Melanie1987Identität

 

Es ist Montagmorgen, eine neue Woche beginnt auch für Emma. Sie schlurft müde ins Badezimmer und öffnet zunächst das große Fenster, um einen Blick auf das südliche Ufer des Starnberger Sees zu werfen.

 

 

 

Sie dreht sich zu ihrem mit Ornamenten besetzten Spiegel und betrachtet ihren leicht übergewichtigen Körper. Dieser ist umhüllt von ihrem Lieblingsshirt, es ist zwar drei Nummern zu groß, aber trotzdem mag Emma es sich darin einzukuscheln. Das Übergewicht macht ihr ansonsten keine Sorgen, da sie immer schon ein sehr selbstsicheres Auftreten hatte und mit Stolz durchs Leben geht. Sie zieht das T-Shirt aus, steigt in die Dusche, putzt sich anschließend ihre Zähne und zieht sich ein recht gemütliches Outfit für den Tag an. Emma gehört nicht zu den typischen Businessfrauen im Anzug. Am liebsten trägt sie leicht sitzende Jeanshosen mit lässigem Oberteil.

 

 

 

Emma ist 28 Jahre alt, 1,80 m groß und trägt schwarzes, seidenglattes, langes Haar. Sie ist Tagesmutter aus Leidenschaft und kümmert sich liebevoll um 5 Kinder im Alter zwischen 2 und 4 Jahren. Dieser Beruf war schon seit jungen Jahren ihr absoluter Traumberuf. Jeden Tag aufs Neue schenkt sie den kleinen Geschöpfen ihre volle Aufmerksamkeit. Emma erhält von den Kleinen so viel Liebe, Zuneigung und Hoffnung zurück, sodass sie sich immer wieder in ihrer Berufswahl bestätigt fühlt. Dies macht sie unglaublich stolz. Jeder Tag bringt eine neue Überraschung mit sich, weshalb sie gespannt ist, was ihr dieser Tag wieder bescheren wird.

 

 

 

Sie verlässt das Badezimmer und geht in die Küche, wo die einsatzbereite Kaffeemaschine steht. Emma holt ihre graue Lieblingstasse mit Katzenmotiv aus dem Schrank und macht sich eine große Tasse Kaffee, die Sie jeden Morgen braucht um fit und motiviert in den Tag starten zu können. Bei so schönem Wetter wie heute verbringt sie den Morgen meistens auf der neu angelegten Sonnenterrasse. Sie genießt die Ruhe für ein paar Minuten bevor der hektische Tag so richtig anfängt. Für einen Moment schwelgt sie in Erinnerungen. Sie muss an ihre Eltern denken ohne die dieses Haus und dieser Ausblick nicht möglich wäre. Ihre Eltern sind bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen. Das Haus ist eine Investition aus dem Erbe ihrer Eltern, um ihren Beruf erfolgreich ausüben zu können. Im großen Haus mit Garten kann sie den Kindern genug Platz und Raum zum Spielen geben.

 

Emma hat das Haus erst vor kurzem erworben und komplett neu eingerichtet. Ein Ruheraum für den erholsamen Mittagsschlaf ist mit bunten Traumzelten für jedes Kind ausgestattet. Eine große Küche mit angrenzendem Wohnbereich, ein weiterer Raum, in dem die Kinder toben und spielen können. Ein Badezimmer für die Kinder sowie einen Essplatz mit zwei Tischen und sechs Stühlen befinden sich im Erdgeschoss.

 

So ist es genau das Richtige, was Emma für ihre Arbeit mit den Kleinen braucht. Ihr ist es besonders wichtig, den Kindern einen abwechslungsreichen Tag mit vielen Spiel- und Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Sie fragt sich was ihre Eltern dazu sagen würden? Würde es ihnen gefallen? Bestimmt hätten ihre Eltern sie unterstützt. Traurig beendet Emma ihren Gedankengang auf der Terrasse und wendet sich dem großen hellen Wohnzimmer zu. Dort fällt ihr Blick auf die Kommode in dem kleinen liebevoll eingerichteten Flur. Dort steht ein Familienportrait von sich und ihren Eltern aus dem Sommerurlaub in Holland. Sie lächelt zaghaft und ist froh, sich die Zeit für diesen letzten gemeinsamen Urlaub genommen zu haben.

 

 

 

Es ist mittlerweile 07:30 Uhr und es klingelt an der Tür. Die ersten beiden Kinder werden von ihren Eltern vorbeigebracht. Tabea und Max, beide zwei Jahre alt und sehr aufgeschlossen. Max und Tabea sind Zwillinge. Die Eltern arbeiten in verantwortungsvollen Positionen in einem erfolgreichen IT-Unternehmen. Heute stehen besonders viele Meetings auf der Tagesordnung, weshalb die Kinder ausnahmsweise bis 17:00 Uhr bei Emma bleiben werden.

 

Kurze Zeit kommen auch die anderen Kinder. Sam, Paula und Tina. Sam ist drei Jahre alt und kommt immer mit Paul, seinem Teddy, ohne den er keinen Mittagsschlaf machen kann. Tina ist vor Kurzem ein Jahr alt geworden und ist damit eine der Jüngeren der Gruppe. Sie liebt es im Garten die Blumen zu gießen. Tina wird von ihrem alleinerziehenden Vater vorbeigebracht.

 

Paula ist eher verschlossen und spielt gerne für sich allein. Am liebsten beschäftigt sie sich mit dem erst neu angeschafften Puppenhaus in Lebensgröße.

 

Die Eltern verabschieden sich und wünschen ihren Kindern einen wunderschönen Tag. Emma schließt die Tür und freut sich, dass nun alle da sind und sie gemeinsam in einen neuen und aufregenden Tag starten können.

 

 

 

Bei Emma zu Hause gibt es wenige Regeln, denn die Kinder sollen sich so weit wie möglich entfalten und Neues kennenlernen. Damit die Kinder aber nicht den gewohnten Rhythmus verlieren, gibt es feste Essenszeiten. Morgens um 08:00 Uhr wird gemeinsam gefrühstückt, das Mittagessen gibt es um 12:00 Uhr und der anschließende Mittagsschlaf dauert meistens von 13:00 bis 15:00 Uhr. Spätestens um 17:00 Uhr werden die Kinder abgeholt, sodass das Abendessen das tägliche Ritual mit ihren Familien zuhause ist.

 

 

 

Dieser Montag ist ein herrlicher Sommertag, sodass Emma die Kinder im großen Planschbecken toben lassen kann. Ein paar Tränen fließen bei Sam, da sein Teddy ins Becken gefallen ist, aber nach einer liebevollen Umarmung und dem Trocknen des Teddys ist Sam wieder bester Laune und spielt mit seinen Freunden. Es ist kurz nach 13:00 Uhr und alle Kinder liegen in ihren hingebungsvoll eingerichteten und in verschiedenen Farben gestalteten Kinderhöhlen im Ruheraum des Hauses. Sie sind nach dem ereignisreichen Vormittag so müde, dass alle recht schnell einschlafen können.

 

Dann heißt es für Emma erst einmal eine Runde durchatmen, denn der Vormittag mit der alleinigen Betreuung von fünf kleinen Kindern ist trotz ihrer Leidenschaft für den Beruf sehr anstrengend. Nach einer kurzen Pause wendet sie sich dem Abwasch des dreckigen Geschirrs zu. Währenddessen fällt ihr auf, dass sie heute noch gar nicht den Briefkasten geleert hatte. Nach dem Spülen geht Emma zum Briefkasten, aber es waren wie so oft nur die üblichen Werbezeitschriften im Zeitungsrohr.

 

 

 

„Emma“, ruft es, denn zwei der Kinder sind aus ihrem Mittagsschlaf aufgewacht und wollen gleich wieder beschäftigt werden. Emma legt die Zeitschriften auf die Kommode, läuft eilig zu den Kindern ins Ruhezimmer und nimmt die beiden mit nach draußen, damit die drei anderen noch etwas weiterschlafen können. Tina und Sam, die beiden die nun schon früher aufgewacht waren, wollen Puzzeln. Ein Puzzle mit Tieren soll es sein.

 

Nach etwa einer halben Stunde haben auch Tabea, Max und Paula den Mittagsschlaf beendet und alle können gemeinsam spielen. Wieder neigt sich ein schöner Tag dem Ende zu, als es klingelt. Emma geht zur Tür. Sam und Paula sind die ersten die abgeholt werden. Sie verabschieden sich und kehren zusammen mit den Eltern Emma den Rücken zu.

 

 

 

Einige Minuten später klingelt es erneut an der Tür, ein junger Mann strahlt Emma mit breitem Grinsen an, stellt sich als Martin vor und erkundigt sich nach einem Betreuungsplatz für seinen Sohn. Emma zögert kurz, obwohl sie noch einen Platz zu vergeben hat. Sie antwortet, dass er sich gerne bei einem Termin mal umsehen könnte und man sich für eine solche Entscheidung schon näher kennen sollte. Der junge Mann kommt ihr etwas merkwürdig vor. Dennoch vereinbaren die beiden für den kommenden Samstag einen Termin zum Kennenlernen und zur Besprechung weiterer Details. Martin bedankt und verabschiedet sich. Kurz nach dem Martin gegangen ist, werden auch die Zwillinge und Tina abgeholt.

 

Nun hat Emma noch etwas Zeit für sich, bevor sie am Abend wieder erschöpft ins Bett fallen wird. Sie geht in die Küche und öffnet den Kühlschrank, um zu sehen, was sie sich heute Abend kochen wird. Durch die Kinderbetreuung ist der Kühlschrank immer gut gefüllt, dennoch fehlen ihr ein paar Kleinigkeiten und sie beschließt, noch schnell in den Laden um die Ecke zu gehen.

 

Im Supermarkt angekommen, läuft ihr Martin, der Mann der vor kurzem nach einem Betreuungsplatz gefragt hatte. über den Weg. „Hi, dass ist ja ein netter Zufall!“, ruft er Emma zu. Emma hebt die Hand und deutet damit ein freundliches „Hallo“ an. Er kommt direkt auf sie zugelaufen und begrüßt Sie erneut. Emma will eigentlich nur den Einkauf erledigen und so schnell wie möglich nach Hause fahren, um den Abend zu genießen. „Ja, ich muss noch schnell ein paar Dinge besorgen und der Supermarkt ist ja gleich um die Ecke.”, erwidert Emma. „Leider muss ich nun auch weiter!”, sagt sie etwas forscher und verabschiedet sich. Emma fühlt sich unwohl, es fährt plötzlich ein kalter Schauer durch ihren Körper und sie zuckt innerlich zusammen.

 

Sie dreht sich erneut um. Martin steht immer noch, mit Blick auf sie gelenkt, am gleichen Platz im Supermarkt. Sie eilt zur Kasse, packt ihre Einkäufe zusammen und geht zum Auto. Dort angekommen atmet sie einmal tief durch „Merkwürdig!”, murmelt Emma und macht sich auf den Weg nach Hause. Zuhause angekommen packt sie die Einkäufe in den Kühlschrank und macht sich ihr Abendessen.

 

 

 

Nach dem Essen geht Emma ins Badezimmer und gönnt sich ein Schaumbad mit Vanilleduft. Als sie aus der Wanne steigt, hört sie wie ihr Anrufbeantworter piepst. Sie ist sich sicher, keine Nachricht gehabt zu haben, als Sie nach Hause gekommen ist. Es muss wohl jemand in der Zwischenzeit angerufen haben. Leicht verwundert, dass sie nichts gehört hatte, läuft sie mit nassen Haaren und mit einem Handtuch bekleidet die Treppe hinunter.

 

Als sie die Bandansage abspielt, traut sie ihren Ohren nicht. Es ist eine Nachricht von Martin der mitteilen will, dass er sich gefreut habe, sie im Supermarkt wiedergesehen zu haben und dass er sich auf Samstag freue. Emma ist unsicher und bereut, Martin einen Termin gegeben zu haben. Sie hätte wohl doch auf ihr Bauchgefühl hören sollen. Sie ist mittlerweile zu müde um sich weitere Gedanken darüber zu machen und legt sich in ihr Bett. Wie nach diesem Tag zu erwarten war schläft Emma sofort ein.

 

 

 

Nach einer unruhigen Nacht ist Emma früher wach als sonst. 05:30 Uhr ist es diesmal. Die Kinder kommen erst um 07:30 Uhr, aber Emma kann nicht mehr schlafen. Nach ein wenig Hin- und Herdrehen, beschließt Emma um 06:00 Uhr aufzustehen. Es ist noch ausreichend Zeit um den morgendlichen Kaffee zu genießen und die Tageszeitung durchzuschauen. Sie legt die Zeitung beiseite und zuckt zusammen, als es an der Tür klingelt. Die Zeit ist schnell vergangen, denn es ist bereits 07:30 Uhr und die Kinder werden gebracht. Wieder haben die Kinder und Emma eine schöne Zeit zusammen. Der Rest der Woche verläuft genauso. Die Kinder sind bester Laune und haben jede Menge Spaß.

 

 

 

Unter der Woche hat Emma das Wiedersehen verdrängt, aber heute ist Samstag und Martins Vorstellungsgespräch steht vor der Tür. Sie hat Martin für 14:00 Uhr zu sich bestellt. Es muss über mögliche Bring- und Abholzeiten, Allergien, Lieblingsessen, Telefonnummern und eine eventuelle Einnahme von Medikamenten gesprochen werden. Alles Standardthemen für Emma und sie hatte solche Gespräche schon oft geführt. Gerne lernt Emma bei diesen Gesprächen auch die Kinder kennen, um einen besseren und schnelleren Eindruck zu erhalten.

 

Diesmal ist es anders, sie ist nervös und verunsichert. Sie hat wieder ihr merkwürdiges Bauchgefühl. Emma sitzt schon einigen Minuten aufgeregt in der Küche, als es um 14:00 Uhr klingelt und Martin an der Haustür steht. Er hat seinen Sohn auf dem Arm und lächelt Emma an. Sie bittet ihn hereinzukommen und im Wohnzimmer Platz zu nehmen. Emma hat Kaffee gekocht und Kekse bereit gestellt. Martin trinkt einen Kaffee und sein Sohn Tom bekommt ein Glas frische Milch. Sie unterhalten sich angeregt über das Thema Kinderbetreuung und die wichtigen Details im Tagesablauf von Tom. Man merkt, dass Tom noch etwas schüchtern und zurückhaltend ist.

 

Emma lässt sich ihre Verunsicherung nicht anmerken. Martin erzählt von dem Verlust seiner Ehefrau und dass er aktuell beruflich sehr eingespannt sei. Da Tom und Martin scheinbar wirklich dringend Hilfe brauchen, entscheidet sich Emma dazu, Tom ab Montag in die Betreuung aufzunehmen. “Also gut Tom”, sagt Emma “dann sehen wir uns am Montag um 07:30 Uhr. Da lernst du dann auch die anderen Kinder kennen”. Tom zögert kurz, lächelt dann aber und umarmt Emma. Sie freut sich, dass der schüchterne Junge sich offensichtlich wohl fühlt. Emma bringt die Beiden zur Tür und verabschiedet sich mit einem freundlichen Winken.

 

 

 

Der  Rest des Tages verläuft recht entspannt. Emma hatte sich schon lange vorgenommen mal wieder ein spannendes Buch zu lesen und hat sich hierzu den neusten Thriller ihres Lieblingsautors Sebastian Fitzek “Das Paket” gekauft. Emma freut sich, dass sie endlich das Buch anfangen kann.

 

 

 

Für den Sonntag hat Emma ganz besondere Pläne. Ihre Schulfreundin Fanny, die zwischenzeitlich nach Australien ausgewandert war, ist für eine Familienfeier in München und hat sich die Zeit für ein Wiedersehen nehmen können. Fanny, ein wirklich passender Name, denn sie ist immer lustig, wenn auch manchmal etwas verrückt ist sie immer für einen Spaß zu haben. Sie haben sich bereits ein ganzes Jahr nicht gesehen, weshalb die Vorfreude sehr groß ist. Emma liest noch ein paar Seiten des Thrillers und geht dann zeitig schlafen, damit sie für das Wiedersehen ausgeruht ist.

 

 

 

Emma wacht auf und fühlt sich richtig erholt. Sie schaut auf den Wecker, der auf der kleinen Anrichte neben dem Bett steht und ist erstaunt, dass sie fast zehn Stunden geschlafen hat. Emma ist für Ihre Verhältnisse schon recht spät dran, denn sie ist um 10:30 Uhr zum Brunch verabredet. Heute ist für einen Kaffee keine Zeit mehr. Emma eilt ins Badezimmer und macht sich fertig. Sie schnappt sich die Handtasche von der Kommode im Flur, nimmt den Schlüssel und zieht die Haustür hinter sich ins Schloss.

 

Pünktlich kommt Sie am Treffpunkt im Stadtpark an, wo auch Fanny schon sehnsüchtig auf sie wartet. Beide fallen sich freudestrahlend in die Arme und halten sich für ein paar Minuten ganz fest. Beide freuen sich riesig über das Wiedersehen.

 

„Wie gut du aussiehst“, sagt Emma und Fanny erwidert dieses mit einem Lachen und drückt Emma erneut fest an sich. „Ach, ich hab dich total vermisst“ sagt Fanny. Beide gehen in das Café und bestellen sich das große Tagesmenü für zwei Personen mit zwei Latte Macchiato und Orangensaft. Fanny platzt direkt mit der Nachricht heraus, dass Sie wieder an den Starnberger See zurückzieht und nach der Familienfeier nur noch fünf Monate in Australien leben wird. Sie hat einen Job in einem renommierten Unternehmen angenommen. Emma ist vollkommen überrascht und freut sich riesig über diese tolle Nachricht. Sie essen, lachen und es fühlt sich an wie früher, als sie regelmäßig zusammen waren. Die Zeit vergeht wie im Flug. Fanny schaut auf die Uhr. Es ist mittlerweile schon 14:30 Uhr.

 

„Kaum zu glauben, wie schnell die Zeit vergeht!”, sagt sie verwundert. „Ich könnte mich noch ewig so mit dir austauschen, aber meine Eltern haben mich für heute Abend zum Essen eingeladen und ich möchte mich vorher noch etwas frisch machen.” Beide umarmen und verabschieden sich. Sie wollen sich so schnell wie möglich wiedersehen. Fanny geht zu Fuß, sie hat es nicht weit. Lediglich ein paar Querstraßen weiter hat sie eine kleine Wohnung, die sie als Zweitwohnsitz für die Aufenthalte in Deutschland behalten hat.

 


Emma war mit dem Auto gekommen und macht sich auf den Weg zum Parkhaus. Sie geht die Straße entlang, immer noch glücklich und über beide Ohren strahlend, weil sie ihre langjährige Freundin heute nach langer Zeit wiedergesehen hat. Auch über die tolle Nachricht des baldigen Umzugs freut sich Emma noch immer. Sie kommt im Parkhaus an und plötzlich überkommt sie ein ungutes Gefühl. Sie dreht sich nach hinten, um nachzuschauen ob ihr jemand gefolgt ist, aber niemand war zu sehen. Sie geht schnellen Schrittes zu ihrem Auto. Emma fährt einen kleinen schwarzen Mini, eines der älteren Modelle. Sie nimmt den Schlüssel aus der Handtasche und öffnet das Auto. Plötzlich spürt sie eine fremde Hand auf ihrem Mund. Emma kann sich nicht wehren. Ein Tuch mit einer Flüssigkeit wird ihr vor Nase und Mund gedrückt, ihr wird schwindelig und sie sackt zu Boden.

 

 

 

Emma blinzelt leicht ist aber noch recht benommen und weiß gar nicht was passiert ist. Sie erinnert sich nur noch an das Parkhaus, danach weiß sie nichts mehr. Sie versucht sich langsam aufzurichten. Sehr starke Kopfschmerzen und ein starkes Schwindelgefühl machen sich breit. Sie schaut sich um, kann aber wenig erkennen. Panik steigt in ihr hoch. „Was ist passiert? Wo bin ich?”, fragt sich Emma. Sie versucht sich zu beruhigen. Sie schaut sich nochmals um und stellt fest, dass sie sich in einem Haus befinden muss. Anscheinend in einem Keller. Es riecht nach Öl und leicht vermodert, der Boden ist feucht. Sie versucht erneut aufzustehen, was ihr nun auch gelingt. Sie hält sich wackelig auf den Beinen und sucht nach Informationen und einen Weg aus dem Keller.

 

 

 

In der einen Ecke Zeitschriftenstapel und in der anderen eine Weinflaschensammlung, die ordentlich in einem Wandregal verstaut ist. Aus dem Augenwinkel entdeckt Emma in der hintersten Ecke des Raumes mehrere Kisten. Sie läuft mit langsamen Schritten auf die Kisten zu, denn Emma war immer noch recht benommen. Die Kisten sind schwer, aber Emma bemüht sich, sie auf den Boden zu stellen. So kann sie die Kisten besser durchsuchen. Einige waren vollgepackt mit Küchenutensilien andere wiederum mit Kleidung und Büchern. Doch eine ist für Emma vielleicht wichtig, Hinweise auf ihren Aufenthaltsort oder wer sie hierher gebracht hatte, könnten darin versteckt sein. Sie öffnet eine Kiste nach der anderen.

 

Nach einer Weile nimmt Emma einige Fotoalben heraus. Hier könnten sich Fotos von  ihrem Entführer befinden. Sie schlägt eines der Alben auf und ist irritiert. Emma hat das Gefühl sich auf den Bildern selbst zu sehen. Eine Frau, Emma schätzt sie auf Mitte 30, ist auf diesen zu sehen. Lange, dunkle und lockige Haare, ein charmantes Lächeln. Emma blättert weiter. Sie reißt eines heraus und findet ein Datum auf der Rückseite. Das Bild wurde erst vor wenigen Monaten aufgenommen. Emma öffnet ein weiteres Album und entdeckt das Unfassbare. Auf einem der Fotos ist die junge Frau mit einem Kleinkind zu sehen. Dieses Kind, es kommt ihr bekannt vor. Sie betrachtet dieses Foto näher und überlegt fieberhaft, wo sie das Kind schon einmal gesehen hat.  Die Panik steigt erneut in Emma hoch. Schweiß läuft ihr den Rücken herunter und ihr Herz rast.

 

Emma sucht weiter und traut ihren Augen nicht. Sie hält Fotos eines Mannes in den Händen, der ihr bekannt ist. Es muss schon ein paar Jahre her sein, aber es gibt keinen Zweifel. Es ist Martin, der Vater von Tom, den sie zum Vorstellungsgespräch eingeladen und im Supermarkt getroffen hatte. Na klar, der kleine Junge war Tom. Jetzt erinnert sie sich und erkennt den Jungen. Die Frau musste Toms Mutter und damit Martins verstorbene Frau sein. „Was hat das alles zu bedeuten?”.

 

 

 

Emma hat kein Zeitgefühl. Wie spät ist es? Sie hat riesige Angst. Plötzlich hört Emma ein Rumpeln. Sie setzt sich so schnell wie möglich wieder an den Platz zurück, an dem sie das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Es klingt, als ob jemand eine Treppe herunter läuft. Wird Martin gleich den Raum betreten und das Geheimnis warum sie hierher gebracht wurde lüften? Emmas Gedanken kreisen um eine Frage. Warum sie? Was will Martin von ihr? Emma spürt ihren Herzschlag am Hals.

 

Ein Schlüssel dreht sich im Schloss der großen Holztür und die Tür knarrt als sie langsam aufgeschoben wird. Ein heller Strahl Licht dringt in den dunklen Kellerraum und Emma wird geblendet. Sie kann zunächst nichts sehen. Emma überlegt ob Sie direkt Martins Name rufen soll, entscheidet sich aber dagegen. Die Person im Türrahmen macht ein paar eilige Schritte auf Emma zu und stellt ein Tablett mit Kaffee und einem Marmeladenbrot auf den Boden.

 

Emma wundert sich, da der Kaffee so gebracht wird, wie sie ihn immer trinkt und auch das Brot mit ihrer Lieblingsmarmelade bestrichen ist. Gerade bei ihrem Einkauf diese Woche hatte sie sich ein neues Glas gekauft. Emma ist irritiert. Die Person dreht sich um und verlässt den Raum. Emma versucht jemanden zu erkennen, aber durch das blendende Licht kann sie nichts sehen. Emma bleibt verzweifelt und alleine in ihrem Gefängnis zurück. Die Tür fällt ins Schloss und es wird schlagartig wieder dunkler.

 

Emma hat Durst und wahnsinnigen Hunger, ihr ist kalt. Sie rührt das Essen und den Kaffee nicht an, da sie nicht weiß, ob Martin es vielleicht vergiftet hat. Emma schwirren alle möglichen Gedanken durch den Kopf „Wie lange ist sie bewusstlos gewesen? Ist es schon Montag? Warten die Kinder schon auf sie? Wird sie jemand vermissen und suchen? Alle Fragen bleiben unbeantwortet. Emma beginnt zu weinen.

 

 

 

Eine ganze Weile später schreit Emma nach Hilfe. Nach einigen erfolglosen Versuchen muss sie entkräftet aufgeben, sie sinkt zusammen. Erst jetzt fällt ihr auf, dass ihre Handtasche weg ist. Mit ihrem Handy hätte sie zumindest versuchen können Hilfe zu holen. Sie überlegt angestrengt was sie tun kann um, hier rauszukommen. Emma hat eine Idee, nur ob diese funktioniert und sich der Entführer darauf einlassen wird, ist fraglich. Emma schreit, sie schreit vor Schmerzen und sie krümmt sich in der Hoffnung der Entführer kommt und bindet sie los. Dann könnte sie sich losreißen und entkommen.

 

Tatsächlich hört Emma zwischen ihren Schreien Schritte, schnelle Schritte von oben die Treppe hinunter in den Keller. Der Schlüssel dreht sich im Schloss, die Holztür wird aufgerissen und Emma traut ihren Augen nicht. Sie hat Recht. Im Lichtkegel steht Martin. Emma kann nicht glauben wen sie da vor sich sieht. „Was hast du mit mir gemacht?”, schreit Emma ihn an. „Was soll das?“. „Emma, beruhige dich!”, sagt Martin mit ruhiger Stimme. „Hör auf zu schreien, alles ist gut!”. Emma weiß nicht wie ihr geschieht. Martin setzt sich neben sie und versucht sie zu beruhigen. Emma ist so wütend, sie kann ihre Wut kaum in Worte fassen. „Emma, ich weiß gar nicht wie ich es dir erklären soll.”, sagt Martin zögernd.

 

 

 

Martin führt Emma nach oben in den Wohnbereich des Hauses. Er möchte ihr alles erklären. Im Augenwinkel erkennt sie eine Wölbung unter seinem T-Shirt. Sie kennt dies nur aus Fernsehserien oder Büchern, aber ahnt, dass sich unter seinem Shirt eine Waffe befindet. Ihr stockt der Atem. Sie muss das Spiel mitspielen, damit er keinen Verdacht schöpft und eine Möglichkeit zur Flucht finden. Martin fordert Emma auf sich im Wohnzimmer auf dem Sofa hinzusetzen und gibt ihr deutlich zu verstehen, keinen Fluchtversuch zu unternehmen. Nun kann sie es deutlich sehen. Er hat eine Waffe. Sie blitzt hervor. Emma spürt ihren Puls an der Kehle, ihre Hände sind feucht und kalt. Emma zögert und überlegt ob sie ihn direkt auf die gefundenen Fotos im Keller ansprechen soll. Sie schaut ihn an, er lächelt sie mit leicht hochgezogenen Mundwinkeln an. Emma nimmt ihren ganzen Mut zusammen und stellt ihm  eine der vielen ungeklärten Fragen. „Wer ist die Frau auf dem Foto?”, fragt Emma mit zitternder Stimme. Es wirkt, als hätte Martin mit dieser Frage gerechnet, denn die Fotos im Keller scheinen nicht zufällig dort gestanden zu haben. Er hat sie vor der Entführung mit Absicht dort platziert. Emma sollte sie finden.

 

 

 

„Emma, du bist so wunderschön. Ich bin so froh, dass du endlich bei mir bist!”, sagt Martin.  „Sag mir endlich was hier los ist!”. Emma ist unfassbar aufgeregt, denn Martin hat die Waffe mittlerweile neben sich auf das Sofa gelegt.

 

Martin war mit Sonja verheiratet. Emma weiß, dass sie bei einem Autounfall vor einem Jahr ums Leben gekommen war. Martin blickt wie versteinert aus dem Fenster und erzählt mehr Details zum Unfall. Am Abend hatte ihr jemand die Vorfahrt genommen. Sie hatte die Kontrolle über das Auto verloren und war ungebremst gegen einen Baum gefahren. Sie war sofort tot. Emma ist schockiert und traurig, möchte aber wissen warum er sie hier gefangen hält. Martin ist wütend und ballt seine Hand zu einer Faust, denn der Unfallverursacher wurde nie gefunden und Tom und er sind seit dem Unfall allein.

 

„Du erinnerst mich so sehr an Sonja. So wunderschön und liebevoll. Deine einfühlsame Art und der herzliche Umgang mit den Kindern. Tom braucht eine Mutter und ich möchte meine geliebte Frau zurück.” Emma ist überrascht, denn damit hat sie nicht gerechnet. „Woher wusstest du wer ich bin? Lass mich bitte gehen! Ich bin nicht deine Frau!”.

 

Eine Kollegin aus Martins Firma hat ihm Emma als Tagesmutter empfohlen. Sie meinte, Emma sei eine sehr nette und hilfsbereite Person und kümmere sich sehr herzlich um die Kinder. Da Martin alleinerziehend und beruflich sehr stark belastet ist, benötigt er dringend Unterstützung. Martin kontaktierte Emma. Beim ersten Treffen war er überwältigt und hatte das Gefühl vor seiner Sonja zu stehen, Erinnerungen und Gefühle längst vergangener Zeit waren in ihm hochgekommen. Martins Blick wird ernst, er durchbohrt Emma mit Eiseskälte. Er will dass Emma bei ihm bleibt, sich in ihn verliebt und sie eine kleine glückliche Familie sind. Um diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen, muss Martin, Emma bei sich gefangen halten.

 

Emma denkt, dass Martin sie nicht ewig gefangen halten kann. Es wird auffallen, dass sie nicht zuhause ist und nicht an ihr Handy geht. „Wo ist Tom?”, fragt Emma. „Er ist bei seiner Oma, ich habe ihr von einer angeblichen Geschäftsreise erzählt, sodass wir genug Zeit zu zweit haben.”, erzählt Martin.

 

 

 

Es wird langsam dunkel. Emma hat wahnsinnigen Hunger und ihr Mund ist staubtrocken. Sie bittet Martin um ein Glas Wasser und um etwas zu essen. Dieses mal wird sie das Essen anrühren, Martin wird sie wohl kaum vergiften, wenn er eine Zukunft mit ihr aufbauen will.

 

Martin nimmt die neben ihm liegende Waffe und steht auf. Er ermahnt Emma keinen Fluchtversuch zu unternehmen, alle Türen sowie Fenster seien verriegelt. Martin geht in die Küche. Als er den Raum verlassen hat und Emma sich alleine in dem riesigen Wohnraum befindet, sucht sie den Raum nach einem Telefon ab. Wie sie bereits vermutet hat, ist keines zu finden. Sie öffnet Schränke und Schubladen, findet aber nichts, was sie aus dieser misslichen Lage befreien könnte. Martin kommt zurück ins Wohnzimmer und forderte Emma auf ihm in die Küche zu folgen. Er hat Sonjas Lieblingsessen gekocht.

 

Sie läuft zum Esstisch, wo Martin ihr bereits den Stuhl zum Sitzen anbietet und setzt sich. Martin sitzt neben ihr und berührt zärtlich ihre Schultern. Emma dreht sich weg, als Martin erneut über ihren Arm streichelt. Er sagt mit liebevoller Stimme: „Sonja, ich bin so froh, dass du da bist. Du bist einfach meine Traumfrau! Heute feiern wir unseren Hochzeitstag!”.

 

 

 

Emma wird klar, dass Martin sie tatsächlich für Sonja hielt. Sie muss mitspielen, um hier rauszukommen. Sie nimmt all ihren Mut zusammen, nimmt seine Hände und bittet ihn mit ihr zu Abend zu essen.

 

Nachdem sie sich mit dem Essen und mehreren Gläsern Wasser gestärkt hat, geht es ihr besser. Dennoch ist Emma müde und hofft, dass sie wenigstens einen eigenen Schlafplatz bekommt. Leider nicht, denn Martin hat das gemeinsame Schlafzimmer bereits hergerichtet. Emma überlegt, wie sie aus dieser Situation wieder herauskommt. Ihr wird bewusst, dass sie um das Spiel mitzuspielen neben Martin schlafen muss. Beide gehen zusammen ins Schlafzimmer und legen sich nebeneinander in das von Martin neu bezogene Bett. Emma zittert am ganzen Körper, ihr ist nicht wohl bei dem Gedanken neben Martin einzuschlafen. Aber sie ist  bereits so müde, dass ihre Augen einfach zufallen.

 

 

 

Emma wacht auf und versucht, sich zu orientieren. Die Vögel zwitschern und die ersten Sonnenstrahlen scheinen durch das Fenster ins Schlafzimmer. Plötzlich erinnert sie sich. Sie wird gefangen gehalten von einem Mann mit dem sie nichts zu tun haben möchte, Martin, der Vater von Tom, der sie für seine Frau hält.

 

Sie setzt sich auf, zieht sich ihre Schuhe an und öffnet langsam die Tür vom Schlafzimmer. Die Tür knarrt. Martin muss sie von unten schon gehört haben, denn plötzlich steht er vor ihr und versucht Emma einen Kuss auf die Stirn zu geben. „Schatz, du bist wach, ich habe uns Frühstück gemacht.” Emma geht an Martin vorbei, läuft die Treppe hinunter und setzt sich an den Tisch. Sie erinnert sich immer wieder daran dieses Spiel von Martin mitspielen zu müssen. Emma spricht Martin auf ihre Handtasche an und gibt vor, wichtige Medikamente dabei zu haben, die sie jeden Morgen zu sich nehmen muss. „Du hast doch noch nie Medikamente genommen?”, fragt Martin. „Deine Handtasche ist nicht wichtig, die brauchst du hier bei mir nicht. Genieß das Frühstück und mach dir nicht so viele Gedanken.”

 

Die Handtasche war ihre einzige Chance gewesen, um Hilfe zu holen, denn solange sie niemand vermisst, ist sie hier gefangen. Der Tag vergeht dennoch ziemlich schnell, denn Martin hat sich viele Überraschungen einfallen lassen.

 

 

 

               Zur gleichen Zeit bei Fanny.

 

              

 

               Sie versucht seit gestern Nachmittag Emma zu erreichen, um ihr von dem Familienessen zu berichten.

 

Leider erreicht sie immer wieder nur die Mailbox. Sie hat Emma bereits mehrere Nachrichten hinterlassen und mittlerweile entsteht bei ihr ein ungutes Gefühl, denn so kennt Sie Emma nicht. Emma ist immer sehr zuverlässig und ruft in der Regel zeitnah zurück.

 

Fanny überlegt, was sie tun kann. Sie will bei Emma zuhause vorbeifahren, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. Sie ist besorgt. Kurzer Hand nimmt sie ihre Handtasche und macht sich auf den Weg zum Haus von Emma. Dort angekommen, klingelt Fanny mehrfach. Nichts. Keine Reaktion. Sie versucht Emma erneut anzurufen. Ebenfalls kein Erfolg! Es klingelt, aber niemand geht ran. Jetzt ist Fanny richtig in Sorge. Sie sieht sich um und entdeckt, dass der Briefkasten nicht geleert ist. Die Tageszeitung von gestern und heute liegt darin. Das ist sehr ungewöhnlich, denn Fanny weiß, dass Emma morgens bei ihrem Kaffee auf der Terrasse die Zeitung liest. Sie überlegt was sie tun soll. Sie kommt zu der Entscheidung die Polizei einzuschalten.

 

Fanny nimmt ihr Handy und wählt die 110. „Hallo, hier spricht Fanny Flint. Meiner Freundin Emma Tauber ist etwas passiert, ich weiß aber nicht was. Sie ist seit Stunden nicht erreichbar, sie wird vermisst!”. Die Polizei bittet Fanny am Haus von Emma zu warten.

 

 

 

Kurze Zeit später trifft die Polizei vor dem Haus von Emma ein. Polizeikommissar Markus Hauper streckt Fanny die Hand entgegen und bittet sie den Fall genauer zu schildern. Leider kann Fanny nicht viel sagen. Zuletzt gesehen hatte sie Emma beim Brunch im Stadtpark. Auch telefonisch wäre sie nicht erreichbar. Haupers Kollegen nehmen das Haus von außen in Augenschein. Keine Spuren eines Verbrechens, keine sonstigen Auffälligkeiten. „Wissen sie, ob Emma verreisen wollte?”, fragt Hauper. Fanny teilt dem Kommissar mit, dass Emma Tagesmutter sei und aufgrund der Betreuung der Kinder nicht verreisen kann. Da kommt ihr plötzlich ein beunruhigender Gedanke. „Emma hat von einem Vater erzählt, der einen Platz in der Betreuung angefragt hat. Sie hatte kein gutes Gefühl.”, erzählt Fanny mit schwitzigen Händen dem Polizeikommissar. Dieser nimmt ihre Aussage auf und veranlasst die Handyortung, da ein Verbrechen nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Es dauert nicht lange, da kommt die Antwort über die Leitstelle. „Das Handy ist geortet worden, es soll sich an einer Lichtung im Perlacher Forst befinden.“, krächzt es durch das Funkgerät. Hauper fordert einen Suchtrupp an, der sich zum Standort des Handys begeben soll. Der Kommissar wirkt nun auch etwas beunruhigt. Fanny ist in Panik und versucht aus Hauper mehr herauszubekommen.

 

Der erfahrene Polizeibeamte gibt keine Informationen weiter und fordert Fanny auf, am Haus zu warten und sich sofort zu melden, wenn Emma auftaucht. Fanny überlegt auf eigene Faust zu ermitteln. Sie nimmt sich vor, Emma zu finden. „Sie können im Moment nichts tun, wir wissen nicht was mit ihrer Freundin passiert ist.”, fordert Hauper Fanny auf Ruhe zu bewahren. Er setzt sich in sein Dienstfahrzeug und fährt davon.

 

Am Perlacher Forst angekommen entdeckt die Polizei einen schwarzen Mini. Die Kennzeichenüberprüfung ergibt, dass es sich um Emmas Wagen handelt. Sie durchsuchen das Fahrzeug und entdecken eine Frauenhandtasche indem sich Schlüssel, Handy, Notizbuch und ein Buch befinden. Die Spurensicherung überprüft das Handy, sie finden ein Foto und wollen Fanny zur Überprüfung kontaktieren.

 

Zu seiner Verwunderung klingelt es bereits direkt hinter ihm. Mit wütendem Gesicht blickt er in Fannys Augen: „Was machen sie denn hier? Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen bei Emma zu Hause warten?”. Fanny setzt dem gleich ein „Ich kann doch nicht zu Hause sitzen und nichts tun” entgegen. Hauper zeigt Fanny das Handy und befragt sie. „Das ist meine Freundin Emma auf dem Foto.” „Wo haben sie das gefunden?”. Fanny ist ganz aufgeregt. Hauper erwidert, dass das Handy und die Handtasche im Wagen gelegen hätten, es allerdings keine Spur von Emma geben würde. Hauper vermutet, dass Emma entführt worden ist. Es gibt aber keine Spuren eines Gewaltverbrechens. Die nähere Umgebung wird abgesucht. Die Beamten teilen sich in kleine Gruppen auf, sogar ein Spürhund namens Spike ist mit dabei. Dieser bekommt zur Aufnahme einer Fährte die Handtasche von Emma. Fanny ist sehr angespannt, soll sich aber laut Aussage Haupers im Hintergrund halten.

 

 

 

Der Suchtrupp zieht los, langsam und sicher hinter Spike her, denn glücklicherweise scheint dieser bereits eine Fährte aufgenommen. Etwa 200 Meter weiter entdecken sie ein Haus, welches abgelegen an einem See liegt. Hauper fordert seine  Männer auf, sich in Position zu bringen und sich einen Weg unbemerkt zum Haus zu suchen.

 

 

 

Es ist mittlerweile Abend geworden und es dämmert. Im Haus brennt im unteren Bereich Licht und die Beamten versuchen, einen Blick durch die Fenster zu erhaschen. Es ist äußerste Vorsicht geboten. Eine Überprüfung hat ergeben, dass der Hausbesitzer Martin Polsky bereits verhaltensauffällig geworden war. Keiner kann sagen, was in dem Haus vor sich geht und wie viele Personen sich im Haus befinden. Ein Kollege meldet per Funkt, dass sich ein Mann mittleren Alters sowie eine Frau in dem Haus befinden, weitere Personen sind nicht auszumachen. Alle Beamten beziehen rund um das Haus Stellung und beobachten weiter das Geschehen im Inneren. Fanny läuft es eiskalt den Rücken herunter. Sie kann nicht glauben was hier passiert. Sie bangt und hofft, dass Emma gesund und wohlbehalten gerettet wird.

 

 

 

Währenddessen kämpft Emma im Haus mit den Tränen, denn sie fleht Martin an sie gehen zu lassen. Martin versteht die Situation nicht, denn er liebt sie und möchte mit ihr zusammen bleiben. Martin verlässt kurz das Wohnzimmer, sodass sich Emma alleine in dem großen Raum befindet. Sie schaut durch das große helle Fenster und erblickt einen Lichtstrahl. Sie kann nicht erkennen was es ist, aber vom Sonnenlicht kann es kaum kommen, da es bereits dunkel ist und eine weiterer Tag für Emma in dieser Hölle zu Ende geht. Erneut wird Emma von einem Lichtstrahl geblendet. Sie will aufstehen, ist sich aber nicht sicher, wie lange Martin wegbleiben wird. Sie versucht ihr Glück und schleicht sich vom Sofa hinüber zum Fenster. Sie beugt sich vor, kann aber trotzdem nichts erkennen. Emma erschreckt, denn plötzlich taucht eine männliche Gestalt vor dem Fenster auf. Emma drückt sich die Hand vor den Mund, um nicht vor lauter Schreck loszuschreien. Die am Fenster stehende Person zeigt ihr mit einer Handbewegung, dass sie sich ruhig verhalten und wieder hinsetzen soll.

 

Unverzüglich folgt Emma der Anweisung, denn der Mann hat sich als Polizeibeamter zu erkennen gegeben. Emma schöpft Hoffnung. Kurz nachdem sie sich wieder auf ihren Platz au dem Sofa gesetzt hat, kommt Martin mit Kerzen und zwei Gläsern Wein aus der Küche zurück. „Ich dachte wir machen es uns ein wenig romantisch.“, sagt Martin in freudiger Erwartung auf den Abend. Emma weiß nicht, was sie jetzt tun soll.

 

Emma hat panische Angst und Hoffnung zugleich. Wird das Haus gestürmt oder werden sie leise das Haus betreten und Martin überwältigen? Emma ist in Gedanken. Martin bemerkt, dass sie abwesend ist und fragt was sie bedrücke. Sie könne mit ihm schließlich über alles reden. Emma schaut Martin an und fängt an zu weinen. „Martin, wir werden nie ein Paar werden! Bitte versteh es doch.“, schluchzt Emma. Martin wird wütend und holt seine Pistole aus dem Bund seiner Hose und fuchtelt wild damit vor Emma herum.

 

 

 

Die Polizisten mit Blickkontakt ins Haus werden darauf aufmerksam und erkennen die eskalierende Situation. Hauper überlegt und entscheidet sich für ein Ablenkungsmanöver. Er legt seine Schussweste an und unterrichtet seine Kollegen über seinen Plan. Die Kollegen bleiben im Hintergrund. Hauper selbst wird das Ablenkungsmanöver am Haupteingang vornehmen. Vier weitere Kollegen sollen die junge Frau über den Hinterausgang aus dem Haus befreien. Alle Kollegen stehen in Position.

 

Hauper läuft zur Tür und klingelt. Martin sieht Emma verwundert an und bittet Emma kein Wort zu sagen. Vorsichtshalber verklebt er Emmas Mund mit Panzertape und fesselt ihre Beine an den Stuhl. Martin eilt zur Tür, immer eine Hand an der Waffe. Er öffnet die Tür und Hauper steht direkt vor ihm und lächelt im freundlich zu. „Guten Tag der Herr!“, sagt Hauper. „Ich war im Wald spazieren und habe mich verlaufen. Können Sie mir vielleicht sagen, welchen Weg ich nehmen muss, um wieder auf die Landstraße zu kommen?”. Martin nimmt die Hand von der Waffe und erklärt Hauper den Weg. In der Zwischenzeit haben sich zwei Polizisten Zugang zum Haus verschafft, in dem sie die Tür des Hintereinganges mit einem Spezialwerkzeug öffnen. Sie laufen schnell, aber trotzdem mit oberster Vorsicht zu Emma. Sie sind wachsam, denn oberste Priorität hat der Schutz der Geisel. Die beiden Beamten reden beruhigend auf die hektisch wirkende Emma ein und befreien sie von ihren Fußfesseln. Martin nimmt Geräusche aus dem Wohnzimmer wahr und dreht sich sofort um. Er will nachsehen was da gerade passiert und lässt Hauper einfach im Türrahmen stehen. Als Martin sich umdreht, wird er von Hauper zu Boden gerissen und die Kollegen stürmen Hauper zu Hilfe.

 

 

 

Emma wird von den Beamten nach draußen gebracht. Fanny, die fieberhaft draußen mit zittrigen Knien und schweißnassen Händen gewartet hat, rennt unter Tränen auf Emma zu. Diese erkennt erst jetzt, dass es Fanny ist, die auf sie zu gerannt kommt. Sie fällt Emma in die Arme und drückt sie fest an sich. „Emma, zum Glück geht es dir gut! Ich bin so froh dich zu sehen.“ Hauper, der mittlerweile mit Martin aus dem Haus gelaufen kommt, übergibt seinen Kollegen den verhafteten Martin. „Sie werden morgen dem Haftrichter vorgeführt, dann können Sie ihm Ihre Märchen erzählen!”, schnaubt Hauper. Emma kann vor lauter Aufregung nichts sagen. Sie zittert am ganzen Körper. Mittlerweile ist der Rettungswagen eingetroffen und Fanny übergibt sie direkt an die Sanitäter. Jetzt wird sie erst einmal untersucht und kann sich etwas beruhigen.

 

Fanny weicht keine Sekunde mehr von ihrer Seite. Nach der Erstversorgung im Rettungswagen wird Emma ins nächste Krankenhaus gebracht. Dort wird sie erst einmal für drei Tage stationär aufgenommen um sich zu erholen und zu Kräften zu kommen. Selbstverständlich wird die Polizei in den nächsten Tagen die Anzeige wegen Entführung und Freiheitsberaubung aufnehmen.

 

 

 

Nach ein paar Tagen kann Emma das Krankenhaus verlassen. Fanny holt sie ab und beide fallen sich in die Arme. Emma kann es kaum glauben und ist erleichtert, dass alles so ausgegangen ist. „Martin wird hoffentlich seine gerechte Strafe bekommen.“, entgegnete Emma. Fanny nimmt Emma die Tasche ab und sagt „Alles wird wieder gut!“.

 

Beide gehen gemeinsam nach Hause, wo Emma sich direkt auf die Terrasse begibt, um den schönen Ausblick auf den Starnberger See zu genießen. Sie ist dankbar, dass sie nun wieder in ihrem Haus sein kann. Fanny bringt ihr einen Tee und eine warme Suppe. Sie muss sich noch etwas erholen, die kommenden Tage werden noch mal schwer, denn die Vernehmung auf der Polizeiwache ist für den nächsten Tag vorgesehen.

 

Emma schläft nach dem Essen direkt tief und fest ein. Fanny hat es sich auf der Couch gemütlich gemacht, sie hat ihre Abreise nach Australien ein paar Tage verschieben können, um sich in den nächsten Tagen um Emma kümmern zu können.

 

 

 

Am nächsten Morgen wacht Emma auf und geht direkt ins Badezimmer, um sich frisch zu machen. Sie zieht sich ein bequemes Outfit für den Tag an und geht danach in die Küche, wo Fanny schon Pfannkuchen zubereitet hat. Sie sitzen beide am Frühstückstisch und Emma erzählt Fanny von den Erlebnissen und ihrem vorherigen Bauchgefühl. Fanny ist entsetzt darüber, wie ein Mensch zu so etwas fähig sein kann. Beide machen sich kurze Zeit später auf den Weg zum Polizeipräsidium, wo Emma bei Polizeikommissar Hauper ihre Aussage zu Protokoll gibt. Hauper berichtet Emma, dass Martin die Entführung gestanden hat. Er schämt sich und bereut seine Tat. Der Wunsch nach einer glücklichen kleinen Familie habe ihn dazu gezwungen.

 

Emma erkundigt sich gleich im Anschluss nach Martins Sohn Tom. „Was passiert jetzt mit ihm?”. Hauper antwortet, dass er solange Martin im Gefängnis sitze bei seiner Oma aufwachsen würde. Dort sei er ja bereits seit einigen Tagen untergebracht. Emma ist traurig darüber, denn Tom ist wirklich ein ganz toller kleiner Junge.

 

Fanny nimmt Emma an die Hand, sie verabschieden sich von Polizeikommissar Hauper, bedanken sich nochmals bei ihm und verlassen gemeinsam das Präsidium.

 

 

 

Als Emma am nächsten Morgen am Frühstückstisch sitzt und die Tageszeitung aufschlägt, ist bereits ein Artikel über ihre Entführung zu lesen. Sie ist noch nicht bereit, das alles zu lesen und schlägt die Zeitung zusammen. Mit der Unterstützung von  Fanny kann sie das alles hoffentlich schnell verarbeiten. Sie beschließt alle Familien anzurufen und mitzuteilen, dass sie sich alle noch etwas gedulden sollen, sie ihre Arbeit als Tagesmutter  aber zeitnah wieder aufnehmen möchte. Die Eltern sind glücklich dies zu hören und die Kinder freuen sich auf schöne Tage mit ihrer Emma.

 

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