dieses gruselige Handy. Vermutlich war Corinna nochmal einkaufen und das Handy mit den Fotos war ein blöder Scherz, den er nicht witzig fand. Er fuhr sich mit der Hand durch das immer noch verschwitzte Haare und musste über sich selbst lachen. Dass er sich direkt sorgte, sah ihm gar nicht ähnlich. Der junge Mann stand auf und ging ins Badezimmer, um erstmal eine heiße Dusche zu nehmen, damit er wieder einen klaren Kopf bekam.

Sein noch dampfender und tropfnasser Körper stand vor dem Spiegel im Badezimmer und während er sein neuestes Selfie akribisch bearbeitete, hörte er die vertraute Stimme seiner Uhr. Diese hatte er im Schlafzimmer abgelegt und dort liegen lassen. ‚Du hast eine neue Nachricht, Robin‘, wiederholte seine Uhr immer und immer wieder. Er hinterließ nasse Fußspuren, als er in ein Handtuch gehüllt zurück in sein Zimmer sprintete. „Ich habe doch die Benachrichtigungen ausgestellt“, fluchte er zu sich selbst, während er die Uhr wieder anlegte. Genervt wischte er über den Bildschirm an seinem Handgelenk. Er stapfte gedankenverloren zurück ins Badezimmer, ohne sich weiter um die neuen Nachrichten zu kümmern. „Hey Robin, bist du da?“ Raffael kam in die Wohnung und ließ die Tür lautstark ins Schloss fallen. „Hey, schon Feierabend?“, fragte Robin während er aus dem Bad kam, inzwischen angekleidet und nicht mehr tropfend. „Ja, schon. Was ist denn hier los? Der Boden ist komplett nass. Ach und hast du Corinna inzwischen erreicht?“ Raffael zog sich die Jacke aus und schaute verwirrt auf die nassen Fußspuren, während die beiden in die Küche gingen. „Ne, aber die ist bestimmt einkaufen oder unterwegs und hat vergessen mir Bescheid zu geben.“ Er nahm sich eine Cola aus dem Kühlschrank und lehnte sich gegen die Arbeitsplatte. „Meinst du? Das klingt so gar nicht nach ihr.“ Raffael schaute ihn besorgt an, besorgter als er selbst sich fühlte. „Wahrscheinlich sehe ich das zu entspannt, du hast Recht. Aber was soll ich machen? Mehr als Anrufen kann ich sie auch nicht.“ Er nahm einen Schluck aus der Flasche und dann fiel ihm wieder die Benachrichtigung auf seiner Uhr ein. Ohne ein weiteres Wort zu seinem Mitbewohner ging er in sein Zimmer zurück und nahm sein Handy vom Bett. Keine neuen Nachrichten, aber seine Uhr hatte ihm doch angezeigt, dass… Ihm fiel es wie Schuppen von den Augen. Das Handy aus dem Paket. Robin hatte das Handy vorhin in seiner Verwirrung auf seinen Nachtschrank gelegt und nahm es nun in die Hand. Tatsächlich, es zeigte eine neue Nachricht. Wieso war seine Uhr mit dem fremden Handy verbunden? Robin öffnete die neue Nachricht, wieder kein Text, sondern ein Foto. Von ihm. Mit Corinna. Das Foto musste ein paar Wochen alt sein, denn Corinna hatte inzwischen kurze Haare und nicht mehr die langen Locken wie auf diesem Foto. Dieses Bild zeigte die beiden beim Sex. In ihrem violett gestrichenen Schlafzimmer. Robin keuchte auf – was sollte das? Woher kamen diese Fotos? Und wo war Corinna?

Klick. Klick. Klick. Er schoss immer mehr Bilder. Von ihm mit seiner Freundin. Von ihm allein. Von seiner Freundin mit ihren Freundinnen, aber vor allem von ihm. Von Robin. Beim Sport, beim Essen, beim Einkaufen, beim Leben. Beweise, er brauchte mehr Beweise! Deswegen die Fotos. Was sprach mehr als 1000 Worte? Seine Fotoausrüstung hatte ein halbes Vermögen gekostet, aber nur mit seinem Handy konnte er nicht so nah heran wie er wollte. Wie sollte er sonst in sein Leben kommen? Klick. Klick. Klick. 

‚Du hast eine neue Nachricht, Robin.‘ Innerhalb von drei Stunden kamen in regelmäßigen Abständen Fotos auf seinem Handy ein. Es waren Fotos von Robin als Jugendlicher, von ihm mit Corinna, von ihm allein in seiner WG. Viele Foto zeigten das Paar in Corinnas Schlafzimmer. „Warum gehst du nicht zur Polizei? Corinna ist immer noch spurlos verschwunden und gemeldet hat sie sich bislang auch nicht.“ Raffael holte ihn aus seinen Gedanken herausund vor Schreck ließ er fast das fremde Handy fallen. Er steckte es in seine Hosentasche, die Fotos musste er seinem Mitbewohner nicht auch noch unter die Nase reiben. Raffael schob Panik. Zurecht. Robin hatte auch Angst, aber eine andere als die, die Raffael empfand. „Ich geh mal eine Runde um den Block und schau mal, ob ich sie im Supermarkt oder drüben im Park finde.“ Raffael sah verwirrt aus. „Geh zur Polizei, Mann!“ Robin hatte aber in diesem Moment schon die Haustür hinter sich zugezogen.

‚Du hast eine neue Nachricht, Robin.‘ Er zog schon instinktiv das fremde Handy aus der Tasche und schaute auf das Display. Eine neue Nachricht. Er öffnete das neue Foto und ihm gefror das Blut in den Adern. Das Bild zeigte ihn wie er vorhin, mit Handtuch bekleidet und tropfend, in seinem Schlafzimmer die Uhr anlegte. Er wurde anscheinend gestalkt. Aber warum? War es einer seiner zahlreichen Follower? Dieser Verfolger hatte bestimmt etwas mit Corinnas Verschwinden zu tun. Er zog sein eigenes Handy aus der Tasche und versuchte erneut Corinna anzurufen. „tuuuuut…tuuuuuut…tuuuuut…klack…h-h-hallo?“ – „Corinna? Geht’s dir gut? Wo bist du?“ Robin bekam eine Gänsehaut. Corinnas Stimme war irgendwie so weit weg.  „Robin…“, sie schluchzte. Und irgendwie gab es einen eigenartigen Widerhall im Hintergrund. „Du hast eine neue  Nachricht, Robin.“ Bevor er reagieren konnte, legte sie wieder auf. Scheiße, was war hier gerade nur los?

Klick. Klick. Klick. Es fiel ihm nicht schwer, sich in die Software einer intelligenten Uhr zu hacken, er hatte ja immerhin genug Zeit gehabt, sich damit zu beschäftigen. Kaum hatte er es geschafft, konnte er alle GPS-Daten von Robin auslesen. Und ein letzter Maus-Klick ließ ihn jedes mobile Gerät mit Robins Uhr verbinden. Klick. Klick. Klick.

Robins Uhr hörte nicht mehr auf, ihn auf neue Nachrichten hinzuweisen. Inzwischen kamen im Minutentakt Fotos von ihm. Einige Fotos zeigten ihn mit seinem ehemaligen besten Freund und Corinna, auf den meisten war er jedoch allein zu sehen. Er fröstelte, als er auf der Parkbank die einzelnen Fotos nochmal durchging. Und ihm fiel auf, dass ein Großteil der Bilder sich in Corinnas Schlafzimmer abspielten. Der Verfolger musste vom dem Wohnblock parallel zu Corinna’s diese Bilder geschossen haben. „Fuck“, fluchte er, als er sich auf den Weg machte, um das Haus gegenüber ihrer Wohnung unter die Lupe zu nehmen.

Er rannte die Treppen des Hauses hinauf. Er hätte sich denken können, dass dieser Typ in dem Haus gegenüber von Corinnas Wohnung lebte oder sich wenigstens versteckt hielt. Immerhin waren viele Fotos von ihnen in ihrem Schlafzimmer. „Wo steckst du?“, brüllte er feindselig durch das Treppenhaus. Im obersten Stockwerk angekommen sah er eine angelehnte Wohnungstür. Ohne großartig darüber nachzudenken stürmte er diese Wohnung. Sie war leer, komplett ohne Möbel. In dem Raum, der wohl eine Küche sein sollte, standen ein Feldbett und ein Campingkocher. Ein kalter Windzug ging durch die kahlen Räume, während Robin aufgebracht durch die Zimmer rannte. Und dann sah er es. Fotos von ihm, heimlich aufgenommene oder Fotos von seinen sozialen Medien ausgedruckt und die Wände dieser Wohnung damit tapeziert. ‚Du hast eine neue Nachricht, Robin.‘ – „WAS WILLST DU?“, Robin riss sich die Uhr vom Handgelenk und warf sie quer durch den Raum. Aber das ließ seine Uhr nicht verstummen.

‚Du hast eine neue Nachricht, Robin. Du hast eine neue Nachricht, Robin. Du hast eine neue Nachricht,  Robin. Du hast eine neue Nachricht, Robin. Du hast eine neue Nachricht, Robin. Du hast eine neue Nachricht, Robin. Du hast eine neue Nachricht, Robin. Du hast eine neue Nachricht, Robin. Du hast eine neue Nachricht, Robin. Du hast eine neue Nachricht, Robin. Du hast ein neues Leben, Aaron.‘ 

 

„W-was?“ Verwirrt blinzelte er in die Richtung seiner Uhr. „Woher…?“ Er wusste nicht mehr was hier passierte und in welchem Film er sich  befand. Das Handy vibrierte und er zog es aus seiner Tasche. „Endlich. Endlich habe ich dich da, wo ich dich haben wollte.“ Die Stimme war tief und kratzig, so als ob der Anrufer nächtelang nicht mehr geschlafen hätte. „Wer bist du? Was willst du? Wo ist Corinna?“ Robins Stimme überschlug sich. „Robin, erkennst du mich denn nicht?“ Vom anderen Ende kam ein quakendes Lachen. Robin sah sich um, die Wohnung war leer, wo versteckte er sich? „Oder sollte ich besser fragen: Aaron?“ Sein Blut gefror in seinen Adern. Er stürzte zu dem Fenster und blickte hinüber in die Fenster der Nachbarhäuser, nicht imstande etwas zu antworten. „Da wunderst du dich jetzt aber, dass jemand hinter dein ekelhaftes Geheimnis gekommen ist. Hast du ernsthaft gedacht, es merkt niemand?“ – „Woher kennst du meinen Namen?“ Er war wie ausgewechselt. Sein Blick wurde starr und sein Körper spannte sich an. Er stützte sich auf eine der tiefen Fensterbänke und lauschte in das Telefon. „Wer bist du und was willst du von mir?“ Vom anderen Ende der Leitung kam ein heiseres Kichern. „Jetzt bist du also wieder du. Aaron, meinst du, es hätte niemals jemand gemerkt, wer du bist?“ Genervt fuhr sich Aaron mit der Hand durch die Haare. „Eigentlich nicht, Robin hatte nicht den größten Freundeskreis und seine Familie lebt in der Schweiz, wer hätte es merken sollen? Ich sehe ihm ähnlich genug für entfernte Bekannte. Online ist durch Videobearbeitung und künstliche Intelligenz doch sowieso alles möglich.“ Er warf einen Seitenblick auf die Fotos an den Wänden. „Du hast ihn getötet.“ Die Stimme am anderen Ende war nur noch ein Flüstern geworden, so als ob der Anrufer Angst gehabt hätte es auszusprechen. „Was hätte ich machen sollen? Robin hatte alles. Ein tolles Leben, genug Geld in der Familie, Stipendien ohne Ende.“ Aaron erhob sich und schritt auf und ab. Genervt schob er die Ärmel hoch. „Ihr wart Freunde, Aaron. Ihr wart verdammte Freunde!“ Der Anrufer atmete schnaubend aus. „Ihr kanntet euch und du hast ihn einfach umgebracht, um sein Leben als dein eigenes auszugeben!“ So ausgesprochen klang das nun doch etwas sehr hart. Robin und Aaron kannten sich über die sozialen Medien. Robin war ein großes Vorbild für Aaron, schon seit Jahren gewesen. „Robin war unglücklich, er war einsam. Er hatte nur mich, sonst niemanden. Er wollte dieses Leben gar nicht mehr.“ Aaron hörte Schritte auf den Treppen draußen. Er hatte noch genau die Nachrichten vor Augen, die Robin ihn an jenem Tag geschrieben hatte. „Oh, doch. Er hatte noch jemanden. Und zwar mich. Ich habe ihm immer zugehört, habe sein Leben verfolgt.“ Die Schritte auf den Treppen kamen näher. Hektisch blickte sich Aaron um, doch er sah keinen Ausweg, außer aus dem fünften Stock zu springen. „Wir kannten uns nur über das Internet, aber wir waren uns so nah. So nah wie noch nie jemand Robin war. Und du hast ihn mir weggenommen. Du lebst sein Leben.“ Immer noch mit dem Handy am Ohr lief er jetzt durch die Wohnung und versuchte einen Ausweg zu finden. Sein Anrufer schien ein wahnsinnig gewordener Follower von Robin zu sein. Aaron selbst kannte das Gefühl zu gut, jemanden über sein Onlineprofil anzuhimmeln. Der Unterschied zwischen ihm und dem Anrufer war nur, dass Aaron zu seinem Idol geworden war. „Nur weil du den Wohnort und das Studienfach gewechselt hast, denkst du, niemandem fällt auf, dass du nicht Robin bist.“ – „Es hat bisher sehr gut geklappt. Selbst seine zahlreichen Follower haben nichts gemerkt. Checkst du es nicht?“ Aaron schloss sich im Badezimmer ein. Die Schritte aus dem Treppenhaus waren nun vor der Wohnungstür zum Stehen gekommen. Aaron hörte ein Kratzen an der Badezimmertür. Ein furchtbares Kratzen, wie von einer hungrigen Katze erzeugt. „Ich habe jeden deiner Schritte zurückverfolgt, Aaron.“ Der Anrufer stand direkt vor der Badezimmertür. „Und was willst du jetzt tun? Du kannst mir nichts nachweisen! Ja, ich habe Robin erdrosselt und dann seine Leiche verbrannt, aber du kannst nichts beweisen. Wir sahen uns sowieso schon so ähnlich, die paar Anpassungen an meinem Gesicht waren nichts mehr, was kein Arzt oder Technik mehr regeln konnte.“ Stille. Vom anderen Ende der Tür hörte Aaron nichts mehr. Er atmete einmal tief ein und stieß die Tür schwungvoll auf. Er blickte in das Wohnzimmer, welches am Ende des Flurs lag. Dort stand nicht nur eine Person. Sondern gleich zwei. Raffael und Corinna. Aaron ging auf die beiden zu. „Uns war direkt klar, das mit dir was nicht stimmte. Und dann haben wir herausgefunden haben, dass du dich für jemand anderen ausgibst.“Corinnas Gesichtszüge waren hart, fast versteinert. „Durch deine Video- und Bildbearbeitung ist es online niemandem aufgefallen, selbst wir haben nichts bemerkt, dass du eigentlich ein anderer bist. Ein Mörder.“ Fassungslosigkeit stand Aaron ins Gesicht geschrieben. „Alles, was du wolltest, war Aufmerksamkeit und das um jeden Preis.“ Raffael deutete auf die Fotos. „Es war verdammt viel Arbeit, deine Vergangenheit ausfindig zu machen und damit zu beweisen, dass du schon immer so sein wolltest wie Robin. Auf so vielen alten Profilen von dir gab es viele von dir bearbeitete Bilder, sodass es so aussieht, als ob du mit Robin gemeinsam unterwegs bist. Du wolltest um jeden Preis genauso sein.“ Mit diesen Worten setzten die Sirenen auf der Straße ein und Aaron sah das Blaulicht immer näherkommen.

‚Du hast eine neue Nachricht, Aaron.‘

5 thoughts on “Du hast eine neue Nachricht.

  1. Liebe Anna,
    von der ersten Zeile an war ich in deiner Geschichte „drin“ und „habe“ mitgefiebert. Das lag zum einen an deinem sehr flüßigen Stil und zum anderen an deinem sehr durchdachten roten Faden. Wahnsinnig gut, wie du deine Übergänge zwischen den Sätzen schaffst. Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung … ja, das beherrscht du enorm gut. Und deine Idee mit den Kinderfotos ist sehr kreativ, die mir hier noch nicht begegnet ist.
    Ganz toll wie du die aktuelle Problematik des „Seins und Scheins“ der Fotos in den Profilen der sozialen Medien thematisierst. Tja, und jetzt muss deine Hauptperson für den Diebstahl seine Strafe verbüßen. Sehr gut! Mein Herz ❤ hast du.

    Vielleicht hast du auch Lust, meine Geschichte „Happy birthday“ zu kommentieren. Ich finde es immer sehr spannend, was die anderen fleißigen Schreiber/innen denken.
    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/happy-birthday

    Sonnige Grüße aus Düsseldorf,
    Martina

  2. Du hast einen neuen Kommentar.. :o)

    So eine Mail solltest Du jetzt bekommen haben. Die Abhängigkeit von sozialen Medien und die Anpassung der Menschen auf eben diese virtuelle Welt hast Du gut skizziert. Likes sind heute wichtiger für manche als alles andere..

    Das Ende ist mir persönlich etwas zu schnell konstuiert, aber das ist eine Kleinigkeit, die hier fast allen inkl. mir passiert ist. Deine Geschichte hat mir gut gefallen und ich lasse Dir auch sehr gern mein Like da! (passend, hm?)

    LG Chris
    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/identitaet-6

  3. Moin Anna,

    ne tolle Kurzgeschichte die du dir da ausgedacht hast.

    Social Media und die Abhängigkeit von der Technik! Guter Plot und sehr gut erzählt. Den Parameter mit einer Smartwatch zu verbinden, hat mir gut gefallen. Deine Geschichte hat ein angenehmes Tempo und dein Schreibstil ist sehr flüssig.

    Passend zu deiner Storie, lass ich dir gerne ein Like da und wünsche dir alles Gute für’s Voting.

    LG Frank aka leonjoestick ( Geschichte: Der Ponyjäger)

  4. Hallo Anna

    Ich mach es mal kurz.

    Ich mag deine Story total, und ich mag deinen Schreibstil sehr.

    Besonders gelungen fand ich das Finale.

    In dir schlummert noch sooo viel Erfolg, Talent und Können.

    Gib niemals auf.

    Meine Stimme, mein Like hast du natürlich sicher.

    Herzliche Grüße aus dem Münsterland.

    Pass auf dich auf.

    Swen Artmann (Artsneurosia)

    Vielleicht hast du ja Lust und Zeit, auch meine Story zu lesen.
    Meine Geschichte heißt:

    “Die silberne Katze”

    Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir einen kleinen Kommentar zurück lassen würdest.

    Danke, Swen

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