Lutz ThormannMaske19

Eigentlich war es ein schöner Tag, nichts sollte schief gehen, aber schon zum Mittag bemerkte er, dass es mal wieder so ein richtiger typischer Montag ist. Die Kollegen waren mürrisch, der Chef übel gelaunt und bei den Kunden kam er heute auch nicht so gut an. Damit der Tag auch richtig versaut war, musste es jetzt auch noch ein Gewitter mit allen was dazugehört geben. Sogar Hagelkörner trafen ihn und schmerzten im Gesicht. Den Schirm hatte er im Auto liegen gelassen, denn eigentlich gab es keinen Grund den mitzunehmen, eigentlich. Die Jacke über seinen Kopf gezogen rannte er zum Auto. Auf dem Weg dahin rutschte er an einer glitschigen Stelle aus, verlor das Gleichgewicht und fiel hin. Während er sich ungeschickt aufrappelte sah er an der Hecke, wo das ablaufende Regenwasser bereits einen kleinen Graben ausgespült hatte, etwas glitzern. Trotz des Regens und des Hagels überwog die Neugierde und er näherte sich vorsichtig dem Gegenstand. Es war ein Handy, ein sehr gutes teures Handy wie er feststellte. Er nahm es an sich und rappelte sich weiter auf. Komisch? Die Schmerzen vom Sturz waren wie weggeblasen. „Was so ein unerwarteter Fund alles auslöst.“ dachte er sich und als er stand bemerkte er, zwei Dinge. Erstens das Gewitter hat nachgelassen und damit auch der heftige Regen und zweitens er stand fast direkt neben seinem Auto. Durch einen Druck auf den Schlüssel öffnete er die Autotür, was mit einen blinken der Blinker und einem kurzen quietschen der Hupe quittiert wurde. Er ließ sich auf den Fahrersitz fallen und warf seine Tasche und das gefundene Handy auf den Beifahrersitz. Auf den Weg nach Hause blickte er immer wieder zu dem Handy herüber, konnte sich überhaupt nicht auf die Fahrt konzentrieren. „Wer verliert denn so ein Handy?“ dachte er sich, wobei diese Frage im selben Moment als er sie gedacht hatte irgendwie blöd erschien. Natürlich verliert man ein Handy ja nicht absichtlich und nur weil es ein sehr wertvolles Handy ist, war nicht automatisch der Verlust ausgeschlossen. Wie er nach Hause gekommen ist konnte er im nach hinein nicht beschreiben, zu abgelenkt war er durch den Fund. “Warum eigentlich?“ fragte er sich innerlich als er die Haustür aufschloss. „Was zieht mich so zu diesem Gerät?“ Er hängte sein Jackett auf den Bügel und ging ins Esszimmer, in dem es schon nach chinesischen Essen roch. Seine Frau begrüßte ihn mit einem Kuss und reichte ihn mit sanften Worten: „Schön das du da bist, setzt dich, das Essen ist fertig!“ den Teller. Er schenkte sich beiden ein Glas Rotwein ein und nachdem sie sich gesetzt hatte, stießen sie auf einen gemütlichen Abend an. Während des Essens, verlor er kein Wort über das Handy, kein Gedanke, erst nachdem alles aufgegessen und der letzte Schluck Wein getrunken war, erinnerte er sich wieder an das Fundstück. Während seine Frau sich fürs schlafen gehen fertig machte, holte er das Gerät hervor und betrachtete es genauer. Mit den Worten: „Ich mache noch etwas am Computer, schlaf gut!“ und einen Kuss zog er sich in das Arbeitszimmer zurück. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, auf dem noch sein Projekt Fernsteuerfeuerlöschboot verteilt lag. Er verschaffte sich etwas Platz und legte das Handy vor sich hin. Ziemlich viel Feuchtigkeit hat es abbekommen stellte er traurig fest. Das wird es dann wohl gewesen für das Gerät, Feuchtigkeit und Elektronik, diese Erfahrung hat er bei seinen Bastelleien mit dem Fernsteuermodell gemacht, vertragen sich nicht so gut. Er nahm ein paar Blatt von der Haushaltsrolle und wickelte es um das Gerät. Ein wenig geschüttelt, ein wenig gerieben und gespannt drückte er auf den Ein-Knopf und wartete was passiert. Im ersten Moment geschah nichts, dann blitzte das Display kurz auf und dann erschien das Firmenlogo. „WOW geht doch!“; dachte er sich. „Hoffen wir mal, dass keine Sperre gesetzt ist.“; ging es ihm durch den Kopf. Alles startete ohne eine Pin-Abfrage und nach ein paar Minuten war das Display voll mit den installierten Apps. „Bingo!“ entfuhr es ihm. Sein erster Blick ging in die Kontakte, vielleicht konnte man erkennen, wem das Handy gehört. Die Namen, die er zu sehen bekam sagten ihm im ersten Moment nichts. „Na gut, dann schauen wir doch mal bei den Fotos, ob da was zu finden ist.“; mit diesen Gedanken öffnete er die Foto-App. Alles war fein sortiert, nach Highlights, wie mache Hersteller solcher Apps es anbieten. Sommer 2019 – Winter 2019 – Silvester 2020 – Urlaubsbilder 2018 etc. – nichts Spektakuläres, viele Landschaftsbilder, Sonnenauf- und -untergänge, ab und zu ein paar Menschen. Er scrollte die Fotos weiter und beim Überfliegen viel ihm ein Foto auf. Er tippte das Bild an, es vergrößerte sich und was er da sah, ließ ihn zusammenfahren. „Kann das möglich sein?“ fragte er sich. „Das bin nicht ich, der sieht mir nur sehr ähnlich!“ Er vergrößerte das Bild und konnte es kaum glauben, der Mann, der dort auf dem Bild zu sehen ist, ist er. Verwirrt und ratlos ließ er sich in seinen Ledersessel sinken und drehte sich dabei ein paarmal um die eigene Achse. Nach dieser Pause betrachtet er das Bild erneut und diesmal gab es keine Zweifel. „Das bin ich auf dem Bild!“ sagte er zu sich. Jetzt fiel ihm sogar das Datum wieder ein, als er sich in der abgelichteten Situation befand. Nun wollte er es genau wissen und suchte in den Bilddaten wann das Bild aufgenommen war. „Verdammt!“ das Datum entsprach genau dem Tag aus seiner Erinnerung. „Wie kann das sein? Wie ist das Bild auf das Handygekommen? Wem verdammt gehört dieses Gerät?“ Fragen über Fragen gingen ihm durch den Kopf. Nachdem er sich ein wenig gefasst hatte, schaute er auf die Uhr. Es war kurz vor 1 Uhr nachts. “Vielleicht sollte ich erst einmal eine Nacht darüber schlafen und morgen klärt sich dann alles auf.“: dachte er, streckte sich, stand auf und ging die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Seine Frau schlief bereits tief und entspannt. Er legte sich zu ihr ins Bett und versuchte einzuschlafen. Nachdem er sich quälend einige Zeit hin und her gedreht hatte, schlief er dann doch erschöpft in einen traumlosen Schlaf.
Am nächsten Morgen wurde er durch das leichte rütteln durch seine Frau geweckt. Er schreckte hoch, sah sich verwundert um und begriff, dass er in seinem Schlafzimmer war, zusammen mit seiner Frau. „Alles okay mit Dir?“; fragte sie ihm. „Ja, ähmm ja, alles in Ordnung.“; stammelte er und rieb sich die Augen. „Du warst die Nacht ziemlich unruhig, machst du dir wegen irgendetwas Sorgen?“; fragte sie ihn. „Nein, es ist nichts, es war gestern nur ein beschissener Tag, auf Arbeit lief es unrund und dann noch das heftige Gewitter, dass gefühlt am heftigsten war, als ich auf dem Weg zum Wagen war. Die Hälfte des Weges war zurückgelegt und so war es also egal ist ob ich zurück gehe ins Büro oder zum Auto. Klitschnass!“ Das mit dem Handy verschwieg er, vorerst. Nach einem kurzen Frühstück verabschiedeten sich beide mit eine zärtlichen Kuss voneinander, ging zum Auto und fuhr ins Büro. Erschreckt prüfte er seine Aktentasche ob er das Handy eingesteckt hatte. Erfreut, aber dennoch etwas verunsichert stellte er fest, dass es da war. Auf dem Weg ins Büro überlegte er was genau damals passiert war. Versuchte sich die Szene in Gedächtnis zu rufen. Im Büro angekommen, stellte er seine Tasche ab und ging in die Küche sich einen Kaffee holen. An der Kaffeemaschine standen seine Kollegen und unterhielten sich. „Gut, dass Du kommst!“; sagte einer der Kollegen zu ihm. „Ich habe heute um 10 Uhr den Abschluss eines großen Projektes, bei mir nur Frank helfen kann. Frank ist aber heute eingeteilt fürs Telefon. Könntest du die Telefonbereitschaft für ihn übernehmen?“ fragte er ihn. „Natürlich geht die nächste Runde auf mich!“; versuchte er ihn zu überzeugen. Das brauchte er aber nicht ihm war es ganz recht, heute im Büro zu bleiben, so konnte er in Ruhe sich um das Handy kümmern. „Okay, mache ich, aber dafür bringt ihr mir eine große Gyros-Platte mit, abgemacht!?“ „Abgemacht und danke!“ verabschiedeten sich alle von ihm und eilten aus dem Büro. Nachdem alle aus dem Büro waren bereitete er sein Werkzeug, ein paar Kabel und das Handy auf seinem Schreibtisch aus. „Mal sehen, was man so alles am Tage zu sehen bekommt.“; dachte er schmunzelnd. Als ob die Tageszeit was mit dem Inhalt der Fotos zu tun haben könnte. Wie man sich irren kann…
Also durchsuchte er die ganzen Apps, dabei viel ihm auf, dass es so viele gar nicht waren. Eigentlich nur die Standard-Apps, die der Hersteller vorinstalliert hatte. Er schaute sich die Kontakte in Ruhe an und stellte fest, dass es gar nicht so viele waren, dennoch stutzte er bei einen. Der Name, den er da lass sagte ihm nichts, aber die Nummer, die kannte er – das war seine! Rasch verglich er sicherheitshalber die Nummer, mit der aus seinem Handy und sie stimmte überein. Irritiert und mit steigender Verunsicherung, schaute er sofort in der Foto-App und fand dieses Mal schnell das eine Foto. Nun ging er die Fotos langsam Bild für Bild durch und schaute sich dabei jedes genau an. Dann entdeckte er einen Ordner, auf dem stand „Sparkassenwitz“. Er öffnete diesen Ordner und fand Fotos von sich vor und alle beschriftet mit „seine Frau“, „sein Haus“, „sein Auto“ und „sein Hobby“. Er schaute auf die Bilder und tatsächlich, alles was er sah, war von ihm. „Was soll das denn!? Ist da jemand neidisch auf mich?“; fragte er sich entsetzt. „oder will sich da einer einen blöden Scherz mit mir erlauben?“ Den Rest an Bildern und Telefonnummern erkannte er nicht. Das was er gesehen hat reichte ihm auch um völlig verwirrt und verunsichert. Er nahm einen großen Schluck Kaffee aus seiner Tasse und ließ sich nach hinten fallen, als das Telefon neben ihm klingelte. Vor Schreck verschüttete er fast den restlichen Kaffee. Den Telefonhörer dicht an Ohr gepresst und mit leiser Stimme meldete er sich „Ja?“. Nicht wie es sonst üblich war mit den Firmennamen und wie kann ich Ihnen helfen? Nein jetzt kam nur ein „JA!?“ über seine Lippen.
„Na? Erkennst du das alles?“ fragte ihn eine unbekannte Stimme. „Wer sind sie? Was wollen sie von mir?“; fragte er vorsichtig. „Wer ich bin? Du kennst mich, du kennst mich sehr gut sogar!“ klang es aus dem Hörer. Sein Gehirn arbeitet jetzt fieberhaft, „Wer ist das?“ ging es ihm durch den Kopf. „Ich kenne sie? … woher?“ „Na denk mal ganz scharf nach, schau dir die Fotos an, vielleicht kommst du darauf.“ „Die Fotos bis auf das eine sagen mir nichts. Geben sie mir noch einen Hinweis, in welche Richtung ich nachdenken soll.“; forderte er den unbekannten Anrufer auf. „… und überhaupt, woher haben sie diese Telefonnummer?“ langsam löst Wut seine Verunsicherung ab. Für solche Spiele war er jetzt nicht in der Stimmung. „Deine Telefonnummer? Woher ich die habe? Wer suche der Finde und ich habe eine Menge über dich gefunden!“ Klick! Klang es aus dem Hörer – aufgelegt. „Aufgelegt!?!?“ entfuhr es ihm und legte nachdenklich den Hörer auf den Apparat. Er schaute sich verunsichert um, aber weit und breit war keiner im Büro zu sehen. Alle unterwegs. „Alle unterwegs!?“ fragte er sich. Schaute sich noch einmal verunsichert um drückte zögernd die Taste „Telefonanrufe“ um sich die Telefonnummer des letzten Anrufers anzeigen zu lassen. „Nummer unterdrückt“ stand im Display. Er sah lediglich die Uhrzeit, nur die interessierte ihm nicht. „Wollen mich meine Kollegen auf den Arm nehmen?“; stellte er sich die Frage: „…und wenn ja, warum? Wieso in dieser Art und Weise?“ Gegen Mittag und er wollte gerade sich einen neuen Kaffee holen und die Mittagspause beginnen, klingelte wieder das Telefon. „Name unterdrückt“ stand im Display und dieses Mal nahm er den Hörer entschlossen ab und ohne auf eine Reaktion abzuwarten rief er ins Telefon: „Was wollen sie von mir? Was habe ich getan oder was habe ich nicht getan? Wer sind sie?“ schnauzte er. „Was ist denn mit dir los? Wir wollten nur fragen, ob du Pommes oder Reis für deine Gyrosplatte haben möchtest?“ „Ja ähm, warum ist deine Nummer unterdrückt? … aber ja, mit Pommes bitte, danke“ „Na dann mach mal weiter, ich weiß zwar nicht was bei dir los war, aber wir kommen zum Feierabend erst rein und bringen dann auch das Essen mit. Vielleicht bist du bis dahin wieder runtergekommen.“ „Entschuldigung! War nicht so gemeint, mich hat da nur ein Vorgang etwas aufgebracht. Sorry, bis später und danke noch einmal.“ „Mach´s gut bis später.“
Erschrocken über seine Reaktion legte er den Hörer wieder auf und setzte sich wieder. Dann klingelte erneut das Telefon. Er atmete tief durch, nahm den Hörer in die Hand und meldete sich förmlich wie immer. Das die Nummer wieder unterdrückt war registrierte er nur nebenbei. Dann klang es aus dem Hörer. „Na? … ist es dir eingefallen oder siegt der Hunger?“; fragte die unbekannte Stimme. Sofort war die Wut über das Ganze wieder da. „Sagen sie mir sofort, wer sie sind und was sie wollen!“ „nicht so schnell und nicht so aggressiv mein Lieber. Du hast doch sonst auch alles immer „im Griff“ gehabt, hast bestimmt wo es langgeht, was wir spielen.“ Pause… „… und was wollen sie?“; fragte er vorsichtig. „Was ich will, das werde ich dir sagen, aber noch nicht jetzt, du genieße mal erst deine Gyrosplatte und dann sehen wir weiter. Bis dahin kannst du mal ganz scharf überlegen, was in deiner Vergangenheit schief gelaufen ist…“ „aber!“ erwiderte er und merkte, dass sein gegenüber aufgelegt hat. „Woher kennt er meine Gewohnheiten, woher weiß er das ich eine Gyrosplatte haben will? Sehr merkwürdig…“ gingen die Gedanken ihm durch den Kopf. An arbeiten war nicht mehr zu denken. Er erwartete ungeduldig den Feierabend und als seine Kollegen mit der Gyrosplatte ins Büro kamen, schlang er alles runter und eilte nach Hause. Das Kopfschütteln und die fragenden Gesichter seiner Kollegen bekam er gar nicht mehr mit.
Zu Hause angekommen prüfte er ob seine Frau schon da ist. „Schatz!“; rief er: „Schaaatz!?“ Keine Antwort. Er stellte seine Tasche ab, nahm das gefundene Handy und ging ins Computerzimmer im ersten Stock, um sich genauer alles anzuschauen. „Ich muss herausfinden was der Punkt in meiner Vergangenheit dem unbekannten Anrufer so von Bedeutung ist. Was ist damals passiert?“; sagte er zu sich selbst. Plötzlich hörte ein klirren, was von unten aus der Richtung des Wohnzimmers kam. Verschreckt ging er langsam nach unten um nachzuschauen was das Klirren verursacht hat. Langsam schritt er die Treppe hinunter und unten angekommen sah er, dass die große Panoramascheibe zur Terrasse kaputt war. Im Wohnzimmer lagen Scherben und als er hochblickte sah er vor sich im Fensterahmen eine Gestalt stehen. Er erstarrte, als dachte erkannt zu haben, wer da vor ihm stand. „Nein, das kann nicht sein, wer ist die Gestalt?“; schoss es ihm durch den Kopf. „Was wollen Sie und was soll das – sind sie verrückt?“, fragte er erstaunlich selbstsicher. Doch am meisten entsetzt war er über das Aussehen dieser Person. „Heute ist Tag der Abrechnung! 25 Jahre ein Jubiläum.“; sagte die Gestalt. „Aber…“ wollte er gerade ansetzen, als er durch einen heftigen Schmerz im linken Bein, zu Boden ging. „Was…?“ setzte er an und wieder durchzog ihm ein heftiger Schmerz, nur dieses Mal auf der rechten Seite. Der Schmerz durchzuckte seinen Körper und er wusste im Moment nicht, welches Knie er zuerst halten sollte. Er lag am Boden und die Gestalt bewegte sich hinkend auf ihm zu. “Was willst DU?“ stammelte er. „Rache!“; entgegnete die Gestalt. „Wa…rum? Was ist pa… pas… passiert? Was …hat dich so zu…gerichtet?“; stotterte er. Er versuchte durch den Schleier der Schmerzen zu erkennen, wer ihn da gerade angriff. „Was mich so zugerichtet hat? Hast du das nicht gespürt?“; fragte der Eindringling laut und verärgert. „So ein Kohlehaken ist schon ein gutes Schlagwerkzeug…“ und nach diesen Worten spürte er den peitschenden Windzug, den das kunstgeschmiedete Werkzeug, vor seinem Gesicht hinterließ. „Schmerzt!? Nicht wahr?“ fragte der Angreifer hämisch lachend und hieb mit der Spitze des Hakens auf seine linke Hand. Um dieser Frage noch mehr Ausdruck zu verleihen schnellte das Stück Eisen auf seine linke Hand. Er nahm wahr, dass die einzelnen Knochen seiner Hand diesen Kräften nicht gewachsen waren, ein scheußliches Geräusch drang an seine Ohren und der entsetzliche Schmerz schoss ihm zum wiederholten Male durch den Körper. „Was…?“ stammelte er. „Wie WAS? Erinnerst du dich etwa nicht mehr? Soll ich deinem Erinnerungsvermögen noch mehr auf die Sprünge helfen?“ Wuuutsch und wieder spürte er den Windzug, den der Haken kurz vor seinem Gesicht hinterließ. „NEIN!“; schrie er „Nein, bitte nicht…“; kam nur noch stöhnend über seine Lippen. „Bingbong -Schabernack! Dein Name ist voll beknackt!“; hörte er: „Na klingelt es bei dir?“ Die Erkenntnis, die ihm überfiel, war mindestens so schmerzhaft wie die Schläge, die er hinnehmen musste. “Na dämmert es langsam? Deinem Gesicht nach erkennst du wohl gerade wer ich bin und, ja, da war doch noch was…“; entgegnete es ihm. „Damit du auch alles richtig verstehst, werde ich Dir die Flausen austreiben…“ und im selben Augenblick traf ihn ein heftiger Schlag am rechten Arm, auf den er sich noch stützte. Beim darauffolgenden Hieb durchbohrte die kunstvolle Spitze seinen Handrücken, die auf der anderen Seite wieder zum Vorschein kam. Mit einem hämischen Lachen wurde seine Hand am Haken nach oben gerissen, begleitet mit der Frage: „Naaaaa kannst du Dich erinnern? Ach nein stimmt, du warst ja schon lange nicht mehr da!“ langsam sank die durchbohrte Hand mit dem Haken zu Boden, wie bei einer Marionette. Der Schmerz jagte in seinen Körper rauf und runter, von links nach rechts und von vorn nach hinten.
Als er sich auf dem Boden, nicht wissend wie er dem Schmerz entkommen kann, hin und her wälzte schlugen die Erinnerungen an Damals wie ein Blitz ein. „Genau!“ begann sein Peiniger; „wir waren Kinder und spielte Bingbong-Schabernack, wir suchten uns die lustigsten, die beknacktesten und hässlichsten Nachnamen aus, die wir in unserer Umgebung finden konnten. Dann losten wir aus, wer die Klingel drückt und den Spruch aufsagt. Dann sind wir lachend weggerannt. Damals hatte ich noch was zu lachen …“ Kurzes Luft holen; „… und dann war dieser sehr ungewöhnliche Nachname.“; stockte die Erzählung, denn die Wucht der Erinnerungen war stärker als die momentane Wut; „du hast das losen gewonnen und ich bin zur Klingel gegangen. „Bingbong – Schabernack! … habe ich wie immer gesagt und wollte mit dem diffamierenden Worten gerade anfangen, während du schon losgerannt bist.“ Tiefes Luftholen: „Genau DU ranntest los und mich hat der alte Grießgram erwischt, der stand nämlich direkt hinter der Tür und ehe ich mich versehen konnte ergriff er mich und zog mich in seine Wohnung.“ Nach einem kurzen Moment des Schweigens: „Seine Frau und seine Tochter saßen mit entsetzten Gesichtern am Küchentisch, als ich in die Küche gestoßen wurde. Ich blickte mich um, erkannte noch das Mädchen aus unserer Nachbarklasse, die die immer mal humpelnd oder mit einer Sonnenbrille, obwohl keine Sonne schien zur Schule kam. Sie kauerte auf dem Stuhl und weinte, das Gesicht konnte ich nicht sehen. Das ihrer Mutter konnte ich aber sehen und sie sah grässlich aus, ein Auge zugeschwollen, eine Augenbraue aufgeplatzt und das Blut lief ihr übers Gesicht; und ehe ich begriff was gerade geschah, schlug der Alte schon auf mich ein. Die ersten Schläge mit seinen Fäusten konnte ich dennoch abwehren. Wild vor Wut über meine Abwehrreaktion nahm er dann den Kohlehaken des Kamins und dem konnte ich nichts entgegensetzen.“ Schniefen, schlucken: „Mutter und Tochter wussten genau, was mir jetzt bevorstand. Die Mutter wollte mich trotz ihrer Verletzungen beschützen. „… dass es sich doch nur um einen dummen Streich handelte!“; flehte sich ihren Mann an. Doch diese Bemerkung machte den Mann nur noch wilder, er schlug wie von Sinnen, auf sie, auf mich und auch auf seine Tochter ein. Es war so grausam, einer solch höllischen Gewalt ausgesetzt zu sein. „Euch treibe ich die Flausen aus!“; schrie der Alte völlig außer sich, während er auf uns einprügelte.“ Ruhe breitete sich im Raum aus, die nur durch schmerzhaftes Stöhnen unterbrochen wurde. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und stammelte unter heftigen Schmerzen; “… ich habe das nicht gewusst. Jetzt erinnere ich mich wieder. Ich habe mich gewundert, dass du nicht mehr aufgetaucht bist und deine Eltern haben sich von meinen Eltern ohne einen Grund zu nennen, abgewandt. Niemand erzählte mir genau was passiert ist. Wohl aus Angst, wohl aus Scham.“ „Mich hat der Alte dann aus dem Haus geworfen, wie ein Stück Dreck. Passanten haben mich dann schluchzend und wimmernd gefunden und mich ins Krankenhaus bringen lassen. Meine Arme waren mehrfach gebrochen, meine beiden Knie zertrümmert. Mein Becken und mein Unterkiefer gebrochen. Von den vielen Platzwunden und Hämatomen mal ganz abgesehen.“ „Es tut mir leid!“ stammelte er; „Es tut mir wahnsinnig leid!“ „Es tut dir leid!? Wo warst du denn? Warum hast du nicht mal nach mir gesucht, wir waren dicke Freunde – Blutsbrüder! Nee weg warst du! Ich konnte sehen, wie ich klarkomme. Als ich dich dann auf der Straße zufällig gesehen und auch sofort erkannt hatte folgte ich dir. Du hast dir ein schönes Leben aufgebaut. Auto, Haus, eine attraktive Frau, einen tollen Job und sogar ein kostspieliges teures Hobby. Alles das ist mir verwehrt geblieben. Ich lief von Behandlung zu Behandlung von Operation zu Operation. Eine Berufsausbildung oder gar ein Studium konnte ich nicht antreten, nachdem ich ein Jahr nach dem Vorfall aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Jeglicher Versuch etwas anzufangen viel dem Schmerzen und den kaputten Knochen zum Opfer.“ Schweigen. „… und von Dir? Weit und breit nichts zu sehen oder zu hören. Ich habe die Suppe ausgelöffelt, die wir mit diesem albernen, blöden und verachtenden Spiel angerichtet haben. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann uns mal einer, dabei erwischt. Der Alte hat das geschafft und seine ganze Wut über unseren blöden Streich an mir und seiner Familie ausgelassen. Wenigstens haben sie den Alten weggesperrt, nachdem seine Frau durch einen weiteren Wutanfall so schwer verletzt wurde, dass sie im Krankenhaus starb. Daraufhin fasste seine Tochter allen Mut und zeigte ihn an. Jetzt sitzt er im Gefängnis wegen „Häuslicher Gewalt mit Todesfolge“.“ „Es tut mir leid!“; stöhnte er, mit der Erkenntnis, dass es sich um seinen besten Freund gehandelt hat, der ihm so zusetzte wurde hm schwarz vor Augen und er sackte völlig in sich zusammen….
Als seine Frau nach Hause kam, entdeckte sie im Wohnzimmer die eingeschlagene Terrassentür, eine Menge Scherben und ein zerstörtes Handy. Blutverschmierte Abdrücke von Schuhen, wobei der eine mehr hinterhergezogen wirkte. Am Ende der Spur sah sie ihren Mann, der blutüberströmt in einer Blutlache und in ungewöhnlicher Körperhaltung vor ihr auf dem Boden lag …

Anmerkung zum Titel, Maske19 ist das verschleierte Einsatzstichwort der Polizei in einigen Teilen Frankreichs für häusliche Gewalt.

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