franzbirnbaumerIch und Er

 

Ich und Er

 

 

 

Hier auf der Psychiatrie ist es nicht leicht für mich. Da ich als mehrfacher Doktor der Psychiatrie ein vielfaches Wissen des hier arbeiteten, obwohl meistens sehr netten, Personals habe. Nur das hört hier halt keiner gerne und deshalb versuche ich gnädig zu sein und über die Mängel der Angestellten hinwegzusehen. Die angebotenen Beschäftigungen, vom Personal Therapien genannt, sind ganz lustig, da wird gebastelt und Morgengesportelt. Alle sind in Sorge, dass man als „Gast“ der Station ausreichend zu tun hat. Es ist aber so das ich mit dem nachdenken über die Welt sowieso dauernd beschäftigt bin. Sie tun halt so als wäre man der Gast. Was nicht stimmt da einige, auch ich, vom Gericht zum Aufenthalt vergattert wurden. Ich war Eigen- und Fremdgefährdend sagten sie. Aber wenn man, wie ich, von verschiedensten Geheimdiensten verfolgt wird, muss man sich auch einmal wehren.

 

Endlich ist es so weit. Nach mehreren Wochen, gefühlt ewig, werde ich von der Psychiatrie entlassen. Einige neue Freunde habe ich auch gefunden. Das geht auf der Psychiatrie schnell. Da ist die Liebe auch gleich sehr groß aber oft in ein paar Tagen schon wieder vorbei. Viele meiner Mitpatienten sagten, dass der Aufenthalt auf der Psychiatrie für ihre  Stabilisierung sehr hilfreich ist. Ich konnte ja nichts für meine  Aufnahme, es war wieder die Nachbarin, die Hure, die jede Nacht mit ihrem Männerbesuch stöhnt und schreit. Wenn ich dann klopfe und die Nachtruhe einfordere, regt sie sich auf und sagt, dass ich schon wieder Stimmen höre. Die Stimmen im Kopf, die Quälen mich oft. Die Stimmen sagen mir unter anderem  dass ich fett und hässlich bin.  Aber meistens kann ich sie wegscheuchen. Wenn es mir aber schlechter geht, fällt es mir schwer zwischen ihnen und andere Geräusche, die ich in der Umgebung höre zu unterscheiden. Ja, dann konnte ich halt mehrere Nächte nicht schlafen und war schon sehr verzweifelt. Da hatte ich als die Polizei kam, das Messer in der Hand und blutete aus den Unterarmen, wurde mir dann erzählt. Ich kann mich ja nicht erinnern. Jetzt bin ich wieder gesund. Ein paar frische Narben sieht man noch. Aber deren habe ich viele.

 

Mit dem Entlassungsbrief, es dauerte wie immer lang bis er fertig war, konnte ich dann gehen. Die Medikamente soll ich unbedingt von der Apotheke abholen wurde mir gesagt. Aber da ich ja gesund bin werde ich die nicht brauchen. „Paranoide Schizophrenie“ habe ich, wurde mir gesagt und das steht auch im Befund. Aber das glaube ich nicht. Dies wurde mir nur zugeschoben da der Oberarzt Kogler mir meine Pension neidet. So eine Psychiatrische Diagnose ist oft so mit Vorurteilen behaftet, dass sich die Menschen vor einen fürchten.

 

Schizophrenie

 

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie 18.04.2020

 

Als Schizophrenie werden psychische Erkrankungen mit ähnlichem Symptommuster bezeichnet, die zur Gruppe der Psychosen gehören.

 

Im akuten Krankheitsstadium treten bei schizophrenen Menschen eine Vielzahl charakteristischer Störungen auf, die fast alle Bereiche des inneren Erlebens und Verhaltens betreffen, wie Wahrnehmung, Denken, Gefühls- und Gemütsleben, Willensbildung, Psychomotorik und Antrieb.

 

Häufig werden nicht wirklich vorhandene Stimmen gehört (sogenanntes Stimmenhören). Es kann der Wahn vorkommen, verfolgt, ausspioniert oder kontrolliert zu werden. Weiter kann das Gefühl auftreten, fremdgesteuert zu werden, z. B. durch Gedankenentzug oder Gedankeneingebung. Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität sind möglich. Auch sozialer Rückzug, Antriebslosigkeit, mangelnde Motivation, emotionale Verflachung und Freudlosigkeit werden nicht selten beobachtet.

 

Letztes Jahr, nach meinem vorletzten Psychiatrieaufenthalt, war ich sechs Monate in einem psychiatrischen Übergangswohnen in Scheiblingsstein. Dort ging es mir recht gut. Besonders die Ausflüge haben mir gefallen. Einmal waren wir im Schwarzenegger Museum in der Steiermark. Aber diesmal gehe ich nach Hause. Da kann ich mir meine Medikamente  selber einteilen und morgens so lange schlafen wie ich will.

 

Beim Weg zu meiner Wohnung ging ich noch schnell Einkaufen. Cola, Chips und Schokolade, was man halt als Grundnahrungsmittel braucht. Ich kann sowieso nur so viel Einkaufen wie ich tragen kann, da ich die Verwendung eines Einkaufwagens nicht aushalte. Da Überkommt mich im Angesicht der riesigen Auswahl von Chips, wie welche mit Salz, Zwiebel, Paprika, Knoblauch usw. und Schokoladen von Alpenmilch bis weiße Schokolade, die Überforderung welche ich nehmen soll. Ich nehme dann wie immer Chips mit Salz und eine Alpenmilchschokolade. Dieses muss ich ohne Grübeln nehmen, weil sonst ich mich nicht mehr entscheiden kann und ohne etwas zu kaufen das Geschäft verlasse. Gott sei Dank esse ich kaum Joghurt, wenn ich die dortige Auswahl sehe. Im Geschäft trugen, zu meiner Verblüffung, dann viele Leute eine Maske. War dies wegen mir? Die Stimmen im Kopf sagten dies. Ich wurde nervös und beeilte mich aus dem Geschäft zu kommen. Weiteres erwarb in der Trafik noch Zigaretten. Dieses Laster habe ich mir bei meinem ersten langen Psychiatrieaufenthalt angewöhnt. Mit meinem letzten Kleingeld konnte ich das alles gerade noch bezahlen. Mit dem Geld bin ich auch immer knapp da ich die ganzen Termine bei dem Arbeitsmarktservice und der Krankenkasse kaum schaffe.

 

Als ich zu Hause ankam merkte ich sofort, dass meine Wohnung durchsucht worden ist. Wegen meiner Ausbildung im Geheimdienst und beim Militär habe ich einen Blick dafür. Da ich Generaloberst und zehnfacher Doktor bin, sind natürlich alle Geheimdienste an mir interessiert.

 

Später bekam ich einen Hunger und dachte jetzt bestelle ich mir eine Pizza, weil Kochen nicht so mein Ding ist. Doch als ich mein Handy aus der Tasche nahm bekam ich einen Riesenschock. Ich hatte sie wohl unterschätzt. Sie haben mir ein falsches Handy untergeschoben. Dieses Gerät gehört nicht mir, meines sieht ganz anders aus. Ich zitterte und aktivierte das Handy. Dann sah ich es sofort das Foto am Display. Es war ich, der dort abgebildet war. Aber ich war nicht alleine am Foto. Er, der Karl, mein Bruder war mit mir am Foto. Ich schrie, die Stimmen tobten und ich stürmte zum Fenster, öffnete dieses und warf das Handy hinunter in den Hof um den Kontakt zu ihnen zu unterbrechen. Anschließend nahm ich ein paar Tabletten Temesta da ich es im Kopf nicht mehr aushielt.

 

 

 

Lorazepam (Temesta) ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Benzodiazepine. Wie alle Benzodiazepine besitzt es eine anxiolytische (angstlösende), antikonvulsive (epileptische Potentiale unterdrückende), sedierende (beruhigende), hypnotische (schlaffördernde) und muskelrelaxierende (krampflösende, muskelentspannende) Wirkung; in dieser Reihenfolge von stark nach schwach ausgeprägt. Lorazepam hat eine mittellange Halbwertszeit. aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie 18.04.2020

 

 

 

Als ich munter wurde war es schon dunkel. Die Wohnung war komplett zerstört und verwüstet. Keine Ahnung wer das war. Die Stimmen sagen „Du warst es! „ Ich konnte mich nicht daran erinnern.

 

Ich ging zu meiner Mutter, die ums Eck ihre Wohnung hat. Gut das sie nicht weit weg wohnt, da ich keinen Führerschein mehr habe. Daran ist die Hauskrankenpflege Schuld, die haben beim Zusammenräumen meiner Wohnung den Führerschein in den Müll geworfen. Sie sagten das die Wohnung komplett vermüllt war. Ich fand es nicht so arg. Im Bezirksamt wollten sie mir dann nicht ohne Gutachten einen neuen Führerschein geben. Diese Arschlöcher!

 

Mit dem gehen tue ich mir nach einem Suizidversuch, wo ich aus dem zweiten Stock sprang, schwer. Ich war verzweifelt und traurig. Mir wurden meine Verluste bewusst und das ich nichts habe. Kein Geld, keine Familie und keine Arbeit. Zusätzlich quälten mich die Stimmen im Kopf. Sie befahlen mir zu springen und sprachen zu mir, dass ich wertlos sei und wenn ich nicht mehr da bin, auch keinen abgehe. Den  Stimmen konnte  ich  dann nicht widerstehen und ich sprang. Einige Freunde die ich in der Psychiatrie kennengelernt hatte, habe ich durch ihren Suizid verloren. Die Knochen der Beine sind dann nie richtig verheilt da ich die Ruhigstellung nicht aushielt. Deshalb gehe ich meistens mit Krücken.

 

Meine Mutter macht sich immer Sorgen um mich und gibt mir auch regelmäßig etwas Geld. Sie erzählte etwas von Einschränkungen durch ein Virus. Ich meine, dies ist wohl in einem Labor in China entwischt oder vom Chinesischen Geheimdienst ausgestreut worden, um die Weltherrschaft zu erlangen. Mein Vater ist schon verstorben. Er war starker Alkoholiker und die Hand rutschte ihm auch leicht aus. Mit seinem Gürtel verprügelte er mich und sperrte mich dann in den Keller. Dort hörte ich die Stimmen im Kopf dann das erste Mal. Mein Bruder war ihm immer lieber. Ich fragte meine Mutter nach dem Handy mit dem Foto. Sie sagte das dies mein Handy war. Ich konnte ihr nicht glauben. Meine Mutter gab mir noch etwas zu Essen und dann ging ich wieder nach Hause.

 

Vor meinem Wohnhaus sammelte ich die Reste des Handys zur Spurensicherung ein. War es wirklich meines? Fragte ich mich. Als ich dann im Wohnzimmer sitze und Nachdenke, was mir manchmal schwerfällt, erinnerte ich mich. Mein Bruder Karl und Ich waren eineiige Zwillinge und als Kinder unzertrennlich. Wir machten vieles gemeinsam unter anderem spielten wir beim Basketballclub und kletterten beim Alpenverein. Mein Bruder spielte im Basketball schon in der ersten Liga. Regelmäßig gingen wir auf Klettertouren, wo wir sich gegenseitig sicherten. Wir gingen die tollsten Routen. Dann kam es zu dieser verhängnisvollen Bergtour, wo mein Bruder abstürzte und verstarb. Es gab in der Familie Gerüchte, dass ich ihn nicht gut gesichert habe und dass wir THC konsumiert hätten. Der Vater verzieh mir nie. Er sagte am Totenbett das leider der falsche Bruder abgestürzt ist. Aber ich konnte mich nicht erinnern und anschließend Erkrankte ich ja an Schizophrenie, wie alle sagten.

 

 

 

Tetrahydrocannabinol [THC, genauer (–)-Δ9trans-Tetrahydrocannabinol] ist eine psychoaktive Substanz, die zu den Cannabinoiden zählt.

 

Die Substanz kommt in Pflanzen der Gattung Hanf (Cannabis) vor und ihr wird der Hauptanteil der berauschenden Wirkung zugesprochen. In der Pflanze liegt THC weitgehend in natürlicher Form zweier THC-Säuren vor. Diese werden erst durch Decarboxylierung zu THC umgewandelt, was durch Erhitzen des Pflanzenmaterials erreicht wird. aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie 18.04.2020

 

 

 

Mein Bruder war der bravere und fleißigere von uns zweien. Er war schon mit dem Studium fertig und arbeitete. Während ich noch der ewige Chemiestudent war. Karl hatte auch eine tolle Freundin, die Karin, die auch mir gefallen hätte. Sie hat sich aber den stabileren Bruder ausgesucht. Bald nach dem Tod vom Karl und meiner Erkrankung lies Karin den Kontakt abreißen.

 

Oft musste ich meinen Bruder Karl erst überreden, wenn ich Spaß haben wollte und wir etwas trinken gingen. Die Lehrer haben uns oft verwechselt da wir uns sehr ähnlich sahen. Wenn wer aufpasste, dem viel aber auf das der Karl Linkshänder war und ich Rechtshänder.

 

Manchmal spüre ich den Karl in mir, als wären wir eins. Ich empfinde dann den Schmerz und höre sein Schreien beim Absturz, dass sich mit meinen Stimmen vereint. Dann werde ich zuerst traurig und dann wütend. An das was dann passiert kann ich mich nie erinnern.

 

Es läutet an der Türe. Vermutlich wieder die Nachbarin. Ich nehme das Messer und öffne die Türe. Es steht die Polizei vor der Türe und fragt ob ich der Hans Gruber bin. Die Stimmen in meinen Kopf die wüten. Ich hebe das Messer mit der linken Hand und sage nein ich bin der…

 

Der Polizist ruft etwas…

 

Ein Schuss fällt…

 

Die Stimmen schweigen.

 

 

 

 

Dissoziative Identitätsstörung

 

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie, 18.04.2020

 

Die dissoziative Identitätsstörung (DIS) (nach DSM-5 und ICD-11) ist dadurch gekennzeichnet, dass verschiedene Persönlichkeitszustände (dissoziative Identitäten) abwechselnd die Kontrolle über das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen übernehmen. Diese Identitäten verfügen über eigene Charaktereigenschaften, Verhaltensweisen, Fähigkeiten, Wahrnehmungs- und Denkmuster. Zusätzlich treten Erinnerungslücken zu Ereignissen oder persönlichen Informationen auf, die nicht mehr durch gewöhnliche Vergesslichkeit erklärbar sind.

 

 

 

Autor: Franz Birnbaumer, Diplomierter Psychiatrischer Gesundheits- und Krankenpfleger. Betreut in einem Wohnbereich 26 Psychisch Kranke Klienten.

 

Kontakt:

 

Harterstrasse 143 2640 Enzenreith, Österreich, +436769702792

 

franz_birnbaumer@aon.at (zwischen franz und birnbaumer ist ein underline)

 

One thought on “Ich und Er

Schreibe einen Kommentar