lisa.sarah1992Falsches Spiel

Falsches Spiel 

 

Als Maja erwachte, hatte sie das Gefühl, einen so tiefen Schlaf gehabt zu haben, dass sie erst einmal nicht mehr zu wissen schien, wo oben und unten war. Durch die Jalousien fiel das klare und grelle Licht in das Zimmer und ließ die Gardinen in einem wunderschönen, hellen Weiß erstrahlen. Die tiefblauen Seen und intensivgrünen Wälder, die andauernde Helligkeit und die abendlichen Rot- Töne des Himmels gaben dem Sommer hier im Norden ein nahezu magisches Flair und erzeugten eine malerische Kulisse. Wenn die Sonne kaum unterging, und das Land jeden Abend in ein goldenes Licht getunkt wurde.  

Der Unterschied zwischen Sommer und Winter war in Finnland ungefähr so groß wie zwischen Himmel und Hölle. Während sich im Winter die Dunkelheit und die Kälte wie eine massive Decke über das Land legte, die Menschen sich in ihre warmen Wohnungen zurückzogen und die Depression und die Einsamkeit, aber auch der hochprozentige Alkohol seinen Weg in die Herzen der Leute fand, explodierte im Sommer geradezu das Leben.

Es war, als erwache das Land aus seinem deprimierenden Winterschlaf, es wurde überall gefeiert, alle waren draußen, die Cafés, Restaurants und Clubs waren voll, die Menschen waren sozialer, gesprächiger und offener. Sie saßen in den Parks und grillten, oder blieben die Nächte auf ihren Booten am Wasser und tranken. Von Juni bis Ende August fand hier das Leben statt, bis der Herbst wieder kam und wie eine Straßenkehrmaschine die Menschen in ihre Wohnung fegte. 

 

          Sie lag auf dem Bauch und hatte das Gefühl, eine Ewigkeit geschlafen zu haben. Sie warf einen Blick auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand, es war 8: 22 Uhr an einem Samstagmorgen. Wie lange war es schon her, dass sie das letzte Mal eine Nacht durchgeschlafen hatte? Es fühlte sich so an, als hätte sie in dieser Nacht den ganzen Ballast abgeworfen, das ganze Drama endlich hinter sich gelassen, und die ganze Schwere der letzten Monate nun ein für alle Mal abgelegt. Ihr Schlaf war nahezu komatös gewesen. Sie schlief seit Monaten mal wieder so tief und fest, dass sie schon fast den Glauben hegte, im Schlaf ohnmächtig gewesen zu sein.  

Irgendwie hatte die Scheidung sie doch wirklich Kraft gekostet. Sie lebte zwar seit wenigen Monaten in einer neuen Beziehung, und obwohl Jussi und sie sich schon vor einem Jahr getrennt hatten, brachte so eine Scheidung doch alle möglichen organisatorischen Sachen mit sich, und es dauerte, bis alles komplett über den Tisch war. Es hatte sie emotional wirklich mitgenommen, das konnte sie nicht abstreiten, immerhin waren Jussi und sie acht Jahre zusammen gewesen. Sie war sich so sicher gewesen, dass er der Mann fürs Leben war. Und ehe sie sich versah, war sie 32 und wieder Single. Jetzt hatte sie zwar Max, aber es war trotzdem etwas anderes.

Gott sei Dank hatte sie ab heute für drei Wochen Urlaub, und den benötige sie auch mehr als dringend. 

 

Es war schon zerstörend, wie schnell sich Dinge in so kurzer Zeit ändern konnten. Wie schnell Beziehungen oder Freundschaften zu Ende gehen konnten, wie schnell man Menschen verlieren konnte, oder wie schnell sich Lebensumstände auf einen Schlag änderten. Es stimmte schon, wenn man sagte, dass man sich jahrelang etwas aufbaute, aber ein kurzer Moment genügte, um alles wieder umzuwerfen. 

Man konnte Menschen wohl jahrelang kennen, ohne sie dann doch wirklich zu kennen. 

Seit knapp drei Monaten waren sie und Max nun zusammen. Sie lernten sich in einer Bar in der Innenstadt kennen, als sie mit ihren Freundinnen unterwegs war. Er war zwei Jahre jünger als sie, Immobilienmakler, sehr groß, hatte blonde Haare, war an beiden Armen tätowiert und verbrachte seine Freizeit größtenteils mit Skaten oder Snowboarden. Optisch das komplette Gegenteil von Jussi, der im Alltag eher in Hemden als in Skaterpullover und Mütze rumlief. Generell war Max wesentlich entspannter, und genau das liebte sie so an ihm, genau so jemanden brauchte sie, auch als Ausgleich zu ihrem Job, der viel von ihr abverlangte. 

              Sie stand auf, schlüpfte in ihre Hausschuhe, ging zum Fenster, zog die Jalousien nach oben, die Gardinen zur Seite und öffnete das Fenster. Der Himmel erstrahlte in seinem intensiven Blau, eine herrlich kühle Luft strömte sofort in das Zimmer und sie atmete tief ein und aus. Sie spürte, wie die kalte Luft in ihre Lungen drang und in ihr die Lebensgeister weckte. Es war ein herrlicher Sommermorgen. 

 

Sie lief in die Küche und setzte sich Kaffee auf. Während er durchlief, ging sie ins Bad, zog sich schnell ihre Jogginghose und einen Pulli an, die da noch rumlagen, schnappte sich die Schlüssel von der Kommode neben der Haustür und ging schnell eine Etage nach unten, um die Post aus ihrem Briefkasten zu holen. Gestern hatte sie komplett vergessen, hinein zu schauen, als sie abends von der Arbeit nach Hause kam, dabei erwartete sie ein paar wichtige Unterlagen vom Amt. Normalerweise hatte sie immer schon um 12 Uhr Feierabend gehabt, aber gestern hatten sie im Anschluss an die Sendung noch eine interne Weiterbildung mit einem Moderationscoach aus Oslo gehabt, weshalb sie erst abends um 18 Uhr nach zwölf Stunden Arbeit tot müde in ihre Wohnung nach Lauttasaari zurück kehrte.  

         Sie war völlig erledigt gewesen von der Woche. Matti, ihr Chef, hatte mal wieder völlig unüberlegt aus irgendeiner Laune heraus gehandelt und irgendwelche Änderungen vorgenommen, die für keinen anderen so wirklich nachvollziehbar und sinnvoll erschienen. Nicht selten führten seine Beschlüsse zu Fehlentscheidungen und Missverständnissen. Es gab Tage, da lobte er alles und jeden in den Himmel, um am nächsten Tag das ganze Konzept wieder umzuwerfen. Man wusste nie, was einen am nächsten Tag erwarten konnte.  Es war unglaublich anstrengend gewesen, mit ihm zu arbeiten, und Maja sehnte sich immer mehr nach ihrem alten Chef zurück.

Matti war erst seit knapp einem Jahr ihr Vorgesetzter, machte aber einen deutlich mieseren Job als sein Vorgänger. Mikko Rajala war wirklich kompetent und zudem sehr herzlich und ruhig gewesen, aber nachdem sein Alkoholmissbrauch öffentlich bekannt wurde, wurde er fristlos gekündigt. Es musste schnell jemand Neues her, und offensichtlich ließ sich dafür kein besserer finden als Matti. Keiner im Sender hatte Bescheid gewusst über Mikkos Geheimnis, es schlug ein wie eine Bombe, denn es war ihm wirklich gut gelungen, es über einen langen Zeitraum hinweg zu verbergen. Und Krankheit hin oder her, er war immer ein liebenswerter und herzlicher Mensch gewesen, und hatte seinen Job bis zum letzten Tag trotzdem gut gemacht, das musste man ihm lassen. Er war äußerst kompetent und hatte ein herausragendes Gespür dafür, worauf es bei der Sendung ankam, was eine gute Moderation ausmachte und was die Leute sehen wollten. Dank seiner Leitung erfreute sich sie Sendung schon seit Jahren an großer Beliebtheit und galt es beste Morgensendung Finnlands. Maja hatte bei ihm immer das Gefühl gehabt, unglaublich viel dazu zu lernen. Abgesehen von seiner Krankheit hielt sie wirklich viel von ihm. Er war immer fair und freundlich geblieben,  die Ruhe selbst, auch wenn es mal Komplikationen gab. Sowohl intern als auch extern hörte man nie ein schlechtes Wort über ihn,  und so gut wie jeder pflegte zu ihm ein gutes Verhältnis. Seine Kündigung war ein großer Verlust gewesen. 

Seit gut zwei Jahren moderierte Maja mit Mikael zusammen den Morgen auf Yle Suomi. Sie liebte ihren Job wirklich, vor allem im Sommer, wenn sie am Wasser saßen und von draußen moderierten. Zugegeben fiel es ihr im Winter wesentlich schwerer, wenn sie um vier Uhr morgens aufstehen musste, um gegen fünf Uhr in der Maske zu sitzen und um sechs Uhr die Sendung zu beginnen. Aber nichts desto trotz war es ihr Traumjob gewesen. Sie war ein Morgenmensch, eine Frohnatur, und war bekannt dafür, immer für einen guten Lacher zu Sorgen und mit ihrer witzigen und natürlichen Art gute Laune zu verbreiten. Es war ihr Job, die Menschen gut gelaunt in den Tag zu begleiten. Sie liebte es, und die Leute liebten sie, den Morgen mit Maja und Mikael. Sie fand es spannend, ständig neue Menschen treffen zu dürfen, mit ihnen zu reden, sich auszutauschen, und die Zuschauer über das aktuelle Geschehen im Land auf dem Laufenden zu halten. Langweilig wurde ihr Beruf wirklich nie. 

            Aber Matti machte es ihnen allen momentan schwer. Meistens hatte er selbst irgendwann keinen Überblick mehr, was er nun wollte oder nicht, was man sagen durfte und was nicht, und egal was man tat, es war am Ende immer falsch. Er war für seine mürrische Laune bekannt. Wenn man in sein Büro trat, empfing einen die Lebensfreude höchstpersönlich –  ein dicklicher, älterer, relativ großer Mann mit Glatze und einer eckigen, schwarzen Brille, einem Ohrring im rechten Ohr, immer im Anzug, und so gut wie immer bis zum äußersten Anschlag gereizt. Die Mundwinkel stets nach unten hängend, einem starren und frustrierten Blick, und ein Lächeln bekam man ungefähr so oft zu sehen wie die Sonne im Winter. 

Trotzdem war es nicht schwer zu erkennen, dass hinter dieser Person ein zutiefst verunsicherter, schüchterner und verzweifelter Mann saß. Matti war kein Unmensch, er hatte einen weichen und verletzlichen Kern, davon war Maja überzeugt, aber er stand in einem extrem großen Konflikt mit sich selbst, das merkte man. 

 

Als sie raus zu den Briefkästen ging, fröstelte sie kurz, es war doch noch recht frisch an diesem Morgen. Egal wie warm es im Sommer tagsüber werden konnte, es war nicht unüblich, dass es tagsüber 27 Grad waren und morgens und abends 8. 

     Sie öffnete den Briefkasten und nahm ihre Post heraus, aber da war noch etwas anderes. Ein Handy. Ein Handy? Hatte sich jemand am Briefkasten geirrt und wollte einer Person das Handy zurück bringen? Sie drückte auf den Homebutton. Das Hintergrundbild bestand aus einem Text. 

Liebste Maja. Geh auf Nachrichten. Und dann gehe auf Galerie. Alles Weitere erfährst du dann. 

Was war das denn? Es war also doch an sie. Eine Überraschung? Von Max? Sie schloss den Briefkasten, ging wieder ins Haus, rannte die Treppen nach oben in die erste Etage und schloss ihre Wohnungstür auf. Die Wohnung war warm und duftete nach frischem Kaffee. Sie warf ihren Schlüssel auf die Kommode, stürmte in die Küche und setzte sich an den Esstisch.

Sie ging auf Nachrichten. 

Maja meine Liebe! Dieses Handy habe ich dir gegeben, damit wir in Ruhe kommunizieren können. Damit du meinen Anweisungen jederzeit Folge leisten kannst und ich dich über das weitere Vorgehen informieren kann. Ich hätte ja nie gedacht, dass die private Maja am Morgen so drauf ist. Die attraktive, beliebte Frau vom Fernsehen. Jetzt geh auf Galerie. 

 

Ihr Herz pochte wie wild, als sie auf Galerie ging. Die Kaffeemaschine gab ein lautes Zischen von sich. Das tat sie immer, wenn der Kaffee durch war. Aber an Kaffee war jetzt nicht zu denken. 

     Sie glaubte nicht, welcher Anblick sich ihr dort bot. Es waren Fotos von ihr. Ihre Hände fingen an zu schwitzen und ihr wurde schwindelig. Sie öffnete die einzelnen Fotos nacheinander und schaute genauer hin. Auf den Selfies war sie wirklich gestochen scharf zu erkennen. Ihr wurde schlecht. Diese Person sah exakt aus wie sie, aber sie war es nicht. Wenn sie solche Selfies gemacht hätte, könnte sie sich ja dran erinnern. Meistens schaute sie relativ ernst, und auf den wenigsten lächelte sie leicht. Auch den Hintergrund kannte sie nicht. Es war nicht nur eine starke Ähnlichkeit, nein, sie sah wirklich haargenau aus wie Maja. Die Haare, die Gesichtsform, die Augen, die Nase, der Mund, die Augenbrauen, einfach alles. Aber sie war es nicht. Sie war nicht die Frau auf den Selfies. Sie klickte auf „zurück“ und kam wieder zur Übersicht der Bilder. Sie scrollte ein wenig runter und sah, dass auch mehrere Videos drauf waren. Sie klickte direkt das erste Video an. Es zeigte eine schöne, helle, geräumige, elegante Wohnung – Clean, klassisch, modern, top aufgeräumt. Die Kamera war offensichtlich heimlich installiert worden, der Winkel fiel von weiter oben, aber nicht von der Decke. Vielleicht aus einem Regal? Aus einem Schrank?  Sie hatte diese Wohnung nie gesehen. 

       

Irgendwas in ihr sträubte sich, das Video überhaupt anzuschauen. Aber sie musste es tun, und zwang sich, es von Anfang bis Ende anzuschauen. Das Aufnahmegerät war so positioniert, dass die ganze Küche und das angrenzende Wohnzimmer im Bild waren. Rechts im Bild erkannte man noch eine Tür, was danach kam, war nicht mehr drauf, und links konnte man noch einen Balkon erkennen, der an das Wohnzimmer angrenzte. Die Bildqualität war hervorragend, gestochen scharf, nur der Ton hätte besser sein können.

Am Anfang lief die Frau, die wie Maja aussah, ins Bild, wenig später folgte ein gut aussehender, blonder großer Mann im Anzug.  Sie waren beider sehr schick angezogen, sie schienen also gerade nach Hause gekommen zu sein. Lebten sie zusammen? 

Wer war diese Frau? 

Maja drückte auf Stop und stand auf, schnappte sich ein Glas und füllte es mit Leitungswasser. Ihr Mund war staubtrocken. 

Sie setzte sich wieder hin und drückte auf Play, weiter ging es. Die beiden unterhielten sich in der Küche, während die Frau zwei Gläser Weißwein einschenkte. Draußen war es bereits dunkel. Worüber sie redeten, das konnte man allerdings kaum verstehen, nur ein paar vereinzelte Wörter. Sie schienen sehr vertraut miteinander. Sie hatte ein sexy schwarzes, enges Kleid an, das ihre gute Figur betonte. Es endete kurz über dem Knie, war aufreizend, mit tiefem Ausschnitt, aber trotzdem stilvoll und perfekt in Szene gesetzt. Sie hatte definitiv Geschmack. Ihre hellblonden Haare fielen ihr glatt über die Schultern, und sie trug roten Lippenstift, das war deutlich zu erkennen. Dazu trug sie schwarze High Heels. Sie hatte sich offensichtlich herausgeputzt. Die beiden lachten und schienen sich gut zu amüsieren. Maja spulte vor. Eine Weile passierte erst mal gar nichts. Sie redeten. 

    Auf einmal packte der Mann sie, hob sie auf die Kücheninsel, die sich in der Mitte der Küche befand, zog ihr Kleid nach oben und riss ihr die Strumpfhose auf. Die Frau lehnte sich nach hinten, stütze sich auf ihre Unterarme und schaute ihn fordernd an. Er machte hektisch seine Hose auf und begann sie zu vögeln. Seine Hand packte ihren Hals. Maja spulte vor. Dann war es vorbei. Er hielt kurz inne, lehnte sich zu ihr herunter, dann nahm er sein Weinglas, lief zur Couch, und setzte sich mit offenem Hemd und Boxershorts hin. Die Frau bewegte sich von der Küchentheke herunter, zog ihre zerrissene Strumpfhose und ihre Schuhe aus, die sie noch angehabt hatte, und zog anschließend ihr Kleid nach unten. Sie ging zum Schrank, nahm zwei Gläser heraus und füllte sie mit Whiskey. Dann nahm sie ein kleines Fläschchen, das auf der Theke stand, und kippte etwas davon in eines der Gläser. Sie ging zu ihm rüber, gab ihm das Glas, in dem die Tropfen waren, fasste ihm liebevoll durchs Haar und setzte sich neben ihn. Sie prosteten sich zu, tranken einen Schluck und redeten weiter. Es ging um ein Kreuzfahrtschiff….Griechenland…stressig…August…fliegen…Wenig später nickte der Typ ein. Wie ein nasser Sack sank er in sich zusammen. » Na endlich «, sagte die Frau laut, lehnte ihn nach hinten auf die Couch, ging zu einer Schublade, nahm Schere und Panzertape heraus, und fesselte seine Füße zusammen und seine Handgelenke auf dem Rücken. Es schien für sie gar nicht so einfach zu sein, einem bewusstlosen Mann allein die Hände auf dem Rücken zusammenzubinden. Als sie fertig war, kontrollierte sie nochmal, ob alles schön fest genug war, und ging dann mit ihrem Whiskeyglas rüber zur Kücheninsel und setzte sich drauf. Sie trank und wartete, und schaute ihn dabei die ganze Zeit an. Maja spulte vor. Ewig. Sie schaute ihn ewig lang einfach nur an und trank ihren Whiskey, den sie mehrmals auffüllte. Sie ließ ihren Blick nicht von ihm. Wie konnte diese Frau so lange dort sitzen und ihn einfach nur anschauen? Maja spulte vor. Es war unheimlich, wie jemand so lange Zeit einfach nur so da sitzen und eine bewusstlose Person anschauen konnte. Sie spulte vor. Dann wachte er auf und sagte etwas. „Was ist passiert Maja?“ Maja. Er sagte Maja. Sie hatte ihren Namen, auch das noch. Er realisierte, dass seine Füße und Hände zusammen gebunden waren und wurde panisch. » Maja!! Mach mich los!« , rief  er laut. Die Frau grinste ihn an, sagte aber nichts. Nach kurzer Zeit sprang sie von der Kücheninsel,  öffnete eine Schublade in der Küche und nahm eine weiße Plastiktüte heraus. 

Sein Blick erstarrte. » Maja! Was hast du vor? « Ihm stand die Angst ins Gesicht geschrieben. » Das tust du doch nicht wirklich? « Nun war er deutlich zu verstehen, denn durch seine Angst und Panik wurde er laut. 

Die Frau lief langsam zu ihm rüber und stellte sich vor ihn hin.  Sie sagte irgendwas, aber man verstand es nicht. Dann warf sie schlagartig seinen Oberkörper nach hinten an die Lehne, und setzte sich auf ihn. 

» Mach mich los!! », brüllte er. 

Sie stülpte ihm die Plastiktüte über den Kopf. Er begann panisch zu schreien und herum rum zu hampeln, was aber nur einen kurzen Augenblick möglich war. Er  hatte keine Chance. Es dauerte nicht lange, dann war er tot. 

Die Frau ging auf die Kamera zu, schaute nach oben und grinste. 

» So wird das gemacht. » , sagte sie stolz. Dann streckte sie sich nach oben und schaltete die Kamera aus.

Auch ihre Stimme klang wie Majas. 

      

       Maja war gelähmt. Die Frau. Sie sieht wirklich aus wie ich. 

Es waren noch mehrere von genau solchen Videos drauf. Jedes Mal ging sie gleich vor. Trank mit ihnen Wein, ließ sich vögeln, gab ihnen Whiskey, und jedes Mal die Plastiktüte. Maja überflog die anderen Videos im Schnelldurchlauf, klickte kurz rein. Sie kannte keinen der Männer. Nicht immer sprach Maja Finnisch mit den Männern, oft auch Englisch. 

War sie eine Escort?

Was war das hier? Und vor allem, wer war sie? 

       Das Handy gab einen Ton von sich. Eine weitere Nachricht.

Und, wie ist es so, all das wieder zu sehen? 

Moment mal. Woher wusste er, oder sie, dass sie das Handy gerade gefunden hatte? Hatte sie jemand vor dem Haus beobachtet? 

Wenn man sein Doppellebens schon dokumentiert Kleine, dann sollte man wenigstens gut darauf achten, wer das in die Hände bekommt. Ich habe folgenden Vorschlag für dich. 

Du willst doch sicher nicht, dass die Polizei, dein Chef, deine Kollegen, deine Familie, und das ganze Land von deinem prickelnden Doppelleben erfahren oder? Ich weiß nicht, was bei den Menschen für mehr Gesprächsstoff sorgen würde: Dass du dich wie eine Prostituierte von jedem ficken lässt, oder dass du tötest. Hat beides irgendwie seinen Reiz, findest du nicht? Du weißt wie auf Zack die Presse in diesem Land ist. Es  wäre doch wirklich schade um deinen Ruf, um dein Leben. 

Ich erwarte von dir 50.000 Euro. Wir haben heute Samstag. Am Wochenende passiert nichts. Bis Mittwoch muss das Geld auf einem bestimmten Konto sein, dessen Daten ich dir noch zukommen lassen werde.

Wenn das Geld bist dahin nicht drauf ist, weißt du ja, was dich erwartet. Ein Leben im Gefängnis, du Mörderin. Oder sollte ich lieber Nutte sagen? 

          Auf einmal fühlte sie sich erschöpft und müde, völlig fertig. Ihr Leben wurde in den letzten 30 Minuten völlig auf den Kopf gestellt. Jemand unterstellte ihr einen Mord. Nein, jemand unterstellt ihr mehrere Morde. Jeder würde ohne Zweifel sagen, dass sie das auf dem Video ist, und auf den Selfies, keiner würde ihr glauben. Aber sie war es nicht. Ein Mensch konnte einem doch nicht SO ähnlich sehen? 

    Sie tippte eine Antwort:

 

Keine Ahnung, wer du bist, und was ich zu deinem kranken Vorschlag noch so sagen soll, außer, dass ich das nicht bin. Nichts davon. Die Person mag mir sehr ähnlich sehen, aber ich bin das nicht. Also lass mich mit deinen Drohungen in Frieden und such meinetwegen die richtige Person.

 

Sie schickte ab. Aber sie begriff, dass das nichts nützen würde. Ein Bild sagte mehr als tausend Worte, und ein Video noch mehr. Jeder, und wirklich jeder, würde denken und zustimmen, dass sie es war. Die Frau hatte sogar eine sehr ähnliche Stimme wie Maja. Sie wurde sogar Maja genannt. 

Mal ganz abgesehen von der Erpressungsaktion, fragte sie sich wirklich, wer diese Frau war. 

Seine Antwort war wie erwartet. 

Maja Maja Maja….Was wirst du nun tun? Du kannst dich noch so rechtfertigen vor der Polizei. Du weißt du bist chancenlos. Ich habe jetzt schon gewonnen. 

         Ihr wurde schwindelig. Sie konnte die Schlagzeilen förmlich vor ihr sehen: 

Maja Sundström führte jahrelang Doppelleben

Fernsehmoderatorin entpuppt sich als Prostituierte und Mörderin. 

Maja Sundström – verurteilt wegen Mordes

 

Sie rannte auf die Toilette und übergab sich. Ihr wurde alles zu viel. Sie stand auf, wusch sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser und schaute in den Spiegel. Eine hübsche, blonde Frau mit großen blauen Augen schaute panisch zurück. 

Was zur Hölle passierte gerade? Wie sollte sie nun vorgehen? Sie konnte sagen was sie wolle, er hatte Recht, sie war chancenlos. Jeder würde zustimmen, dass sie es war auf dem Video. Sie verdiente zwar ganz gut, aber sie war nicht reich. Das Geld würde sie zwar zusammen bekommen, da sie noch Geld von ihrer Mutter geerbt hatte, die vor vier Jahren verstorben war. Aber viel blieb ihr dann nicht mehr. Um ehrlich zu sein kaum was. 

Sie ging zurück an den Tisch und schnappte sich nochmal das Handy. Sie ging jedes einzelne Foto durch und schaute es sich genau an. Gab es irgendetwas an dieser Frau, das Maja nicht hatte, was die beiden unterschied? Irgendein Detail? Irgendetwas musste es doch geben, das beweisen konnte, dass diese Frau nicht Maja war. Ein Muttermal, oder sonst was. Sie arbeitete sich durch, Foto für Foto. Video für Video. Aber sie fand nichts. Absolut gar nichts. Die Frau war sie. Sie war wie Maja.

Dann überlegte sie. 

        Zuerst war sie überzeugt, dass sie zahlen würde. Lieber zahlte sie fälschlicher Weise 50.000 Euro, als ihr ganzes Leben, ihre ganzen Verwandten, ihre ganzen Freunde, ihren Job und ihre Zukunft zu verlieren und im Gefängnis zu sitzen. Denn eins war klar: Wenn das hier an die Polizei ging, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie zumindest vorerst in Untersuchungshaft saß. 

Sollte sie Max anrufen? Er war gerade in Stockholm. Aber er konnte ihr auch nicht helfen…Was hätte er tun sollen? Vor allem von dort? Nein. Sie würde das Geld zahlen, dann würde sie ihm hinterher alles erklären, wenn er zurück war, und die Sache war dann aus der Welt.

               Als sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag wach lag und keine Auge zu bekam, fasste sie dann aber einen Entschluss. Wenn sie wirklich unschuldig war, und das war sie, dann würde das Universum auf ihrer Seite stehen. Dann würde es früher oder später eine Erklärung geben. Irgendein klitzekleines Detail würde ihre Unschuld beweisen. Ein Detail, das weder sie noch irgendwer anders zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich finden würde oder sehen konnte. Aber es würde etwas geben. Wer unschuldig war, musste sich nicht verstecken, und sie müsste seinen Anforderungen auch nicht gerecht werden. Auf einmal verspürte sie Mut. Sie war unschuldig. Sie sah es nicht ein, 50.000 Euro zu zahlen, für so eine Scheiße, mit der sie nichts im Hut hatte.  Was glaubt er denn, wer er ist? Solle er es doch an alle schicken. Solle die Polizei sie doch verhaften und vernehmen. Er würde schon sehen, dass das nicht funktioniert, und es würde etwas geben, das ihre Unschuld beweisen würde. Sie wusste zwar noch nicht was, aber sie vertraute dem, was auf sie zukam. 

Er hatte sich die Falsche ausgesucht. Er würde scheitern. 

Fest entschlossen verfasste sie um drei Uhr in der Früh eine Nachricht an ihn: 

 

Du wirst dein Geld nicht kriegen. Und weißt du auch warum? Weil ich nicht diese Frau bin. Und weil ich mich nicht erpressen lasse, du erbärmliches Stück Scheiße. Also tu es, schick es an die Polizei, schick es an die gesamte Welt, es ist mir egal. Du wirst damit nicht  durchkommen. 

Sie schickte ab. Sie verspürte nur noch Wut.

Sie wartete.

Es kam keine Antwort. Gut. Er schlief wahrscheinlich, es war mitten in der Nacht. Oder sie. Wer auch immer.

Nach 15 Minuten kam dann doch eine Antwort:

Bist du dir sicher? Dein Leben wird vorbei sein, Kleine. Innerhalb weniger Stunden. 

Maja tippte: Mach doch. Ich bin bereit. Los. Du wirst verlieren. 

 

Es kam nichts mehr. Sie saß auf ihrer Couch. Draußen dämmerte es leicht. Sie schaute auf die Uhr. 3:28 Uhr. Aber sie würde einen Weg finden, es zu beweisen. Sie blieb ruhig. Sie vermisste Max. Warum musste er ausgerechnet dieses Wochenende seinen besten Freund in Stockholm besuchen? Andererseits, wäre er hier, hätte sie ihm alles erzählen müssen. Sie wollte es ohne ihn klären, sie wollte da keinen mit rein ziehen. Trotzdem vermisste sie ihn gerade und fühlte sich einsam. 

Es dauert vielleicht zwei Stunden, da klingelt es bei ihr, irgendwann in den frühen Morgenstunden. Das ging in der Tat schneller als erwartet. 

Sie öffnete die Tür. Aber da stand keine Polizei. Das konnte sie gerade noch wahrnehmen, bevor ihr eine Faust ins Gesicht schmetterte. Dann war alles schwarz. 

 

Als sie wach wurde, hatte sie keine Ahnung, wo sie war. Es war nicht ihre Wohnung, es war ein Haus. Die Decken waren hoch, die Wände hellgrau und abgenutzt. Das ganze Zimmer war relativ kahl und sehr einfach eingerichtet. In der Ecke sah sie einen kleinen Sessel. Sie lag auf einem Bett, links war die Zimmertür, rechts zwei große Fenster, dahinter befanden sie nur Bäume, die sich im Wind bewegten. 

Sie bekam Panik. Sie bemerkte, dass ihre rechte Hand mit Handschellen an das graue, massive Bettgestell am Kopfende gefesselt war. War sie alleine hier? Sie hörte nichts und niemanden. Ihr Kopf schmerzte, und alles tat weh. 

» Hallo? « , rief sie.

Sie hörte, wie sich ein Stuhl bewegte und Schritte zu ihrem Zimmer kamen. Ein Mann kam herein, schätzungsweise 1,80 Meter groß, dunkle zerzauste Haare. Er trug ein schwarzes T-Shirt und eine Jeans. Sie hatte ihn noch nie  gesehen. Er war nicht sonderlich attraktiv. 

» Wer bist du? «, fragte Maja. 

Er stellte sich vor das Bett und schaute sie an. 

» Wirklich zum verwechseln ähnlich. Unfassbar. «

Dann kam eine zweite Person ins Zimmer. 

Maja stockte der Atem. Das war sie. Das war die Frau. 

Sie war ein Spiegelbild von Maja.

» Hallo Maja, lernen wir uns also doch noch mal kennen. Ich hoffe Joel hat nicht zu heftig zugeschlagen. «

Er schaute sie an und grinste leicht. 

Sie schienen die Situation belustigend zu finden.

Die Frau zog den Sessel aus der Ecke an das Bett heran.

» Wo bin ich? «, fragte Maja. » Was zur Hölle wollt ihr von mir? «

Das Reden strengte sie an. Sie war völlig gerädert.  Das konnte niemals alles von diesem einen Schlag kommen, an den sie sich noch erinnerte. 

» Ich bin Carla. Deine Zwillingsschwester. «

Sie stützte ihre Ellenbogen auf ihre Knie und lehnte sich nach vorne. Sie trug einen grauen Jogginganzug und hatte ihre hellblonden Haare zu einem engen Pferdeschwanz gebunden. Ihr Blick war streng und durchdringend. 

 

Carla schaute Joel an und nickte mit dem Kopf zur Tür. Er ging und machte die  Tür zu. Wer war der Typ? Ihr Freund? Ihr Angestellter? Ihr Sklave? 

» Sorry Maja, ich entschuldige mich für meinen dummen Freund. Eigentlich war das hier jetzt gar nicht so geplant. Der Plan war nie, dich zu entführen. Die Scheiße läuft jetzt auf Joels Kosten. Ich hatte einfach vor, harmlos unter deinem Namen weiter zu leben, fertig. Hätte mir echt gereicht. Aber dieser geldgeile Sack hat es mal wieder verkackt. «

Sie rollte mit den Augen. Dann stand sie auf. 

» Der ganze Stress wäre jetzt nicht, wenn er dir nicht das Handy ohne mein Wissen hätte zukommen lassen. Gott ist dieser Mensch hohl. Andererseits, ohne diese Aktion wär mir jetzt vorhin nicht noch eine viel bessere Idee gekommen…

Er hatte vor ein paar Wochen meinen Laptop gehacked, weil er irgendeinen Eifersuchtsanfall hatte, ich sags dir, der Typ wurde im Laufe der Zeit echt immer gestörter. Dann fand er diese Videos. Er rastete völlig aus und stellte mich zur Rede. « 

Carla redete gelangweilt und unbekümmert, als wär das mit den Videos keine große Sache gewesen. Ein paar Leute umgebracht, was solls, that’s life. 

» Ich erzählte ihm alles. Von meiner Zeit in St. Petersburg und so. Dann kam er auf seine geile Idee, dich zu erpressen. Er war sich ganz sicher, dass du zahlen würdest. Er hatte nicht damit gerechnet, dass du dich stur stellst, denn er wusste, dass du das Geld aufbringen könntest, und war sich bombensicher, dass dir dein Leben mehr Wert war.  Sein Plan ging somit nicht auf. Er hätte die Videos niemals der Polizei geschickt. Du weißt ja wie die sind, irgendein Detail hätte irgendwann verraten, dass du es nicht sein konntest, dass es noch eine von dir geben muss blablala. Irgendwas finden die ja immer früher oder später diese Ratten. Und dann wären sie mir auf die Schliche gekommen, vielleicht nicht sofort, aber bald. Das hätte er nicht riskiert. Ich bin sein Leben, weißt du. Aber du hattest jetzt die Videos und hast nicht mehr mitgespielt. Das war zu riskant. Wir mussten dich also entsorgen, wegbringen, dich und wie Videos. Eigentlich war es  dann erst unser Plan gewesen, dich einfach umzubringen und gut ist, ich hätte dein Leben eingenommen, perfekt. Aber jetzt kam mir noch eine viel bessere Idee. Ich war echt sauer auf ihn letzte Nacht, das kannst du mir glauben. Ich habe ihm klar und deutlich gemacht, nie wieder hinter meinem Rücken zu handeln. «

» Was für eine Idee? «, fragte Maja. 

    » Woher wusstest du überhaupt von mir? Ich wusste nie von dir. «

Carla lief hin und her, aber ganz ruhig. 

Maja verspürte großen Durst. Immer noch fragte sie sich, was man mit ihr gemacht hatte, wie sie hier her kam, und vor allem wo sie war. Ihr Kopf dröhnte bis ins Unermessliche. Ihr Körper schmerzte. 

» Achso ja, sorry, ich weiß schon ewig von dir. Seit ich ungefähr 20 bin. Da habe ich Papas Büro durchwühlt, nach Geld, und bin auf unsere Geburtsurkunden gestoßen, die er auch echt gut versteckt hatte, muss ich sagen. Dieser Drecksack hatte mich mein Leben lang angelogen. Hatte mir erzählt, dass meine Mutter Stewardess war und bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Dass ich eine Schwester habe, ließ er ganz aus. Ich stellte ihn natürlich zur Rede, und er gab dann auch alles zu. Er und Mama hatten kurz nach unserer Geburt getrennt. Sie beschlossen, dass jeder ein Kind behalten würde und sie hörten nie mehr was von einander. Frag mich nicht warum. 

Und nachdem ich ihn umgebracht habe, täuschte ich wenig später einen Selbstmord vor und schrieb einen Abschiedsbrief. Keine Ahnung wer ihn fand. Ich zog nach St. Petersburg und fing ein neues Leben unter deinem Namen an. Ich glaube, eine Weile lang suchte man noch nach meiner Leiche, nach Carla Wiik, aber so wichtig war ich nicht. Sie gaben bald auf. Carla Wiik war offiziell tot. «

      Maja schaute sie entsetzt an. » Umgebracht? «, flüsterte sie. » Was sagst du da? Du hast unseren Vater auch ermordet? «

 Maja lief es eiskalt den Rücken herunter. Alles drehte sich. Das war alles nicht wahr. Sie träumte. 

» Ja genau, ich habe unseren Vater getötet. Weil er ein mieses Schwein war. Und weißt du was? Ich hab es genossen. In St. Petersburg hab ich weiter gemacht. Weil sie es verdient hatten, weil Männer erbärmliche Schweine sind. Es waren meist Männer auf Geschäftsreise, die mit mir fremdgingen. Ich konnte mir meine Opfer frei auswählen,  sie fielen alle auf mich rein, auf die schöne Maja. Männer waren so einfach, weißt du. Man kann sie so unglaublich leicht manipulieren. Es genügt ihnen, was sie sehen. Natürlich habe ich nicht alle umgebracht. Nur die, die mir nicht gefallen haben, und das waren eigentlich nur die Fremdgeher und die Verheirateten. Die hatten es verdient zu leiden. Da sie ja mit mir fremdgingen, erzählten sie auch nie jemandem von mir. Man kam nie auf mich. Ihre Spur verlor sich immer in St. Petersburg, aber man wusste nie wo. Beim Entsorgen der Leichen hatte ich natürlich Hilfe. Diese fetten Klöpse hätte ich doch keinen Zentimeter irgendwohin bewegen können.Aber ich liebte es. Es fing wirklich an, mir Spaß zu machen. Alles aufzunehmen. Es war wie ein Hobby geworden, als würde sich in meinen vier Wänden ein Hollywood Action Film nach dem nächsten abspielen. Ich sah mir die Filme ab und zu immer mal wieder an, weil es mir eine so unglaubliche Zufriedenheit und Erfüllung gab.  « 

Sie strahlte richtig, als sie das erzählte, dann aber schaute sie mit ihren wahnsinnigen Augen zu Maja. 

Maja liefen die Tränen herunter. Ihr Kopf hämmerte immer stärker. Was hatten sie ihr verabreicht? 

» Wieso tust du das Carla? Und wo zur Hölle bin ich?  «  War sie überhaupt noch in Finnland? 

 

Clara blieb abrupt stehen. Dann setzte sie sich wieder auf den Sessel. 

» Du willst wissen wieso ich all das getan hab? Um diese Bastarde auf diesem Planeten zu reduzieren, deswegen! Du hast ja keine Ahnung…« Das erste Mal zeigte sie so etwas wie Emotionen.

» Erst waren es unpassende Berührungen. Ich dachte immer, dass das ausversehen passiert sei. Er trank, jeden verdammten Abend. Aber von Zeit zu Zeit wurde es immer mehr. Eines Abends hatte er einen Freund bei uns zu Hause, und mal wieder haben sich betrunken bis zum geht nicht mehr. Ich war dreizehn, ich saß in meinem Zimmer und schaute einen Film. Ich weiß noch, es war Dezember und dunkel draußen. Von meinem Bett aus sah ich den weißen Schnee. Auf einmal ging meine Zimmertür auf und Papa torkelte herein. Sein Blick veränderte sich immer, wenn er getrunken hatte. Tagsüber konnte er der beste Vater sein. Wir unternahmen Dinge, spielten Brettspiele, gingen ins Kino oder Ski fahren. Aber wenn er getrunken hatte, war es, als würde eine zweite Person in ihm stecken. Ein Monster. Als hätte es wirklich zwei Persönlichkeiten. Mit diesem Monster bin ich aufgewachsen. An diesem Abend vergewaltigte er mich. Zusammen mit seinem Freund. «

» Du lügst «, sagte Maja. » Das stimmt nicht, du erfindest das! «

Maja liefen die Tränen herunter. Ihr fehlten die Worte. 

Aus Carlas Augen blitzte es. Maja bereute ihre Aussage sofort. Noch nie hatte sie einen solchen Blick bei irgendwem gesehen. 

Dann lachte Carla. » Du sagst, dass ich lüge??? Weißt du was du bist? Eine selbstverliebte kleine Fotze. Eine kleine Fotze, die behütet bei Mami aufgewachsen ist, während ich, Tag für Tag innerlich immer mehr gestorben bin « . 

Sie wurde laut, sie begann zu schreien. 

» Während du mit Diamanten gefüttert worden bist, habe ich den Abgrund der Erde kennengelernt, du widerliche Missgeburt!! Also hör dir das gefälligst an. «

Sie trat an das Bett zu Maja und packte ihr Gesicht, wie sie es bei dem Mann auf dem Video getan hatte. Sie kam ihr ganz nah und sagte: 

» Ich will, dass du jetzt das fühlst, was ich gefühlt habe, hörst du. Ich werde es dir so detailliert erzählen wie ich will, und du sollst leiden, du sollst diesen Ekel am ganzen Körper fühlen, du Fotze. « 

Dann stand sie wieder auf. Und lief im Zimmer umher, ruhig, aber wie eine Wahnsinnige.  

» Das war erst der Anfang. Je erwachsener ich wurde, umso brutaler wurde er. Ich würde fast sagen, dass die Vergewaltigungen, die folgten, harmloser waren als seine verbalen Demütigungen. Er war so verdammt herablassend…Als ich in die Pubertät kam, bezeichnete er mich als fette Sau. Als hässlich. Und das keiner jemals eine so fette Frau mögen wird, wenn ich nicht abnehmen würde. Dabei war ich nicht annähernd übergewichtig…Ich hatte aber Kurven und Rundungen bekommen. Er fing extrem an zu kontrollieren, was ich aß, egal was ich zu mir nahm, er hielt mir eine Predigt, ob ich es wirklich essen wolle. Er zählte die Kalorien vor mir. Irgendwann aß ich gar nichts mehr. Ich wurde immer dünner und dünner, und er immer zufriedener. An einem Heiligabend, ich weiß es noch, da war ich nur noch Haut und Knochen. Er schaute mich an, nein, er glotzte mich an. Dieser ekelhafte Blick…..Es machte ihn geil. Und dann meinte er, wenn ich mich so halten würde, dann wär ich perfekt. Er wog mich regelmäßig, es war…«, sie hielt inne. 

» An diesem Weihnachten schenkte er mir unglaublich viele Geschenke. Ein neues Handy, Bücher, eine Handtasche, Kinogutscheine, zwei Hundert Euro Bargeld,  und noch viel mehr. Er überhäufte mich quasi. Mit dem Abendessen begann er wieder zu trinken und hörte nicht auf, wie immer. An diesem Abend verging er sich erneut an mir. Ich wollte mich erst wehren, aber ich war 14, und er argumentierte damit, dass ich doch brav zu sein hätte, bei all dem, was er mir geschenkt hatte. 

So ging es Woche für Woche…Monat für Monat und Jahr für Jahr. 

Als ich älter war, so 18, musste ich dringend an seinen Computer um etwas ausdrucken für die Schule. Ich wusste, dass ich es eigentlich nicht durfte, aber er war nicht zu Hause und es eilte. Und irgendetwas in mir weckte die Neugier, in diesem Computer herum zu schnüffeln. Und weißt du was ich fand? Massenweise Kinderpornographie.

Ich musste mich übergeben. Er wollte immer, dass ich so dünn bin, damit ich ihn an ein kleines Mädchen erinnere. Unser Vater, Maja, war ein kranker pädophiler Vergewaltiger. Während das Leben mich gequält hat, von vorne bis hinten, während ich zig Male vergewaltigt wurde, gehungert habe, weder Geld noch sonst irgendeine Perspektive hatte, hattest du alles. Eine Top Ausbildung, ein tolles, behütetes und wohlhabendes zu Hause, bist auf luxuriöse und Partys und Events gegangen, hattest schnell beruflichen Erfolg, und wurdest von unserer Mutter geliebt. Während mein Vater alles für Alkohol raus warf, sich einen Scheiß um mich kümmerte und ich dort oben in Lappland in diesem Scheiß Kaff fest saß und innerlich Woche für Woche verreckte.  Eigentlich hätte ich auch unsere Mutter umbringen sollen. Dafür, dass sie mich ihm überlassen hat, dieser kranken Sau. Unsere Mutter hatte den Krebs verdient. Sie hat es verdient, zu qualvoll zu sterben. «

Sie hielt inne. 

Maja war schlecht. Trotz der Geschichten konnte sie nur noch an Wasser denken. 

 

» Weißt du, ich glaube, jetzt ist es Zeit, dass wir mal die Rollen tauschen. Was meinst du? Ich bin du und du bist ich. «

» Was meinst du? «, fragte Maja. 

» Na dass ich dein Leben kriege, und du meins. «

» Carla, ich weiß es ist schlimm, was dir passiert ist, aber ich kann da doch nichts dafür!! «

» Genau. Das Leben ist nun mal nicht gerecht. Mal leidet der eine, mal der andere. Und ab heute würde ich sagen, leidest du. « Sie lächelte, aber ihr Blick war kalt und unberechenbar.

» Ist doch nur fair oder? Ich würde sagen, ich bin jetzt mal dran, das sonnige Leben zu führen, und du das Leben im Kerker. Ich könnte dich auch einfach direkt umbringen und dein Leben einnehmen. Aber das wäre ja witzlos. Dann kriegst du die Qualen gar nicht mit. Ich will, dass du genauso leidest wie ich damals. Außerdem musst du mir noch ein paar Dinge erzählen, damit ich dich überzeugend spielen kann. Wobei ich durch deinen Podcast und deinen Instagram Account dich schon jahrelang gut verfolgen konnte. Ich weiß schon ziemlich viel über dich, da du ja öffentlich sehr offen über alles sprichst. Das wird ein Spaß! Und dein Freund, Max, der sieht übrigens echt gut aus. Den zu ficken, da freu ich mich schon am meisten drauf. « Sie lächelte. 

» Ab sofort mache ich deinen Job, lebe in deiner Wohnung, benutze dein Handy und deine Klamotten, fahre deinen Audi, benutze dein Konto und schlafe mit deinem Freund. Und du bleibst hier und verreckst. «

» Du bist geisteskrank. «, flüsterte Maja. Ihr blieb fast die Luft weg.

» Ja ich weiß, das mit dem Job könnte schwierig werden. Ich habe vom Moderieren keine Ahnung. Vielleicht kannst du mir da ein paar Tipps geben. Aber naja, wenn ich es verkacke oder es mir dort nicht gefällt, kündige ich halt. «

» Einen Scheiß wirst du tun!! «, schrie Maja sie an. 

» Oh, da wird ja jemand richtig sauer. Benimm dich lieber mal. Denn ab sofort hab ich das Sagen. «

Sie blieb stehen, schaute Maja an.

Dann verließ sie ruckartig das Zimmer und knallte die Tür zu. 

Maja blieb weinend zurück, sie konnte das alles nicht glauben. Ihre Mutter hatte ihr wirklich nie etwas erzählt. Sie hatte Maja immer erzählt, ihr Vater sei abgehauen, als sie noch schwanger war. Wieso wurden sie so schlimm angelogen? 

 

Es vergingen Tage. Abwechselnd kamen Carla und Joel zu ihr, mit etwas Essen und Trinken, und einem Eimer, wenn sie aufs Klo musste, der dann ausgewaschen wurde. Oder ein Eimer Wasser, wenn sie sich falschen wollte. Mehr gabs nicht. Ab und zu nochmal neue Klamotten. Aber ihre Hand blieb kontinuierlich am Bett, und ihr Handgelenk und ihr ganzer Arm schmerzten immer mehr. Sie vermisste Max. Wie machten sie und Joel das jetzt eigentlich? Lebten sie beide in ihrer Wohnung? Die Leute müssten sich doch fragen, wer dieser Typ war? Aber das fand sie nicht heraus. 

Jedes Mal forderte Carla neue Infos von ihr. Ihre Pin Nummer der Girokarte, andere Online Zugänge, und und und. 

Aber dann überschritt sie eines Tages die Grenze.

» Guck mal! Was ich schönes für dich mitgebracht habe.»

Sie setzte sich neben Maja und zeigte ihr ein Video auf ihrem Handy. Ein Sexvideo mit Max, das sie heimlich gefilmt hatte. 

Maja war still. Schweigend schaute sie sich das Video an, ihr liefen die Tränen herunter. Sie hatte keine Kraft mehr. Ihr Leben war vorbei. Jetzt war sie zu weit gegangen. 

      Jemand musste doch merken, dass sie vom Verhalten her anders war?  Natürlich suchte man auch nicht nach ihr, denn jeder würde ja denken, dass Carla SIE war. Sie musste sich etwas einfallen lassen. Irgendwas.

Sie musste logisch denken. Welche waren die wirklich logischen und realistischen Möglichkeiten, hier zu entkommen? Sie wusste immer noch nicht, wo sie war. Sie konnte zwar versuchen aufzustehen und das Bett irgendwie zu bewegen, aus der Tür würde sie damit allerdings auch nicht kommen. Und es war absolut nichts in diesem Zimmer vorhanden, womit sie das Bett hätte zerlegen oder auseinander kriegen können oder sonst was. 

 

Zwei Tage später kam wieder Joel vorbei. Joel war immer besser als Carla, denn Joel war nicht der hellste Stern am Himmel, während Carla eine eiserne und kalte Furie war. Es war leicht gewesen, aus ihm Sachen herauszulocken. Er brachte ihr etwas Obst, Wasser, und ein Sandwich. Sie überlegte. Joel. Joel war ihre einzige Hoffnung. Was könnte sie tun, um….Schlagartig fielen ihr Carlas Worte ein. Männer sind so einfach, weißt du. Man kann sie so unglaublich leicht manipulieren.

Sein Vertrauen zu gewinnen, war ihre einzige ChanceOb es funktionieren könnte? Joel war ihr körperlich auf jeden Fall überlegen. Und durch all die Tage hier war sie bereits unglaublich abgeschwächt. Aber sie hatte keine Wahl, sie musste es schaffen, dass er sie los machte, sie musste ihn für sich gewinnen. 

» Joel, bitte bleib ein wenig. «, sagte sie ruhig, als er sich Richtung Tür begab. 

Er drehte sich um und schaute sie an. 

Jetzt spiel. Spiel überzeugend.

» Wenigstens fünf Minuten. Setz dich zu mir. « 

Er schaute sie skeptisch an. » Wieso sollte ich? Bisher hast du mich nur beschimpft und angeschrien. «

» Ja ich weiß. Und ich weiß jetzt auch, dass ich an dieser Situation hier nichts ändern kann. Das einzige was mir bleibt, um am Leben zu bleiben, ist eure Gesellschaft. Deine Gesellschaft. Wenn du nicht komplett herzlos bist, dann gibst du mir wenigstens fünf Minuten. « Er dachte kurz nach.

» Nein. «, sagte er, und ging.  

SCHEISSE. 

         Als er das nächste Mal kam, versuchte sie die Heulaktion. Das war nicht schwer, da ihr sowieso nach Heulen zumute war. Diesmal funktionierte es. Er bekam Mitleid und setzte sich zu ihr. Aus fünf Minuten wurden 15. 

        Von Mal zu Mal versuchte sie, seine Sympathie und sein Vertrauen zu gewinnen. Es funktionierte. Carla hatte Recht. Männer waren so einfach. Und er war ein schüchterner und verunsicherter Mann, der sich verzweifelt danach sehnte, dass jemand ihn liebte, das machte alles noch einfacher. Bald gelang es Maja sogar, dass er anfing, sich ihr gegenüber zu öffnen. Er erzählte über Carla, wie schwierig sie sein konnte. Über seine Beziehung zu ihr, wie sie sich kennen lernten, über seine Kindheit, über seine Eltern. Aber er war ihr völlig unterlegen, komplett verfallen. Sie musste es irgendwie schaffen, dass er von ihr los kam. Sie musste besser sein als Carla. 

Eines Tages riskierte sie es. Während er wieder neben ihr auf dem Bett saß und mit ihr redete, ließ sie seine linke Hand langsam auf seinen Schoß wandern. Er schaute sie entsetzt an.

» Was tust du da? « 

Sie antwortete nicht, und schaute ihn intensiv an. Aber er wehrte sich nicht. Herr im Himmel, Männer waren wirklich Männer. In jeder Situation, das war doch wirklich unglaublich. Sie öffnete seinen Reißverschluss. Innerlich wäre ihr fast das Kotzen gekommen, aber es kam auf Leben und Tod an, sie musste es durchziehen. Egal wie unattraktiv sie ihn fand, es ging um ihr Leben. Der einzige, der sie hier raus bringen konnte, war Joel. 

Er ließ es mit sich machen, aber das half ihr vorerst noch überhaupt gar nicht. Sie müsste es bald hinkriegen, dass er sie von den Handschellen abmachte. Sie musste clever vorgehen, er war zwar nicht intelligent, aber auch nicht komplett zurück geblieben. Sie würde nur eine einzige Chance kriegen.

 

Von Mal zu Mal ging sie weiter, an den Tagen, an denen er sie besuchte. Bis sie ihn so weit hatte: Er schlief mit ihr. Das einzige, was jetzt noch schlimmer kommen könnte, ist, das ich schwanger werde, dachte sie. Aber es half alles nichts. Sie musste Joel komplett knacken, und dazu gehörte Sex. Mental war sie äußerst stark,  sie war es schon immer gewesen. Sie wusste, dass man das, was man innerlich dachte und empfand, ausstrahlte und anzog. Sie fing selbst an, ihr einzureden, und zu verinnerlichen, dass sie ihn mochte, damit sie es glaubwürdig rüberbringen konnte. Wenn er nicht da war, sagte sie es mehrmals am Tag laut vor sich hin. 

Wenn ich das Monate machen muss, werde ich auch noch geisteskrank. Ich muss hier bald raus. , dachte sie. 

Aber er biss an. Maja hatte das Gefühl, dass er sogar anfing, sich gegen Carla zu wenden. Er litt in ihrer Beziehung und er erzählte ihr alles. Sie hatte das Gefühl, dass er sogar anfing sie zu mögen. Umso besser. Jetzt wurde es ernst. Eine einzige Gelegenheit.

        Eine weitere Woche verging. Maja dachte an ihren Job. Sie hatte offiziell immer noch Urlaub, aber dies war die letzte Woche. Kommenden Montag würde sie wieder anfangen. Danach würde Carla einsteigen, und ihr alles versauen, bis dahin musste sie hier raus sein. Sie liebte ihren Job, und sie würde nicht zulassen, dass Carla ihr Leben versaute. 

Ob ihrem Umfeld bisher irgendwas aufgefallen war? Freunden? Max? 

Es war Donnerstag, als Joel wieder zu ihr kam. Mit jedem Mal, als er sie besuchte, wurde er weicher. Heute musste sie es schaffen. Sie überlegte, welche Taktik am besten sei. Er war sehr emotional….und leicht zu beeinflussen. 

Während er auf ihr lag und sie mit einander schliefen, fing sie an zu weinen. Er schaute sie an. 

» Was ist los? «, fragte er.

» Ich kann das so nicht. Mit diesen Handschellen hier am Bett. Ich fühl mich nicht frei, ich kann das nicht genießen, ich kann mich nicht gehen lassen. « Für einen kurzen Augenblick dachte sie zurück. Als Jussi sie mit Handschellen ans Bett fesselte. Im Prinzip hatte sie überhaupt nichts gegen Handschellen. Aber jetzt musste sie einen auf weich und verletzlich machen und heulen. 

Er sagte nichts.

» Kannst du mich nicht wenigstens für die zehn Minuten frei machen? Das ist doch Scheiße hier, so halbherzig. Das musst du doch zugeben. «

» Das geht leider nicht. «

« Joel…« , sie schaute ihm tief in die Augen. 

» Wo sollte ich denn hin? Hier mitten in der Pampa und ohne Auto? «

» Kotka ist nicht sooo in der Pampa. «, entgegnete er.

Er hatte sich verraten. In Kotka war sie also. Das lag ungefähr 90 Minuten östlich von Helsinki. 

» Ja und? Müsstest du mich langsam nicht gut kennen? Ganz ehrlich, denk doch mal nach, wie sollte ich hier jetzt schnell weg kommen, ohne dass du mich einholst mit deinem Auto? Sei nicht albern. « 

Er begann zu Überlegen, das sah sie ihm an.

Dann sagte er: » Na gut. Ich bin sowieso stärker und schneller als du, du hast Recht. « 

« Eben «, sagte sie entspannt. 

YES!! Er stand auf, ging zu seiner Hose, und nahm den Schlüssel heraus. Dann schloss er die Handschellen auf. Sie fasste ihr Handgelenk an und schaute ihn lächelnd und vertrauenswürdig an. » Danke », sagt sie.

Vertrauen halten. 

Sie machten weiter, bis sie die Position wechselten und Maja nach oben ging. Ihr Herz begann laut zu pochen. Gleich musste sie reagieren. 

Während sie sich auf ihm bewegte, beugte sich herunter und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Sie nahm seinen Kopf in die Hände, und in diesem Augenblick drückte sie mit ihren Daumen so fest sie konnte in seine Augenhöhlen, dass er brutal aufschrie. Anschließend verpasste sie ihm mit ihrem Knie einen so heftigen Tritt in die Eier, dass er sich vor Schmerz krümmte und wie am Spieß schrie. Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie, ob sie es schaffen würde, ihn ans Bett zu ketten, aber verwarf den Gedanken. Er war stärker und es dauerte zu lang. 

Sie schnappte sich seinen Pulli und seine Hose, da ihre Klamotten auf der anderen Seite waren,  checkte, ob der Autoschlüssel in der Hosentasche war, und rannte nach draußen. Er hatte ihn jedes Mal aus seiner Hosentasche genommen, als er ging, das hatte sie beobachtet. Der Wagen öffnete sich, sie stieg ein und startete den Motor. In diesem Moment ging die Tür auf. Sie gab Vollgas und fuhr los. Ach du Scheiße. Diese Hütte lag wirklich mitten im Wald irgendwo bei Kotka. Niemals hätte sie hier jemand gefunden und gehört.

Er rannte wie bekloppt hinter dem Wagen her, nackt,  aber er hatte keine Chance.

Sie hatte es geschafft. Oh mein Gott. Sie hatte es geschafft. 

Sie hatte keine Ahnung wo sie war, folgte dem Waldweg, die Birken und Tannen flogen an ihr vorbei, bis sie nach ungefähr knapp 10 Minuten an einer Hauptstraße war. Dann kam ein Schild. Was war das für ein Haus gewesen, wo sie war?  Links 70km bis an die russische Grenze, rechts 130 km nach Helsinki. Sie warf ein Blick auf den Tank. Noch 220km. Sie hielt kurz an, zog sich den Pulli und die Hose an, denn sie war immer noch nackt. Ekelhaft, seine Klamotten, dachte sie, aber das war jetzt egal. Gott sei Dank war ihr in diesen 10 Minuten in diesem Wald noch keiner entgegen gekommen. Der Vorteil an finnischer Einöde. Oder Nachteil, wenn man entführt wurde. Ihr Blick fiel auf den Boden vor dem Beifahrersitz. Ein Handy. Es war Joels Handy. Oh Gott, damit könnte sie vielleicht alles beweisen. Aber sie hatte jetzt keine Zeit. Sie musste hier weg. Sie bog rechts ab und gab Gas. 

Als sie in Helsinki ankam, checkte sie das Handy. Der Code war ihr Geburtsdatum, Carlas Geburtsdatum. Sie hatte drei Versuche gehabt, und es hatte geklappt. Sie fand mehr als genügend Beweise auf dem Handy. 

Der Typ war wirklich dumm. Zumindest wenn es um Handys ging. 

 

 

 

 

 

 

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