CarrotsFehler der Vergangenheit

Vier Tage waren seit dem Mord an Kerstin Meyer vergangen und noch immer tappte die Kriminalpolizei im Dunkeln. Da der Druck stieg entschieden sie sich dazu, wieder an den Ort des Verbrechens zu fahren. Vielleicht war ihnen ja etwas entgangen. 

So machten sich der leitende Kriminalbeamte Andreas Neuhaus und sein Partner David Becker auf den Weg um nochmal alles genauestens unter die Lupe zu nehmen. Der Vorschlag kam von David, mit dem Neuhaus inzwischen bereits den dritten Fall zu meistern hatte. Er war ein eher ruhiger Zeitgenosse, der nicht viel von sich Preis gab, aber mit dem die Zusammenarbeit immer problemlos lief. 

Am Tatort angekommen ließ Neuhaus seinen Blick über die Weide schweifen. Es lief ihm kalt den Rücken herunter, als er das Bild von Kerstin Meyer im Kopf vor sich sah, einer jungen Frau, kaum älter als seine Tochter. Auch nachdem er inzwischen seit mehr als zwei Jahrzehnten bei der Kriminalpolizei tätig war, ließen ihn die Tatorte noch immer nicht kalt.

“Ich schlage vor, dass du in der Richtung suchst und ich suche in der anderen”, sagte David. 

Neuhaus nickte zustimmend und so machten sich die Männer auf den Weg, um zum wiederholten Mal jeden Stein und jedes Blatt umzudrehen.

Kommissar Neuhaus watete durch die hohen Gräser und mit jeder Minute die verstrich wurde der Kriminalbeamte frustrierter. Die Wahrscheinlichkeit, dass sein Team etwas übersehen hatte, war von Anfang an gering gewesen, doch hatte er bis zuletzt gehofft, dass es so wäre. Neuhaus wollte soeben aufgeben und zu David zurückgehen, als ihm ein dunkler Gegenstand ins Auge fiel. Er eilte zu der Stelle und bei näherer Betrachtung entpuppte sich der Gegenstand als ein Smartphone. Sein Herz fing an wie wild zu rasen. Konnte es denn tatsächlich sein, dass die Spurensicherung das Smartphone übersehen hatte? Lag hier die Spur, auf die sie sehnsüchtig gewartet hatten und die den Fall endlich nach vorne bringen würde?

Kommissar Neuhaus hob es auf. Doch noch bevor er es hatte begutachten können, entsperrte sich das Display mit einem Klicken. Was er dann sah ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Er sah sich selbst, wie er sich über die blutüberströmte Kerstin Meyer beugte. 

Plötzlich hörte er Schritte hinter sich und versteckte das Telefon schnell in seiner Jackentasche. Er würde es späte eingehender studieren.

“Was gefunden?”, fragte David neugierig und eilte herbei um zu sehen was Neuhaus noch vor einer Sekunde in der Hand gehabt hatte.

“Nein”, log der Kommissar und fügte schnell hinzu: “Mir ist nur mein Handy runtergefallen.”

Er zog das soeben gefundene Smartphone aus der Jackentasche und hielt es kurz hoch um es seinem Partner zu zeigen und es dann gleich wieder in der Jacke verschwinden zu lassen. Davids skeptischer Gesichtsausdruck verschwand. 

Gerade nochmal gut gegangen, dachte Neuhaus erleichtert. 

Zurück im Kommissariat konnte Neuhaus sich nicht mehr konzentrieren. Er hörte David wie er über mögliche Motive spekulierte, aber die Stimme seines Partners klang dumpf und undeutlich, so als würde er ihn aus weiter Ferne hinter einer verschlossenen Tür hören. Immer wieder streiften seine Gedanken zu dem Inhalt des Smartphones. Seine Augen mussten ihm einen Streich gespielt haben. Es konnte einfach nicht anders sein. Eine andere Möglichkeit ließ sein Verstand nicht zu.

Als Neuhaus spät am Abend nach Hause kam saß der Schock noch immer tief. Zusammen mit seiner Frau Charlotte aß er geistesabwesend zu Abend. Die Unterhaltung fiel eher spärlich aus und nachdem Charlotte entschieden hatte frühzeitig ins Bett zu gehen, saß der niedergeschlagene Kommissar eine halbe Ewigkeit auf dem Sofa und starrte wie benommen auf das Smartphone, das vor ihm lag. Er traute sich nicht es erneut zu entsperren, aber er hatte keine Wahl. Der erfahrene Beamte musste sicher gehen, ob wirklich er die Person auf dem Foto war oder ob ihm sein Verstand einen bösen Streich gespielt hatte. Es gab bestimmt eine ganz simple Erklärung für das Alles. Neuhaus musste sich nur trauen dem Ganzen auf den Grund zu gehen. 

Er atmete noch einmal tief durch und blickte direkt auf das Display. Erneut entsperrte es sich mit einem Klicken. Bei dem Anblick des Fotos wurde es ihm ganz schlecht. Er versuchte sich zusammen zu reißen und sich die Bilder genauestens anzusehen. Es waren insgesamt zehn Stück, die in verschiedenen Situationen fotografiert worden waren. Aber alle zeigten das gleiche Motiv und diese Erkenntnis ließ den sonst so gefassten Kommissar versteinern. Er hatte sich heute Mittag nicht geirrt, als er die Bilder das erste mal gesehen hatte. Alle Bilder zeigten ihn zusammen mit Kerstin Meyer.

Neuhaus begutachtete ein Bild nach dem anderen. Auf dem ersten waren Kerstin und er zu sehen, wie sie gemeinsam in einer Bar ihren Spaß hatten. Er betrachtete Kerstins lachendes Gesicht und der Anblick versetzte ihm einen Stich. Wie konnte das sein? Er kannte diese Frau zu ihren Lebzeiten nicht. Der Kommissar konnte sich keinen Reim darauf machen. Er schaute sich weiter die Bilder an. Die nächsten zeigten ihn mit Kestin in einem Taxi und auf den letzten beiden sah er sich selbst, wie er über der toten blutüberströmten Kerstin Meyer gebeugt, strahlend in die Kamera blickte. Bei dem Anblick wurde ihm erneut übel und er dachte für einen kurzen Augenblick er müsse sich übergeben. Kommissar Neuhaus legte das Smartphone zur Seite und wischte sich mit der Hand über das müde Gesicht. Wie war das möglich? Er konnte sich nicht daran erinnern Kerstin jemals getroffen zu haben und auch das Smartphone kam ihm nicht bekannt vor. Konnte es sein, dass dieses Treffen aus dem Ruder gelaufen war und er sich an den grausigen Mord nicht mehr erinnern konnte? Dass er ihn schlichtweg verdrängt hatte? “Nein, das war nicht möglich”, dachte er. “Ich wäre dazu überhaupt nicht in der Lage. Oder etwa doch?”

Nach einer kurzen Nacht in der er sich schlaflos hin und her gewälzt hatte, entschied Neuhaus schon früher zur Arbeit zu fahren. Die Bilder hatten sich tief in seine Netzhaut gebrannt und je schneller er diesen Mordfall gelöst hätte, desto eher hätte dieser Albtraum ein Ende. In seinem Büro angekommen setzte sich der Kommissar an seinen Schreibtisch um die Fallakte von Kerstin Meyer erneut durchzusehen. Irgendetwas mussten sie doch übersehen haben. Er hatte die ganze Nacht überlegt, ob er das Smartphone dem Kriminallabor übergeben sollte. Aber was sollte er sagen, woher er das Telefon hatte? Und außerdem waren jetzt wahrscheinlich sämtliche Spuren verfälscht. Andererseits hatte das Labor Möglichkeiten um die Bilder auf Echtheit zu prüfen. Aber was wäre, wenn man nicht eindeutig ausschließen konnte, dass die Bilder echt sind? Nein, er würde den Fund des Smartphones erstmal für sich behalten. Zuerst musste er Beweise für seine Unschuld finden. 

Der Arbeitstag ging zu neige und Neuhaus entschied sich dazu, vorerst noch nicht nach Hause zu fahren. Er war zu erschöpft um seiner Frau etwas vorspielen zu können und er hatte auch keine Lust mit ihr darüber zu reden.

An einem kleinen See in unmittelbarer Nähe des Kommissariats würde er versuchen etwas zur Ruhe zu kommen. Dorthin zog er sich immer zurück, wenn er nachdenken musste und das Gute daran war, niemand seiner Kollegen wusste von diesem Rückzugsort. Er wäre auf jeden Fall ungestört. An dem See angekommen setzte er sich auf eine kleine Bank und schloß die Augen. Noch immer konnte er die Zusammenhänge nicht erkennen und er hatte das Gefühl als würde sich alles um ihn herum drehen. Seine Gedanken rasten wie wild. War er zu einem Mord fähig? Diese Frage konnte der Kriminalbeamte ganz klar mit einem nein beantworten, auch wenn ein klitze kleiner Schimmer des Zweifels blieb. Wäre es möglich, dass jemand das Smartphone bewusst am Tatort platziert hatte? Möglich. Ja, aber wer? Womöglich der Täter, der den leitenden Ermittler auf eine falsche Fährte locken wollte? Aber dann wäre es doch sinnvoller gewesen die Aufmerksamkeit auf eine andere Person zu lenken und nicht auf ihn. Könnte es womöglich auch jemand dort hingelegt haben, den er kannte und der ihm Angst einjagen wollte? Neuhaus war sich sicher, dass ihm niemand so etwas antun würde. Er dachte eine Zeit lang nach, bis er zu dem Entschluss kam, dass er jemandem davon erzählen musste. Heute Abend noch würde er David anrufen um ihm die Geschehnisse mitzuteilen und die Last auf seinen Schultern fühlte sich auf einmal etwas leichter an. Gemeinsam würden sie eine Lösung finden.

Der nun etwas klarer wirkende Kommissar ging zurück zu seinem Auto und schon aus der Entfernung konnte er sehen, dass dort ein Blatt unter dem Scheibenwischer klemmte. “Seltsam”, dachte er. Hier war schließlich kein kostenpflichtiger Parkplatz. Er näherte sich seinem Auto und erkannte, dass es sich bei dem Papierstück nicht um einen Strafzettel handelte. Neuhaus zog das Blatt unter dem Scheibenwischer heraus und betrachtete es. Erneut wurde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Das Gefühl, dass sich letzten endes doch alles zum Guten wenden würde, war wie weggeblasen. Er taumelte zur Fahrertür, öffnete sie und ließ sich in den Sitz fallen. Er las den Zettel erneut. Darauf stand in dunkelroter Schrift:

Du konntest Sophie nicht retten….und Kerstin auch nicht. Wer wird dein nächstes Opfer sein?

Dem Kommissar verschlug es die Sprache. Was hatte der Mord an Kerstin mit Sophie zu tun? Er verstand das Alles einfach nicht. Das war doch alles so lange her.

Völlig verwirrt beschloss Neuhaus zurück zur Arbeit zu fahren. Er konnte jetzt unmöglich zu Hause herumsitzen. Dort angekommen fand er David an seinem Schreibtisch vor. Der Moment seinen Partner einzuweihen war gekommen. Der leitende Kriminalbeamte nahm nochmal tief Luft bevor er David erläuterte, was bisher geschehen war. Dann zeigte er ihm zwei Bilder die ihn mit der toten Kerstin Meyer zeigten sowie den Zettel, der an seinem Auto gehangen hatte. David ließ die Informationen für einen kurzen Augenblick auf sich wirken und musterte seinen müden Kollegen. 

“Okay ich geh uns erstmal zwei Kaffee holen damit wir einen klaren Kopf bekommen.” David verließ das Büro und kam wenig später mit zwei dampfenden Tassen Kaffee zurück. “Dann lass uns nochmal genau die Fakten durchgehen. Was denkst du hat unser aktueller Mord mit diesem alten Fall zu tun?”, fragte er und gab seinem verzweifelten Partner eine Tasse, der diese dankbar annahm. 

“Das weiß ich noch nicht. Aber ich bin hier, um die Akte über den Mord an Sophie zu studieren. Vielleicht fällt mir ja etwas auf.” Neuhaus nahm einen vorsichtigen Schluck von Davids nicht gerade lobenswerten Kaffee. 

Die Kommissare durchstöberten gemeinsam die alte Fallakte von Sophie Nickel und Neuhaus spürte, wie sich alles um ihn herum drehte. 

Sophie wurde im Alter von neun Jahren ermordet. Der damals Tatverdächtige Sven Hoffmann wurde aufgrund von mangelnden Beweisen freigesprochen. Seinerzeit war es ein Skandal gewesen, da jeder wusste, dass Sven den Mord begangen hatte und man hatte die Polizei beschuldigt, sie hätte schlampig gearbeitet. Als der Mord geschah war Neuhaus frisch bei der Polizei und seine Tätigkeit bestand größtenteils darin den Telefonisten zu spielen.

Der Fall ging dem erfahrenen Kommissar bis heute an die Nieren. Es war der erste den Neuhaus miterlebt hatte und dann auch noch ein Mord an einem kleinen Mädchen. Noch immer hallten ihm die schmerzerfüllten Schreie von Sophies Vater in den Ohren als der Freispruch verkündet wurde. 

Neuhaus und David überprüften genauestens jede einzelne Seite, aber konnten keinen Zusammenhang zu dem aktuellen Mord an Kerstin Meyer herstellen. 

“Du solltest den Zettel dem Kriminallabor übergeben”, sagte David. “Vielleicht können sie noch Spuren sicherstellen.” 

“Ich glaube, ich sollte auch mal das Handy rausrücken. Die Spuren sind wahrscheinlich nicht mehr brauchbar, aber die Bilder könnten zumindest überprüft werden.”

“Das würde ich nicht tun”, erwiderte David. “Stell dir mal vor was passieren würde, wenn herauskommt, dass du Beweismaterial unterschlagen hast.”

Der übermüdete Kommissar nickte und gähnte. An Schlaf war zwar nicht zu denken, dennoch beschlossen die Männer, dass sie für heute Schluss machen würden. 

Bevor Neuhaus nach Hause fuhr, rief er den Kriminaltechniker an, um ihm von dem Zettel zu erzählen. Dieser war nicht gerade begeistert davon gewesen, dass der sonst so vorsichtige Kommissar seine Fingerabdrücke auf dem Papierstück hinterlassen hatte, aber er würde so schnell wie möglich das Beweisstück überprüfen. 

Zu Hause angekommen erfasste ihn bereits die nächste Lawine. Seine Frau erwartete ihn wutentbrannt. In ihrer Ehe gab es oft Streitigkeiten, die meisten aufgrund seiner Arbeit. Als Kriminalbeamter war es nur selten möglich um Punkt 18 Uhr heimzukommen. Seine Arbeit war mit vielen Überstunden verbunden und oftmals nahm man die Fälle gedanklich mit nach Hause. Und das ging Charlotte gewaltig gegen den Strich. Nachdem Andreas seine Frau halbwegs besänftigt hatte, ließ er sich hundemüde ins Bett fallen. Sein Körper war von den letzten 24 Stunden ausgelaugt aber die Gedanken rasten wie wild. Er wusste nicht wer versuchen könnte ihm etwas anzuhängen und wieso. Was übersah er?

Mit einem mulmigen Gefühl machte sich Neuhaus am nächsten morgen zur Arbeit auf. Den ganzen Tag hindurch hatte er das Gefühl, als würde jemand im Hintergrund lauern um zum nächsten Schlag auszuholen. Aber nichts passierte. Keine weiteren Nachrichten des mysteriösen Unbekannten.

Der Tag neigte sich dem Ende zu und nachdem die Kriminalbeamten den ganzen Tag damit beschäftigt waren die Angehörigen von Kerstin Meyer über Sophie zu befragen, in der Hoffnung es würde sich eine Parallele aufzeigen, was sie keinen Schritt weiter brachte, machten sich die Männer auf den Weg nach Hause. 

Neuhaus schloß die Haustür auf und begrüßte soeben seine noch immer verstimmte Frau Charlotte, als das Telefon klingelte. Er erkannte die Nummer des Kriminallabors und hob eilig ab. 

“Hallo Andreas, ich hab extra Überstunden wegen deines Falles gemacht. Aber das hat sich gelohnt. Ich hab schon ein äußerst interessantes Ergebnis für dich. Es geht um die Schrift auf dem Papierstück, dass du gefunden hast. Dabei handelt es sich nicht um Farbe, sondern um Blut. Um das Blut von Kerstin Meyer um genau zu sein”.

Der irritierte Kommissar bedankte sich und legte auf. Das musste bedeuten, dass der Mörder persönlich versuchte ihn reinzulegen. Wer sonst hätte die Möglichkeit an Kerstins Blut zu kommen? Noch in Gedanken versunken wählte er die Nummer von David um ihm die Neuigkeiten mitzuteilen, der ihm anbot, sich bei ihm zu treffen um diese zu besprechen. Kurze Zeit später traf er in Davids Haus ein und sie spekulierten gemeinsam, was das alles zu bedeuten hatte. 

“Meinst du wirklich, dass der Mörder dahinter steckt”, fragte David und überreichte Neuhaus ein Glas Whisky. Den hatte er jetzt auch dringend nötig.  

“Wer sollte es denn sonst sein”, sagte er und nahm einen großen Schluck seines Getränkes. Die Männer verfielen in ein kurzes schweigen. 

Der Abend verging und die Männer tranken weiter. Neuhaus hatte eigentlich gar nicht viel getrunken, dennoch fiel es ihm schwer noch scharf zu sehen. David lehnte sich zu ihm und schaute ihn eindringlich an. Es schien fast so als starrte er einfach so vor sich hin ehe er sagte. “Denkst du wirklich, dass du nichts mit den zwei Morden zu tun hattest?”

Die Frage traf den ohnehin schon von Zweifeln geplagten Kommissar wie ein Blitz und er konnte nicht glauben, was er da hörte. 

“Ich meine, es gab doch schon öfter Mordfälle bei denen der Mörder am Ende völlig überrascht war, weil er sich an die Taten nicht mehr erinnern konnte.” David zuckte mit den Achseln und fügte hinzu: “Oder vielleicht warst du nur dabei, hast aber selbst nicht gemordet und der Mörder hat die Fotos von dir gemacht und versucht dich jetzt fertig zu machen.”

“Und wieso kann ich mich dann nicht daran erinnern”, fragte Neuhaus verärgert.

“Das ist halt die Frage”, sagte David und zuckte erneut mit den Achseln. 

“Ich glaube ich sollte jetzt besser gehen.” Der deprimierte Kommissar stand auf und taumelte zur Tür. David wollte ihn besänftigen, aber davon wollte er nichts mehr hören. Er konnte nicht verstehen, was in seinen Partner gefahren war. Wie konnte er denn glauben, dass er tatsächlich etwas mit den Morden zu tun hatte. Aber er musste gestehen, dass die Unterhaltung ihn zweifeln ließ. Was wäre, wenn er wirklich was damit zu tun hatte? 

Er stieg taumelnd in sein Auto, doch er kam nicht weit. Schon nach ein paar Metern geriet er in eine Verkehrskontrolle die ausgerechnet unter der Leitung seines von ihm wenig geschätzten Kollegen Sebastian Stürmer lief. Dem Kollegen entging natürlich das Lallen nicht und obwohl Neuhaus beteuerte, mit David nur zwei Whisky getrunken zu haben, bestand Sebastian auf eine Blutprobe. Offensichtlich glaubte er ihm nicht, dass er nur Alkohol getrunken hatte und hoffte noch weitere Substanzen in seinem Blut zu finden. 

Nach genommener Blutprobe auf der Polizeistation kam er endlich hundemüde zu Hause an und fand einen Zettel auf dem Küchentisch. Für einen kurzen Moment blieb ihm das Herz stehen, aber bei genauerem hinsehen entpuppte er sich als eine Notiz seiner Frau. Sie würde erstmal bei einer Freundin übernachten und wisse nicht, wann sie wiederkommen würde. Zuerst war Neuhaus erleichtert darüber gewesen, dass es sich bei dem Zettel scheinbar um keine weitere Nachricht des Unbekannten handelte. Aber nun fiel ihm die dunkelrote Farbe sowie die feine Handschrift auf. Sie ähnelte sehr der Nachricht die mit Kerstins Blut geschrieben wurde. Konnte es sein, dass seine Frau dahinter steckte? Das war nicht möglich. Wie sollte sie denn an das Blut gekommen sein und soweit er wusste hatte sie auch keine Erfahrungen mit Bildbearbeitungen. Es musste einfach ein Zufall sein dachte der Kommissar und schüttelte den Gedanken ab. 

Neuhaus legte sich erschöpft ins Bett, aber er konnte nicht schlafen. Ihm war übel und es drehte sich alles. In seinem Kopf hörte er nach wie vor Davids Worte. Was wäre, wenn er tatsächlich etwas damit zu tun hätte? Hatte er ein Menschenleben auf dem Gewissen oder vielleicht mehrere ? Oder wollte ihm jemanden den Mord anhängen und hatte die Bilder gefälscht? Was, wenn David Recht hatte. Er musste nicht zwangsläufig den Mord begangen haben. Vielleicht war er nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Womöglich hatte der Mörder ihm etwas verabreicht, dass die Erinnerungslücken erklären würden. Wer war diese Person die ihm eins auszuwischen versuchte und noch viel wichtiger wer war er? Konnte er sich selbst noch vertrauen?

 

Am nächsten Tag wachte Neuhaus auf und fühlte sich hundeelend. Was war das für ein Whisky gewesen, dachte er und stand auf. Er war es nicht mehr gewohnt Alkohol zu trinken. Der Kommissar ging mit zittrigen Beinen in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen. Er hatte das Gefühl, dass ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, als er sah, was dort lag. Mit langsamen Schritten näherte er sich dem Küchentisch und nahm eines der Fotos. Unverkennbar war Andreas Neuhaus wieder auf den Bildern zu sehen. Es war die gleiche Szenerie, er freudestrahlend über eine Leiche gebeugt. Nur das es sich diesmal um einen andere Leiche handelte. Er strauchelte zurück, als er erkannte um welche. Die kleine Sophie Nickel. Ihm war übel und der ohnehin schon schwache Kommissar spürte wie ihm die Galle hoch stieg. Ihm fiel erneut der Zettel seiner Frau ins Auge nur das dieser durch einen weiteren Satz ergänzt wurde

Du kannst mir nicht entkommen…

Der Kriminalkommissar packte die Bilder zusammen und machte sich auf den Weg zum Kommissariat. Er musste sie mit den Bildern in der Fallakte von Sophie vergleichen um Gewissheit zu haben, dass es sich wirklich um sie handelte. Dort angekommen stürmte der Beamte in sein Büro und wäre fast mit David zusammengestoßen. 

“Tschuldige”, murmelte Neuhaus eilig und kramte in seiner Schreibtischschublade nach Sophies Fallakte. 

“Was herausgefunden”, fragte David neugierig. Anstelle einer Antwort schob ihm sein Kollege die Bilder zu, die er heute morgen gefunden hatte. Er schlug die Akte auf und verglich schnell die Fotos. Die Kleidung, die Umgebung, alles war einfach deckungsgleich, abgesehen davon, dass auf den Fotos kein wahnsinniger in die Kamera strahlte. Aber war er das? Ein Wahnsinniger? 

Neuhaus wurde schlecht. Er merkte wie ihm schwarz vor Augen wurde und er wegkippte. David eilte herbei und half ihm hoch. “Warte ich hol dir erstmal ein Glas Wasser, dann geht es dir gleich wieder besser.”

Als David zurück kam nahm Kommissar Neuhaus einen vorsichtigen Schluck von seinem Getränk.

“Ich weiß einfach nicht, was das alles zu bedeuten hat”, stammelte er und rang um Fassung. “Dieser Mordfall liegt inzwischen gut zwanzig Jahre zurück und ich hatte noch nicht einmal wirklich was damit zu tun. Ich war damals nur ein kleiner bedeutungsloser Polizist in seinen Anfängen, verdammt.” Neuhaus Herz raste wie wild und er konnte sich kaum beruhigen. 

“Du bist ganz schön blass um die Nase. Willst du dir nicht vielleicht heute frei nehmen? In deinem Zustand kommst du doch heute eh nicht voran”, wandte David ein. 

“Ich möchte nicht nach Hause. Wer weiß, was mich als nächstes erwartet. Aber du hast Recht, ich muss einen klaren Kopf bekommen.” Neuhaus trank sein Wasser aus und stand auf. Vor seinen Augen flimmerte es und ihm war speiübel. 

Zuhause angekommen zerbrach er sich den Kopf. Wer könnte dahinter stecken und welche Rolle spielte er bei der ganzen Geschichte? Er wusste nicht mehr wer er war und wem er noch vertrauen konnte. Sein Frau war verschwunden und hinterließ Zettel mit der gleichen Handschrift wie die unbekannte Person und sein Partner versuchte ihm einzureden, dass er womöglich an dem Mordfall beteiligt gewesen war. Wer wollte ihm etwas böses?

Die Gedanken von Andreas rasten wie wild und erneut holte ihn der Selbstzweifel ein. Was wäre, wenn David Recht hatte? Was wäre, wenn in ihm mehr als nur der Mensch schlummerte, den er kannte und vorgab zu sein? Neuhaus spürte, wie in ihm allmählich Panik aufstieg. War er ein Komplize? Oder noch schlimmer, war er jemand der kaltblütig Menschen erstach und danach auch noch stolz vor seinem Werk posierte?

Der Schwindel wurde stärker.. Der verzweifelte Kommissar ging in die Küche um sich ein Glas Wasser zu nehmen und plötzlich spürte er, wie ihm erneut schwarz vor Augen wurde und er stürzte… 

 

Kommissar Neuhaus erwachte langsam wieder mit stechendem Kopfschmerzen. Er schaute sich um und sah, dass er auf dem Fußboden in der Küche lag. Er erhob sich und das stechen in seinem Kopf wurde stärker. Andreas schaute auf sein Smartphone. Es war schon nach vier. Wie lange hatte er hier gelegen?

Zwei entgangene Anrufe. Sowohl David als auch seine Frau hatten probiert ihn anzurufen. Neuhaus wählte zuerst Davids Nummer. Er hatte die Hoffnung, dass sein Partner neue Informationen gesammelt hätte, die sie weiter voranbringen würden.

Schon nach kurzem klingeln hörte er die Stimme seines Kollegen. David hatte in der Tat etwas mit Neuhaus zu besprechen. Sie verabredeten sich in einer Stunde bei David zuhause. Bei dem Gedanken daran der Lösung nahe zu sein fing Andreas’ Herz an wie wild zu pochen. Sehnsüchtig hoffte er, dass dieses Spiel bald ein Ende haben würde. Danach rief er Charlotte an. Sie hatte sich etwas beruhigt und wollte heute Abend nach Hause kommen und mit ihm über alles reden.

“Ich würde gerne mit dir alles besprechen. Aber ich treffe mich heute noch mit David bei ihm zuhause. Scheinbar hat er etwas interessantes herausgefunden und das würde er gerne mit mir besprechen. Ich bin aber gegen neun Uhr zuhause. Dann können wir in aller Ruhe reden.”

“Habt ihr euch nicht ansonsten immer im Kommissariat getroffen und sollte nicht das ganze Team anwesend sein”, gab seine Frau zu bedenken. Sie klang skeptisch. 

Charlotte hatte Recht. Neuhaus hatte sich so davon mitreißen lassen, dass es neue Erkenntnisse gab, dass er sich über nichts weiter Gedanken gemacht hatte. Es war ungewöhnlich, dass sie sich in letzter Zeit so oft bei David trafen. 

“Ich denke er hat die anderen Kollegen ebenfalls informiert”, sagte er zu seiner Frau. Aber ein Zweifel fing an in ihm zu keimen.

Nach einer Stunde parkte Andreas sein Auto in der Auffahrt vor Davids Haus und er spürte, wie langsam ein Unbehagen in ihm aufstieg. Die Worte seiner Frau klangen noch immer in seinen Ohren nach. David öffnete die Tür und Neuhaus trat hinein. 

“Komm doch herein. Möchtest du etwas trinken”, fragte David. 

“Nein danke, kommen die anderen auch noch?”, erwiderte Andreas. 

“Nein, ich wollte erst mit dir alleine über eine Sache reden. Komm wir trinken einen Whisky zusammen.”

David verschwand kurz in der Küche und kam mit zwei gefüllten Gläsern zurück. Kommissar Neuhaus nahm das eine Glas zögerlich entgegen. In seinem Hinterkopf machte sich allmählich ein Gedanke breit, den er noch nicht genau fassen konnte. Der Beamte nahm einen Schluck von seinem Whisky und beide Männer nahmen im Wohnzimmer platz.

“Ich habe mir nochmal meine Gedanken gemacht”, fing David die Unterhaltung an. “Und zwar darüber, wie seltsam doch der Verlauf dieses Falles ist. Niemand hatte etwas gehört oder gesehen, als Kerstin Meyer ermordet wurde und plötzlich taucht am Tatort ein Smartphone mit Fotos von dir zusammen mit der Leiche auf.”

“Das liegt doch klar auf der Hand, dass diese Fotos gefälscht sind”, sagte Neuhaus und nahm nervös einen weiteren Schluck.

“Und wie erklärst du dir die Fotos die in der Bar geschossen wurden?”, fragte David.

“Nun ja, auch diese sind gefälscht. Der Mörder hatte sie wahrscheinlich schon lange vorher beobachtet.” Andreas dachte für einen kurzen Moment nach. Er konnte sich nicht daran erinnern, David die Bilder gezeigt zu haben, die in der Bar aufgenommen worden sind. Woher wusste er also davon? Um ihn herum drehte sich schon wieder alles, aber er versuchte sich nichts davon anmerken zu lassen. Er wusste auch nicht, was in letzter Zeit mit ihm los war. 

“Wir hätten das Smartphone von Anfang an ins Labor geben sollen. Dann könnte ich dir jetzt beweisen, dass die Bilder gefälscht sind. Aber du warst schließlich derjenige, der es mir ausgeredet hat”, warf Neuhaus ein. 

“Ja vielleicht hättest du das Telefon einfach direkt abgeben sollen, nachdem du es gefunden hattest. Dann wärst du jetzt nicht in dieser Misere.” Davids Augen funkelten vor Hass, als er das sagte. 

“Ich verstehe nicht, was du meinst.” Kommissar Neuhaus verstand die Aggressivität die seinen Partner ihm entgegen brachte nicht.

“Kannst du dich an den 26.06.2001 erinnern?”, fragte David. 

“Ja, das kann ich. Das war der Tag an dem Sophie ermordet wurde”, antwortete Neuhaus und allmählich schwante ihm, wo er hier hineingeraten war. Sein Schwindel wurde stärker. 

Der Kommissar hörte aus weiter Ferne das klingeln seines Telefons. Er hob ab und hörte am anderen Ende die Stimme von Sebastian Stürmer, dem Kollegen der gestern die Blutprobe bei ihm veranlasst hatte. “Entschuldige, dass ich so spät noch störe, aber das Ergebnis deiner Blutprobe ist schon da und ich denke, du solltest wissen was wir gefunden haben. Wir haben eine große Menge Antihypertensivum

 in deinem Blut gefunden, also sprich Blutdrucksenkende Medikamente. Das Kriminallabor meint, dass wir hier von einer so großen Mengen reden, dass es ein Wunder ist, dass du überhaupt noch geradeaus laufen kannst”.

Kommissar Neuhaus bedankte sich bei Sebastian, beendete das Gespräch und legte sein Smartphone neben sich. Diese Information musste er erstmal sacken lassen. Wie war das möglich? Er musste keine Medikamente gegen zu hohen Blutdruck nehmen. 

Und da fiel plötzlich sein Blick auf das Whisky Glas auf dem Tisch und so langsam dämmerte es. Andreas hob den Blick und musterte seinen Partner ganz genau.

“Wer bist du?”, fragte er ihn. Auf Davids Gesicht zeichnete sich ein lächeln ab, dass Neuhaus eine Gänsehaut bekommen ließ. Anstelle einer Antwort stand David auf und ging zu dem Schrank zu seiner rechten und holte ein dickes Album, das er ihm  überreichte. Der verstörte Kriminalkommissar blätterte darin und was er sah ließ ihn erstarren. Er begutachtete die erste Seite und blickte auf ein Foto der Familie Nickel. Auf dem Bild zu sehen, die kleine Sophie, kurz vor ihrer Ermordung, in den Armen ihres Vaters, der nun, da Neuhaus das Foto vor sich hatte, unverkennbar der Mann vor ihm war. 

“Darf ich vorstellen, mein Name ist Peter Nickel,” sagte der Mann den Andreas für seinen Partner David Becker gehalten hatte. Kommissar Neuhaus erstarrte, dafür überschlugen sich seine Gedanken umso mehr. 

“Ich hatte nach dem Mord an Sophie mit mir zu kämpfen, wäre fast daran zerbrochen. Der Wunsch mich an Sven zu rächen war fast unerträglich gewesen. Doch dann hab ich angefangen umzudenken. Ich musste sicher gehen,  dass hier nicht noch mal so ne Scheiße abläuft, wie bei Sophies Mordermittlung.”

“Aber ich war doch damals an der Aufklärung überhaupt nicht beteiligt.” Neuhaus fiel es so langsam schwer sich auf die Person vor ihm zu konzentrieren.

“Du bist so arrogant, nicht mal erkannt hast du mich”, schnaubte Peter Nickel verächtlich. “Dabei bist du daran Schuld, dass meine Sophie sterben musste. Du warst derjenige, der den Anruf von ihr in der Zentrale entgegengenommen hatte. Hat sie dir gesagt, dass sie Angst hat?”

Der verwirrte Kommissar spürte bei dem Gedanken an das Telefonat vor fast zwanzig Jahren einen heftigen Stich. Es stimmte, an jenem Tag erhielt er einen Anruf eines kleinen Mädchens, das schilderte, dass sie verfolgt wurde. Aber Neuhaus, der damals von dem Anruf verunsichert war, nahm sie nicht ernst und hielt ihn für einen Kinderstreich. Als später ein totes Mädchen mit dem gleichen Namen gefunden wurde, brach eine Welt für ihn zusammen. Er hatte bisher nie jemanden davon erzählt. Die Scham war zu groß.

“Woher wusstest du von dem Anruf?”, fragte er Nickel. 

“Die Polizei übergab mir alle persönlichen Gegenstände die Sophie bei sich hatte. Darunter auch ihr Telefon. Ihr hattet euch noch nicht einmal die Mühe gemacht es zu überprüfen. Es war einfach gewesen den Anruf zurückzuverfolgen und in Erfahrung zu bringen, wer ihn entgegengenommen hatte. Ich habe nachgeforscht und mitbekommen, dass die ganze Ermittlung ein einziger Pfusch gewesen war. Oder war es nicht so? Haben deine Kollegen nicht Beweismaterialien verunreinigt und so den Freispruch von Sven Hoffmann begünstigt? Aber ich meine noch heute nimmt man es mit potenziellen Beweisen nicht so ernst. Beweisstück A: Das Smartphone, das nicht abgegeben wurde. Aber anstatt in Selbstmitleid zu versinken habe ich meinen Identität gewechselt und wurde Kriminalbeamter. Nur so konnte ich die Genauigkeit der Arbeit überprüfen und sicher gehen, dass so ein Pfusch nie wieder passiert.” Peters Augen funkelten wild. Ihm war anzusehen, dass er jegliches rationale denken verloren hatte. 

Das Handy von Kommissar Neuhaus, dass noch immer neben ihm lag, klingelte. Er schielte auf das Display und sah, dass seine Frau versuchte ihn zu erreichen. Andreas konnte nicht abheben. Er fühlte sich als würde er in den Sessel gepresst werden und er schwitze so stark, dass ihm der Schweiß die Schläfe herunterlief. Ach Charlotte, dachte er sich, hätte ich doch nur auf dich gehört!

“Und was hat das ganze mit Kerstin zu tun? Auf dem Zettel stand, dass ich auch sie nicht retten konnte”, sagte Neuhaus. Es fiel ihm inzwischen schwer gerade zu sitzen. Erneut schnaubte der Vater von Sophie verächtlich. Er reichte Andreas mehrere Fotos. Es waren dieselben Motive wie auf dem Smartphone nur das diesmal nicht Kommissar Neuhaus zu sehen war, sondern Sven Hoffmann.  

“Ich habe Sven nach dem Mord an meiner Tochter nicht aus den Augen gelassen. Auch wenn es schon zu lange zurücklag, wollte ich sichergehen, dass er sich nichts

weiter zu Schulden kommen ließ. Aber ich konnte Kerstin dennoch nicht retten. Nach dem Mord bin ich zu ihm gefahren und habe ihn zur Rede gestellt. Und da sind einfach meine Sicherungen durchgebrannt.” Peter zuckte mit den Achseln, er musste nicht aussprechen was das bedeutete. Neuhaus wusste auch so, dass Sven tot war.

“Und dann hast du sein Smartphone entwendet, es so präpariert, dass nur ich es entsperren konnte, hast die Bilder gefälscht und nebenbei Kirsten noch Blut abgezapft. Aber wieso?”

“Nun, weil DU an Kerstins Tod mitverantwortlich bist. Hätte die Polizei nicht so stümperhaft gearbeitet, wäre Sven nie freigesprochen worden und demnach würde Kerstin noch Leben.”

“Du kannst nicht wissen ob Sven nicht inzwischen seine Haftstrafe abgesessen hätte und wieder frei gewesen wäre”, entgegnete ihm Neuhaus. “Dann hätte er Kerstin immer noch ermorden können. Außerdem gab es damals nicht genug Beweismittel, die für Svens Tat sprachen.”

“Wir beide wissen, dass es diese gab und wenn dir das nicht reicht, wie wäre es hiermit.” Nickel überreichte seinem ehemaligen Kollegen ein paar Fotos. “Der Perverse hat sich mit ihrer Leiche fotografiert. Ich habe die Fotos bei ihm zu Hause gefunden. Kommt dir das Motiv bekannt vor? Vielleicht von den Fotos die du in deiner Küche gefunden hast?”

Neuhaus begutachtete die Fotos und die letzten Puzzleteile fielen an ihren Platz. 

“Außerdem wurde mir darüber hinaus bewusst, dass du nie eine Strafe für deinen Fehler bekommen hast”, fuhr Peter fort. “Du hast mir meine Kleine genommen und heute ist Zahltag.”

Es klingelte an der Tür. Aber keinen der Männer schien dies zu interessieren.

Andreas spürte, wie sich seine Muskeln verkrampften. Alles um ihn herum drehte sich, er kippte nach vorne und blieb bewegungsunfähig liegen. Was hast du mir diesmal ins Getränk gemischt, dachte Neuhaus. Er fühlte sich wie gelähmt. 

Peter stand langsam auf und verließ für einen kurzen Augenblick den Raum, ehe er mit einem großen Messer in der Hand zurückkam. “Wegen dir mussten Menschen sterben. Also ist es nur fair, wenn dir das gleiche widerfährt.” Nickel kam mit langsamen Schritten auf Neuhaus zu, der nicht wusste, was er tun sollte. Er konnte sich nach wie vor nicht bewegen und nur regungslos zusehen wie die scharfe Klinge immer näher kam. Peter befand sich nun in unmittelbarer Nähe zu seinem nächsten Opfer und holte bereits aus, als im vorderen Bereich des Hauses plötzlich ein lautes Krachen zu vernehmen war. Nickel zuckte bei dem lauten Geräusch zusammen und verließ das Wohnzimmer, um die Quelle des Lärms ausfindig zu machen. 

Als er sich auf der Höhe der Tür befand, wurde er auch schon überwältigt. Es ging viel so schnell, als dass er sich hätte wehren können.

Nachdem Peter Nickel dingfest gemacht wurde erkannte Kommissar Neuhaus schemenhaft das Gesicht von Sebastian. Er versuchte ihm etwas mitzuteilen, aber Andreas sah nur wie sich lautlos die Lippen seines Kollegen bewegten. Er meinte das Wort Charlotte darin gelesen zu haben, doch bevor er irgendwas sagen konnte wurde er auch schon ohnmächtig. 

 

Ende

 

 

 

 

 

5 thoughts on “Fehler der Vergangenheit

  1. Hey 🙂 Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Ich mag deine Art zu schreiben. Außerdem hast du alle Parameter sehr kreativ und interessant eingebaut und die Geschichte hat einen sehr logischen Aufbau, sodass es wirklich Spaß macht sie zu lesen. Großes Kompliment! 🙂

    Wenn du Lust hast kannst du auch gerne meine Geschichte lesen. Ich würde mich über Feedback und bei Gefallen auch über ein Like sehr freuen 🙂
    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/demons-are-everywhere

  2. Ich bin gerade erleichtert, endlich ist es in letzter Minute nochmal gut gegangen. Dein Plot und die Story haben mir gefallen und wirken auch weitgehend plausibel, zumindest denkbar, dass es den Protagonisten so ergeht – das ein oder andere Komma würde den Lesefluss noch unterstützen, aber das ist eher eine Kleinigkeit. Etwas unklar ist mir die Sache mit der Handschrift geblieben – in welcher Form steht Charlotte mit den Briefen in Verbindung? Ist es wirklich ihre Handschrift, die Andreas ja kennen und erkennen müsste, oder stammen alle Zettel nur von Nickel? Hier ist ein kleines Fragezeichen geblieben. Sonst hat mir Deine Geschichte gut gefallen 😃

  3. Liebe Melanie, die Grundidee deiner Geschichte hat mir gut gefallen. Für mich war es wie so ein schöner Sonntagabendkrimi, den man sich im Fernsehen anschaut. 🙂 Ein paar Anmerkungen habe ich, die ich beispielhaft an Zitaten aus dem Text festmachen möchte, damit du genau verstehst, was ich meine. Es kann sein, dass diese sich doppeln, weil ich die anderen noch nicht gelesen/gehört habe.
    “Ich schlage vor, dass du in der Richtung suchst und ich suche in der anderen.” schreibst du an einer Stelle. Hier hättest du noch z.B. die Gesten des Polizisten und eine kleine Beschreibung der Umgebung mit einbauen können, damit man sich die Situation wirklich vorstellen kann. Das reine “Ich schlage vor, dass du in der Richtung suchst” erzeugt in meinem Kopf keine Bilder. Ich persönlich finde es schöner, wenn man z.B. schreibt “”Ich schlage vor, dass du in der Richtung suchst”, sagte David und deutete mit seiner Hand auf die südliche Seite des Feldes, deren Ären sich sanft im Wind wogten.” Nur ein Vorschlag. 🙂
    Anschließend findet er das Smartphone. Hier weiß ich nicht, ob es so realistisch ist, dass er es direkt mit seinen Händen anfasst. Er geht ja von Anfang an davon aus, dass es ein Beweismittel in einem Mordfall sein wird und du schreibst am Ende auch, dass er sonst sehr vorsichtig ist. Auch dass er es dann versucht zu verstecken, halte ich für unrealistisch, da zusammen mit der Photoshop-Technik auch Techniken erfunden worden sind, mit denen man relativ schnell erkennt, ob ein Foto manipuliert worden ist oder nicht (schon allein durch Qualitätsunterschiede, Unterschiede im Farbmuster, Licht/Schatten, um mal die einfachsten Methoden zu nennen).
    Zurück im Kommissariat spricht David dann über mögliche Motive des Täters. Das verstehe ich nicht so wirklich, weil du am Anfang erwähnt hast, dass sie noch komplett im Dunkeln tappen. Wenn sie also überhaupt keinen Anhaltspunkt haben, wer der Täter sein könnte, können sie auch nicht über mögliche Motive sprechen. 🙂 Vielleicht könntest du das noch umändern, dass er über den Ermittlungsakten sitzt und versucht, “Feinde” der Frau zu identifizieren.
    Bei dem Satz “Er traute sich nicht, es zu entsperren, aber er hatte keine Wahl” würde ich vielleicht das “Er traute sich nicht” umändern in “Er hatte Angst” oder ein anderes Gefühl, denn wenn er sich nicht traut, dann tut er es auch nicht. Aber das ist nun wirklich kleinlich von mir 🙂
    Später fragt er sich, ob es möglich wäre, dass jemand das Smartphone dort platziert hatte. Ich denke, das wäre ihm von Anfang an klar gewesen, denn warum sonst sollte dort ein Handy liegen, das ihn belastet? Das wird bestimmt keiner zufällig am Tatort verloren haben.
    Im Allgemeinen reißt du viele Situationen nur an, was – wie in meiner Geschichte auch – dem großen Umfang deiner Geschichte geschuldet ist. Du hast viele Szenen, bei denen du gefühlt schreibst “Er ging zur Arbeit, sprach mit David, trank einen Whisky und legte sich wieder ins Bett”. Das macht es für den Leser anstrengend zu lesen und ich würde mir an deiner Stelle nochmal Gedanken darüber machen, welche Dinge wirklich an einem anderen Tag passieren müssen (z.B. das Ergebnis der Blutanalyse ist mit Sicherheit nicht innerhalb einer Stunde fertig) und welche man alle an einem Tag passieren lassen kann.
    Dadurch werden auch deine Gespräche leider sehr kurz. Das Streitgespräch mit seiner Frau handelst du in 2 Sätzen ab, wodurch man deine “falsche Fährte” als Leser leider nicht sehr ernst nimmt. Ich habe mir in dem Moment gedacht, wenn es wirklich die Frau gewesen wäre, wärst du mehr auf den Inhalt des Streits und auf ein eventuelles Tatmotiv eingegangen.
    Genau das passiert auch bei seinen Telefonaten. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand, der einen Anruf bekommt, dass er unter starke blutdrucksenkende Mittel gesetzt wurde, einfach nur so sagt “Ja, ok, danke für die Info. Tschüss.”. Ich an seiner Stelle würde da noch dreimal nachfragen, ob sie sich auch sicher sind, dass es meine Probe ist und ob es sich nicht auch um andere Mittel handeln kann und wo man diese Mittel bekommt (Mikrobiologen und Rechtsmediziner wissen sowas). Anschließend würde ich mich vermutlich auch erstmal bei meinem Kollegen darüber aufregen oder googlen, was das denn für Mittel sein könnten, anstatt direkt zu vermuten, dass mein Kollege mich unter Drogen gesetzt hat.
    Auch verabschieden sich die beiden Männer in einem Moment, dann tätigt dein Protagonist einen Anruf bevor er nach Hause fährt und 2 Sätze später fährt er nach Hause. Um Platz zu sparen, hätte er den Anruf auch auf der Heimfahrt oder schon zuhause tätigen können. 🙂
    Etwas anderes, was mich “gestört” hat, aber sicher für deine Geschichte wichtig ist, ist, dass die ständig Whisky trinken. Jeden Tag trinkt er hier mal einen, da mal einen. Vielleicht wäre es glaubwürdiger, wenn David ihm auch mal was in den Kaffee tut, dann musst du nicht ständig den Whisky erwähnen. 🙂
    An einer Stelle hast du Kirsten, anstatt Kerstin geschrieben, aber das ist ja auch nicht allzu schlimm.
    Ein bisschen unglaubwürdig finde ich auch, dass angeblich niemand vom Notruf von Sophie weiß. Wird sowas nicht für gewöhnlich gespeichert? Und warum sollte niemand das Handy untersuchen?
    Auch verstehe ich nicht, dass der Protagonist nicht erkennt, dass die Handschrift nicht die von seiner Frau ist.
    Im Allgemeinen hast du noch ein paar Punkte zum Überarbeiten, aber mir gefällt die Idee deiner Geschichte weiterhin gut. Ich fand es spannend herauszufinden, wer der wahre Antagonist ist und war tatsächlich auch am Ende überrascht, dass es der Partner war. Da hast du mich gut an der Nase herumgeführt. 🙂 Bleib auf jedem Fall am Ball! Du hattest ja erwähnt, dass es deine erste Geschichte war, die du geschrieben hast. Daher Hut ab, dass du dich direkt getraut hast, sie einzureichen und es ist doch auch echt was Gutes bei rumgekommen. Viel Erfolg für deine zukünftigen Projekte und sorry für den halben Roman hier in den Kommentaren! 😃 Liebe Grüße

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