Alice StockingerMaxi

Mittwoch, 19. Februar 2020

 

Ich blickte mit geröteten Wangen in den Spiegel über dem Waschtisch der Restaurantstoilette während ich mir die Hände wusch. Heute war unser fünftes Date und ich war wild entschlossen den Abend mit großartigem Sex enden zu lassen.

 

Ich hatte schon nach dem dritten Date große Lust dazu gehabt, doch ich wollte es nicht überstürzen und alles richtig machen.

 

Es hatte 45 Jahren gedauert bis mir die große Liebe begegnet war. Schon nach dem zweiten Date war mir klar, das ist der Mensch, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen würde. Die Blicke und zärtlichen Gesten zeigten mir, dass ich mich in keiner Einbahnstraße befand und meine Gefühle auf der ganzen Linie erwidert wurden.

 

Ich richtete den Bund meiner Hose und blickte nochmals prüfend in den Spiegel. Alles war in Ordnung bei mir und so wie es sein sollte. Meine Haare waren brünette und mit einem modischen Kurzhaarschnitt versehen, den ich erst vor einer Woche anlässlich einer Geburtstagsfeier einer Freundin wieder in Form bringen ließ. Ich dachte an die Feier versonnen zurück. Es war unser erster gemeinsamer Auftritt als Paar und spontan entstanden. Die positive Resonanz meiner Freunde zeigte mir allerdings, dass nicht nur ich uns als Traumpaar wahrnahm.

 

Ich griff nach den Papiertüchern in dem Handtuchhalter, um mir die Hände abzutrocknen und hielt inne. Auf dem Papierhand-tuch­­spender lag etwas. Ich betrachtete das Handy in meiner Hand, das ich auf den Waschtisch legte.

 

„Hallo, ist hier jemand.“ Ich schaute mich um aber die drei offenen Toilettentüren zeigten mir nur, das was ich ohnehin wusste, nämlich das ich allein war.

 

Ich strich über das Smartphone, das weder eine Sperre noch eine Codeeingabe erforderte. Wahrscheinlich gehörte es einen anderen Gast. Ich tippte auf die gespeicherten Fotos und scrollte diese entlang. Wenn ich ein Portrait, Gruppenfoto oder Selfi fand, konnte ich es leicht seinem Besitzer zuordnen.

 

Ich fand eine Unmenge von Fotos mit zahlreichen Menschen abgebildet, Fotos von Sehenswürdigkeiten und kleinen Kindern. Es waren einfach zu viele unterschiedliche Menschen abgebildet, um festzustellen wer denn nun der Besitzer sein konnte. Ich scrollte weiter und weiter und stutze. War da nicht ein bekanntes Gesicht? Ich verlangsamte mein Scrollen und schob nun ein Bild nach dem andere langsam weiter. Ein Keuchen entrang sich meiner Kehle, das von weit weg in meinen Ohren erklang. Ich war zu dem Bild zurückgekehrt, das ein Gesicht zeigte, das ich erkannte. Ich blickte fassungslos in meine eigenen Augen. Das Gesicht auf dem Foto gehörte eindeutig mir.

 

 

Juli 1988

 

Endlich Ferien! Maxi knallte seinen Rucksack in die Ecke seines Zimmers und nahm sich fest vor diesen erst wieder im September in die Hand zu nehmen. Maxi ließ sich seufzend auf sein Bett fallen. Es würde genug zu tun sein, denn er wollte sich im Frühjahr für die Aufnahmeprüfung an eine berufsbildende höhere Schule für Mode und Bekleidungstechnik in Wien mit einem angeschlossenen Internat bewerben. Von Neunkirchen beim Schneeberg in Niederösterreich war es zu weit jeden Tag zu pendeln und das Internat wäre ein erster Schritt in die Unabhängigkeit vom behüteten Elternhause.

 

Maxi hatte sich schon immer für Mode interessiert und wollte später Designer werden. Sein Kumpel und bester Freund Emre teilte seine Leidenschaft nur in Bezug auf das Zeichnen.

 

„Mode zu entwerfen, interessiert mich nicht. Menschen zu zeichnen ist spannend. Die Stimmung und den Gesichtsausdruck einzufangen, wenn niemand weiß, dass er gezeichnet wird.“

 

 

Emre hatte eine natürliche Begabung für das räumliche Sehen und coachte Maxi in allem was er verkehrt machte bei Perspektive und Proportionen.

 

„Du nimmst als Maßstab am besten immer deinen Stift. Dann passen auch die Proportionen.“

 

Maxi blickte mit wenig Selbstvertrauen auf seine Zeichnungen und verglich sie mit denen seines besten Freundes.

 

Emre hatte eben ein Portrait von ihm angefertigt. Maxi betrachtete ehrfürchtig das Portrait, das ihm perfekt getroffen hatte. Emre hatte mit Leichtigkeit und zwischendurch immer wieder Bilder von Maxi angefertigt.

 

 

Mittwoch, 19. Februar 2020

 

Ich blinzelte die aufsteigenden Tränen weg. Die Person auf dem Foto war eindeutig ich. Zwar eine jüngere, andere Ausgabe von mir, aber doch gab es keinen Zweifeln. Ich musst raus hier, aus der Toilette und dem Restaurant. Ich bekam keine Luft mehr.  Ich atmete laut durch und ging zurück zu unserem Tisch

 

Erleichtert, dass mein Begleiter meine längere Abwesenheit nicht näher ansprach setzte ich mich.

 

„Es tut mir leid. Aber ich habe anscheinend zu scharf gegessen, was mir nicht im Magen guttut.“

 

Ich hob meine Schultern entschuldigend und hoffte noch immer, dass ich keinen Verdacht erregte. Instinktiv griff ich zu dem Handy, das in meinem Hosensack zu brennen und pulsieren schien.

 

„Möchtest du gehen?“

 

Ich sah die Enttäuschung in seinen Augen als ich nickte.

 

„Ja ich möchte lieber nach Hause. Ich nehme eine Tablette und dann ist auch morgen wieder alles gut.“

 

Ich griff über den Tisch nach der Hand, die ich so gerne diese Nacht auf meinen Körper gespürt hätte, und drückte sie.

 

Ich hatte den Abend kaputt gemacht, aber weder für Sex noch eine umfassende Lebensbeichte war ich heute Abend in Stimmung. Das Bild auf dem Handy offenbarte ein lang gehütetes Geheimnis, das ich unter keinen Umständen preisgeben wollte.

 

 

August 1988

 

„Ich helfe dir beim Zusammenstellen deiner Mappe, sag mir einfach was dir noch fehlt.“ Bot Emre an.

 

Maxi überlegte kurz „Ich brauche ein paar Modelskizzen noch. Das ist das wichtigste. Maxi blätterte gedankenverloren durch seine Mappe. „Leider habe ich keine Schwestern, die mir Model sitzen könnte.“

 

„Das mache ich.“ Bemerkte Emre munter.

 

„Wenn deine Eltern in der Arbeit sind, nehmen wir ein Kleid deiner Mutter und ich stehe dir Modell. Dann kann ich gleich schauen, ob du das mit der Perspektive richtig machst.“

 

Maxi biss sich auf die Lippen „Das ist eine gute Idee, aber meine Mutter darf uns nicht erwischen. Sie bringt mich um, wenn sie merkt, dass wir an ihrem Kleiderschrank waren.“

 

Maxi hatte als Kind öfter Kleider und Schuhe seiner Mutter zum Spielen angezogen. Doch mit den Jahren hatte sie ihm dies verboten und Maxi wollte sich nicht wie ein Kleinkind benehmen. Bald würde er seine eigenen Kleider entwerfen und nähen und war unabhängig von seiner Mutter.

 

Die beiden 13-jährigen Jungen hatten bald vorsichtig den Kleiderschrank von Maxis Mutter durchwühlt. Maxi versuchte sein bestes die Skizzen anzufertigen, scheiterte aber immer wieder an den Proportionen.

 

„Lass mich mal.“ bot Emre an. Mit einigen geschickten Strichen korrigierte er Maxis Zeichnung. Er schlüpfte aus dem Kleid und hielt es Maxi hin „Zieh es mal an und ich zeige dir dann wie du am besten vorgehst.“

 

Maxi zog sich das Kleid über und fühlte erstaunt wie viel angenehmer es sich auf seiner Haut anfühlte als die Shirts und Hosen, die er üblicherweise trug. Der Stoff umspielte leicht und luftig seine Schenkel und lag nicht so eng und fest an.

 

Emre zeichnete und erklärte Maxi jeden Schritt, doch Maxi konnte sich nur schwer konzentrieren. Die Gefühle, die ihm durchfuhren, waren angenehm wie widersprüchlich zugleich.

 

 

Mittwoch, 19. Februar 2020

 

Kaum hatte ich die Eingangstür hinter mir geschlossen und meine Schuhe mir von den Füßen gerissen, öffnete ich meine Hausbar. Ich goss mir ein großes Glas Whiskey ohne Eis oder Wasser ein. Der Alkohol brannte zuerst in meiner Kehle und dann meinem Magen. Als sich ein wohliges Entspannungsgefühl breit machte, griff ich erneut zu dem Handy. Ich ahnte wen dieses Handy gehörte und mir schossen alle möglichen Erinnerungen durch den Kopf. Bilder, an die ich schon ewig nicht mehr gedacht hatte und Gefühle, die ich lieber vergessen wollte.

 

Das Auftauchen meiner Vergangenheit gerade jetzt in dieser Phase meines Lebens war das Letze was ich gebrauchen konnte. Ich wollte mit meiner großen Liebe eine von der Vergangenheit unabhängiges Leben beginnen. Ich ballte die Fäuste. Ich würde mir das nicht kaputt machen lassen.

 

Langsam machte sich Müdigkeit breit als ich das zweite Glas geleert hatte und ich rutschte auf der Coach nach unten und ließ meinen Kopf zurückfallen. Ich schloss meine Augen, riss sie aber sofort wieder auf als ich ein Gesicht vor meinem Inneren auftauchen sah, an das ich schon sehr lange nicht mehr gedacht hatte.

 

 

April 1990

 

Maxi hatte mit Hilfe von Emre die Aufnahmeprüfung geschafft. Im September war er in das Internat gekommen und hatte Emre nur mehr am Wochenende gesehen. Begeistert hatte er ihm von allem erzählt was er lernte.

 

„Wir zeichnen nun auch Akte, also nicht wirklich Nackte, aber Menschen mit wenig Bekleidung, um ein Gefühl für den Körper zu bekommen.“ Maxi seufzte „Aber wie immer habe ich Probleme mit den Proportionen. Die Perspektive ist besser geworden, aber die Proportionen……“

 

Maxi blickte Emre vorsichtig an. „Vielleicht kannst du mir helfen? Ich packe das sonst nicht bis zum Juni. Ich habe noch ein paar Arbeiten abzugeben“

 

Emre lachte nur und puffte den Freund in die Seite „Das bekommen wir sicher hin und ich habe auch schon eine Idee wo wir ungestört üben können.“

 

 

Mit dem Fahrrad fuhren die beiden Jugendlichen von Neunkirchen Richtung Mollram über die Felder und bogen rechter Hand an die Grenze des Föhrenwaldes ein.

 

Maxi hatte seinen Skizzenblock und eine Decke in seinen Rucksack gepackt.

 

„Hier stört uns keiner.“ zeigte Emre um sich. „Der Weg ist eigentlich nicht wirklich vorhanden. Es gibt eine Abkürzung durch den Wald, der zur Festwiese führt, aber da kommt momentan sicher keiner durch.

 

Maxi sah sich um und tatsächlich war so weit das Auge reichte niemand zu sehen.

 

„Mein Bruder hat mir davon erzählt, dass er hier mit einem Mädchen war.“

 

Akin war 3 Jahre älter als Emre und bereits erfahren mit Mädchen.

 

Emre errötete leicht „Du weißt schon, fummeln und so.“

 

Emre zog seine Hose und sein T-Shirt aus und lehnte sich an einen Baum. Nur in Unterhose bekleidet, stand er da und sah in den Himmel während er weiter vor sich hinplapperte.

 

„Akin hat mir erzählt wie das so ist. Also das was man mit Mädchen so macht und wo man sie berührt. Er hat mir alles ganz genau erklärt was ich dann zu tun hätte, damit ich mich blamiere, wenn es so weit ist.“

 

Emre kniff die Augen zusammen, da das Licht heller wurde, und sah nun in die andere Richtung. 

 

„Ich war mit Akin unlängst in der Disco und da gab es ein Mädchen, das mir echt gut gefallen hat. Sie hat helle Haare, nicht blond, aber so brünette wie du. Und ihr Körper ist echt wow.“ Emre pfiff durch die Zähne. „Ich werde versuchen sie das nächste Mal anzusprechen. Ich glaube sie heißt Marina. Das ist doch ein schöner südländischer Name.“ schwärmte Emre weiter.

 

Auch Maxi errötete doch wie er feststellte nicht wegen der Erwähnung von Akins Mädchengeschichten, sondern weil er beim Skizzieren von Emres Körper erkannte wie muskulös und erwachsen dieser geworden war. Maxi kämpfte noch immer mit seiner geringen Körpergröße und einem korpulenten Körper, der in keiner Weise männlich wirkte.

 

Während Maxi in Wien zur Schule ging, hatte Emre in Neunkirchen eine Lehre bei einem Süßwarenhändler im Lager begonnen. Durch die körperliche Arbeit in dem Süßwarenlager hatte er Muskeln an Bauch, Beinen und Brust entwickelt, die Maxi nicht nur erneut in seinen Schatten stellten, sondern auch eigenartige Gefühle weckten. Maxi erstarrte in der Bewegung und umkrampfte seinen Bleistift als er eine Erektion in seiner Hose fühlte.

 

Maxi fühlte wie ihn der Schweiß den Rücken hinunterrann und er schwerer zu atmen begann.

 

„Ich setze mich anders. Die Sonne blendet mich“ Murmelt er vor sich hin und wand seinen Blick von dem noch immer an dem Baum lehnenden Emre ab. Emre hatte von Maxis aufgewühlten Gefühlen nichts bemerkt, sein Blick war in die Ferne gerichtet und er kaute entspannt an einem Grashalm.

 

 

An diesem Abend masturbierte Maxi nicht zum ersten Mal in seinem Leben unter der Dusche, aber er tat es zum ersten Mal indem er dabei an Emre und seinen olivenfarbenen muskulösen Körper dachte.

 

 

Mittwoch, 19. Februar 2020

 

Ich merkte wie mir die Tränen hinunterliefen. Wie hat es nur so weit kommen können? Was hatte ich nur getan? Ich hatte alles kaputt gemacht was mir etwas bedeutet hatte.

 

Ich betrachtete das Bild und damit mich selbst auf dem Handy immer wieder. Ich suchte in dem Gesicht von damals Erklärungen, Rechtfertigungen und Entschuldigungen.

 

Aber in Wirklichkeit suchte ich Vergebung. Doch diese konnte ich mir selbst nicht geben. Und in Wirklichkeit wollte ich auch keine Vergebung, weder von mir noch jemanden anderen.

 

War meine Vergangenheit der Grund warum ich die letzten Jahrzehnte keine Liebe und Beziehung gefunden hatte? Hatte ich mich instinktiv selbst bestraft indem ich immer nur Trauma und Drama erlebt hatte?

 

„Warum gerade jetzt?“ murmelte ich. Warum gerade jetzt, wo mein Liebesleben so eine positive und hoffnungsvolle Zukunft mir zeigte? Die Antwort formte sich langsam in meinem Kopf, fand jedoch noch keinen Zugang zu meinem Verstand.

 

 

August 1991

 

Maxi hatte viele Tage und vor allem Nächte gebraucht, um sich einzugestehen, dass er auf Männer stand. Eigentlich begehrte er nicht Männer im Allgemeinen, sondern nur Emre. Zuerst erfüllte ihn dies mit Scham, doch dann hatte er in Wien außerhalb des Internats erkannt, dass es diese Form der Liebe, die sich Homosexualität nannte, durchaus öfter gab als er vermutete. Nie wäre er so weit gegangen sich vor seinen Eltern oder Schul­kollegen zu outen, wie man das Zugeben von Homosexualität bezeichnete, aber er empfand es als großen Schritt und Erleichterung es sich selbst eingestanden zu haben.

 

In Maxi war ein Funken von Hoffnung entstanden, dass Emre genauso empfand. Vielleicht traute sich Emre genauso wenig seine Gefühle zu offenbaren wie Maxi? Vielleicht kochte auch in ihm die gleiche Leidenschaft und sie würden beide lachen, dass sie so lange gebraucht hatten es sich gegenseitig zu gestehen. Maxi verlor sich öfter in Tagträumen und stelle sich genau vor was er Emre sagen würde, welche Worte und Gesten er wählen würde und wie dieser ihn lachend in die Arme fallen würde.

 

Ende August hatte Maxi noch immer keine Gelegenheit gehabt Emre seine Gefühle zu offenbaren. Maxis Verzweiflung wuchs bei dem Gedanken schon in einer Woche wieder nach Wien zurück zu kehren. Er hatte sich zu Beginn der Ferien alles so schön vorgestellt und nun war nichts davon real geworden.

 

 

Die Chance, auf die Maxi, den ganzen Sommer gehofft hatte, kam mit dem jährlichen Feuerwehrfest Ende August zu dem Emre ihn einlud. „Es wäre schön, wenn wir bevor du in die Schule zurückmusst, noch etwas gemeinsam unternehmen könnten. Wir haben uns ja den ganzen Sommer nicht wirklich viel gesehen.“ Emre wirkte etwas schuldbewusst und Maxi schloss aus dem verlegenen Verhalten seines besten Freundes, dass dieser vielleicht mit ähnlichen Hemmungen über den Sommer gekämpft hatte wie er.

 

Maxis Euphorie schwand so schnell wie sie gekommen war, als Emre zum Fest nicht allein, sondern mit einem drallen dunkelblonden Mädchen, auftauchte. Sie trug einen Schal um den Kopf gewickelt, der ihre schulterlangen Haare kürzer wirken ließ, aber die Kreation wirkte der Jahreszeit entsprechend sehr attraktiv. 

 

„Das ist Marina. Marina, das ist Maxi ein alter Schulfreund.“

 

Maxi fühle einen bitteren Geschmack im Mund, bei der Vorstell-runde, die ihn zu einen unter vielen degradierte. Er war nicht einmal als „bester Freund“ vorgestellt worden, sondern „nur“ als ein alter Schuldfreund. Als er sah wie sich Marina an Emre kuschelte, wusste er, dass die beiden ein Paar waren. Maxi fühlte einen dicken Kloss auf seiner Brust, Enttäuschung, Kummer und Eifersucht brannten ihn seinem Herzen. Emre empfand nicht wie er, diese Erkenntnis zerstörte Maxis Welt, die er sich über den Sommer so bunt ausgemalt hatte.

 

 

Donnerstag, 20. Februar 2020

 

Ich war betrunken und so wie ich war in einen traumlosen Schlaf gefallen. Die Mühe mich auszukleiden hatte ich mir genauso wenig gemacht wie den Weg ins Bett.

 

Um 02:25 Uhr morgens erwachte ich wieder und es drehte sich alles um mich. Ich wankte ins Bad und übergab mich gerade noch rechtzeitig über der Kloschüssel. Nachdem ich mir den Mund mit Wasser ausgewaschen hatte, starrte ich mein Spiegelbild an und hasste alles was ich darin sah.

 

„Du Versager, du elende Versagerin……“ meine Stimme war eine Mischung aus Kreischen und Weinen. Wenn er diese Bilder sehen würde, wäre es aus und vorbei. Ich würde ihn verlieren für immer und meine Zukunft, die erst gerade begonnen hatte, wäre wieder vorbei.

 

Ich griff zu einer Schere und setzte sie an meine Pulsadern, doch schon beim ersten Ritzen schmiss ich sie hysterisch schreiend von mir. Nein, ich würde mir nicht das Leben nehmen. Der Tod war viel zu einfach für mich. Ich würde durchhalten und um meine Liebe und mein Leben kämpfen.

 

 

August 1991

 

Zum Leidwesen von Maxi waren immer mehr ehemalige Schulfreunde eingetroffen und er war nicht in der Lage das Fest so schnell zu verlassen wie er es gerne getan hätte. Er trank nicht so viel wie die anderen, jedoch genug, um sich etwas leichter zu fühlen als am Beginn des Abends. Er versuchte Emre und Marina nicht anzustarren als diese ungeniert sich immer wieder vor allen küssten und Zärtlichkeiten austauschten. Maxi blieb äußerlich ruhig, doch in ihm tobte ein Sturm der Eifersucht und des Neides auf Marina. Er hasste die junge Frau für alles was sie ihn wegegenommen hatte. Ich sollte dort sitzen, dachte er. Ich sollte neben Emre sitzen und nicht sie.

 

 Nachdem Maxi nach dem Gang zur Toilette mit einigen alten Schulfreunden ein paar Worte wechselte, stellte er nach seiner Rückkehr fest, dass Emre und Marina verschwunden waren. Er entschloss sich nun endgültig nach Hause zu gehen. Er hatte lange genug durchgehalten. Nichts hielt ihn mehr und er war froh nicht länger die beiden vor seinen Augen zu haben. Er nahm sein Fahrrad und bog ohne nachdenken den Weg Richtung Mollram ein. Er wusste, dass dies ein Umweg war, wollte aber noch nicht nach Hause. Nun alleine auf der Straße konnte er seinen Tränen freien Lauf lassen. Die frische Nachtluft tat ihm gut und er versuchte den Nebel, in den der Alkohol ihm gehüllt hatte zu vertreiben. Es war eine warme, aber mondlose Nacht und er musst sich konzentrieren nur mit der Beleuchtung seines Fahrrades gut weiter zu kommen. Maxi wäre fast in den Straßengraben gefahren als vor ihm plötzlich aus dem Nichts eine Gestalt auftauchte.

 

„Halt. Bitte anhalten.“ Rief die torkelnde Gestalt und Maxi erkannte verblüfft, dass es Marina war.

 

Auch sie erkannte ihn sofort „Gott sei Dank, Maxi. Du musst mir helfen.“

 

Sie schwankte erneut. Maxi durchlief es eiskalt und er sah sich hektisch um.

 

„Wo ist denn Emre? Ist etwas passiert?“

 

Marina sah ihn mit glasigen Augen an „Ich habe zu viel getrunken. Mir war schlecht und Emre auch und da bin ich in den Wald um zu pinkeln…… und dann habe ich mich verlaufen…..“

 

Maxi sah sich um und wusste genau wo er war bzw. ahnte er wo Emre sich aufhalten würde. In Maxi stiegen nun Wut auf, denn Emre war mit Marina durch den Wald zu ihrem gemeinsamen Platz gegangen. Marina ließ ihm keine Zeit zu überlegen, sondern schwankte erneut und setzte sich nun an den Straßenrand.

 

„Du bist doch sein Freund. Kannst du nicht nach ihm schauen? Ich kann keinen Schritt mehr gehen. Mir ist so schlecht.“

 

Maxi nickte und zog Marina hoch „Hier kannst du nicht sitzen bleiben. Es ist so dunkel, dass man dich noch überfährt.“

 

Er drückte ihr das Fahrrad in die Hand, dessen Licht brannte sobald es sich in Bewegung setze.

 

„Am besten stützt du dich auf das Fahrrad und folgst der Straße. Das Licht macht dich nicht vollkommen unsichtbar.“

 

Marina griff nach dem Fahrrad und es erschien Maxi als würde sie sich in Zeitlupe bewegen. Sie würde noch Stunden brauchen bis sie ausgenüchtert wäre.

 

Maxi schenkte ihr keine Beachtung mehr und machte sich in der Dunkelheit auf den Weg. Er hatte keine Lichtquelle bei sich und stolperte ab und an über eine Wurzel oder Unebenheit.

 

Es konnte nicht mehr weit sein, hoffentlich fand er Emre bald, sonst musste er den ganzen Weg ohne Fahrrad allein nach Hause laufen. Es war schon weit nach Mitternacht und seine Eltern würden sicher bald unruhig werden, wenn er zu spät nach Hause käme.

 

„Verflucht“ Maxi fiel der Länge hin. Er war auf etwas weiches getreten und hatte sich verknöchelt. Ein Griff danach offenbarte Maxi schnell, dass es sich um ein Stück Stoff handelte.

 

„Marinas Tuch, das sie um die Haare gewickelt hatte, natürlich.“ entfuhr es Maxi. Er würde es ihr später zurückgeben und schlang den Schal um seinen Kopf. Das musste er sich für einen seiner Entwürfe merken, wenn er zurück an der Schule war. Diese Kreation, etwas abgewandelt auch für Männer konnte noch bei seinen Lehrern gut ankommen.

 

Maxi handelte sich im Dunkeln weiter und stieß erneut gegen etwas. Ein Schuh, ein Fuß……

 

„Emre!“

 

Emre lag betrunken an einen Baum gelehnt und schnarchte wie Maxi nach dem ersten Schreck feststellte. Erleichtert ließ er sich neben ihn fallen. Im Dunkeln konnte er nicht viel erkennen, aber die Gesichtszüge des geliebten Freundes kannte er ohnehin in und auswendig. Er stieß Emre leicht an, doch dieser grunzte nur.

 

Maxi überlegte, er konnte Emre auf keinen Fall tragen und musste wohl oder übel warten bis dieser etwas nüchterner wurde. Ohne zu überlegen brachte er sein Gesicht nahe an ihn heran und obwohl Emre nach Alkohol roch, drang ein vertrauter Geruch in Maxis Nase. Seine Finger fuhren sanft die Konturen seines Gesichts nach, die Augen, die Nase, die Lippen. Und bevor Maxi es sich versah, hatte er Emre leicht erst auf Augen, Nase und schließlich den Mund geküsst. Seine Verwunderung kannte keine Grenzen als Emre den Kuss erwiderte. Er zog Maxi an sich, schlang seine Hände um seinen Kopf und küsste ihn fordernd. Der unschuldige scheue Kuss Maxis war zu einem leidenschaftlichen erwachsenen Küssen mit feuchten Lippen und Zunge im Mund des anderen geworden. Maxi keuchte leicht auf als Emre ihn in seiner Halsbeuge küsste und an ihn zu knabbern begann.

 

„Hm, Liebling, du bist so süß.“ Flüsterte Emre in Maxis Ohr mit geschlossenen Augen.

 

„Lass es uns endlich machen.“

 

Maxis Herz setzte einen Schlag aus. Emre nestelte bereits an seiner Hose herum und versuchte sich aufzurichten. Doch er war noch immer nicht ganz nüchtern und sank gegen den Baum zurück.

 

„Marina, Schatz, du musst dich noch etwas gedulden. Ich bin noch nicht ganz fit.“

 

Maxi wich augenblicklich von Emre zurück. Der Kuss hatte nicht ihn gegolten. Die Zärtlichen Worte und Berührungen waren nicht für ihn bestimmt. Emre hatte die ganze Zeit geglaubt Marina bei sich zu haben. Maxi begriff und tastete nach dem Tuch auf seinem Kopf, das die Verwechslung wahrscheinlich begünstigte.

 

Maxi starrte zu Emre und hörte wie dieser im Dunkeln den Reißverschluss seiner Hose öffnete. In diesem Moment traf Maxi eine folgenschwere Entscheidung.

 

 

Donnerstag, 20. Februar 2020

 

Ich hatte gegen 6h morgens kalt geduscht, mir die Haare gewaschen und fühlte mich etwas frischer als die gesamte, hinter mir liegende Nacht. Im Morgengrauen waren das Selbstmitleid und die Selbstzerfleischung kalter Ernüchterung gewichen. Dafür war in mir etwas erwacht, dass sich noch am ehesten als Kampfgeist bezeichnen ließ. Ich würde nicht mehr davonlaufen. Ich lief schon viel zu lange davon. Ich wusste genau wen dieses Handy gehörte. Es gab nur eine Person, die von mir diese Bild haben konnte, auch wenn ich längst geglaubt hatte, dass es nicht mehr existierte. 

 

Ich öffnete das Adressbuch des Handys und brauchte nicht lange suchen. Den Namen und die Nummer, die ich suchte, bestätigten mich in meinem Verdacht.

 

Mit zitternden Fingern tippte ich auf die Nummer bevor mich der Mut verließ.

 

„Hallo?“

 

„Ich …“ meine Stimme war nur mehr ein Krächzen.

 

„Hallo, wer ist denn da?“

 

 

August 1991

 

Maxi griff in Emres Hose, als er den erigierten Penis zu fassen bekam, entwich ihm ein Stöhnen.  Die unterdrückte Leidenschaft, die Maxi den gesamten Sommer in allen was er tat begleitete, kam nun ungebremst an die Oberfläche. Keine Zurückhaltung und keine Scham konnten ihn noch bremsen. Der Alkohol ließ ihm die letzten Hemmungen vergessen. Maxis Lippen und Hände umspielten Emres Erregung. Maxi hörte Emre stöhnen und fühlte wie dieser seinen Kopf festhielt. Er wurde heftiger und öffnete nun auch seine Hose, um seiner Erregung Platz zu schaffen.

 

Plötzlich entzog sich Emre ihn „Nein, nicht so schnell. Ich komme sonst.“

 

Maxi dachte nicht mehr, er folgte nur mehr seinen Instinkt und seiner Lust, als er sich umdrehte und Emre sein nacktes Hinterteil entgegenstreckte. Er führte Emres Hände an seine Hüften, ohne ein Wort zu sagen, denn Emre ließ sich bereitwillig von ihn führen. Als Emre in ihn eindrang, biss Maxi kurz die Zähne vor Schmerz aufeinander. War es das was er sich immer wünschte? War das die Erfüllung, die er so lange begehrte? Als sich Emre in einen sanfteren Rhythmus in ihn bewegte und sich ihre Lust immer weiter steigerte, wusste Maxi was er wirklich wollte. Er erkannte, dass alles was er geglaubt hatte zu wollen und sein zu wollen, nicht das war, was er wirklich brauchte und war. Vor seinem inneren Auge erschien die Wahrheit so klar und gut erkennbar, dass die Lust, die ihm schließlich zu einem Höhepunkt trieb, nur sekundär war im Vergleich zu dem was er von diesem Augenblick an begriffen hatte.

 

 

Donnerstag, 20. Februar 2020

 

Mein Mund war trocken als ich schließlich zu sprechen begann.

 

„Akin, bist du das?“

 

Das Schweigen auf der anderen Seite war mir Antwort genug.

 

„Ich bin es Maxi.“ Mein Herz klopfte so laut, dass ich glaubte es könnte meine Worte übertönen.

 

„Maxi! Was zum Teufel willst du denn?“ Akins Stimme, die vorher schon genervt war, wurde augenblicklich aggressiv.

 

„Ich glaube ich habe Emres Handy gefunden. Zufällig.“ Setzte ich rasch hinzu. „Auf der Toilette eines Restaurants.“

 

Ich atmete rasch aus „Ich möchte es ihn gerne wiedergeben.“

 

Emres Bruder schwieg einen Augenblick.

 

„Du perverses Schwein. Du verfluchte Schwuchtel.“

 

„Ich habe das Handy wirklich zufällig gefunden. Bitte Akin, ich möchte es nur Emre zurückgeben.“

 

Dass Akin mich hasste und verachtete nach allem was passiert war, überraschte mich nicht.

 

„Du weißt es nicht, oder? Du weißt es wirklich nicht?“ Akins Stimme war nun nur mehr ein Flüstern.

 

„Was denn? Ich weiß gar nichts. Ich habe Emre seit fast 30 Jahren nicht mehr gehört oder gesehen ……. Seit damals……“ Ich fühlte wie mir Tränen wieder hochstiegen.

 

„Seit du ihm damals vergewaltigt hast, meinst du wohl?“ Akins Worte waren wie ein Peitschenschlag.

 

„Ich habe ihn nicht vergewaltigt. Ich ……“

 

„Du hast meinen Bruder missbraucht. Du hast ihn als er zu betrunken war, weiß gemacht, dass du seine Freundin bist und ihn zu Handlungen gebracht, die er nie und unter keinen Umständen sonst begangen hätte. Niemals hätte er mit einem Mann und einer Schwuchtel es getrieben.“

 

„Ich bin keine Schwuchtel.“ Brach es nun aus mir heraus.

 

„Ich bin kein Mann. Ich bin eine Frau.“

 

Ich versuchte mich selbst zu beruhigen.

 

„Ich war schon immer eine Frau, nur im falschen Körper. Ich habe das erst durch deinen Bruder und diese Nacht verstanden.“

 

Akin schnaufte abwehrend „Du hattest einen Schwanz, oder etwa nicht?“

 

„Ja, damals schon.“ Erwiderte ich kleinlaut. Doch nun einmal zu reden begonnen, brach es nun aus mir heraus.

 

„Aber ich war trotzdem eine Frau. Ich war verliebt in deinen Bruder. Nein, nicht verliebt. Ich habe ihn geliebt …….“

 

 „Das ist doch alles Tuntenscheiße.“ Brüllte er. Akin war nicht bereit sich näher mit mir und meiner Transsexualität auseinander zu setzen.

 

Akin würde nie verstehen, was diese Nacht auf dem Feld für mich geändert hatte. Ja ich hatte die Situation ausgenutzt und Emre getäuscht. Ich hatte mich meinem Trieb und meiner Lust hingegeben, ohne über mögliche Konsequenzen nachzudenken.

 

Aber ich hatte es nicht als ein schwuler Teenager gemacht, sondern als ein Mädchen im falschen Körper. Als ich mir Marinas Haarschal umband hatte ich zum Teil die Identität des Mädchens übernommen. Ich war schon immer ein Mädchen aber in diesem Moment lebte ich es erstmals. Beim Probieren der Kleider meiner Mutter, war es ein Spiel, ein vages Erkennen von dem was sein könnte, aber niemals hatte ich Klarheit darüber. Erst in dieser Nacht im Sommer 1991 fühlte ich zum ersten Mal, dass ich kein Mann war. Nicht der Junge Maxi hatte ein homosexuelles Erlebnis, sondern das Mädchen Maxi hatte sich ans Licht gearbeitet in ihrer ganzen Liebe zu Emre.

 

Nach unserem Höhepunkt waren Emre und ich Arm in Arm eingeschlafen und erst als es schon hell wurde durch den Schrei von Marina, die mit Akin zurück gekommen war erwacht.

 

In Emres Augen sah ich nur Unverständnis und später Fassungslosigkeit als er begriff was vorgefallen war. Als ich den Versuch unternahm etwas zu sagen, schlug Akin mich nieder und verbot mir seinen Bruder jemals wieder zu belästigen. Emre hatte nie wieder ein Wort mit mir gewechselt.

 

Ich kehrte noch am nächsten Tag nach Wien in das Internat zurück und meine Eltern folgten mir bald indem sie ebenfalls nach Wien umzogen. In einer Kleinstadt wie Neunkirchen sprachen sich Dinge rasch herum. Dafür hatte Marina in ihrer Kränkung und Hass auf mich gesorgt.

 

Schlussendlich stellte sich dies sogar als beste Lösung heraus, denn ein Sohn, der ihnen bald darauf eröffnete, dass er sich als Frau fühlte und den Weg der Transsexualität gehen wollte, war zu Beginn der 90er Jahre in der Anonymität der Großstadt noch einfacher zu verkraften als in Neunkirchen.

 

Akin holte mich aus meinen Gedanken „Maxi oder wie auch immer du jetzt heißt.“

 

„Ich heiße noch immer Maxi.“ Antworte ich nun wieder wachsam.

 

 Ich hatte meinen Rufnamen nicht geändert. Nur Maximilian in die weibliche Form Maxime geändert.

 

„Also Maxi, das Handy gehörte tatsächlich Emre.“

 

Akin machte eine kurze Pause, die mich die Luft anhalten ließ.

 

„Emre hat deinen Verrat nie verkraftet und auch die Gerüchte und schmutzige Nachrede hier am Land nicht. Er hat fast 30 Jahre dagegen gekämpft aber irgendjemand hat es immer wieder ausgegraben. Man hat ihm sogar die Schuld daran gegeben als es letztes Jahr zu sexuellen Übergriffen an kleinen Jungs kam. Er wurde zwar nicht angeklagt, aber trotzdem glaubte jeder, dass er damit etwas zu tun hatte. “

 

Ich biss mir vor Entsetzen auf die Lippen.

 

„Emre ist tot. Er hat sich letztes Jahr im August das Leben genommen am Tag des Feuerwehrfestes. Dieser beschissene Jahrestag hat ihm den Rest gegeben. Das Handy hat Marina an sich genommen. Es war das Einzige, was sie aus seinem Nachlass wollte.“

 

Akin machte eine Pause „Marina hat gesagt, dass du früher oder später dich melden wirst. Für den Fall soll ich dir ausrichten, dass du in den Sprachmemos eine Nachricht finden wirst.“

 

Akin legte grußlos auf und ich scrollte zu den Sprachmemos unter denen es nur eine einzige Nachricht gab. Mit feuchten Händen spielte ich sie ab und erstarrte als ich Marinas Stimme wiedererkannte.

 

„Du hast dich also bei Akin gemeldet oder hast die Nachricht selbst gefunden. Ich vermute ersteres, denn du warst noch nie der Schlauste.“

 

Marinas Stimme troff vor Sarkasmus.

 

„Dann weißt du es auch schon, aber für den Fall, dass du doch alleine dahintergekommen bist. Emre ist tot. Er  hat sich ….. Nein, eigentlich hast du ihn umgebracht, schon vor 30 Jahren…. als du sein Vertrauen missbraucht hast, du Arschloch.“

 

Marinas Hass war noch genauso frisch wie damals. Für sie hatte sich offensichtlich nichts geändert.

 

„Und trotzdem hat er all diese Bilder von dir, die er gezeichnet hat noch aufgehoben.  Denn du warst sein bester Freund!“

 

Das Handy in meiner Hand begann wieder heiß zu brennen. Das Foto, das ich darauf entdeckt hatte, war eine Fotographie des Porträts, das Emre 1988 von mir, damals noch als Junge gemacht hatte.

 

„Du hast Emres und mein Leben zerstört. Er ist nie darüber hinweggekommen, hat mich verlassen, weil er sich unwürdig fühlte mein Freund zu sein. Und dann die Sache letztes Jahr mit den missbrauchten Jungen……“

 

Marinas Stimme bebte vor Wut und unterdrückten Tränen.

 

„Und dann sehe ich vor einer Woche in den sozialen Medien ein Bild von dir …..“

 

Marina war nun wieder ruhiger geworden.

 

„Maxi die berühmte Designerin mit neuer Liebe. Glücklich, erfolgreich und strahlend. Ich habe dich sofort erkannt – egal ob Frau oder Mann. Du hast es ja wunderbar geschafft von der Bildfläche zu verschwinden. Deine Eltern waren genauso untergetaucht, niemand wusste wo ihr geblieben wart. Du warst viel im Ausland, haben meine Recherchen ergeben.  Man findet ja alles im Internet heutzutage. Keiner weiß, dass du mal ein Mann warst. Und ich bin mir sicher deine neue Liebe weiß das sicher auch nicht ……“

 

Ein gehässiges Lachen folgte, das meine schlimmsten Befürchtungen wahr werden ließ, denn ich hatte meine Transsexualität tatsächlich niemals öffentlich gemacht.

 

„Wenn du in die Klatschspalten schaust, wirst du bald darin die Hauptperson sein. Denn ich habe deine Geschichte an die Presse verkauft. Ein geringer Ausgleich für das was du mir gestohlen hast und Emre verloren hat. Und damit deine neue Flamme auch gleich Bescheid weiß, sind die Fotos, die du sicher gerne verschwinden lassen würdest, mit einem ausführlichen Bericht schon in seinem Posteingang und du kannst es nicht mehr verhindern. Bei einem Promi wie ihn, war es ein Kinderspiel seinen Kontakt herauszufinden. Das wird für euch beide der reinste Alptraum.  Ich hoffe es macht dich richtig fertig, wenn du jetzt alles verlierst, was dir wichtig ist.“

 

Ich ließ das Handy sinken. Marina hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie es ernst meinte. Ich hatte im August 91 meine Identität auf Kosten von Emre gefunden. Nun war Marina dabei mein Leben zu zerstört, so wie ich damals ihres und Emres zerstört hatte.

 

 

 

Schreibe einen Kommentar