AmelieGIch bin Richard

Er hielt das Messer in der Hand. Ich sehe den Blick in ihren Augen. Verzweiflung. Angst. Doch er lächelte nur: „Tut mir leid, aber du bist einfach nicht gut für sie, du bist ein schlechter Einfluss! Aber du brauchst keine Angst haben, ich schneide deine Kehle so schnell durch, dass du es gar nicht merken wirst!“. Der lange Schrei, der ganz plötzlich verstummte. Das blutige Messer in seiner Hand. Ich schreckte aus dem Schlaf hoch. Mal wieder plagte mich einer dieser Albträume, die ich seit fast drei Jahren habe. Wahrscheinlich hätte ich mich an den ganzen Vorfall inzwischen gar nicht mehr erinnert. Mein Hirn ist dabei gewesen so etwas wie eine Schutzschicht um sich zu bilden, um die Erinnerung abzuschirmen. Doch dann fingen die Albträume an und rüttelten die verschwimmenden Gedanken wieder wach. 25 Jahre ist es jetzt her doch in meinem Kopf sehe ich es so klar, als wäre es gestern gewesen. Es ist sein dunkles Geheimnis, welches mein Leben zerstört hat. Durch die Albträume und die Erinnerungen ging es mit meiner Psyche immer mehr bergab. Das würde ich nicht mehr lange aushalten. Es wird Zeit etwas zu unternehmen.

 

Mein Name ist Richard und ich bin 38 Jahre alt.

Dies waren die ersten Dinge, die mir durch den Kopf schossen, als ich auf der unbekannten Parkbank aufwachte. Was letzte Nacht passiert war, wusste ich nicht mehr. Wahrscheinlich hatte ich mal wieder zu viel getrunken. Meistens wenn ich mit Dennis unterwegs war, tranken wir.

Es war nicht das erste Mal, dass ich danach ein Blackout hatte und an den verschiedensten Orten aufwachte. Die Erinnerungen kamen meistens erst nach Monaten, wenn nicht sogar Jahren wieder, auch wenn ich mir manchmal wünschte, sie würden für immer wegbleiben.

Dennis war mein bester und einziger Freund. Wir waren beide Einzelgänger und hatten keine weiteren soziale Kontakte. Als ich ein Teenager war, tauchte er plötzlich in meinem Leben auf, ich lernte ihn kennen als ich mal wieder wie so oft alleine auf dem Fußballplatz stand und elf Meter ohne Torwart übte. Er kam damals auf mich zu und fragte, ob er mitspielen könne.

Ich setzte mich auf und lies meinen Orientierungssinn auf Hochtouren laufen. Als mein Gehirn nach fünf Minuten realisierte, dass ich in dem Park, zwei Blöcke von meiner Wohnung entfernt lag, trat ich den Heimweg an.

Als ich die Wohnungstür öffnete, sprang mir sofort der blinkende Anrufbeantworter ins Auge. Ich streifte mir die Schuhe von den Füßen und hing meine Jacke an den Kleiderhaken. Dann startete ich die Aufnahme. Als ich die Stimme hörte, erschrak ich. Es war meine Mutter, die mich daran erinnerte heute doch pünktlich zu unserem gemeinsamen Mittagessen zu kommen. Das hatte ich total vergessen.

Nach einer schnellen Dusche und einem Wechsel meiner Klamotten, saß ich auch schon im Auto und war auf dem Weg zu meinen Eltern. Eigentlich hatte ich keine Lust auf das Mittagessen, wir hatten uns aber alle schon längere Zeit nicht gesehen und meine Mutter legte viel Wert darauf, die Familie zusammenzuhalten.

Das Familienessen verlief langweilig. Meine Mutter versuchte im übertriebenen Maße alle aufzuheitern, mein Vater mischte sich nicht viel ein und meine jüngere Schwester Katja redete nicht viel, wie immer. Ich war erleichtert, als ich mich endlich aus dem Familientreffen winden konnte und im Auto saß, um nach Hause zu fahren.

Als ich nach meiner Jacke griff, welche auf dem Beifahrersitz lag, hörte ich plötzlich ein Poltern. Abwechselnd auf die Fahrbahn und in den Fußbereich des Beifahrersitzes schauend, versuchte ich herauszufinden, was das war. Ich konnte aber nichts erkennen. Na gut, sobald ich zu Hause angekommen war, würde ich nachschauen.

Ich parkte mein Auto, stieg aus und lief zur Beifahrertür, öffnete sie und bückte mich um mit der Hand den Fußraum abzutasten. Dann fühlte meine Hand einen mir bekannten Gegenstand. Verwirrt zog ich ein Smartphone hervor. Eigentlich nicht ungewöhnlich, dass sich das Handy mal in den Fußraum verirrt, wäre da nicht die Tatsache, dass es nicht mein Handy war.

Es war kein besonderes Handy. Schwarz, ohne Hülle und von einer Marke, welche mir nicht bekannt war. Was sollte ich nun damit anstellen? Ich drückte den einzigen vorhandenen Knopf, mit dem Glauben, dass sicher nichts passieren würde. Ich täuschte mich. Der Bildschirm leuchtete auf und ich stutzte. Der Bildschirm war fast komplett leer. Außer einem weißen Hintergrund und einem einzigen Ordner, war nichts darauf zu sehen. Mein Finger schwebte kurz über dem Ordner. Nein. Das konnte ich nicht machen. Das Handy gehörte mir nicht. Ich würde es irgendwann zur Polizei bringen.

Ich ging hoch und legte das Handy auf meinen Tisch. Morgen würde ich mich darum kümmern, beschloss ich. Immernoch müde von der Parkbank Nacht, fiel ich ins Bett. Nachts schreckte ich plötzlich hoch und setzte mich verwirrt in meinem Bett auf. Ich hatte etwas gehört, oder ist es nur ein Traum gewesen? Leise stand ich auf und lugte durch den Türspalt. Sofort stellte ich fest, dass etwas nicht stimmte.

Die komplette Dunkelheit die in meiner Wohnung normalerweise nachts herrschte, wurde durch das leuchtende Display des Handys durchbrochen, welches nach wie vor auf meinem Tisch lag. Ich fuhr zusammen, schon wieder dieses Geräusch. Ein kurzes Piepen, welches ein Handy häufig von sich gibt, sobald eine neue Nachricht eingegangen ist.

Ich stand ein paar Minuten erstarrt da. Dann fing ich langsam an Richtung Handy zu laufen. Das Display wurde wieder schwarz. Ich nahm das Handy in die Hand und machte das Displaylicht wieder an. Auf dem Handy befand sich nach wie vor nur dieser eine Ordner. Okay, das war mir jetzt zu blöd. Entschlossen tippte ich auf den Ordner.

Es öffnete sich eine Galerie mit zwei Bildern. Ich begriff ziemlich schnell, dass es so etwas wie eine Cloud sein musste, in der man Bilder hochladen konnte. Jedes Pling signalisierte mir, dass ein neues Bild hochgeladen wurde. Neugierig öffnete ich das erste Bild.

Ich erstarrte und warf das Handy buchstäblich aus meiner Hand. Mein Herz pochte schmerzhaft gegen meine Brust und aus meinem Körper brach der Schweiß aus. Mit zittrigen Händen griff ich nach dem Lichtschalter und machte das Licht an. Ich schaute mich um, musste aber feststellen, dass ich komplett alleine war. Ich atmete ein paar mal tief durch und versuchte mich zu beruhigen. Dann hob ich mit schweißnassen Händen das Handy vom Boden auf und starrte das Bild an um sicherzugehen, dass es wirklich das war wonach es aussah.

Ich konnte es nicht leugnen. Das auf dem Bild war eindeutig ich. Doch mein Körper sah nicht normal aus. Der Bauch war offen und die Innereien tropften auf den Boden. Es war auf jeden Fall ersichtlich, dass bei dem Bild jemand seine nicht vorhandenen Bildbearbeitungskünste spielen lassen hat. Dennoch war das Bild angsteinflößend, vor allem, wer macht so etwas? Und warum? Ich schloss das Bild und öffnete das zweite.

Ich atmete erleichtert auf als ich sah, dass es dieses Mal ein normales Bild von mir war mit dem Textzug „Ich weiß was du getan hast, dafür wirst du meine Rache zu spüren bekommen!“. Im Vergleich zu dem ersten Bild war das ja harmlos. Ich versuchte logisch zu denken.

Okay, das Bild von mir war beides mal das gleiche. Einmal mit Bearbeitung einmal ohne. Ich griff nach meinem Laptop und tippte meinen Namen bei Google ein. Gleich der dritte Beitrag zeigte mir das, was ich gesucht hatte. Die Website meines Arbeitgebers.

Ich war bei einer Reinigungsfirma angestellt, welche vor ein paar Wochen mit einer neuen Idee versucht neue Leute anzuheuern. Dabei war es von uns allen die Aufgabe gewesen freudig in die Kamera zu lächeln und unter unser Bild einen Spruch zu setzten, wieso wir so gerne dort arbeiten. Ich lachte, als ob auch nur einer von uns ehrlich gewesen ist. Aber die Bezahlung hatte gestimmt, wieso also nicht.

Somit konnte der Scherzkeks, welcher meint mir angst machen zu müssen, so gut wie jeder sein. Es gibt heutzutage doch kaum noch jemanden, der keinen Zugriff auf das Internet hat. Die Frage die sich mir aber am meisten drängte, was meint derjenige mit „Ich weiß was du getan hast“?

Ich strengte mein Gehirn an, eine verletzte Ex die sich rächen will? Ein alter Mann, der sauer ist, weil die Rechnung für die Reparatur der kaputten Nase so teuer war? Vielleicht habe ich der einen oder andere Frau mal das Herz gebrochen, weil ich doch die beste Freundin oder die Schwester heißer fand. Oder ich habe ein paar besoffenen Opas in der Bar blutige Nasen verpasst. Doch würde sich wirklich jemand die Mühe machen, wegen so etwas so einen Aufstand zu machen? Vielleicht wäre es das Beste, wenn ich erst einmal eine Nach darüber schlafen würde.

Ich ging zurück ins Bett, aber bevor ich schlief, schickte ich Dennis noch schnell eine Nachricht „Morgen bei mir. Muss dir was zeigen!“ Dann schlief ich unruhig ein. Das Klingeln der Haustüre riss mich aus dem Schlaf. Ich öffnete und lies Dennis herein. Er war natürlich neugierig und ich erzählte ihm gleich was Sache war. Als er die Bilder sah, wurde er nachdenklich. „Vielleicht hat uns damals jemand gesehen?“, überlegte er.

Ich dachte nach, die Erinnerung an diesen Tag war verschwommen aber da. Ich war nicht glücklich über das, was Dennis getan hatte aber tief in meinem inneren wusste ich, dass er es gut gemeint hatte und nur helfen wollte. Es war unser dunkles Geheimnis, von dem, soweit ich wusste, niemals jemand erfahren hatte.

„Was soll ich denn jetzt machen?“, fragte ich Dennis nervös. Er beruhigte mich „Ach vielleicht ist es das Beste, das alles einfach zu ignorieren. Wahrscheinlich hat sich einfach irgendein Spinner einen Scherz erlaubt. Du hast ja genug Feinde“, lachte er. Er riet mir, das Handy einfach zu entsorgen, was ich später dann auch machen werde. Aber davor zerlegte ich es in alle Einzelteile, man konnte ja nie wissen. Am wenigsten hatte ich Lust, dass ein ängstlicher Finder damit zur Polizei rennt und irgendwelche frisch von der Polizeischule kommenden Beamten dazu verdammt werden sinnlose Untersuchungen zu starten.

 

Da läuft er, pfeifend und mit einer Bierflasche in der Hand den Gehweg entlang. In der anderen Hand eine kleine Plastiktüte mit allerlei technischen Einzelteilen. Ich konnte es nicht glauben. War er wirklich so dumm und konnte sich an nichts mehr erinnern? Ich sah auf jeden Fall, dass er null besorgt war und das Ganze nicht ernst zu nehmen schien. Die Wut stieg in mir auf. Am liebsten würde ich ihm hier mitten auf der Straße die Eingeweide rausreißen, aber ich wusste, dass das dämlich war. Ich musste mich zusammenreißen und durfte jetzt keine Fehler machen. Wie es scheint, ist er nicht so schnell klein zu bekommen. Sieht so aus als müsste ich härter vorgehen.

 

Die nächsten Tage blieb es ruhig und ich fing schon an die ganze Sache zu vergessen. Doch als ich eines Tages nach dem Arbeiten meine Wohnung betrat, merkte ich, dass etwas nicht stimmte.

Ich schaltete das Licht an und machte einen Satz zurück. Ich starrte in den Raum. Auf die Wände, auf den Boden und die Wände. Bilder. Überall. Doch es waren nicht irgendwelche Bilder, es waren Bilder von mir. Bilder in meiner Wohnung, beim Schlafen, sogar im Badezimmer, Bilder auf meinem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen. Von Nahaufnahmen meines Gesichtes bis hin zu Ganzkörperbildern, auf denen man mich wegen der Entfernung, aus der das Bild gemacht wurde, kaum erkennen konnte, war alles dabei.

Ich weiß nicht, wie lange ich da stand ohne mich zu bewegen. Doch plötzlich kam Leben in mein Körper und ich stürzte in meine Wohnung und fing an die Bilder von den Wänden zu reißen. Panik stieg in mir auf. Wer war das? Wie kam derjenige in meine Wohnung, von meinem Ersatzschlüssel wusste doch niemand, oder doch? Was war das Motiv? Als ich ins Badezimmer ging, um zu schauen, ob der Täter hier auch gewütet hatte, wusste ich die Antwort.

Der Spiegel war nicht mehr zu sehen, stattdessen lächelte ein ungefähr acht Jahre altes dunkelblondes Mädchen auf mich herab. Ich starrte in die grün-grauen Augen. Ich wusste genau wer das war. Schräg über das Bild stand geschrieben „Ich kenne den Schuldigen“. Langsam griff ich nach einer Bildecke und riss das Bild vom Spiegel. Ich blickte mein Spiegelbild an. War ich schuldig? Fragte ich mich. Ich hatte nie erzählt was passiert war. Ich wollte Dennis schützen. Werde ich dafür jetzt bestraft? Und das wichtigste, wer wusste davon? Sind wir damals doch nicht alleine gewesen?

Ich war verzweifelt und überlegte wie nun vorzugehen war. „Die Bilder“, schoss es mir durch den Kopf. Ich griff mir ein Bild und lief damit ins Schlafzimmer. Ich starrte über meinen Schrank. Von dort aus musste das Bild aufgenommen worden sein. Als ich nichts Ungewöhnliches sehen konnte, griff ich zu einem Stuhl um auf den Schrank zu sehen.

Keine Kamera oder sonstiges war zu sehen, doch der Staub war verwischt. Jemand war in der Wohnung und hatte Kameras installiert, um Bilder von mir zu machen. Und bevor ich das überhaupt bemerkt habe, hat derjenige sie wieder entfernt.

Inzwischen wurde mir klar, dass das alles kein Scherz mehr war. Das Problem war, dass die Polizei nichts davon wissen dürfte. Ich wollte zum Handy greifen, um Dennis anzurufen, doch er kam mir zuvor, das Telefon klingelte als ich es gerade in die Hand genommen hatte.

„Hey Richard, du wirst es nicht glauben was ich heute in meiner Wohnung vorgefunden habe!“, sagte er außer Atem. „Du auch?“, fragte ich ungläubig. Er antwortete mit einem knappen Ja und meinte, er würde vorbeikommen.

Eine Stunde später saßen wir an meinem Esstisch mit Stapeln von Bildern auf der Tischplatte verteilt. Seine Bilder waren exakt die gleichen. Nach langem Diskutieren waren wir uns einig, wir mussten dahin zurück. Vielleicht hatten wir irgendetwas übersehen damals, irgendwelche Spuren nicht verwischt, irgendetwas hinterlassen, was uns verraten würde. Entschlossen griff ich nach meinem Autoschlüssel und dann ging die Fahrt los. Die Fahrt an einen Ort an den ich eigentlich nie wieder wollte.

Es dämmerte als wir das Haus betraten, oder was davon übrig war. Nach dem Brand, den wir damals verursacht haben, um unsere Spuren zu verwischen, waren hauptsächlich Schutt und Asche übrig geblieben. Das Haus stand im Wald. Als der Besitzer gestorben war, ging es an die Stadt über, die aber auch keine Verwendung dafür gefunden hat und es somit einfach stehen lassen haben bis es in Vergessenheit geraten ist. Als Kinder kamen wir alle oft zum Spielen her, bis zu dem einen Tag. Drei Räume standen noch, der Rest war niedergebrannt.

 

Ich sprang auf, als ich ein Auto hörte. Ich wusste, dass er kommen würde. Ich lugte aus einem der drei übriggebliebenen Räume und sah ihn aussteigen. Nun war es so weit. Nun konnte ich mich endlich rächen und hoffentlich meine Ruhe dadurch finden.

 

Als wir das Haus betraten, war es fast dunkel. Das bisschen Sonne, das von diesem Tag noch übrig war schien durch die kaputten Fenster. Plötzlich hörten wir ein Schrei. „Katja?“, fragte ich ungläubig. Meine Schwester stand vor mir. „Wir müssen hier weg“, schrie sie mich an, „das ist eine Falle“. „Was ist los?“, fragte ich, „was soll das?“. „Hast du auch eine Nachricht bekommen, dass du zu diesem Haus kommen sollst?“, fragte sie mich. „Nein, keine Nachricht, aber… . Katja unterbrach mich, „Vor einer Stunde habe ich eine SMS von Unbekannt bekommen. Ich bin hier hergefahren und dann war da dieser Mann. Ich konnte ihm mit einem Ziegelstein eins überziehen, aber er kommt bestimmt gleich wieder zu sich“.

Sie versuchte mich zurückzuhalten, doch ich drückte sie zur Seite. Ich rannte mit Dennis voraus und blickte mich in dem Raum um. Ich erwartete einen niedergestreckten Mann am Boden zu sehen, mit einer Wunde am Kopf oder soetwas in der Art. Doch stattdessen, sah ich nichts. Der Raum war leer. Verwirrt sah ich Dennis an, der auch keine Ahnung hatte, was vor sich ging. Plötzlich ertönte ein Lachen hinter mir.

Erschrocken drehte ich mich um. „Was zur Hölle?“. Mit blitzenden Augen und schallendem Lachen stand Katja hinter mir mit einem Messer in der Hand, welches auf mich gerichtet war. „Was soll das Katja? Was ist hier los?“ fragte ich fast schon ärgerlich.

„Du hast echt keine Ahnung, oder?“. „Ahnung von was?“. „Dass ich alles mit angesehen habe als du meine beste Freundin umgebracht hast!“, schrie sie jetzt. Das war es also, wir waren damals doch nicht unbeobachtet gewesen. Aber wieso sagte sie, dass ich sie umgebracht habe, wenn sie alles mit angesehen hatte, müsste sie doch wissen, dass es Dennis gewesen ist. Er stand ohne ein Wort zu sagen neben mir.

„Hör zu, ich wollte nicht, dass Dennis das tut, aber er hat es für mich getan. Ich habe ihm erzählt, wie negativ du von deiner Freundin beeinflusst wirst und dass ich nicht wollte, dass ihr befreundet seid. Daraufhin ist Dennis ausgeflippt und wollte mir helfen. Als wir dann in dieses Haus sind und sie dort sahen, hat Dennis einfach gehandelt“.

Sie schaute mich verwirrt und ungläubig an. „Was redest du da für ein wirres Zeug? Du bist ja echt geisteskrank“ sagte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. „Was soll das jetzt bitte heißen? Ich soll Geisteskrank sein? Du bist hier diejenige, die Dennis und mich abstechen will“, erwiederte ich.

Plötzlich schrie sie mit zorniger Stimme „Es gibt keinen Dennis! Und es hat auch nie einen gegeben! Als du eines Tages daher kamst und von Dennis erzählt hast dachten wir alle, das wäre eine vorübergehende Phase, ich meine, du bist in der Pubertät gewesen und warst ein einsamer Junge. Aber wie es aussieht, bildest du dir tatsächlich ein, einen Freund namens Dennis zu haben.

Ich war damals mit meiner Freundin in dem Haus verabredet, habe mich dann aber versteckt, als ich dich dort mit dem Messer stehen sah. Ich sah ganz genau wie du ihr die Kehle durchgeschnitten hast und sie dann ins hintere Teil des Hauses gebracht hast und alles brennen lassen hast.

Jahrelang war ich dabei das alles zu vergessen. Ich redete mir ein, dass meine Freundin einfach verschwunden war. So wie es die Polizei erzählte. Ich redete mir ein, dass der Tag nur ein Traum gewesen ist. Irgendwann war ich tatsächlich dabei alles zu vergessen. Doch dann fingen die Albträume an. Und ich erinnerte mich an alles. Ich wusste, ich würde niemals Ruhe finden, wenn ich den Schuldigen nicht bestrafen würde.

Es war ein Leichtes, das Handy in deinem Auto zu platzieren, bei unserer kleinen Familienfeier. Und in deine Wohnung zu kommen war auch kein Problem, die Tradition mit dem Ersatzschlüssel unter der Fußmatte hast du wohl noch aus dem Elternhaus beibehalten. Ich fand das ja schon immer dämlich. Und nun sind wir hier. Genau dort wo alles angefangen hat und auch enden wird. “

Ich konnte nicht fassen, was sie dort sagte. Dennis stand genau neben mir und sah mich schulterzuckend an. „Bist du eigentlich blind?“, fragte ich ungläubig. Meine Schwester schüttelte nur leicht ungläubig den Kopf „Wahrscheinlich ist es eine Erlösung, wenn ich dich umbringe“. Mit diesen Worten rannte sie mit erhobenem Messer auf mich zu. Ich hob aus Reflex abwehrend die Arme und rechnete damit, gleich das Messer irgendwo in meinem Körper zu spüren. Ich stellte mich auf den Schmerz ein, der sich in meinem Hals, in meinem Bauch oder an anderen Körperstellen gleich ausbreiten würde. Ich konnte den Schmerz schon fühlen, als würde man sich einer Operation ohne Narkose unterziehen. Ich wusste, dass mir mein Gehirn einen Streich spielte und ich mir den Schmerz nur einbildete. Aber es konnten nur noch Sekunden sein, bis aus Vorstellung, Realität wird.

Doch als nach 10 Sekunden immer noch nichts passiert und Katjas angriffs Schreie verstummt waren, nahm ich die schützenden Arme langsam herunter.

Ich sah auf dem Boden meine Schwester liegen. Ich sparte es mir ihren Puls zu fühlen. Das Blut, die aufgeschnittene Kehle. Die Augen, die leblos an die Decke starrten. Ich wusste, dass sie tot war. Ich fiel auf die Knie und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Leise Tränen liefen mir die Wangen herunter. Ich blickte auf.

Dennis stand dort mit seinem blutbefleckten weißen T-Shirt und dem blutigen Messer in der Hand. „Du weißt, dass das sein musste. Sie wollte dich mit dem Messer angreifen, sie war gestört. Sie hat sogar versucht dir einzureden, dass ich nicht existiere. Es tut mir leid Kumpel, ich weiß es war deine Schwester, aber ich wollte dich nur beschützen. Du bist immerhin mein bester Freund“. Ich sah ihn schockiert an.

„Du hast meine Schwester ermordet!“. Wut stieg in mir auf. Ich wollte mich auf ihn stürzen, doch er war schon zur Tür gerannt. Als ich nach draußen lief, war er schon nicht mehr zu sehen. Ich geriet in Panik. Was sollte ich machen? Die Polizei rufen? Ich drehte mich um und lief zurück ins Haus. Ich hatte das Gefühl durchzudrehen. Ich raufte mir die Haare und lief vor dem Eingang hin und her. Meine Gedanken fuhren Karussell und ich versuchte mit aller Kraft mich zu beruhigen und einen klaren Gedanken zu fassen.

Ich fing an, tief ein und aus zu atmen und fasste den Entschluss, Katja auf dem gleichen Weg zu beseitigen, wie wir es damals mit ihrer Freundin gemacht haben. Ich machte mich auf den Weg, zurück zu ihrer Leiche, als ich stutzig wurde. Ich war gerade an dem ersten Raum vorbeigelaufen und konnte aus dem Augenwinkel etwas wahrnehmen, was mich beunruigte. Rückwärts lief ich drei Schritte zurück und blieb im Türrahmen stehen.

Zwischen leeren Bierdosen und sonstigem Dreck, war der Boden übersät mit Glasscherben. Die Überreste eines zerbrochenen Spiegels hingen an der Wand. Von dem Spiegel wusste ich, jedoch beunruhigte mich das, was ich darin sah. Ich betrat den Raum und starrte in den Spiegel. Ich blickte einem jungen Mann entgegen, in weißem T-Shirt, voller Blutflecken und einem Messer in der Hand, von dem Blut auf den Boden tropfte. Mein Gesicht starrte mir schockiert entgegen.

Doch dann fingen die Mundwinkel in Zeitlupe an, sich zu einem Lächeln zu verziehen. Grinsend sagte ich zu meinem Spiegelbild „Hallo Dennis!“.

 

Mein Name ist Richard und ich bin 38 Jahre alt.

Dies waren die ersten Dinge, die mir durch den Kopf schossen, als ich auf der unbekannten Parkbank aufwachte. Was letzte Nacht passiert war, wusste ich nicht mehr. Wahrscheinlich hatte ich mal wieder zu viel getrunken. Meistens wenn ich mit Dennis unterwegs war, tranken wir.

15 thoughts on “Ich bin Richard

  1. Eine tolle Geschichte die du dir da ausgedacht hast, Amelie. Die Idee dahinter ist richtig gut! Dein Schluss ist klasse!
    Zwei Tipps möchte ich dir geben:

    1. benutze Absätze, das gestaltet das Leseerlebnis für den Leser positiver.

    2. Versuche sinnlicher zu schreiben, was fühlen deine Charaktere? Du schreibst von einem Haus das im Wald steht, was sieht man wenn man es betrachtet?

    Ansonsten einfach weiter machen…

    LG Frank aka leonjoestick ( Der Ponyjäger )

  2. Frank, vielen vielen Dank für deine Rückmeldung!
    Freut mich, dass dir die Geschichte gefällt und deine Tipps werde ich mir auf jeden Fall zu Herzen nehmen und in meinen nächsten Geschichten versuchen umzusetzen!

    Liebe Grüße

  3. Hallo Amelie, ich find das Ende deiner Geschichte wirklich super. Das hat mir recht gut gefallen. Ich finde auch, dass du Dennis als Person sehr gut dargestellt hast und man – wenn man die Wahrheit kennt – weiß, wie manche Dinge zu interpretieren waren… Mit ihm zusammen kann er sich an nichts erinnern, sein einziger Freund, usw. Das war super, dass das nicht offen blieb.
    Ebenso Infos wie sie ins Haus kam und wie das Handy an den Platz kam. Das macht es wirklich glaubwürdig.
    Die Zwischensequenzen von Kati hätten etwas mehr sein können und mehr eingebunden sein können – das hätte die Spannung bestimmt auch noch gesteigert.
    Mir haben ein paar Beschreibungen und Adjektive gefehlt, um es etwas lebendiger zu machen, aber das lässt sich leicht beheben.
    Ein paar Absätze würden dem Lesefluss helfen 🙂 und ein paar Rechtschreib- und Kommafehler haben sich eingeschlichen, aber da kann ich einfach nicht drüber hinweg sehen 🙂
    Liebe Grüße Jenny / madame_papilio

  4. Hallo Amelie,

    Die Idee, stilistisch am Anfang und Ende “ich bin Richard” einzubauen, fand ich richtig gut. Dazwischen kann sich die Geschichte entfalten, am Ende hat man ein Gesamtbild vor dem Auge.
    Achte bitte etwas mehr auf die Grammatik, die Zeichensetzung, die Schreibweise und auch, wie schon erwähnt, auf Absätze. Das macht es dem Leser einfacher. Mehr zu “pöbeln” hab ich aber nicht! :o)

    LG Chris
    (Identität-6)

    1. Hallo Christian!

      Vielen Dank, für deine Rückmeldung! 😊
      Ich habe gerade erst gesehen, dass man seine Geschichte bearbeiten kann. Somit hab ich jetzt nachträglich noch die Rechtschreib- und Kommafehler behoben (natürlich kann ich nicht versprechen, dass ich alle Fehler entdeckt habe😅). Bei der Grammatik bin ich mir jetzt noch nicht so sicher, welche Textstellen du meinst…
      Absätze hab ich auch eingefügt.
      Vielen Dank für deine Hinweise!

      Liebe Grüße

  5. Hallo Amelie,
    der Einstieg hat mir sehr gefallen – sofort war ich gespannt, was es mit diesem Traum auf sich hat.

    Super fand ich auch die Sequenzen mit den Gedanken des (zunächst) Unbekannten. Das hat es sehr spannend gemacht und ich wollte unbedingt wissen, wer dahinter steckt.

    Sehr guter Twist am Ende und ein runder Abschluss mit der Wiederholung der Parkbank-Szene!

    Mir ging es zum Teil auch nur zu schnell und die bereits erwähnten Ansätze müssten noch verstärkter so gesetzt werden, damit man die “Zeit- / Szenensprünge” besser darstellt. Dann kommt der Leser besser hinterher.

    Ansonsten eine wirklich tolle Geschichte. Like ist gegeben 🙂

    LG, Ani
    http://www.wirschreibenzuhause.de/geschichten/der-schwur

  6. Wow, ziemlich aufreibende Story, wahnsinn.
    Der Schock- und Überraschungseffekt mit Dennis ist dir gelungen. Ich hab mich vielleicht an eins, zwei Stellen leicht gewundert (warum hat auch Dennis die Bilder bekommen, weshalb denkt Katja, dass nur Richard kommt, und nicht, dass er noch jemanden mitbringt…), aber so wirklich begriffen hab ich es dann erst zum Schluss. Gut gemacht 😃.

    Freue mich auch über Feedback bei meinen Stories: “verlorene Identität” und “Leos Geheimnis” :).

  7. Liebe Amelie,
    deine Geschichte hat es ganz schön in sich, ich liebe solche Plots, die sich erst am Ende auflösen und den Leser dann auch ein bisschen unwissend zurücklassen, was als nächstes passiert. Auch die Idee mit Richard auf der Parkbank am Anfang und Ende ist sehr gut.
    Eine Frage stellt sich mir jetzt aber noch. Wenn Richard sich Dennis schon seit seiner Kindheit einbildet, warum ist das nicht weiter aufgefallen, dass er wohl eine psychische Erkrankung hat? Du erwähnst mal kurz, dass die Familie dachte, es läge an der Pubertät, aber Dennis gab es ja für Richard auch noch danach die ganze Zeit. Ist das der Familie oder Kollegen nicht aufgefallen?
    Falls du offene Enden magst, kannst du gerne mal bei mir vorbei schauen 😉

    Liebe Grüße, Annika (Null Negativ)

    1. Hallo Annika!
      Vielen Dank für dein Like und dein Feedback!
      Um zu deiner Frage zu kommen, ich habe Richard in der Geschichte extra als Einzelgänger dargestellt, damit es realistisch ist, dass niemand etwas von der Existenz von Dennis mitbekommt. Er geht zwar arbeiten aber hat mit seinen Kollegen eben sonst nichts zu tun. Als Teenager haben seine Eltern mitbekommen, dass Richard einen erfundenen Freund namens Dennis hat aber irgendwann ist Richard dann mal ausgezogen und sieht seine Eltern seitdem eher selten. Er lebt zurückgezogen und hat eben nur “Dennis”. Und bestimmt unterhält er sich ab und zu mal mit Arbeitskollegen oder seinen Eltern, aber da geht es dann mit Sicherheit um andere Themen als um seinen Freund 😊

      Liebe Grüße

  8. Liebe Amelie, ich finde an Deiner Geschichte außer dem Plot vor allem Anfang und Ende gut.

    Ganz generell stellt sich mir allerdings gerade die Frage, ob sich Geschwister untereinander tatsächlich ermorden würden. Und: Warum erst jetzt, nach 25 Jahren? Warum ist Katja damals nicht zu ihren Eltern oder der Polizei gegangen? Gut, Du schreibst, sie habe sich dazu entschlossen, wohl auch unter dem Schock der Eindrücke, das Erlebte vergessen zu wollen. Aber da sie die jüngere Schwester ist: Ein 10 oder 11 Jahre altes Mädchen (das ihre Freundin war) würde von seinen Eltern doch vermisst. Gab es da nie Nachforschungen? Haben ihre Eltern und/oder hat die Polizei einfach akzeptiert, dass ein Kind sagt, seine Freundin sei verschwunden? Das kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen.

    Was mich auch stört, findet sich in den Kommentaren meiner VorrednerInnen wieder:
    Vor allem Rechtschreib – und Grammatikfehler, hier vor allem Kommafehler und Tempiwechsel, wechseln sich nach wie vor ab. Wie Jennnifer und auch Christian schon anmerkten, kann ich da leider auch nicht “drüber hinweglesen”, das stört einfach.

    Ich hoffe, ich bin jetzt nicht zu hart mit Dir ins Gericht gegangen; ich dachte aber, gerade, wenn jemand sagt, er schreibe bereits an mehreren anderen Büchern, könnten solche Hinweise eventuell hilfreich sein. Gern stehe ich Dir auch bei einer möglichen orthografischen und grammmatikalischen Überarbeitung zur Seite!

    Aufgrund der wirklich guten und außergewöhnlichen “Klammer” (“Ich bin Richard …”) um die Story gibt`s ein Like.

    Viel Glück weiterhin!
    Kathrin aka Scripturine / Die Nacht, in der das Fürchten wohnt

  9. Liebe Amelie,

    eine tolle Geschichte hast du da geschrieben, besonders der Twist am Ende hat mir echt gut gefallen! Ziemlich gruselig, der Richard….

    Hin und wieder passt die Rechtschreibung nicht so ganz, aber ansonsten toll geschrieben. Ich war erst ratlos, dann überrascht und schließlich schockiert. Also alles richtig gemacht 😉

    Like ist gerne gegeben, viel Glück und liebe Grüße

    Yvonne/ voll.kreativ (Der goldene Pokal)

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