v4n1kaputt

„Pass auf, die stehen da vorne!“, ruft Paula vom Beifahrer. „ja, habe ich gesehen!“, antworte ich und komme am Stauende langsam zum Stehen. Durch die Frontscheibe unseres LKW sehen wir eine Massenkarambolage mit ein paar Autos. „Unfall, A22 km 17!“, gebe ich durch die Funke an die Kollegen weiter. Als ich zwischen den ganzen Autos ein Motorrad entdecke zieht sich bei mir alles zusammen. „Fahrerwechsel! Du gehst auf den Fahrersitz und ich geh nachschauen ob sie da vorne Hilfe brauchen.“, sage ich schnell und meine beste Freundin rutscht auf meinen Sitz. „Nimm dein Handy mit!“, ruft sie hinter mir her und wirft es mir zu als ich mich umdrehe. Nickend drehe ich mich wieder um und renne zu der Unfallstelle. Ich sehe viele Menschen am Telefon und die Worte die sie sagen lassen mich hören dass sie mit der Leitstelle reden. Zwar sehe ich besagte Maschine als Schrotthaufen eingeklemmt zwischen den Autos, doch der Fahrer liegt ein paar hundert Meter davor er scheint also abgesprungen zu sein bevor es geknallt hat. Vorsichtig nehme ich dem Fahrer den Helm ab, prüfe Atmung und Puls und öffne seine Jacke. Eine Frau kommt aufgeregt auf mich zu. „Bitte helfen Sie mir, mein Mann ist eingeklemmt unter dem Lenkrad.“, ruft sie panisch. „Haben Sie einen Regenschirm?“, entgegne ich. „Ja im Auto!“, antwortet sie etwas perplex. „Bringen sie ihn mir bitte. In den Sachen hat der Motorradfahrer nach kurzer Zeit einen Hitzestau.“, antworte ich und sie geht ihren Schirm holen. „In Ordnung, ich kümmere mich jetzt um ihren Mann! Bitte halten sie den Regenschirm, bis der Notarzt eingetroffen ist.“, sage ich und gehe zu dem Auto wo die Frau gerade ihren Schirm her geholt hat. „Hallo, ich bin Sam, ich bin Notfallsanitäterin und versuche Ihr Bein zu befreien in Ordnung?“, stelle ich mich vor und der ältere Mann nickt. „In Ordnung versuchen Sie tief und langsam ein und aus zu atmen. Entspannen Sie ihren Körper.“, weise ich ihn ruhig an. Er tut was ich ihm gesagt habe und ich stelle den Sitz nach vorne, das Lenkrad von seinem Opel Astra nach oben und sachte ziehe ich sein Bein heraus. „So in Ordnung das hätten wir. Spüren Sie ihre Beine?“, frage ich und der Mann spannt die Beine an und nickt. „Gut, dann gehen Sie bitte in den Schatten unter die Brücke dort am Seitenrand!“, bitte ich und begleite ihn stützend dorthin. Ich gehe zum nächsten Wagen und sehe eine Familie mit zwei Kindern auf der Rücksitzbank. Die Fahrerin ist bei Bewusstsein hat ihr Lenkrad immer noch panisch festgekrallt. „Ma’am? Können Sie mich hören? Hallo?“, ich fasse ihre Schulter an und sie zuckt total erschrocken zusammen. „Verzeihung, aber Sie müssen hier aus diesem Auto raus!“, Zitternd und nickend steigt sie aus dem Auto aus. „Warte ich helfe Ihnen!“, sage ich und stütze sie zu dem alten Herrn am Fahrbahnrand. „Mama? Papa!“, quengeln und weinen die Kinder. Ich nehme das Kleinkind auf den Arm und das größere Kind an die Hand. „Ich muss mich um ihren Mann kümmern, können Sie ein Auge auf die beiden haben? Frage ich einen jungen Mann, der ebenfalls den Schatten der Brücke aufgesucht hat. Die Frau und der ältere Herr haben sich auf die Leitplanke gesetzt. Der junge Mann geht mit den Kindern hinter die Absperrung im Auge der Mutter. Schnell renne ich zurück zum Auto und ziehe den Mann aus dem Auto und lege ihn neben dem Auto ab. Ich nehme den Verbandskasten entgegen, der mir von einem Mann gereicht wird. „Danke!“, sage ich und verbinde die stark blutenden Stellen mit einem Druckverband. Auch er hat normale Atmung und Puls. Ihn bringe ich ebenfalls in die stabile Seitenlage und schaue mich dann noch einmal um. „Die Verletzten aus dem schwarzen BMW, dem weißen Caddy und dem blauen Honda habe ich schon gecheckt und verarztet, wie man so schön sagt.“, antwortet mir der Fremde auf meinen fragenden Blick. „Oh, vielen Dank. Ich bin Sam, Notfallsanitäterin.“, stelle ich mich vor und strecke ihm die Hand aus. „Freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Eric, Krankenpfleger.“, entgegnet er und schlägt in die Hand ein. „Kannst du solange bis der Notarzt hier ist auf den Beifahrer achtgeben? Dann geh ich wieder zum Motorradfahrer.“, frage ich und warte eine Antwort gar nicht erst ab. „Vielen Dank, gehen Sie zu ihrem Mann!“, sage ich zu der Frau und nehme ihr den Schirm ab. Der Notarzt braucht ganz schön lange bis er hier ist. Das Handy des Motorradfahrers ist aus seiner Jacke heraus gefallen. Als ich es zurück packen will öffnet sich der Sperrbildschirm und ich reiße die Augen auf und staune nicht schlecht, als ich einem Foto von mir direkt in die Augen schaue. Das ändert die Sache erheblich und ich stecke das Handy ein. Einen Augenblick später und die Sirenen sind noch nicht mal ansatzweise zu hören, nehme ich mein Telefon und rufe auf der Leitstelle an. „Sam Dryagan hier, Notfallsanitäterin außer Dienst. Habt ihr schon ein paar Fahrzeuge auf die A22 km 17 geschickt?“, frage ich nach. „Ja, doch sie kommen nicht durch, die Menschen machen mal wieder keine Rettungsgasse.“, antwortet der Mann auf der anderen Seite der Leitung. „Schick nochmal zwei Rettungswagen los und lass sie falsch herum auf die A22 kommen, die Ausfahrt 3 nach Lazytown ist nur einen Kilometer weg. Die Autos und LKW stehen. Alle Spuren, samt Seitenstreifen sind gesperrt. Wir haben zwei Schwerverletzte. Die restlichen Verletzten haben wir schon behandelt, die haben nur leichte Kratzer.“, erzähle ich die Geschehnisse. „Jap habe ich gerade auf dem Bildschirm ich schick einen NEF und zwei Krankenwagen zu euch. In fünf Minuten sollten die drei da sein.“, gibt er zurück. „Wir haben insgesamt fünf Fahrzeuge und ein Motorrad, die in diesen Unfall verwickelt sind. Leichtverletzte haben wir elf. Schwerverletzte zwei.“, fasse ich zusammen, verabschiede mich und lege auf. Nach fast exakt fünf Minuten höre ich die Sirenen der drei Fahrzeuge. Die Leitstelle hat zwei Krankenwagen mehr hingeschickt, die Sanitäter kümmern sich um die Leichtverletzten. Der Notarzt macht erst den verletzten Beifahrer stabil und transportfähig und kommt dann herüber zu mir. „Sam? Ich dachte du hast Urlaub!“, begrüßt mich mein ehemaliger Ausbilder. „Hab ich auch, nur als wir gerade mit dem Umzugswagen hier lang gefahren sind gab es eine Massenkarambolage und ich musste etwas tun.“, antworte ich. „Alle Achtung, du hast echt gut Gas gegeben! Gut gemacht!“, lobt er mich und packt mir auf die Schulter. „Ich war nicht alleine, der Krankenpfleger da drüben hat mir geholfen! In welches Krankenhaus bringt ihr die beiden?“, frage ich mit einem Nicken auf die Krankenwagen. „In die Uniklinik nach bunte Kuh.“, antwortet er mir. Mit einer hochgezogenen Augenbraue schaue ich ihn an. „Das Dorf gibt’s wirklich!“, grinst er. „Sind die Kollegen von der Polizei und die Abschlepper auch schon unterwegs?“, frage ich wieder. Er gibt die Frage durch die Funke an die Leitstelle und diese meint die sind alle auf dem Weg, durch die andere Route als vorher geplant. Innerhalb der nächsten zwei Stunden waren die Füllstoffe gebunden und auch die Fahrzeuge alle abgeschleppt. Die Polizei gab langsam einen Abschnitt nach dem anderen wieder frei und wir fuhren unsere Tour zu Ende. „Aufregender Tag heute was?“, fragt mich Paula und legt sich neben mich auf ihre Matratze in der neuen Wohnung. Ich nicke und bin mit den Gedanken immer noch bei dem jungen Motorradfahrer. Warum hat er mein Foto als Sperrbildschirm, so dass alle es sehen können. Selbst als Hintergrundbild wäre das schon echt komisch denke ich und bin erst wieder im Hier und Jetzt, als mich Paula anstupst und sagt: „Du hast mir gar nicht zugehört oder?“ Ich drehe mich zu ihr um. „Leider nein, was hast du gesagt?“ – „Ich sagte jetzt wird alles anders. Neue Wohnung, neue Stadt, neues Umfeld, vielleicht sogar eine neue große Liebe.“, schwärmt sie. „Haha, ja klar, deine großen Lieben kenne ich!“, lache ich zurück und bekomme als Antwort ein Kissen ins Gesicht gepfeffert. Ich schlafe diese Nacht bei ihr in der neuen Wohnung. Allerdings kann ich das nicht schlafen nennen. Als Paula eingeschlafen ist, schleiche ich mich zur Garderobe wo das Handy des Fahrers immer noch in meiner Jackentasche liegt. Ich schaue eine ganze Ewigkeit auf den Sperrbildschirm. Da kommt mir eine mir nicht allzu unbekannte Idee. Ich schließe das Handy an meinen Laptop an, ich überwinde den PIN und sehe mehr Fotos von mir als dieses eine. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen woher ich ihn oder er mich kennen könnte. Ich schredder die Fotos von seinem Handy und packe es danach wieder in meine Jackentasche. Am nächsten Morgen bekomme ich einen Anruf von meinem Ausbilder: „Der Motorradfahrer ist im Krankenhaus wieder zu sich gekommen und hat nach dir gefragt.“ – „In Ordnung ich halte bei ihm an, wenn ich wieder auf dem Rückweg bin.“, antworte ich. Ich helfe Paula noch beim dekorieren und auspacken der Kisten, bevor ich mich dann am Nachmittag auf den Weg zurück mache. Mit dem großen LKW parke ich irgendwo vor dem Krankenhaus. Ich gehe hinein, zeige meinen Sanitäter Ausweis und frage wo der Motorradfahrer liegt, der gestern eingeliefert wurde. Ich gehe auf die Station, die mir der Pförtner genannt hatte. Auf dem Weg dahin spielt mein Kopf komplett verrückt. Vorher kennst du den? Was könnte er von dir wollen? Hattest du ihn vielleicht in deiner Klasse? Hast du ihm mal einen Korb gegeben? Mit hochrotem Kopf klopfe ich leise und nach der Bestätigung betrete ich das Zimmer. „Hallo“, sage ich leise. „Hallo!“, antwortet der Mann. Nach einer wirklich sehr unangenehmen schweigsamen Zeit sagt er: „Vielen Dank, dass du mir das Leben gerettet hast!“ Ein klitzekleiner Stein fällt mir da vom Herzen, doch irgendwie habe ich immer noch so ein komisches Gefühl in meiner Magengegend. „Das ist mein Job, auch wenn ich gerade nicht im Dienst war. Aber ich will dein Danke nicht verachten, deshalb gerne.“, stottere ich. „Ich bin Max!“, stellt er sich vor. „Ich bin Sam!“, antworte ich. Ich bin nicht sonderlich gut im Smalltalk. „Darf ich dich als Danke auf einen Kaffee einladen, wenn ich hier raus bin?“, lädt er mich ein. Ich zögere nicht lange und stimme dem Treffen zu. Er schnappt sich einen Zettel und Stift von dem Nachtschrank und schreibt seinen Namen und seine Nummer auf den Zettel. Er faltet ihn zusammen und gibt ihn mir. Unsere Fingerspitzen berühren sich ganz kurz und ich fühle eine angenehme Gänsehaut. Als ich mich neben sein Bett stelle um den Zettel entgegen zu nehmen, packe ich das Handy unauffällig in das untere Regal seines Schrankes. Wir schreiben den ganzen Abend und auch am nächsten Morgen steht das Handy nicht still. Nach meinem Urlaub gehe ich wieder normal zu meiner Arbeit. Ich besuche ihn jeden Abend. Nachdem er wieder zu Hause ist verabreden wir uns gleich am nächsten Tag für einen Kaffee. Ich steige in die Bahn und fahre zehn Minuten bis zu dem Café. Er verspätet sich um eine halbe Stunde, ich hatte mir ein kleines Getränk bestellt und innerhalb der halben Stunde getrunken. Wir umarmten uns zur Begrüßung und begannen uns direkt über Gott und die Welt zu unterhalten. Es stellte sich heraus das wir sehr viele Gemeinsamkeiten haben und viele Interessen teilen. Nach dem Kaffee bezahlte er obwohl ich mein Geld bereits in der Hand hatte. Wir schlenderten durch den angrenzenden Park. Vor einem Springbrunnen setzten wir uns auf eine Bank. Ganz in jugendlicher Manier gähnte er und legte seinen Arm um meine Schulter. Immer wenn er mich berührt explodieren die Schmetterlinge in meinem Bauch. Nach einer ganzen Weile wo wir nur auf dieser Bank saßen hielt ich es nicht mehr aus und schaute ihm in die Augen. Seine Augen funkelten in der Sonne. Vorsichtig beugte ich mich weiter vor, unsere Nasen berührten sich und bevor unsere Lippen sanft aufeinander trafen, schloss ich meine Augen. Er erwiderte den Kuss, wir lösten uns voneinander und schauten uns lange einfach nur in die Augen. Er nahm mich in den Arm und flüsterte in mein Ohr: „Ich denke jetzt können wir unseren Beziehungsstatus auf allen Social Media Plattformen ändern. Lachend stimmte ich zu und legte mich in seine starken Arme. Als frisch gebackenes Paar laufen wir weiter durch den Park. Da ich nicht alleine wohnte ging ich kurz entschlossen mit zu ihm. Im Treppenhaus küsste er mich und wurde leidenschaftlicher. Ich nahm ihm den Schlüssel ab und schloss die Tür auf. Er schloss sie hinter sich und drückte mich sanft an die Wand. Ich schlinge meine Beine um seine Hüften, er trägt mich in sein Schlafzimmer und legt mich sanft auf seinem Bett ab. Die Kleidung liegt wie eine Spur auf dem Weg vom Flur hierher. Schweißgebadet und schnaufend liegen wir danach nebeneinander. „Ich habe mich in dich und deinen Körper verliebt!“, säuselt er und schläft dann ein. Eng umschlungen wache ich am nächsten Morgen auf und lasse die letzte Nacht Revue passieren. Wenn ich so darüber nachdenke ist das schon echt verrückt, dass der Notfallsanitäter, der Lebensretter, mit dem Patienten eine Beziehung eingeht. Ich drehe mich um und sehe ihn schlafen. Er ist noch viel süßer, wenn er schläft, denke ich und zeichne sein Kinn mit meinem Zeigefinger nach. „Beobachtest du mich gerade beim Schlafen?“, brummt er und grinst mich verschlafen an. „Bei so einem Traummann kann man nicht anders!“, antworte ich und küsse ihn auf die Nasenspitze. Am liebsten würde ich das gesamte Wochenende mit ihm im Bett verbringen, doch ich hatte mich heute mit Paula verabredet. „Ich bin kurz unter der Dusche, treffe mich nachher noch mit Paula.“, flüstere ich ihm ins Ohr und stehe kurz darauf unter der Dusche. Das warme Wasser fühlt sich gut an auf der Haut. „Ist da noch Platz?“, fragt er und steht auf einmal in der Tür. „Für Typen wie dich immer!“, lache ich und wir geben nochmal richtig Gas. Tiefenentspannt fahre ich zu dem Treffpunkt mit Paula. Das Grinsen wich mir an diesem Tage nicht aus dem Gesicht. Ich erzähle ihr alles bis ins kleinste Detail. Klar sie ist meine beste Freundin, warum sollte ich es nicht mit ihr teilen? Sie freute sich für mich und erzählte mir auch was bei ihr gerade so los ist. Am Abend werde ich von Max abgeholt und wir fahren wieder zu ihm. Ein bisschen angeheitert marschiere ich direkt durch in sein Bett und lasse mich totmüde reinfallen. Mein Wecker klingelt am nächsten Morgen um 6.00 mit einem dezent geräderten Kopf drücke ich auf Snooze und drehe mich mit einem Brummen nochmal um. „Ich glaub das war deiner!“, bemerkte Max und küsste mich wach. „Ja, aber nicht jetzt!“, grummelte und schmiss ihm ein Kissen ins Gesicht. „Na warte, das gibt Rache!“, kicherte er und kitzelte mich ab. Völlig außer Atem ergab ich mich irgendwann und machte mich fertig. Währenddessen hatte Max in der Küche ein wirklich köstliches Frühstück gezaubert. Ich verabschiedete mich von ihm und fuhr los zur Dienststelle. Der Tag ging ohne weitere schwerwiegende Ereignisse vorüber. Auf dem Weg nach Hause gab es ein paar kleine Idioten mehr auf der Autobahn, aber auch daran hatte ich mich langsam gewöhnt. Max war noch auf Arbeit weshalb ich erst einmal nach Hause fuhr und mir ein paar Sachen aus meinem Zimmer holte. Meinen Eltern gab ich noch einen Abschiedskuss auf die Wange und düste irgendwann später wieder. Bei ihm angekommen setzten wir uns auf die Couch und lümmelten uns in die große Decke. Seine Flimmerkiste zeigte ein paar Disneyfilme. Ich nutzte seinen Oberkörper als Kissen und in einem Film fielen mir irgendwann die Augen zu. Er musste mich wieder in sein Schlafzimmer gebracht haben, denn am nächsten Morgen spürte ich unter mir die weiche Matratze. Ich kuschelte mich näher an ihn heran. „Guten Morgen!“, murmelt er und küsst mich auf die Stirn. „mmmh“, murmle ich nur und mühe mich aus dem Bett. Diese Filmabende haben wir oft, wir genießen die Zeit miteinander und wenn wir uns mal nicht sehen telefonieren wir ganz oft und ganz lange oder wir schreiben. Er hat eine Beförderung bekommen und wir ziehen in unsere erste gemeinsame Wohnung. Heute sind wir auf den Tag genau ein Jahr zusammen und ich liebe ihn noch immer wie an Tag eins. Er hatte mich von der Arbeit abgeholt und wir gingen in unseren Lieblingsitaliener. Doch damit nicht genug, am nächsten Morgen standen wir ganz früh auf und fuhren zu seiner Überraschung, die er für mich geplant hatte. Er verband mir die Augen und führte mich zu einem sehr lauten Platz, ich höre schon von weitem das Kinderlachen und rieche den Geruch von Frittenfett. Obwohl dies ein Platz ist den viele mit Spaß und Action verbinde, dreht sich mir der Magen um, als er mir die Augenbinde abnimmt. Wir stehen vor einem riesigen Freizeitpark mit Achterbahn, Autoscooter und anderen Fahrgeschäften. Mir wich die Farbe aus dem Gesicht und Max fragte ob alles in Ordnung sei. Ich bekam einen Flashback aus meiner Kindheit wo ich mit meiner Familie in einem Freizeitpark war und ich am Ende des Tages bei einem wildfremden Mann in der Wohnung lag, der mich vom Freizeitpark mitgenommen hatte. Dieses Trauma wurde mir wieder  ins Bewusstsein gedrückt obwohl ich es mithilfe von Hypnose geschafft habe es zu vergessen. Ich war siebzehn Tage bei dem Mann, ehe ich mich befreit hatte. Doch ich wollte Max und dem Freizeitpark eine Chance geben, also kauften wir die Eintrittskarten und ich schluckte meine Gedanken hinunter. Wir fuhren mit jedem Fahrgeschäft was es hier gab und es machte wirklich endlos viel Spaß mit ihm. Wir versackten in einem Saloon in dem Western Teil des Parks und tranken einige Shots mit den Cowboys vor Ort. Ich war vollkommen am Ende. Max schaffte es irgendwie uns von da weg zu bringen. Als ich am nächsten Morgen aufwachte lag ich weder in meinem noch in Max seinem Bett. Stattdessen saß ich auf dem nackten Betonboden in einem dunklen Zimmer, ich kann nichts erkennen. Mich überkam eine Wut über mich selber, weil ich schon wieder so naiv war in einen Freizeitpark zu gehen und wo war eigentlich Max? Ich riss die Augen auf und suchte im Zimmer nach einem Indiz. Allzu weit von meinem Platz konnte ich mich nicht bewegen, denn mich zog eine Kette am Bein zurück. In der einen Ecke hörte ich es stöhnen. „Max? Max? Bist du das? Geht’s dir gut?“, rufe ich panisch in die Richtung in der ich das Stöhnen vermute. „Sam? Wo sind wir?“, krächzt er. „Ich weiß es nicht. Ist alles gut bei dir?“, frage ich wieder. „Jaja, alles gut. Was ist passiert?“, fragt er verwirrt zurück. „Wir waren doch gestern noch in dem Saloon und ab dann weiß ich nichts mehr.“, gestand ich. Eine Lampe ging an und richtete sich direkt auf Max. Er war an ein Regal gefesselt, zumindest sah es so aus, denn er bewegte sich so als seien ihm seine Hände an das Regal gebunden worden. Er wand sich hin und her. Bis er auf einmal in seiner Bewegung erstarrte und mich langsam mit einem richtigen Psychoblick angrinste. Er stand auf, ließ die Lampe brennen und kam langsam auf mich zu. Diesen Mann, der da vor mir stand war nicht der den ich kennengelernt hatte. Ich versuchte nach hinten zu robben, doch irgendwann spannte sich die Kette. Seine schwarzen Augen durchbohrten mich fast, seine blonden Haare waren verwuschelt. Er legte seine Finger unter mein Kinn und zog meinen Kopf hoch, sodass ich ihm in die Augen schauen musste. „Sechszehn Jahre habe ich gebraucht um dich zu finden, dabei warst du immer in der Nähe.“, schmunzelte er. „Sechzehn Jahre habe ich deine blauen Augen und deinen süßen Duft nie vergessen. Und auch der Sex mit dir war wieder allgegenwärtig. Dass ich es dieses Mal auf die Art geschafft habe dich bei mir zu behalten finde ich echt schmeichelhaft von dir!“, säuselt er und mir laufen die Tränen übers Gesicht. „Was willst du von mir?“, schluchze ich. „Du hast mir meinen Vater genommen und meine Familie zerstört. Das bedeutet du gehörst jetzt mir, als Gegenleistung für das was du mir und meiner Familie angetan hast, indem du weg gelaufen bist.“ Meinte er das gerade wirklich ernst? Er ist der Sohn von meinem Kidnapper aus der Kindheit? Erschrocken reiße ich die Augen auf, als ich es realisiere. Er lachte als er die Angst in meinen Augen sah. „Keine Sorge, süße. Ich passe besser auf dich auf, als mein Vater!“, raunt er, lässt mich los und geht aus dem Raum. Alleine mit meinen Gedanken sitze ich also in diesem Raum und denke darüber nach was ich machen kann um hier heraus zu kommen, ich habe es schon einmal geschafft. Jetzt macht das alles aber auch erst Sinn, meine Bilder auf seinem Handy, sein Unfall in meinem Urlaub. Das war alles von langer Hand geplant. Gott war ich naiv gewesen, das nicht gesehen zu haben. Ich habe hier in diesem Raum keine Orientierung und keine Ahnung wie Spät oder was für einen Wochentag wir hatten. Ich untersuchte den Raum, doch es war vergebens, es befand sich nicht ein Möbelstück außer dieser dämlichen unerreichbaren Lampe und der Stange, die als Regal getarnt war. Ich kauerte mich in die Ecke und weinte mich in den Schlaf. Ich höre irgendwann wie die Tür aufgeht und er wieder vor mir steht. „Hey Puppe, aufstehen! Es gibt Arbeit für dich!“, sagte er und ließ ein Bündel Kleidung vor mir auf den Boden fallen. Als ich mich nicht rührte drehte er sich um und sagte beim aus der Tür gehen: „Du hast fünf Minuten und tue nicht so, als hättest du dich noch nie vor mir umgezogen.“ Ich bewegte mich keinen Millimeter, starrte nur leer auf dieses Bündel. Ich wollte es anziehen, da ging die Tür schon wieder auf und er griente mich von da oben an. „Okay wie du willst, dann eben so. Aber beschwer dich nicht, wenn du kalt wirst!“, drohte er mir, packte mich am Oberarm, schloss mit der anderen die Fessel auf und zerrte mich in einen anderen, viel größeren Raum. „Bedient euch!“, lachte er und sperrte die Tür hinter sich ab. Auf einmal kamen aus allen Ecken und Enden Menschen hervor. Als alles zu Ende ist wirft er mich wieder in den kleinen Raum mit den Betonboden, legt mir die Fessel wieder an und geht wieder. Mein Körper schmerzt, von innen und außen. Ich schmecke das Blut in meinem Mund. Als die Tür das nächste Mal geöffnet wird stellt er ein Tablett mit Essen und Trinken vor mich. „Du sollst mir hier unten ja nicht vom Fleisch fallen!“, grinst er und verschwindet wieder. Der Geruch von frisch dampfenden Essen lässt meinen Magen rebellieren. Geschlagen falle ich über das Essen her und es ist wirklich echt lecker. Mal hat er seinen Spaß mit mir, mal haben die anderen den Freifahrtsschein. Dieses Doppelleben muss so hart an ihm genagt haben, dass er das so locker runtergespielt hat war echt krass, aber irgendwann konnte er dann nicht mehr und da kam ihm die Westernstadt im Freizeitpark, wo sein Vater mich mitgenommen hatte gerade recht. Er führte wahrscheinlich eine Art Bucket List fürs vögeln, denn er kam immer wieder mit anderen neuen Dingen um die Ecke. Drogen, Fahrstuhl, draußen, es war wirklich alles dabei. „Darf ich mir eine Pizza bestellen?“, frage ich ihn mit meiner geschwollenen Lippe und nach einer Weile stimmt er mir zu. Er bleibt dabei als ich die Nummer eingebe und sich am anderen Ende die Polizei meldete, das bekam er allerdings nicht mit. Ich bestellte unsere Pizzen und der Polizist auf der anderen Leitung schnallte es sofort. Zufrieden nahm Max nach dem Gespräch das Handy wieder in Empfang und ging aus dem Raum. Keine paar Sekunden nachdem er die Tür geschlossen hatte, riss er sie wieder auf und scheuerte mir so eine, dass ich dachte ich verliere das Bewusstsein. „Oh nein, Fräulein. Schön wach geblieben!“, schrie er mich an und zog an meinen Haaren. „Schön die Bullen rufen und `ne Pizza bestellen, glaubst du ich bin blöde? Du kommst jetzt mal schön mit!“, schrie er, machte die Fessel wieder los und zerrte mich in einen Transporter. Wir fuhren ganz schön lange bevor wir ankamen und ich wieder in einen dunklen Raum gesperrt wurde. Dieser war noch kleiner, noch stickiger und vor allem noch modriger als der von vorhin. Bevor ich hier allerdings gelangweilt alle Menschen vor meiner Story verliere, springe ich auf den Punkt der mir persönlich am besten gelegen kam. Er vertraute mir mehr und ließ mein Essen irgendwann mit Besteck kommen. Ein großer Fehler muss ich gestehen. Die ersten paar Male legte ich das Besteck brav wieder zurück auf den Teller. Doch an diesem einen Tag behielt ich die Gabel zurück. Als er kam und den Teller aufnahm stach ich zu. Mehrfach um meinem Ärger Luft zu machen. Ich nahm ihm die Schlüssel ab, befreite mich von der Fessel und rannte in den Flur. Jede Tür, die sich in diesem Flur befand, war verschlossen. Max hat wohl geahnt dass er nicht Fehlerfrei ist. Denn irgendwann höre ich ein Klacken. Dann bekomme ich Kopfschmerzen, sinke auf den Boden und es wird schwarz und kalt. Er hatte wirklich an alles gedacht, wenn er mich nicht bekommt, bekommt mich niemand.

One thought on “kaputt

Schreibe einen Kommentar