Armands A. AsimowaFrank´s Shotgun

 

Frank hätte zur Polizei gehen sollen, dessen war er sich bewusst. War es doch eher der Schock, der ihn am klaren Gedanken hinderte, als das große Loch im Bauch des erschossenen Mannes, welches ohne Zweifel durch eine explosive Ladung Schrotkugeln in dessen Körper gerissen wurde. Frank stellte sich die Frage, ob es wohl die gleiche Shotgun gewesen ist, wie jene die neben ihm auf dem Tisch lag. Ob die Person, deren Finger am Abzug gestern Gott zu spielen vermochte, wusste was er tat, nur heute Morgen sich dieser Tat nicht mehr bewusst war? Solch eine Torheit überhaupt zu denken und die bloße Vermutung aufzustellen, dachte er sich und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Heute Morgen wäre es jedenfalls noch undenkbar gewesen. Denn heute Morgen war der Tag noch wie jeder andere, routiniert und mühselig. Frank wachte schlagartig auf, dank des beschissenen Digitalfunkwecker von Tony´s Funky Digital Shop, der schon seit zwanzig Jahren am Ende seiner Straße, an der Ecke neben dem Dounatladen, händeringend um zahlende Kundschaft buhlte. Doch der Wecker war, auch wenn der Alarm klang als wöllte man ein Schaf mit einem Esel liebe machen lassen, ein Schnäppchen. Eines der unzähligen Sonderangebote, die es jede Woche bei Tony´s gab, damit wenigstens ein paar Kröten in die Kasse sprangen. Genervt zog Frank seine Unterhose hoch, trank einen abgestandenen Whiskey, der die Nacht über in einem Glas auf dem Tisch stand und wühlte im Wäschekorb nach weiteren brauchbaren Klamotten, die bereits hoffnungsvoll nach der Waschmaschine kreischten. Unter einem Berg stinkender Socken fand er eine Jeans und neben einer halbleeren Kiste Heineken lag ein zerknülltes Hemd voller Flecken. Frank knöpfte es sich zu und starrte dabei lange auf die Kiste, aus der ihm mehrere Flaschenhälse verlockend angrinsten. Nach reichlicher Überlegung, ob er schon jetzt das erste Bier trinken sollte, entschied er sich jedoch dagegen, da er heute noch eine Menge Papierkram in seiner Kneipe zu erledigen hatte und mit der Vernichtung der Gehirnzellen noch einige Stunden warten wollte.

Dann sah er die Shotgun…

Wie sie blankpoliert auf seinem Tisch lag und daneben ein Handy, das rot blinkte, wie eine beschissene defekte Straßenampel, die einfach nicht umschalten will.

Woher kommt denn dieses Telefon?

Unwohlsein breitete sich in seinem Körper aus. Hatte er wieder einen Blackout gehabt? Das konnte nicht sein. Er konnte sich noch an alles vom letzten Abend erinnern. Er wusste sogar noch, wie er Roger aus der Kneipe schmeißen musste, der aufgrund seines hohem Promillepegels der festen Überzeugung gewesen ist, sich auf den Tisch stellen zu müssen und im Kreis drehend, alles vollzupissen. Von einer Shotgun und einem verfluchten rot blinkenden Telefon konnte da nicht die Rede sein. Er schaltete es an und musterte das zerkratzte Gehäuse. Es schien ein älteres Gerät zu sein. Die Marke war Frank zudem völlig unbekannt. Ein helles Licht fegte über das Display und auf dem weißen Bildschirm flimmerte ein schwach zu erkennender Text auf.

Drücke mich oben rechts und dann doppelt oben links…

Frank tat wie in der Nachricht befohlen und durch ein nahezu unhörbares Summen wurde eine Datei auf dem Bildschirm hochgeladen, auf der ein Mann zu erkennen war, der in makabrer Stellung geknickt auf dem Boden lag, mit verkrümmten Armen über seinem Kopf gestreckt. Erst dann erkannte Frank, dass diese Person auf dem Bild tot war. Unterhalb des Brustkorbs schimmerte ein Einschussloch in der Größe eines Handballs. Die Gedärme durch das Austrittsloch über den Teppich verteilt, hingen zugleich an Möbelstücken wie geblasene Luftschlangen, schimmerten glasig durch das Blitzlicht der Kamera und zierten die  von fleischfetzenbesudelte Einrichtung des Raumes.

Frank stutzte. Dieses Gesicht kam ihm bekannt vor. Mit verschwitzten Fingerballen versuchte er auf den toten Kopf zu zoomen, aus dem zwei aufgerissene Augen den Schrecken, der durch Franks Körper fuhr, bestätigte und seiner Ungläubigkeit zusprach.

Das bin ich auf diesem Bild, pochte es in Franks Stirn.

Doch wie konnte das sein? Dieser Mann auf dem Bild konnte unmöglich Frank selbst sein und doch gab es keinerlei Zweifel daran, dass er es war. Im selben Augenblick, als Frank zitternd zum Kühlschrank taumeln wollte, um sich zwei, oder besser gleich vier Bier hinter die Binde zu kippen, klingelte das Telefon und übermittelte ihm eine Nachricht.

Hallo Frank, verzeih, ich habe meine Waffe bei dir vergessen. Bring sie mit in deine Kneipe. Wir müssen reden…und zwar jetzt.

„Verflucht nochmal! Was läuft hier eigentlich?!“, nuschelte er vor sich hin, nachdenkend über seinen nächsten Schritt. Er konnte die Polizei noch kontaktieren. Doch was, wenn er in irgendeine Sache verstrickt war, von der er nichts mehr wusste. So oft hatte er sich geschworen, nichts mehr zu trinken, um seine Kneipe länger geöffnet zu lassen und um zu wissen, wie viel jeder Säufer am Tisch noch Striche auf seinem Deckel bezahlen musste. Wie dem auch sei, er musste jetzt handeln. Die Waffe musste so schnell wie möglich aus seiner Wohnung verschwinden. Genauso wie das Handy.

Frank schnappte sich die Shotgun und begutachtete den Lauf und Schaft. Soviel Gewalt und Tod in diesem langen Stahl auch stecken mochte, fürchtete er bereits, was sich hinter der Tür seiner Kneipe verbergen konnte. Er dachte an muskulöse Männer, auf dessen Gesichtern tiefe Narben lagen, in ihren pulsierenden Pranken schwere Pistolen, in deren die Kugeln schon heiß vor Freude waren, sich in Franks Kopf bohren zu dürfen.

Dann würde sich Frank verteidigen müssen und um sein Leben kämpfen, auch wenn er nicht wusste, warum er dies eigentlich tun musste.

„Scheiße…“, zischte Frank zwischen seinen Zähnen.

Geschossen hatte er in seinem Leben noch nie. Verdammt, er hatte ja noch nicht einmal eine Knarre in der Hand gehalten, um jemanden damit zu bedrohen. Frank wäre eher in einen toxischen Ameisenhaufen gerannt, als mit einer erhobenen Waffe auf einen Menschen zu schießen und am Tod einer Person schuld zu sein. Aber er hatte keine Wahl, was sollte er schon der Polizei erzählen können.

 Schönen guten Tag, liebe Wachtmeister! Ich habe ein  Telefon gefunden… Es lag bei mir zuhause… Und eine scheiß große Shotgun… die lag gleich daneben… Und ich habe keine Ahnung wie diese Scheiße da hingekommen ist… Jedenfalls war auf dem Handy ein Bild. Da war ein toter Kerl drauf zu sehen… ihm wurde wohl ein dicker Krater in den Körper geschossen und das witzige daran ist, dass der Kerl so aussieht wie ich! Ich bin auf diesem Bild tot und über den Haufen geschossen in einer feucht-fröhlichen Blutlache zu sehen! Ist das nicht ein verrückter Zufall???

 

Spätestens an diesem Punkt wären die Beamten in Tränen ausgebrochen und hätten sich gekugelt vor Lachen. Einen Klack später die Handschellen umgelegt und  ihn festgenommen, einen Drogentest durchgeführt und mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Und bevor es zu solch einem Desaster kommen würde, tat Frank das was er am besten konnte. Er zog fluchend seine Jacke an, kippte ein schnelles Bier den Rachen hinunter und ging zu seiner Kneipe.

Doch an diesem Tag mit einer Shotgun in der Hand…

Frank schloss vorsichtig die Tür auf und hielt die Luft an. Er öffnete die Tür einen kleinen Spalt, nur so weit, um hineinlunzen zu können, in den modrig-stinkenden Schuppen, den er seinen Arbeitsplatz schimpfte. Es war niemand zu sehen.

Flink, so kannte sich Frank noch gar nicht, eilte er hinein und verschloss die Tür hinter sich. Kalter Rauch und leichte Geruchsrückstände von Rogers Pisse stiegen ihm in die Nase. Ein leichter Duft von abgestandenem Bier lag in der Luft, so wie er es am liebsten mochte. Fast wäre er an dem Punkt angekommen, sich wieder in seinem Alltag wohl zu fühlen, als das Klacken einer nachladenden Waffe hinter ihm erklang.                                                                                                                                           „Bleib da stehen“, sagte die Stimme plötzlich hastig atmend.

„Kumpel, ich weiß nicht wer du bist, oder was für eine Scheiße hier läuft… aber nimm die Knarre runter und mache jetzt nichts falsches.“, versuchte Frank der Person ruhig zuzureden. Die Person hinter ihm verstummte.

„Darf ich mich langsam umdrehen?“, fragte Frank.

 „Du darfst. Aber wenn du es machst,

dann mache es langsam und leg vorher deine Waffe auf den Boden.“

Frank warf die Shotgun zu einem runden Holztisch, da wo Roger seine Blase vergangene Nacht entleerte, und drehte sich langsam zu der Person, die ebenfalls eine Shotgun derselben Marke auf seinen Schädel richtete. Die Person weitete die Augen. „Verfluchter Gott im Himmel!“, entrann es deren Kehle, als der Mann ins Licht trat und Franks  Gesicht erkannte.                                                                                              „Was zum…?“, wollte Frank den Satz beenden, doch brachte er kein Wort mehr heraus, da ihm die Luft zum Sprechen fehlte. Die Person vor ihm sah exakt so aus wie Frank.

Trug dieselbe Jacke, die gleiche dreckige Hose und hatte ebenfalls das Haar nach hinten gekämmt. Der Mann senkte seine Shotgun und kratzte sich am Kinn.

„Jetzt bin ich verwirrt. Ich sollte hierherkommen, um mit jemanden zu reden.

Über ein Bild auf einem Handy…“                                                                                                Frank nickte ihm beruhigend zu,                                                                                             „Geht mir genauso, Kumpel. Ich glaube, wir sollten erstmal einen kurzen trinken.“

„Lass die Waffe auf dem Boden liegen. Ich tue dir nichts, versprochen.“,

sagte der Mann und folgte Frank zum Tresen.

„Wie heißt du?“, wollte Frank wissen und schenkte ihm einen Braunen ein.

„Ben.“                                                                                                                                          „Freut mich dich kennenzulernen, Ben. Ich heiße Frank.“

„Ist das deine Kneipe hier, Frank?“                                                                                           „Das ist sie. Mein kleines eigenes Königreich sozusagen!“, lächelte Frank seinem Gast entgegen und breitete präsentierend die Arme aus,

„Ich nehme an, du bist nicht ebenfalls im Besitz einer kleinen Spelunke wie dieser hier, Ben?“

„Nein, ich bin Polizist. Jedoch nehme ich mir gerade eine Auszeit…“,

sagte Ben und kippte den Braunen hinunter, „Also, eher auf Zwang.

Mein Vorgesetzter hat mich auf unbestimmte Zeit suspendiert,

um einige Dinge Regeln zu können…“

Frank zeigte auf die Flasche, „Nachfüllen?“

Bens Antwort brach entzwei wie das Schloss der Kneipentür, durch einen donnernden Schuss, der ein Loch in das Holz trieb und die Türen beim Aufschlagen gegen die Wand knallen ließ. Ben warf sich auf den Boden und kroch hinter den Tresen zu Frank,

der sich schutzsuchend gegen ein Bierfass drückte,

„Verflucht nochmal! Geh in Deckung Frank!“

„Ihr kommt jetzt beide langsam hoch. Der eine Typ von euch mit dem Schießeisen!

Wirf es über den Tresen!“                                                                                                          Ben schüttelte den Kopf, „Das kannst du vergessen. Ich halte den Lauf der Waffe gerade gegen die Holzwand vom Tresen gepresst! Wenn ich abfeure, reiß ich ein dickes Loch in die Wand und dir deine verkackte Bandscheibe weg! Verlass dich drauf!

Also nimmst du deine Waffe runter!“

Der schießwütige Mann in der Tür lud seine Waffe nach,

nur um kurz darauf selbst einen geladenen Flintenlauf an den Hinterkopf gehalten zu kriegen.

„Keine hektische Bewegung, mein Kleiner…

ihr Hübschen scheint mir bereits mit der Gesprächsrunde begonnen zu haben…“,

flüsterte eine weitere Stimme.

Frank hörte wie die Fußsohlen über dem knirschenden Holz näher kamen.

„Ganz ruhig. Ich will hier niemandem etwas Böses! Ich bin hier,

weil ich ein Handy in der Wohnung liegen hatte. Ich habe eine Nachricht erhalten.

Darin stand, ich solle hierher kommen und mit jemanden sprechen!

Bitte erschieß mich nicht! Bitte!“

Der Mann, der dem winselnden Kerl die Shotgun an den Hinterkopf hielt, erstarrte.

„Ich bin ebenfalls aus den gleichen Gründen hier!“, sagte er nervös,

„Ihr zwei hinter dem Tresen! Warum seid ihr hier?“                                                       Frank kam langsam hinter dem Tresen hervor, dicht gefolgt von Ben.

„Tritt mich ein Pferd!“, schimpfte der Kerl mit erhobener Waffe, der entgeistert über die Schultern des zitternden Mannes blickte und schob sich an ihm vorbei.

Sie alle vier blickten sich ungläubig an. Sahen sie sich doch so gleich, als würden sie in ihr schockiertes Spiegelbild starren und nicht verstehen, warum es dort zu sehen war.  Frank hob beschwichtigend die Hände.

„Zuerst sollten jetzt alle erstmal ihre verdammten Waffen herunternehmen!

Scheiße, wieso habt ihr eigentlich alle Shotguns bei euch?!“

„Die lag bei mir im Zimmer.“, sagte der Kerl,

der als letztes in die Kneipe trat und legte die Waffe auf einen Barhocker,

„ Ich glaube, sie lag bei uns allen im Zimmer…

Irgendeine ganz krumme Nummer geschieht hier gerade! Ihr könnt mich Ed nennen.“

„Und du heißt?“, fragte Ben den anderen Mann.

 „Ich heiße Ted.“                                                                                                                          „Ted und Ed…? Können diese Zufälle eigentlich noch absurder werden?

Ich bin Frank und der Kumpel hier neben mir heißt Ben.“

Ed lehnte seine Flinte gegen den Tresen, griffbereit.                                                         „Wenn es euch nichts ausmacht, dann würde ich auch gerne meine Waffe zum Mann holen. Reine Vorsichtsmaßnahme versteht sich…“, sagte Frank und ging

langsam an den anderen vorbei. Eine bedrückende Stille viel über die Kneipe herein,

in der vier Männer standen und nicht verstanden, warum diese Welt plötzlich völlig Kopf stand. Ted musterte Ben und rieb sich immerzu fassungslos die Augen.                  „Das kann doch nicht real sein.“, sagte er.

Ed schenkte sich einen Cognac ein und machte sich nicht die Mühe, die anderen zu fragen,

ob sie seinem Durst beiwohnen wollten. Stattdessen interessierte ihn eine ganz andere Frage. „Also. Wir sehen alle gleich aus… haben sogar die gleichen Sachen an.

Ich habe keine Brüder, das weiß ich genau. Und ich will verflucht sein, meine Mutter hätte mir nie und nimmer drei Zwillingsbrüder verheimlichen können!“,

sagte er kopfschüttelnd und trank einen weiteren Cognac.

Ben lehnte sich über den Tisch herüber zu Ed.

„Du hast sogar den gleichen Leberfleck wie ich auf der Wange…“                                        Ted schlug mit der Faust auf den Tisch, „Wir haben alle dieses beschissene Muttermahl auf der Wange! Wir haben alle die gleiche Stimme und dieselben Augen! Das ist wie in einer abgefuckten Zaubershow auf Drogen!“. Keiner traute sich etwas zu sagen. Allen war bewusst, dass etwas unerklärliches vor sich ging. Das Klingeln von vier Telefonen durchschnitt die Gedankengänge der Männer, die wie in Trance in ihren Hosentaschen wühlten, auf den Display schauten und ihre Nachricht lasen.

Drück mich oben rechts und dann doppelt oben links…

Die Männer drückten an den Seiten der Telefone herum, wartend darauf, dass das Bild aus groben Pixeln zu einer klaren Fotografie heranwächst, die ihnen Licht ins Dunkle bringen würde. Unscharfe Bilddetails formten sich zu einem klaren Umriss und ließen nur erahnen, welches Grauen sich dahinter verbarg. Auf dem Foto war eine Frau zu sehen. Sie lag auf einem Bett, von Blut überzogen. Aus vielen kleinen Stichwunden erhoben sich geronnene Hügel aus dunklem Blut, verschlossen die offenen Wunden am Hals, den Armen, Beinen und der Wangen, durch scharfer Klinge zugefügt. Ted ließ das Telefon fallen und musste würgen, während Ed seines auf den Boden warf und wie verrückt darauf herumsprang. Frank nahm eine angebrochene Flasche Wodka und trank deren halben Inhalt in einem Zug.

„Das war meine Frau…“, schluchzte Ben und wischte sich die Tränen vom Gesicht.

„Was redest du da für eine Scheiße!? Das war meine Frau!“, brüllte ihn Ed an.

Frank nahm die Wodkaflasche und zerschlug sie Ed auf dem Kopf. Dünne Blutfäden, verursacht durch scharfen gezogenem Glas, rannen über die Stirn von Ed, bildeten einen kleinen Bach aus Blut, der ihm alsbald über das Gesicht strömte und ihm wie flüchtende Regentropfen vom Kinn tropfte. Im selben Augenblick zückte Ted seine Flinte und richtete sie gegen Frank, „Was für eine Scheiße läuft hier? Ihr redet hier von meiner Frau!

Sie wurde vor fünf Jahren ermordet. Es ist bis heute nicht aufgeklärt welcher Scheißkerl das gewesen ist und ich glaube, dass könnte sich jetzt ändern! Irgendeiner von euch hat mit dieser Sache etwas zu tun. Ich weiß es genau…“

„Wenn du noch einmal sagst, es wäre deine Frau gewesen, dann tötest du mich besser gleich, du beschissenes Arschloch!“, schrie Frank und fuchtelte mit seinem Zeigefingern vor Teds Gesicht. „Was arbeitest du, Ted? Hm, was arbeitest du?“

„Ich bin Arzt, du versoffener Penner! Aber ich wüsste nicht,

was das mit unserer Situation zu tun hat!“, knurrte Ted.

„Und du, Ed! Was ist deine Berufsbezeichnung. Und lüge mich jetzt besser nicht an! Ich habe noch jede Menge Flaschen, die ich dir über den Kopf ziehen kann…“,

drohte Frank mit gefletschten Zähnen, vor Wut kochend.                                   „Feuerwehrmann…“, stotterte Ed schmerzlich aus seinen blutbenetzten Lippen. Augenblicklich zückte Ben seine Shotgun, richtete sie auf Ed und schoss ihm im Bruchteil einer Sekunde den Schädel weg. In einer Fontäne aus Gehirnmasse und Schädelknochen platzte sein Kopf und der Leichnam kippte wie ein fallender Baum nach hinten.

Frank riss sich seine Shotgun vom Tresen und hielt sie gegen Ted gerichtet,

„Merkwürdig, dass bei den Ermittlungen immer im Bereich der Medizin gefahndet wurde, weil man behauptet hat,

dass meine Frau zuletzt mit einem Mann im Arztkittel aus dem städtischen Krankenhaus gesehen wurde. Komisch, oder?“ sagte Frank.

Ben, der gerade dabei war seine Waffe nachzuladen, war nicht schnell genug, um den schnellen Handgriff von Ted kommen zu sehen und blickte als letzte Amtshandlung in seinem Leben, in den Lauf einer frischpolierten Shotgun. Ein Schuss löste sich in ihrem Inneren und fetzte Ben das Gesicht weg. Bespritzte die teuren Schnapsflaschen aus unterschiedlichsten Ländern mit Kopfhaut und Haaren. Doch Ted war klar, dass er es nicht schaffen würde nachzuladen und seine Schrotmunition in den Körper von Frank zu jagen, bevor er es ihm gleich täte.

„Ich hörte, meine Frau war mit einem Mann aus einer Kneipe zusammen, bevor man mehrmals auf ihr Herz eingestochen hat. Wir sehen uns…“,

flüsterte Ted und flog gegen die Holzwand, die ein Blumenmuster aus Blut und Fleisch zierte, erblüht durch das Einschussloch im Brustkorb von Ted.

Frank atmete tief ein, mit zitternder Hand die rauchende Waffe haltend.

War er ein Mörder? Jetzt jedenfalls war er einer.

Er konnte sich nicht daran erinnern vor fünf Jahren seine Frau getötet zu haben.

In seinem Kopf hieß es manchmal, dass ein Feuerwehrmann vorbeikam,

sie beglückte  und anschließend erstochen hatte. Manchmal sagte sein Kopf, es war ein Arzt. Ein gebildeter Mann, der zu medizinischen Zwecken aus Wut tiefe Schnitte in die Haut seiner Frau trieb. Ein Polizist, der ihren Schoß küsste und sich mit einem Stich in die Halsschlagader bedankte. Aber am häufigsten sagten die Stimmen, die in seinem Kopf so laut schrien, wie Gefangene auf einem sinkendem Schiff, dass Frank einst ein Wissenschaftler war.

Der verrückte alte Frank, lachten sie und stampften durch seinen Schädel, beauftragte einen Mann, der loszog, um seine Frau zu ermorden.

Doch Frank war es schlagartig egal was die Stimmen ihm sagten, weil er wusste, dass es da noch andere gab, die seine Frau liebten. Und wenn er sie nicht alleine lieben durfte, dann durfte es niemand. Da lachten die Stimmen wieder in seinem Kopf und kitzelten seine Augen, die Tränen heraustrieben. So oft klopften die Dämonen gegen seine Schädeldecke, da war es ihm doch jetzt ein leichtes, dem Klopfen ein Ende zu bereiten. Ein Ende, welches mit dem Durchladen seiner Shotgun besiegelt werden konnte. Ein Ende, dass durch einen Schuss und einem gesprengten Gedanken, das Gehirn in der Mitte teilte und seine Gedanken frei ließe.

„Ich denke, wir haben genug Material.“, sagte John zu Charlie und beendete die Aufnahme der Überwachungskamera, als der kopflose Frank zu Boden sank und die tanzenden Stimmen aus seiner Kopföffnung strömen ließ. John öffnete sich eine Dose Cola. Mittlerweile wusste er, dass es nie gut war, die Dosen kurz nach dem Einkauf zu öffnen, da sie ständig beim Transport herumgeschüttelt wurde und beim Öffnen ein zischendes Sprudelinferno entbrannte und ihn mit süßen Gesöff bespritzte. Daher wartete er immer einen Tag, um sich nach Möglichkeit nicht vollzusauen. Er kannte die Konsequenz. Charlie würde ihn dafür wieder stundenlang aufziehen und lächerlich machen. Ellenlange Witze reißen und John nachäffen mit einer schlecht verstellten Stimme, die wie ein Gorilla klang.                                                                        Die Schalttür öffnete sich mit einem lauten fiepen und Herr Professor Kaiser kam zum Überwachungspult gelaufen. Sein faltiges Gesicht strahlte ein genugtuende Freude aus und erhellte seine milchig-blauen Augen zu  funkelnden Smaragden.

„Hallo meine Herren. Wie wir sehen hat alles wieder wie gewünscht funktioniert. Wir hätten tatsächlich nicht damit gerechnet, dass sich Herr Frank heute selbst das Leben nimmt.

Wir glauben, heute hat er tatsächlich sehr gelitten in seinem Umstand der Erkenntnis. Es wusste uns sehr zu gefallen und ist ein großer Schritt nach vorne.“

 John kramte in seinen Unterlagen herum und suchte nach dem Testbericht von letzter Woche. „Bei unserem letzten Testdurchlauf waren wir an einem grenzüberschreitenden, psychosomatischen Punkt angelangt, an dem wir die multiplen Persönlichkeiten in einer klaren Zeitflussvernetzung voneinander abspalten konnten. Es erkannten in der zweihundertfünfundsechzigsten Minute Ted und Ed, dass ihre Persönlichkeiten miteinander zwar nicht identisch sind, sie jedoch in ihrer Ursprungsform in einem Körper lebten und durch eine Personenspaltung voneinander getrennt leben können! Sie haben sogar gewusst, dass sie beide ihre Frau getötet haben, da sie theoretisch ein und die gleiche Person sind. Jedoch haben sie, wie bei jedem Durchlauf, sich gegenseitig getötet.“                                                   Herr Professor Kaiser grinste seinen beiden Mitarbeitern zu,

„Nun, es freut uns, dass wir Fortschritte machen. Es freut uns, dass wir in der Hirnforschung solch wundervolle Fortschritte erzielen. Vielleicht wird es uns eines Tages möglich sein, Menschen mit multiplen Persönlichkeitsstörungen so zu lenken, dass sie parallel der Übernahme eines gespaltenen Individuums in der Lage sein werden, unter voller Leistungsfähigkeit des Gehirns, zu wissen, was die übernehmende Persönlichkeit getan hat oder gar tut und selbstbestimmt entscheiden kann zwischen richtig und falsch. Gut und Böse. Doch bis dahin haben wir noch viel Zeit.“                                                                                                                                          Charlie räusperte sich, „Professor, ich weiß, dass die Ereignisse vor fünf Jahren mehr als erschütternd für sie gewesen sind. John und Ich haben für ihre Trauer tiefstes Verständnis, sie wissen, das hatten wir immer. Aber denke sie nicht, dass wir uns  endlich weitgehendst einzig und allein auf die Forschung zur Heilung von allgemeiner Identitätsstörungen konzentrieren sollten? Wir können sie heilen Professor!

Sie führen diesen verrückten und ethnisch nicht vertretbaren Rachefeldzug nun schon seit fünf Jahren durch! Wir könnten mit unseren Forschungsergebnissen schon seit Jahren an die Öffentlichkeit treten und in dieser Welt so viel verändern. Lassen sie uns dieses Wissen und unsere wissenschaftliche Arbeit doch nicht noch länger geheim halten! Wir stehen kurz vor dem Durchbruch dissoziative Identitätsstörung zu heilen und haben die Möglichkeit DNA perfekt zu kopieren! Wir sind in der Lage Klone zu züchten, Professor…

Die Welt muss das erfahren!“

Herr Professor Kaiser packte sich einen Stuhl von der Seite und setzte sich vor John und Charlie. „Wisst ihr, unsere Krankheit ist keine Entschuldigung für ein Verbrechen, das begangen wurde. Meine Frau war alles für uns. Das weiß jeder Mensch, der uns kennt. Wir liebten sie aufrichtig. Doch einer von diesen vier Bastarden in mir hat sie kaltblütig ermordet. Sei es Eifersucht gewesen, weil sie in einen Feuerwehrmann verliebt gewesen ist oder eine Jugendliebe, die später Arzt wurde, und ich weiß, welche absurden Berufe sich diese miesen Gauner schon ersponnen haben, gibt es uns doch nicht das Recht zu töten. Und ich schwöre euch bei Gott, solange wie man aus unserer DNA ein genetisch identisches Individuen züchten kann, werde ich mich Klonen und die vier dafür büßen lassen, was sie mir und meiner Frau angetan haben. Haben wir doch schon Hunderte von denen sich gegenseitig umbringen lassen. Haben wir noch Hunderte in unseren Produktionstanks und Zuchtstationen. Glaubt mir, sie werden diese Torturen noch viele Jahre durchmachen. Wir forschen nicht nur Identitätsstörungen und das Klonen von DNA. Nein, nein… Wir erforschen innere Traumata und Wut, den Verlust von Verstand und die Bereitschaft zum Töten. Sie werden sich noch oft gegenseitig das Wissen aus dem Kopf schießen, soviel ist sicher. Denn so wie ich leiden musste… müssen sie es auch. Unserer Frau wäre es eine Gerechtigkeit. Sie würde sagen, du warst schon immer ein großartiger Wissenschaftler und tust das richtige. Wir sind noch weit entfernt vom Durchbruch, vertraut mir. Wir haben noch so viel Schrotmunition und Chancen menschliche Genugtuung zu erblicken. Und wenn wir nebenbei in der Forschung vorankommen… wäre es mir doch ein köstlicher Beigeschmack.“, lachte Herr Professor Kaiser und schrie seinen Wahnsinn, der ihm schon so lange gefiel gegen die Labordecke, wartend darauf, dass die Stimmen in seinem Kopf aufhören würden zu klopfen, grausame Erinnerungen zuflüsterten  und doch endlich verstummten durch den Knall einer explosiven Shotgun.

Ende

 

5 thoughts on “Frank´s Shotgun

  1. WOW!! WOW!!WOW!!

    Danke das du diese verrückt, geniale und super erzählte Geschichte nicht Horst‘s Shotgun getauft hast, denn bei Horst hätte ich wahrscheinlich gar nicht versucht sie zu lesen!!

    Das hier kein Anfänger schreibt merkt man in jedem Wort, in jedem Satz in jedem Bild das du mit Worten malst. Dein Schreibstil ist phänomenal. Ungelogen, ich habe bis jetzt ca 220 Geschichten gelesen und deine ist mit eine der Besten! Warum hast du so wenige Likes? Versagt die Werbetrommel?

    Das Ding ist so krass geplottet, skizziert. Wahnsinn! Die Dialoge, der Spannungsbogen alles 12 von 10 Punkten!

    Bei der Geschichte passt einfach alles…Klar, man muss solche Art von Geschichten mögen…ich tu es!! Und deswegen lass ich dir gerne ein Like da und hoffe das noch andere es mir nachmachen! Deine Geschichte muß mit ins EBook!

    LG Frank aka leonjoestick ( Geschichte: Der Ponyjäger)

  2. Hallo
    Ich kann mich Franks Worten nur anschließen.
    Du hast eine großartige und komplett außergewöhnliche Story abgeliefert.

    Verrückt, irre, individuell, hart, blutig, intelligent, verschroben und toll.

    Dein Schreibstil ist genial und zeigt, dass du schon viel geschrieben hast.

    So.
    Und jetzt müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie du an mehr Likes kommst.
    Natürlich lasse ich dir einen Like da.

    Du musst viel mehr Werbung für deine großartige Geschichte machen.

    Benutze Instagramm dafür, tritt der Gruppe wir_schrieben_zuhause bei, poste wie verrückt.
    Die Menschen müssen erfahren, dass es dich und deine Geschichte gibt.

    Noch hast du ein paar Wochen Zeit.
    Hau rein und bleib gesund.
    Liebe Grüße, Swen Artmann (Artsneurosia)

    “Die silberne Katze”

    1. Hallo Swen,
      Hab tausend Dank für diese wundervollen Worte und dem tollen Feedback! Es freut mich wirklich sehr das es dir gefallen hat. Ich werde mich mal bei Instagram in euer Gruppe einklinken und ein bisschen Werbung machen 😀
      Und nächste Woche lese ich auch deine Geschichte. Ich bin schon sehr gespannt drauf.
      Hab einen schönen Sonntag und beste Grüße,
      Armands

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