LisaMein Geheimnis

 

Prolog

Ich öffnete die Augen und sah mich verwirrt um. Ich lag in meinem Bett, wo mich Mama zuvor reingesteckt hatte. Ich wollte unbedingt, dass sie mir noch eine Gutenachtgeschichte vorlist, sie meinte jedoch, dass ich jetzt schon ein großes Mädchen bin und keine Gutenachtgeschichten mehr brauche. Zwar stimmte das, denn ich war tatsächlich schon ein großes Mädchen, immerhin kam ich bald in die Schule! Aber dennoch hätte ich mir eine Geschichte von ihr gern gewünscht. Doch ich traute mich nicht mehr das zu sagen, da Mama einen gläsernen Blick bekam und gehetzt wirkte. Aus Erfahrung wusste ich, dass ich sie dann besser in Ruhe ließ. Also verkniff ich es mir und nahm stattdessen meinen Kuschelhase ganz eng in den Arm und legte mich ins Bett. Ein Geräusch vom Flur ließ Mama hochfahren, sodass sie mir, hastig und mit aufgeregter Stimme, befahl schnell einzuschlafen. Sie erhob sich vom Bett und ging zur Tür. Ich wollte sie fragen was los war, aber die Müdigkeit überkam mich, außerdem hätte ich sowieso keine Antwort bekommen. Deshalb ließ ich es sein und schloss meine Augen. Das nächste woran ich mich erinnere ist, dass ich meine Augen wieder öffnete. Schlaftrunken sah ich mich um, es war noch dunkel im Zimmer, also musste es noch Nacht sein. Anscheinend war ich eingeschlafen. Irgendwas hatte mich geweckt und da hörte ich es schon wieder. Ein lauter Knall gefolgt von einem Splittergeräusch, es hörte sich an als wäre etwas auf den Boden gekracht und dann in tausend Scherben zersprungen. Ich setzte mich aufrecht ins Bett und nahm meinen Kuschelhasen in den Arm. Leise rief ich in den Raum hinein: „Mama?“. Als Antwort wurde es ganz still im Haus. So still, dass man nur noch die Uhr ticken hörte. Am liebsten hätte ich mir die Decke über den Kopf gezogen und mich darunter versteckt. Aber ich war jetzt doch ein großes Mädchen und große Mädchen haben keine Angst mehr! Zumindest redete ich es mir ein und tatsächlich hatte ich danach so viel Mut, dass ich die Bettdecke zurück schlug, aus dem Bett aufsprang und mich auf den Weg in Richtung Wohnzimmer machte, wo ich vermutete, dass das Geräusch dort seinen Ursprung nahm. Aber nicht nur ich schien mich in Bewegung zu setzen, denn auch die Geräusche fingen wieder an. Da war wieder ein Poltern zu hören. Leise schlich ich mich aus meinem Zimmer. Ich sah nicht viel, da es im ganzen Haus dunkel war. Bewaffnet mit meinem Kuschelhasen Baily, rief ich erneut leise nach Mama, doch auch dieses Mal erhielt ich keine Antwort. Wahrscheinlich hätte sie es sowieso nicht gehört, doch ich traute mich nicht lauter nach ihr zu rufen. Dann war wieder ein dumpfer Schlag zuhören, der jetzt eindeutig aus Richtung des Wohnzimmer kam. Leise ging ich den kleinen, dunklen Gang entlang und legte vorsichtig meine kleine Hand um den Türgriff. Und genauso vorsichtig öffnete ich die Tür und sah …

 

Kapitel 1

 

Ich zuckte zusammen als mich ein Mann leicht anrempelte und vor sich hin schimpfte, dass ich mich endlich bewegen soll, da die Ampel schon längst auf Grün umgesprungen war. Ich sah auf und überquerte die Straße, tatsächlich war ich in Gedanken bei jener Nacht vor fast 15 Jahren gewesen. Jene bizarre Nacht, in der sich soviel Sonderbares ereignete, sodass ich mich nicht mal mehr daran erinnern kann. Vielleicht sind es aber auch nur meine psychischen Abwehrmechanismen, die mir helfen wollen unangenehme oder aber auch schmerzliche Erinnerungen zu verbannen. Das letzte was ich noch im Kopf hatte, war das ich die Tür zum Wohnzimmer öffnete. Alles was danach passiert war, blieb im Dunkeln. Das nächste woran ich mich aus der besagten Nacht erinnerte war, wie ich im Krankenhaus aufgewacht bin. Ich seufzte und lief weiter den Weg entlang zur meiner Wohnung. Schon damals versuchten die Ärzte mir zu erklären, dass es ein Schutzmechanismus meines Gehirns ist, dass ich mich deshalb nicht mehr daran erinnern kann oder besser gesagt, dass ich mich nicht mehr daran erinnern will. Anscheinend waren diese Erinnerungen so furchtbar, dass mein Gehirn sie irgendwo tief in meinen seelischen Untergrund verschoben hatte. Laut Polizeiaussagen und Zeitungsberichten wusste man , dass die Polizei von unseren Nachbarn angerufen worden waren, aufgrund von lauten hilfeschreiähnlichen Geräuschen, die sie in der Nacht wahrnahmen. Als die Polizei dann unser Haus stürmte, war anscheinend ein ziemliches Gemetzel dort gewesen. Im Wohnzimmer war fast überall wo man hinsah Blut. Laut Polizei ist meine Mutter durchgedreht, hat sich ein Messer geschnappt und meinen Vater brutal ermordet. Sie hatte so oft auf ihn eingestochen, dass seine Leiche kaum identifizierbar war. Als die Polizisten kamen hielt meine Mutter das Messer immer noch in der Hand und faselte unverständliches Zeug vor sich hin. Als die Polizeibeamten sie mitnahmen, musste sie sich so extrem gewehrt und geschrien haben, dass sie vier Leute brauchten um sie aus dem Haus zu schaffen. Einer der Polizisten fand dann mich in der Ecke kauernd, voller Blut, weinend und verängstigt. Sie haben mich mitgenommen und hatten schon Sorge, dass meine Mutter mich ebenfalls verletzt hatte, aber das Blut stammte nicht von mir. Erst als ich vor meinem Wohnkomplex stand wurde mir bewusst, dass ich schon zu Hause war. Ich nahm meinen Schlüssel in die Hand und sperrte die Eingangstür auf, sah kurz in den leeren Briefkasten und ging dann die Stufen zur meiner Wohnung hoch. Ich kann nur von Glück sprechen, dass ich die Erinnerungen von der besagten Nacht bis heute verdrängt hatte, denn hätte ich mich damals daran erinnert, wäre ich vermutlich genauso verrückt geworden wie meine Mutter damals. Sie ist noch heute in einer geschlossenen Anstalt, wurde als unzurechnungsfähig und schuldunfähig eingestuft und ist bis heute in dieser Anstalt. Man muss aber auch sagen, dass sie schon vor jener Nacht, instabil gewesen war. Nur selten besuchte ich sie und wenn ich es tat, dann tat es mir schon in der Seele weh, wie weggetreten sie war. Zwar ist sie durch die Medikamente ruhig gestellt, aber diese leere Hülle, die manchmal nicht einmal mich erkennt, ist echt beängstigend. Ich kam an meiner Wohnung an und sperrte die Haustür auf. Ich schloss die Haustür hinter mir und damit auch alle anderen Gedanken aus der Vergangenheit. Nur um dann stockend vor der Haustür stehen zu bleiben und geschockt zur brennenden Lampe im Wohnzimmer zu schauen. „Beruhige dich Ella, die hast du bestimmt heute früh vergessen als du aus der Wohnung gegangen bist “, redete ich mir ein. Ich wusste aber genau, dass es nicht der Fall war. Ich hatte ein komisches Gefühl. Es ist wohl darauf zurückzuführen, was damals passiert ist, aber ich hatte so ein Gefühl als wäre jemand in meiner Wohnung gewesen. Jemand fremdes! Ich atmete langsam aus und versuchte mich zu beruhigen. Mach dich nicht verrückt Ella! Es ist nur eine dumme Lampe, mehr nicht. Du willst dich doch jetzt nicht wegen einer Lampe verrückt machen lassen. Nein! Das wollte ich bestimmt nicht! Ich ärgerte mich über mich selbst und zog meine Jacke und Schuhe aus. Ich legte meine Tasche ab und schaltete dann das Licht im Wohnzimmer aus, danach lief ich den Gang entlang in Richtung Badezimmer. Ich brauchte jetzt dringend eine Dusche. Das nicht nur um meinen anstrengenden Arbeitstag wegzuwaschen, sondern auch, um wieder einen klaren Kopf zu kriegen. Ich ging ins Bad, lehnte die Tür an und fing an mich auszuziehen. Danach stieg ich in die Dusche und zog die Glastür von der Duschkabine zu. Ich stellte das Wasser an und ließ es erst einmal meine langen, blonden Haare und meinen Körper entlang fließen, ehe ich dann anfing mich einzuseifen. Etwas später als ich fertig war schob ich die Glastür wieder auf und schnappte mir das Handtuch, welches am Handtuchhalter hing und umwickelte mich damit, ehe ich aus der Dusche stieg. Als ich draußen war, ging mein Blick zum Spiegel und mir gefror das Blut in den Adern und mein Herz setzte aus. Schockiert sah ich zum Spiegel und konnte nicht glauben was ich da sah. Ich ging näher hin und betete inständig, dass meine Augen mir einen Streich spielten, aber dem war leider nicht so. Im Gegenteil, mir viel sogar noch mehr auf als beim ersten Blick. Zuerst schockierte mich der Spiegel, der beschlagen war und irgendjemand den Satz: „Ich kenne dein Geheimnis!“ quer über den Spiegel mit seinen Fingern geschrieben hatte. Doch was da neben dem Waschbecken lag, verwirrte mich zusätzlich und ließ in mir Schauer und Angst hochkriechen. Da lag ein Handy, aber es war nicht meins! Mein Handy lag noch in der Tasche, woher kam dann also dieses Handy her? Und hatte es etwas mit diesem Satz zu tun? So langsam wurde mir bewusst, dass jemand hier in meiner Wohnung war, sogar im Badezimmer während ich geduscht hatte und mir diese Nachricht samt Handy dagelassen hatte. Mein Herz raste buchstäblich vor Panik. Gleichzeitig schossen mir tausend Fragen durch den Kopf. Was ist wenn er noch in der Wohnung war? Was ist wenn der oder diejenige mich gerade beobachtet? Nur darauf wartet um aus einer Ecke zu springen und mir ein Messer in den Rücken zu rammen! Die Angst lähmte mich, wodurch sich mein ganzer Körper taub anfühlte und zu zittern anfing. Ich versuchte die Furcht abzulegen und nahm den erstbesten Gegenstand, in dem Fall war es ein Pümpel, um mich zu verteidigen und trat damit mit leicht flatternden Beinen vor die angelehnte Tür. Ich ging nochmal kurz in mich und riss dann die Tür auf und sah mich in meinem leeren Gang um. Ich lauschte in die Stille hinein, aber nichts war zu hören. Totenstille. Allmählich ging ich nach links zu meinem Schlafzimmer und öffnete langsam die Tür und sah mich in allen Ecken um. Dasselbe tat ich auch im Wohnzimmer und anschließend war ich in der Küche angekommen, ohne dass ich irgendjemanden entdeckt oder was gehört hatte. Ich war schon etwas beruhigter, weil die Person offenbar meine Wohnung verlassen hatte, als ich auf einmal ein Geräusch hörte, das aus dem Bad zu kommen schien. Ich zuckte zusammen und sofort war ich wieder in Alarmbereitschaft und die Angst war ebenfalls zurück, als ich langsam und leise wieder zurück zum Bad schlich.

 

Kapitel 2

 

Ich blieb vor der Tür zum Badezimmer stehen. Ohne weiter darüber nachzudenken, riss ich die Tür auf und starrte kampfbereit in den Raum. Und das immer noch mit dem Pümpel in der Hand und mit dem Badetuch umwickelt. Zu meiner Überraschung und zugleich auch zu meiner Erleichterung, war niemand im Badezimmer und ich hörte auch nichts mehr. Jetzt erst wo der erste Schrecken etwas nachließ, konnte ich das Geräusch, welches ich gehört hatte, zuordnen. Es hatte sich wie ein Klingelton angehört, der eine neue Textnachricht ankündigte. Mein Blick viel wieder auf das Handy, welches neben dem Waschbecken lag. Sicherheitshalber schloss ich die Tür hinter mir und ging rüber zum Waschbecken. Dabei las ich nochmal die Nachricht auf dem Spiegel, die nun nicht mehr ganz so gut erkennbar war: „Ich kenne dein Geheimnis!“. Was meinte die Person damit? War hier wirklich jemand eingebrochen und hatte mir diese Botschaft dagelassen? Sollte ich nicht lieber schauen, ob etwas fehlte oder noch besser die Polizei rufen? Wer es auch war, der oder diejenige war nicht mehr im Haus so viel ist sicher. Mir viel ein, dass ich die Haustür gar nicht überprüft hatte. Ich griff nach dem Handy hob es hoch und sah mir das Display an. Ich hätte es fast wieder fallen lassen, als ich das Display sah. „Das war unmöglich“, dachte ich mir. Ich rieb mir die Augen und sah nochmal genauer auf das Display. Aber ich hatte mich nicht getäuscht. Das Handy war an und der Sperrbildschirmbild leuchtete mir entgegen. „Aber das konnte nicht sein!“ Das Sperrbild zeigte eindeutig mich beim Schlafen in meinem Bett! Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Derjenige musste entweder vor meinem Fenster gestanden haben, was an sich nicht möglich war, da ich im dritten Stock wohnte und ich keinen Balkon besaß, oder er musste…er musste in meine Wohnung gekommen sein und das Foto geschossen haben. Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich legte das Handy beiseite und setzte mich auf den Klodeckel. Währenddessen verfiel ich erneut in einen gedanklichen Rausch an Fragen. „Was zum Teufel war hier los?“, fragte ich mich, „Werde ich jetzt auch verrückt wie meine Mutter und bilde mir das alles nur ein?“ Das Bild sprach aber eine ganz andere Sprache. „Wer zum Teufel tut nur so etwas? Womit hatte ich das alles verdient und vor allem was hat: „Ich kenne dein Geheimnis!“ zu bedeuten? Was für ein Geheimnis?“ Das irgendjemand da draußen war, der in meine Wohnung ein und aus spazieren konnte und das vielleicht sogar öfter, ohne dass ich davon etwas mitbekam. Allein die Vorstellung daran ließ mir meinen Angstschweiß eiskalt über den Rücken laufen, dennoch wusste ich das die Antwort vielleicht irgendwo auf dem Handy zu finden war. Deshalb nahm ich es nochmal in die Hand und sah mir wieder dieses schreckliche Bildschirmfoto von mir an. Zu meiner großen Verblüffung war das Handy gar nicht durch einen Code gesperrt. Ich konnte den Sperrbildschirm mit meinem Finger einfach wegwischen und sah nun den Home-Bildschirm. Und dieser ließ nochmal alle Alarmglocken in mir hoch schrillen und mir wurde auch leicht schlecht dabei. Auf dem Bild war schon wieder ich zu sehen! Diesmal jedoch nachdenklich durch die Straßen laufend, in der Hand trug ich einige Einkaufstüten. Ich sah nicht direkt in die Kamera, dennoch hätte ich es bemerken müssen, dass mich jemand fotografiert hatte aber das hatte ich nicht. „Hatte ich etwa einen Stalker?“ Ich sah, dass eine Nachricht auf dem Handy war und klickte darauf. Vielleicht würde das mehr Aufschluss bringen und mir endlich Antworten geben. Die Nachricht bestand aus einem Bild und einem Text darunter. Ich wappnete mich innerlich schon mal und rechnete mit dem Schlimmsten, als ich das Bild ansah, aber was ich dann sah, hätte ich dennoch nicht erwartet. Das Bild zeigte eine ältere Frau. Ich wusste sofort wer sie war. Ich hatte sie zwar seit ein paar Monaten nicht mehr gesehen und sie ist in der Zwischenzeit auch etwas älter geworden, doch ich erkannte immer noch ihre Züge. Es war eindeutig ein Bild von meiner Mutter. Auch sie sah nicht direkt in die Kamera. Was hatte dieses Bild nur zu bedeuten? Ich las den Text ganze zweimal bis mir die Bedeutung dahinter klar wurde: „Du bist die nächste! :)“ stand da. Ein Schauer durchströmte mich und ich stöhnte laut auf: „Was sollte das schon wieder bedeuten? Was um Gotteswillen geschieht hier nur?“ Zorn kam in mir auf. „Welcher Geisteskranke tut so etwas?“ Aber gleichzeitig kam auch die Sorge, dass etwas Schlimmes passiert ist. Sofort sprang ich von der Toilette auf und legte das Handy am Waschbecken ab, ehe ich aus dem Badezimmer stürzte und zu meiner Tasche lief, um mein Handy zu suchen. Ich wusste ich hätte vielleicht erst auf die Nummer schauen sollen oder die Polizei oder sonst jemanden von dem Handy aus anrufen können, aber ich wollte nichts mit dem Handy zu tun haben und ich wollte erst sicher gehen, dass es meiner Mutter gut ging. Endlich hatte ich das Handy in meiner Tasche gefunden, doch anders als das fremde Handy blieb der Bildschirm schwarz, als ich es in die Hand nahm. Fluchend lief ich ins Schlafzimmer wo mein Ladekabel lag und steckte es ein. Um nicht nutzlos herum zu stehen und zu warten, zog ich die erstbesten Klamotten aus dem Schrank und warf sie mir über, damit ich zumindest etwas an hatte. Als ich fertig war drückte ich auf meinem Handy herum und musste noch endlos lange Minuten warten, bevor es langsam wieder hochfuhr. Ich sah sofort die vielen verpassten Anrufe aus dem Institut, in dem meine Mutter lebte und fluchte das zweite Mal vor mich hin, während ich die Nummer des Instituts zurückrief. Als ich meinen Namen genannt hatte und endlich durchgestellt wurde zu der Abteilung, wollte ich schon nach meiner Mutter fragen, aber die Frau vom Pflegepersonal kam mir zuvor. „Ah Frau Beling wir haben Sie und Frau Siegend schon mehrmals versucht zu erreichen, jedoch hat niemand den Hörer abgenommen.“ Frau Siegend war meine Tante Linda mütterlicherseits. Meine einzige Verwandte die sich damals freiwillig gemeldet hatte, um mich aufzunehmen und die mich dann auch großzog. Wie gerne würde ich sie jetzt auch anrufen, aber sie machte gerade mit ihrem neuen Freund eine Kreuzfahrt und dort hatte man selten oder gar keinen Empfang. „Tut mir leid, aber mein Handy war aus gewesen.“ Sagte ich und schluckte. Bevor ich noch etwas sagen oder fragen konnte, redete die Frau am anderen Ende schon weiter, dabei beunruhigte mich ihr mitfühlender Ton, den sie jetzt auf einmal aufsetzte. „Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber ihre Mutter hatte einen Unfall.“ „Nein!“, erwiderte ich mit einem kurzen Schrei. Alles in mir zog sich zusammen und mir wurde flau im Magen. Das konnte und durfte nicht wahr sein! Ich hatte einen Kloß im Hals und konnte nichts sagen, ich wollte auch nichts sagen, denn mir war zum Schreien zumute. Die Frau redete auch schon weiter „Wir können uns das alles auch nicht genau erklären. Aber sie hatte aus irgendeinem Grund eine Glasscherbe und…“ Die Frau stockte kurz, so als würde die Erinnerung daran wieder hochkommen. „Ich glaube ich erspare Ihnen am besten die Details, wir haben wirklich alles versucht. Aber wir konnten sie nicht mehr zurückholen es tut uns sehr leid.“ Ich zitterte überall und gleichzeitig floss mir der Schweiß am Rücken entlang. „Hat sie sich selber?…“ Ich ließ die Frage unvollständig im Raum stehen, die Frau verstand sie trotzdem und bejahte meine Frage. Oh Gott wie schrecklich! Ich machte kurz die Augen zu, als ich wieder einen Ton hörte. Eine neue Textnachricht! Schnell wimmelte ich die Frau am Telefon ab und lief ins Bad, blieb dann aber vor dem Handy stehen unschlüssig darüber, ob ich wirklich auf dieses verfluchte Handy schauen wollte oder ob ich es lieber nicht gleich die Toilette herunterspülen und dann die Polizei kontaktieren sollte. Doch wenn es wirklich so ein Psychopath war, von dem ich ausgehen konnte, dann würde das alles nur noch schlimmer machen. Zumindest liefen so doch die meisten Horrorfilme ab oder etwa nicht? Mit Schrecken in den Gliedern ging ich auf das Handy zu und nahm es in meine Hand. Was würde als nächstes passieren? Wird er nun seine Textnachricht von vorhin wahr machen und mich jetzt als nächstes holen? Aber weshalb wollte er mich? Was hatte ich getan, womit ich das verdiente? Ich wischte über den Sperrbildschirm und drückte auf das Nachrichtensymbol. „Und wie hat dir mein Geschenk gefallen?“ Was war das nur für ein kranker Mensch? Zorn kam wieder in mir hoch und schon tippte ich auf das Handy und schickte eine Antwort ab: „Was willst du von mir? Ich rufe jetzt die Polizei an!“. Noch ehe ich darüber nachdenken konnte was ich da geschrieben hatte, kam auch schon prompt die Antwort: „Nein, dass wirst du nicht tun. Du bist schlau und du weißt, dass sonst deine Tante noch vor dir dran ist! :)“ Mir wurde schlecht und ich musste mich wieder setzen und dann kam auch schon die nächste Nachricht: „Ich kenne dein dunkles Geheimnis, das ist was ich von dir will!“ Ich schrieb zurück: „Verdammt nochmal was für ein Geheimnis? Wovon redest du?“ Die Antwort kam wieder nur Sekunden später: „Dann finde es heraus, bevor es zu spät ist und ich dich hab! x3“ Mir wurde heiß und kalt und ich sackte zusammen, ehe ich zu schluchzen anfing.

 

Kapitel 3

 

Ich fing mich schnell wieder. Eins stand fest, für Trauer oder Hilflosigkeit war keine Zeit. Der oder diejenige meinte es ernst und würde nicht aufhören ehe ich etwas tat. Ich saß im Wohnzimmer. Zuvor hatte ich das Handy, welches ich von dem unbekannten Psychopathen bekommen hatte und mein eigenes Handy aus dem Schlafzimmer geholt und im Wohnzimmer an ein Ladekabel gesteckt. Danach holte ich meinen kleinen Laptop, um online im Telefonbuch nach der Nummer, von der ich die Nachrichten bekam, zu suchen. Leider ohne Ergebnisse, was zu erwarten war. Daraufhin gab ich die Nummer einfach in mein eigenes Handy ein, unterdrückte meine Rufnummer und versuchte dort anzurufen. Es kam sofort eine Computerstimme die mir sagte, dass der Teilnehmer derzeit nicht zu erreichen ist. Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht was ich gemacht hätte, wenn jemand rangegangen wäre. Das Handy war also aus. Da das eine Sackgasse war, konzentrierte ich mich stattdessen auf meinen anderen noch einzigen Anhaltspunkt, den ich hatte. Mein Geheimnis! Ich wusste noch immer nicht was der oder die Verrückte damit meinte, weil ich keine Geheimnisse hatte und schon gar nicht irgendwelche dunklen Geheimnisse. Nun dachte ich schon das zweite mal an diesen Tag über meine Vergangenheit nach. Dabei konnte ich mich nicht gut konzentrieren, da meine Gedanken immer wieder zu meiner Tante abschweiften. Ich hatte schon versucht sie anzurufen, aber auch da hatte ich nur die Mailbox erreicht. Was an sich ja nicht schlimm war, da ich ja wusste das sie auf den Schiff kaum Empfang hatte. Trotzdem nagte ein letzter Rest Zweifel an mir, ob es tatsächlich daran lag. Doch ich schüttelte die Gedanken weg, so kam ich nicht weiter. Also gut ich musste mich jetzt genau konzentrieren. Momentan arbeitete ich in einem kleinen Café und studierte nebenbei. Ich bin vor ein paar Jahren in diese Wohnung umgezogen, sie war recht billig und lag in der Nähe von Arbeit und Uni. Ich dachte nach, auf der Arbeit und in der Uni gab es eigentlich niemanden, mit dem ich einen Konflikt hatte oder mit dem ich mich nicht verstand. Im Haus gab es auch keinen, meine Nachbarn waren alle freundlich und zuvorkommend. Ab dem Zeitpunkt an dem ich bei meiner Tante lebte, verlief mein Leben halbwegs normal und ich hatte auch nie etwas Kriminelles gemacht. Ich hatte noch nicht einmal Drogen genommen oder geraucht! „Eigentlich weißt du es doch schon Ella!“, sprach mein Gewissen zu mir: „Derjenige meint natürlich die eine Nacht an die du dich nicht mehr erinnern kannst!“ Ich schluckte schwer, eigentlich kann es nur das sein. An die restliche Kindheit, vor dieser schrecklichen Nacht, konnte ich mich zwar auch nicht haargenau erinnern, aber das war das einzige große Ereignis, bei dem ich nicht mit Sicherheit sagen konnte, was genau damals alles geschehen war. Ich raufte mir die feuchten Haare, die inzwischen schon wieder fast trocken waren und schüttelte den Kopf. „Das ist doch völlig verrückt!“, sagte ich zu mir selbst. Wenn das ein Traum ist, könnte ich dann bitte jetzt aufwachen? Am liebsten würde ich jetzt Sarah oder Nina anrufen! Sarah ist eine sehr gute Arbeitskollegin von mir und Nina ging auf dieselbe Uni und belegte dieselben Kurse wie ich. Am liebsten hätte ich jetzt eine von den beiden angerufen und die verrückte, ja schon fast dämliche Story erzählt. Sie hätten mit Sicherheit gewusst was jetzt zu tun war. Aber damit gefährdete ich wahrscheinlich auch ihr Leben. Niemals wollte ich schuld sein, wenn ihnen was passierte, da machte ich lieber alles auf eigene Faust und riskierte es, das ich scheiterte. Auch wenn die Pille bitter war! Ich stand auf und lief kurz auf und ab, um meine Gedanken zu sortieren. Wie sicher war ich mir, dass es die Nacht war, die der Psychopath mit meinem dunklen Geheimnis meinte? Gar nicht, so viel stand fest, aber das war die einzige Sache, die er oder sie meinen konnte. Was anderes kam eigentlich gar nicht in Frage. Also stand es fest, ich musste herausfinden was damals wirklich passiert war in der Nacht des Schreckens. Vielleicht würden sogar meine Erinnerungen wiederkommen und ich hätte endlich Gewissheit, nur stellte sich mir die Frage, ob ich wirklich wissen wollte, was damals passiert war. Eigentlich hatten mir die Aussagen der Polizei und der Zeitungsberichte immer gereicht, aber vielleicht steckte wirklich mehr dahinter. Aber das würde ich nur erfahren, wenn ich mich wieder daran erinnern könnte. Und vielleicht weiß ich dann auch, was die Person von mir will und vielleicht wie ich ihn oder sie aufhalten kann.

 

Kapitel 4

 

Ich bestellte mir ein Taxi und nachdem ich dem Fahrer die Adresse genannt hatte, ließ ich mich erleichtert in den Sitz fallen. Es tat irgendwie gut von dieser Wohnung weg zu kommen. Ich fühlte mich dort nicht mehr sicher. Nicht nachdem was ich gesehen und in der Wohnung erlebt hatte. Ich hatte versucht mich an meine Kindheit zu erinnern, vor dieser Nacht. Auf der Suche nach einem Hinweis, der mir vielleicht dabei helfen würde, was in der Nacht geschehen war. Doch meine Erinnerungen an meine Kindheit, waren nicht mehr die Besten, teilweise waren sie verschwommen. Ich wusste nur, dass meine Mutter schon damals komische Phasen hatte, in denen sie nicht gut zu sprechen war und ich mich dann immer in mein Zimmer verzogen hatte. Ich konnte mich noch an eine Sache erinnern, als ich damals im Wohnzimmer spielte. Dabei schmiss ich versehentlich einen wichtigen Gegenstand meines Vaters herunter, der dann zu Bruch ging. Ich wusste noch, wie meine Mutter daraufhin auf mich zukam, wie ferngesteuert wirkte und einen komischen Blick drauf hatte, den ich nicht richtig deuten konnte. Sie sagte nichts, sie stand einfach nur da und plötzlich gab sie mir eine Ohrfeige. Geschockt und mit Tränen in den Augen sah ich sie an. Sie sagte immer noch nichts. Doch ihr Blick hatte sich etwas verändert, er wirkte fast ängstlich. Dann schrie sie mich auf einmal an und befahl mir, dass ich verschwinden soll. Da erst löste ich mich aus meiner Starre und verschwand in mein Zimmer. Seitdem hatte ich immer einen Bogen um sie gemacht, wenn sie diesen leeren und gläsernen Blick hatte. An meinen Vater konnte ich mich noch weniger erinnern. Ich wusste nur, dass er kaum zu Hause war. Und wenn er es doch einmal war, dann bekam ich ihn kaum zu Gesicht. Da mir das alles nicht weiterhalf, entschloss ich mich dazu zum Haus meiner Tante zu fahren. Ich hatte einen Ersatzschlüssel und ich wusste, dass sie auch noch einen Schlüssel zu meinem Elternhaus hatte. Da das Haus, in dem wir früher gewohnt hatten, meiner Mutter gehörte und meine Tante es nicht verkauft hatte, stand es die ganzen Jahre lang leer. Ich wusste von ihr, dass sie manchmal dort nach dem Rechten sah. Sie hatte mich zwar mal gefragt, ob ich nicht das Haus später einmal haben wolle, aber bis jetzt war ich von der Idde, dort wieder einzuziehen, nicht begeistert gewesen. Weil sie es auch nicht verkaufen wollte, haben wir es bis heute noch behalten. Meine Tante hatte es zwar etwas ausgeräumt aber sie hat mir erzählt, dass sie ein paar Sachen auf dem Dachboden gelagert hatte. Vielleicht fand ich dort etwas, das mir weiterhalf. Außerdem konnte ich mir das Auto meiner Tante ausleihen, dann musste ich mir kein Taxi bis dorthin nehmen. Mein Elternhaus lag etwas außerhalb der Stadt und die Fahrt bis dorthin würde bestimmt etwas mehr kosten. Der Taxifahrer riss mich aus meinen Gedanken als er verkündete, dass wir angekommen waren. Eilig bezahlte ich den Mann und stieg aus. In meiner Tasche trug ich nicht nur mein Handy mit mir herum, dessen Akku halbvoll war, sondern auch das andere Handy. Zwar missfiel es mir damit herumzulaufen aber vielleicht schrieb der Irre etwas und ich wollte gewappnet sein für den Fall. Ich schloss die Haustür auf und ging in das Haus meiner Tante. Ich wollte nur kurz die Schlüssel holen und wieder gehen. Da ich wusste, dass die Schlüssel im Wohnzimmer lagen, ging ich dorthin und wäre am liebsten rückwärts wieder raus gelaufen. Schockiert blieb ich vor dem Wohnzimmer stehen und sah ungläubig zur Wand, die mir gegenüber stand. Sofort gefror mir wieder das Blut in den Adern und alle Alarmglocken in mir schrillten auf. Und wieder kroch die Angst in mir hoch, während mir mein Schlüssel aus den Fingern glitt und klirrend zu Boden fiel. Im ersten Moment wollte ich alles tun, weinen, schreien, vor Wut etwas kurz und klein schlagen, aber am liebsten wäre ich einfach weggelaufen. Doch stattdessen trat ich ins Wohnzimmer und ging auf die Wand zu, in der Hoffnung, dass wenn ich nur nah genug heran trat, sich alles in Luft auflösen und dies nur ein schlechter Scherz sein würde. Doch leider war es nicht der Fall. Dafür beruhigte ich mich etwas, denn das Blut, wofür ich es zuerst gehalten hatte, war Gott sei Dank nur rote Farbe. Kurz war ich etwas erleichtert, doch dann erschrak ich, denn die Nachricht die da mit roter Farbe geschrieben worden war, war ganz und gar nicht beruhigend. Nein im Gegenteil! Sie ließ mir wieder das Blut in den Adern gefrieren. Dort stand quer über die Wand geschrieben: „Beeil dich!“. Ich soll mich beeilen? Bevor was passiert? Bevor er mich holen kommt? Ein Schauer nach dem anderen jagte mir den Rücken runter. Er oder sie war auch in das Haus meiner Tante eingebrochen! Irgendwie machte mir der Gedanke noch mehr Angst. Was sollte ich jetzt bloß tun? Ob es meiner Tante wirklich gut ging? Was ist, wenn sie und ihr Freund nie auf dem Schiff angekommen waren? Nein das war quatsch, denn sie hatte mich an ihrem ersten Tag angerufen und mir vorgeschwärmt, wie schön es dort war. Aber was ist, wenn der oder die Verrückte zu ihr auf das Schiff gekommen war? Ich wusste, dass das auch nicht sein konnte, denn so leicht würde derjenige nicht wieder runterkommen vom Schiff. Ich drehte mich um und versuchte mich zu beruhigen, bevor ich noch komplett durchdrehte. Ich brauchte jetzt unbedingt einen klaren Verstand, ich durfte es mir nicht erlauben vor Sorge durchzudrehen. Das wollte der Psychopath nur erreichen. Mich vor Angst und Sorge verrückt machen, um sich dann ins Fäustchen zu lachen. Ich schnappte mir die Hausschlüssel unseres alten Hauses von der Kommode und hob dann meinen Schlüssel auf, den ich fallen gelassen hatte. Ich ging in die Garage, wo mich der nächste Schreck erwartete. Auf dem Fenster der Fahrertür klebte ein Foto, auf dem ich zu sehen war.
Es wurde vor wenigen Augenblicken geschossen. Das Bild zeigte mich, wie ich in das Taxi einstieg. Mir wurde eiskalt, kurz hatte ich die Hoffnung, dass das Foto alt war aber ein Blick auf meine Klamotten gab mir die Gewissheit, dass es gerade eben geschossen worden war. Mir wurden zwei Sachen gleichzeitig bewusst. Zum einen hatte der oder diejenige mich die ganze Zeit beobachtet, tat es vielleicht auch jetzt noch und wusste genau wohin ich gehen würde. Und zum anderen, was weitaus schlimmer war, musste er oder sie kurz vor mir hier gewesen sein. Vielleicht war er sogar immer noch hier im Haus. Meine Knie wurden weich und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Sollte ich das Haus durchsuchen oder sollte ich ins Auto einsteigen und das machen was ich eigentlich vorhatte? Wenn ich das Haus jetzt durchsuchte, könnte ich herausfinden, ob der Verrückte wirklich noch hier war. Die einzige Frage war nur, ob ich ihn dann überwältigen könnte? Und was ist, wenn er hier nicht mehr war und ich meine Zeit damit verplempern würde? Ich schloss kurz meine Augen, riss dann das Bild von der Autoscheibe ab und stieg ins Auto. Nach allem was passiert war, entschied ich mich letztendlich dafür meinen eigentlichen Plan beizubehalten. Ich startete den Motor, drückte auf die Fernbedienung für das Garagentor und fuhr dann los. Ich kam an meinem Elternhaus an und schaltete den Motor aus. Die ganze Fahrt über musste ich daran denken, dass er oder sie mich wochenlang beobachtet haben musste. Sonst würde er nicht wissen, wo meine Tante wohnte und das ich mir manchmal den Wagen von ihr lieh. Wahrscheinlich wusste er deshalb, dass er das Foto dort platzieren konnte, damit ich es auch sehen würde. Das Foto sollte mich einschüchtern, war aber zugleich auch eine Warnung, das wusste ich. Er oder sie wollte damit sagen, dass er mich beobachtet und mir immer einen Schritt voraus ist. Ich bekam Gänsehaut, als ich daran dachte, dass er mich jetzt wahrscheinlich auch gerade beobachten würde. Ich nahm meine Tasche von der Beifahrerseite und wühlte darin herum. Ich hatte das Auto nicht direkt vor dem Haus abgestellt, sondern ein paar Meter davor. Ich sah kurz auf, um mich noch einmal umzusehen. Die Gegend hatte sich kaum verändert. Das Haus lag etwas außerhalb der Stadt in der Nähe von einem Wald. Es war ein großer freier Platz, an dem das Haus stand. Daneben war eine Garage und etwas weiter hinten stand eine Scheune. Direkte Nachbarn gab es keine, erst wieder ein paar hundert Meter weiter. Dieses Haus, in das wir dann einzogen, gehörte eigentlich meinen Großeltern, sie waren aber früh verstorben und haben es dann meiner Mutter vermacht. Damals hatten meine Großeltern eine kleine Farm mit Tieren, deswegen die Scheune und auf den weiten Feldern standen früher einmal ein paar Ställe und Zäune. Nach dem Tod meiner Großeltern kam alles weg, nur noch die Scheune ist geblieben. Ich kramte weiter in meiner Tasche und zog dann vorsichtig ein Messer heraus. Bevor ich meine Wohnung verlassen hatte, hatte ich mir zum Glück geistesabwesend ein kleines Küchenmesser geschnappt und es kurzerhand in meine Tasche geschmissen.
Ich war ziemlich erleichtert darüber, dass ich das noch gemacht hatte. Wer weiß was mich da im Haus erwarten würde und ich wollte auf keinen Fall dem Psychopathen schutzlos ausgeliefert sein. Denn weit konnte er nicht sein, dass hatte er mir ja deutlich zu verstehen gegeben. Das Messer war zwar klein aber dafür konnte ich es besser verstecken. Ich überlegte kurz und stopfte es dann vorsichtig in meine Sneakers . Dann holte ich aus meiner Handtasche das Handy von diesem Psychopathen raus. Während der Autofahrt ist mir nämlich eine Idee gekommen. Ich hatte mir bis jetzt das Handy noch nicht genauer angeschaut, vielleicht war noch irgendetwas darauf, das ich übersehen hatte, das mir vielleicht weiterhelfen würde. Das Handy hatte so gut wie gar keine Apps, auch das Telefonbuch zeigte keine gespeicherten Nummern an, also probierte ich es in der Galerie und wurde dort schnell fündig. Mir wurde wieder schlecht und ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper. Da waren so viele Fotos von mir! Also hatte ich Recht mit meiner Vermutung, dass er mich schon seit Wochen gestalkt hatte! Es gab zu fast jeder Tätigkeit, die ich in den vergangen Wochen getan hatte, ein Foto. Irgendwann wischte ich schneller weiter, weil mir immer übler bei der Vorstellung wurde, dass mich jemand zu jeder Zeit beschattet und fotografiert hatte. Ich wollte schon das Handy wegschmeißen, als mich ein Bild innehalten ließ. Fast hätte ich es übersehen. Zwischen den ganzen Bildern von mir gab es noch ein anderes Bild, was so gar nicht dort reinpasste. Verwirrt schaute ich genauer darauf. Auf dem Bild war so etwas wie eine offene Schrankschublade zu sehen. Was hatte nun das wieder zu bedeuten? Ich zoomte mit meinen Fingern näher an das Bild heran. In der Schublade war lauter Krimskrams zu sehen. Ich wollte das Handy schon wieder fast weglegen, als mich wieder etwas innehalten ließ. Unter dem ganzen Zeug bildete ich mir ein, einen Schlüssel zu erkennen. Der Schlüssel war blau angemalt, weswegen er mir überhaupt auffiel. Aber was sollte das bedeuten? Was ist das für ein Schlüssel? Und noch viel wichtiger, was war das für eine Schublade? Da das Bild nur den Inhalt der Schublade zeigte, konnte man nicht erkennen zu was er gehören sollte. Nun stellte sich nur noch die Frage, ob mich das in die Irre führen sollte, ob das ein Hinweis war oder ob das einfach gar nichts zu bedeuten hatte? Verwirrt steckte ich das Handy in meine Jackentasche und mein eigenes Handy gleich dazu ehe ich die Autoschlüssel und den Hausschlüssel nahm und aus dem Auto stieg. Es dämmerte langsam, weshalb ich mich beeilte zur Haustür zu kommen. Währenddessen schaute ich mich unauffällig um und hielt meine Ohren offen. Doch sah ich weder jemanden noch hörte ich was rascheln. Es war schon fast gespenstisch. Als ich endlich an der Tür angelangt war, holte ich den Schlüssel raus und wollte die Tür aufsperren, erst da bemerkte ich, dass die Tür nur angelehnt war. Alarmierend schob ich leise die Tür auf, blieb in der Türschwelle stehen und lauschte. Nach ein paar Sekunden, in denen ich nichts hörte, ging ich ins Haus hinein.

Kapitel 5

Ich schloss sicherheitshalber hinter mir die Tür und sah mich erst mal um. Ich stand im Gang, rechts von mir kam man ins Wohnzimmer, links in die Küche und daneben war eine Tür die ins Badezimmer führte. Mein früheres Kinderzimmer befand sich geradeaus den Gang entlang und daneben war auch eine schmale Treppe die nach oben führte. Nachdem ich immer noch kein Geräusch gehört hatte, ging ich leise alle Zimmer durch. Dabei schlug mein Herz bis zum Hals und jeder Muskel in meinem Körper war angespannt. Die Küche sah aus wie früher, sie wurde kaum ausgeräumt, im Wohnzimmer hingegen stand nur noch das Sofa. Aber an einem anderen Platz. Da ich nicht genau wusste wonach ich suchte, beschloss ich erst mal alle Zimmer durchzugehen. Vielleicht sprang mir ja was ins Auge und wenn nicht, dann konnte ich immerhin nachschauen, ob ich wirklich alleine war. Ich kam zu meinem früheren Zimmer und machte die Tür auf, auch hier war alles normal. Bis auf, dass das Zimmer leergeräumt worden war. Auch die obere Etage erwies sich als normal und nicht besonders. Fast verlor ich den Mut und fing an mich zu fragen, was das Ganze für einen Sinn hatte. Hier würde ich niemals auf meine Erinnerungen stoßen. Mein letzter weg führte mich zum Dachboden. Vielleicht würde in den Kisten irgendetwas drin sein, das mir weiterhelfen würde. Oben angekommen blieb ich verwirrt stehen. Statt Kisten, die ich hier erwartet habe, war der Dachboden komplett leer. Bis auf einen Zettel, der auf dem Boden lag. Verwirrt sah ich mich um, doch ich konnte in keiner Ecke irgendwelche Kisten entdecken. Warum war der Dachboden leer? Wo sind all die Kisten hin? Ich hatte eine schreckliche Vorahnung als ich zum Zettel ging und mich danach bückte. Ich holte mein Handy raus und machte die Taschenlampe an, da ich den Zettel kaum lesen konnte: „Die schlimmsten Geheimnisse findest du gut verpackt im Keller!“ Verwirrt sah ich auf. Keller? Was soll damit gemeint sein, das Haus hatte keinen Keller! Schon damals haben wir unsere ganzen Sachen, die wir nicht gebraucht haben, auf den Dachboden getan oder in die…Scheune! In die Scheune ja! Das muss wohl damit gemeint sein. „In der Scheune werde ich hoffentlich die Lösung auf meine Fragen finden.“ Ich stand auf und lief schnell die Treppe herunter. Plötzlich vibrierte das Handy in meiner Hand, das ich immer noch vor mich hielt als Taschenlampe, da es im Haus immer dunkler geworden war. Ich zuckte kurz zusammen und sah auf das Handy, erst da bemerkte ich, dass ich vorhin das falsche Handy genommen hatte. Das war das Handy, das mir der oder diejenige hinterlassen hat. Zitternd blieb ich kurz stehen und öffnete die neue Textnachricht, die ich eben empfangen hatte: „Die Zeit ist gleich um!!“ Ich fing noch mehr an zu zittern und beschleunigte meine Schritte etwas. Als ich draußen war, lief ich schnell zur Scheune rüber nur um dann frustrierend davor stehen zu bleiben. Die Scheune war abgesperrt! Ich versuchte mich zurück zu erinnern und tatsächlich fiel mir ein, dass sie schon so gut wie immer verschlossen war. Dann langsam erinnerte ich mich, wie meine Mutter mich auch davor gewarnt hatte dort hineinzugehen. Angeblich waren noch alte Geräte von meinen Großeltern dort gelagert und sie hat gemeint, das es da zu gefährlich ist, weil diese schon alt und verrostet seien. Deshalb war die Scheune auch abgesperrt worden. So ein Mist! Ich stapfte ärgerlich auf und ab. Los denk nach Ella, wo befand sich dieser Schlüssel? Ich konnte mich nicht daran erinnern. Moment mal! Schlüssel? Schnell hob ich das Handy in meiner Hand hoch und klickte nochmal auf die Galerie. Ich suchte nach dem Foto und sah es mir nochmal genauer an. Ob dieser blau angemalte Schlüssel auf dem einen Foto der Schlüssel für die Scheune war? Aber welche Schublade war das? Ich überlegte wo ich überall ein Möbelstück mit so einer Schublade gesehen hatte, während ich wieder langsam zum Haus rüber lief. Ich sah nochmal auf das Foto. Die Schublade drum herum hatte eine helle Farbe. Ich überlegte weiter und dann viel es mir auf einmal wieder ein. Wie konnte ich das nur übersehen? Ich rannte schneller zum Haus öffnete die Tür und lief weiter zur Küche, dort schob ich alle Schubladen auf. Die Küche hatte fast alle Möbelteile noch und sie war hell. Ich zog eine Schublade nach der anderen auf, bis ich die Richtige fand. Nach einer kurzen Sucherei hatte ich zwischen all dem Krimskrams den Schlüssel entdeckt. Schnell rannte ich wieder nach draußen und hielt das Handy mit der eingeschalteten Taschenlampe als Wegweiser vor mich hin. Dabei war es mir egal, ob ich dabei zu viele Geräusche machte. Ich wollte nur endlich wissen was in dieser doofen Scheune war und den Spuk endlich beenden. Ich wollte, dass es einfach vorbei war. Vor der Tür endlich angekommen nahm ich das Schloss in meine Hand und betete, dass der Schlüssel passte. Der Schlüssel passte ins Schloss und mit klopfendem Herzen schloss ich auf und öffnete die Scheune. Zitternd trat ich ein und was ich sah ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

Kapitel 6

Ich war wieder ein kleines Mädchen und spielte draußen im Garten. Es war so langweilig das ich auf die Idee kam mich in der Scheune umzuschauen. Ich hatte Mama zwar versprochen nicht hinein zu gehen, weil dort Geräte standen, aber ich wollte mich nur einmal kurz umsehen. Also ging ich leise rein, drauf bedacht, dass mich niemand sah. Als ich drin war, war ich etwas sauer, denn Mama hatte mich eindeutig angelogen. Es waren zwar ein paar große Geräte in der Scheune, aber die wurden schön zur Seite geschafft. In der Mitte hatte man genug Platz, genug Platz um zu spielen. Es war sogar ein großer Tisch in der Mitte, zumindest sah es so aus wie einer. Etwas seitlicher wurden sogar ein paar Regale aufgestellt, doch was alles darin war konnte ich nicht genau erkennen. Fasziniert lief ich durch den Raum, als ich auf einmal Schritte und Stimmen hörte, die sich der Scheune näherten. Aus Angst doch noch Ärger zu bekommen, lief ich schnell hinter eines der Geräte, um mich zu verstecken. Hoffentlich bemerkte mich hier niemand. Die Tür wurde geöffnet und es kamen Schritte herein. Wer das war wusste ich nicht, da ich die Person von meiner Position aus nicht sehen konnte und ich Angst hatte etwas vorzutreten, aber ich erkannte, dass es zwei Stimmen waren. Die eine erkannte ich sofort. Das war Papa! Die andere Stimme erkannte ich auch nach ein paar Sekunden. Das war der Kerl, den ich irgendwie nicht mochte! Was sie genau sagten wusste ich nicht, dafür sprachen sie zu leise. Auf einmal gab es einen Rums und Papa sagte zu dem anderen, dass er die Tür schließen soll. Und dann war es ein paar Minuten still. Ich dachte schon sie wären gegangen und ich könnte endlich aus meinem Versteck heraus. Doch auf einmal hörte ich ein komisches Kratzen. Neugierig hielt ich es nicht mehr an meinen Platz aus und trat etwas heraus, um zu sehen, was dieses Kratzen sein könnte. Ich sah Papa, der über dem Tisch gebeugt stand. In der Hand hielt er ein Werkzeug, eine Säge. „Was er da wohl sägte?“ Er war überall ganz rot, das sah aus wie Blut und das an dem er da sägte sah aus wie…plötzlich wich ich vor Schreck zurück. Über mir tauchte auf einmal dieser Kerl auf und lächelte mich an, im ganzen Gesicht hatte er kleine Farbkleckse: „Na Kleines, hast du Lust mitzuspielen?“ Fragte er mich und grinste mich dabei an. Dann auf einmal wollte er mich packen, doch ich wich schnell aus und schaffte es zwischen seine Beine hindurch. Ich rannte weiter zur Scheunentür. So schnell ich konnte riss ich sie auf und rannte immer weiter raus, zurück zum Haus. Während mir das Lachen von dem Mann in den Ohren summte.

Ich schüttelte die Erinnerung ab und kehrte wieder in die Gegenwart zurück, während mein ganzer Körper zitterte und mein Herz wie wild pochte. Mein Blick viel dabei auf den Tisch, der mich mehr an einen Altar erinnerte. Er stand immer noch da und sah sehr gruselig aus. Damals bin ich zu meiner Mutter gerannt und hab ihr unter Tränen gestanden, was ich getan und gesehen hatte. Sie packte mich an meinen Schultern und sagte zu mir: „Vergiss das alles hörst du? Und das nächste Mal hörst du auf mich, du dummes Kind!“ Danach kam das Schloss an die Scheunentür und ich tat was meine Mutter mir sagte, ich verschloss die Erinnerung daran ganz tief in mir und wagte nie wieder einen Schritt in die Richtung der Scheune. Was hatte das zu bedeuten? Was hat mein Vater damals hier getrieben? Und wer war dieser Mann damals gewesen? Und wusste meine Mutter etwa über alles Bescheid? Ich verstand gar nichts mehr und ging weiter in den Raum hinein. Hinten standen immer noch diese ganzen Regale. Ich wollte näher heran treten und mir alles genauer ansehen, doch ein Geräusch von draußen ließ mich innehalten. Wie damals versteckte ich mich hinter den großen Geräten und schaltete die Taschenlampe aus. Kurz darauf piepste wieder dieses Handy. Fluchend schaltete ich das Handy auf stumm ehe ich die neue Textnachricht öffnete. Inzwischen waren eindeutig Schritte zu hören, die sich auf die Scheune zu bewegten. In der Nachricht stand: „Und? Hast du dich an was erinnert?“ Gleich danach kam noch eine Nachricht an: „Ich komme dich jetzt holen, Kleines!“ Ich schluckte schwer und steckte das Handy weg. Ich versuchte so leise zu atmen wie möglich, mein Herz raste wie wild und dann hörte ich wie die Scheunentür geöffnet wurde.

Kapitel 7

Inzwischen pochte mein Herz so laut, dass ich Angst hatte man könnte es sofort hören konnte. Diesmal konnte ich von meinen Versteck aus, direkt auf die Tür sehen und deshalb sah ich auch wie die Tür geöffnet wurde. Hätte das wenige Mondlicht nicht von draußen reingestrahlt, hätte ich nicht bemerkt wie der lange Schatten hinein glitt und vor der Tür stehen blieb. Mein Herz pochte noch schneller und Angst durchflutete meinen Körper. Zuerst konnte ich nur den Umriss erkennen, doch als sich meine Augen immer mehr an das dunkle Licht gewöhnt hatten, sah ich das die Gestalt vor mir einen dunklen Hoodie trug, die Kapuze hatte er sich tief ins Gesicht gezogen. Auch seine Hose war dunkel und seine Hände steckten in seiner Hosentasche. Dann zog er die Hände aus der Hosentasche und entblößte damit seine schwarzen Handschuhe, die er trug. Ich versuchte noch flacher zu atmen, während ich ihn dabei nicht aus den Augen ließ. Er schlug seine Kapuze zurück, doch trotzdem konnte ich nur schemenhaft sein Gesicht erkennen, mehr nicht, dafür war es zu dunkel und er sah nicht in meine Richtung. Trotzdem sagte etwas in mir, dass ich diese Person kannte und dass ich schleunigst von hier verschwinden sollte. „Weißt du eigentlich wie viel Ärger du mir eingebracht hast?“ Fing er auf einmal an laut zu reden. Während er in seine Jackentasche griff und etwas herausholte. Ich wich etwas zurück und versuchte meine aufkommende Panik zu unterdrücken. „Wegen dir, ist alles zu Bruch gegangen!“ Langsam löste ich mich aus der Starre und suchte fieberhaft mit meinen Augen nach einem Ausgang. Während der Verrückte weiter redete und ebenfalls seinen Blick im Raum schweifen ließ: „Wegen dir ist alles in die Brüche gegangen, aber heute ist Zahltag Kleines!“ Er ging ein paar Schritte in den Raum hinein und ich drückte mich an der Wand rechts entlang. Ganz vorsichtig und langsam schlich ich um das große Gerät herum, zum Ausgang. Während er weiter in den Raum hineinlief und seinen Blick schweifen ließ: „Na los komm schon raus! Ich weiß das du hier drin bist, bringen wir es zu Ende oder soll ich doch erst mit deiner Tante weiter machen?“ Ich blieb wie angewurzelt stehen und er drehte sich augenblicklich um, auch wenn das Gerät vor mir mich eigentlich noch verdecken müsste, sah er direkt in meine Richtung und fing an zu lächeln. „Du kannst dich immer noch nicht an alles erinnern oder?“ Er legte den Kopf schräg und kam dann auf mich zu. „Soll ich dir helfen dich zu erinnern, bevor ich es zu Ende bringe?“ Unbewusst ging ich einen Schritt zurück und spürte die Wand der Scheune hinter mir. Alles in mir schrie und Angst drohte mich zu lähmen, während er immer weiter auf mich zu kam und dann ganz plötzlich konnte ich sein Gesicht richtig sehen. Und mit einem Mal wusste ich wer er war. Er war der andere Mann, nein als Kind dachte ich er wäre ein Mann, aber in Wahrheit war er noch ein Teenager gewesen, der mit dem fiesen Grinsen und der mich packen wollte. Ich bekam Gänsehaut und mit einem Mal trat ich aus meinem Versteck, weil ich wusste, dass das Versteckspiel nun vorbei war und es keinen Zweck mehr hatte. Ich versuchte meine Angst hinunter zu schlucken und Adrenalin schoss in meine Adern. Diesmal redete ich: „Du bist der junge Mann, der damals mit meinem Vater in der Scheune war.“ Er lachte und blieb vor mir stehen, jetzt sah ich auch was er aus der Jackentasche gezogen hatte. Es war ein Messer. Ich schluckte schwer. „Wie wenig du dich erinnern kannst, ich bin mal so nett und helfe dir auf die Sprünge.“ Er lächelte mich an während er weiter erzählte: „Um genauer zu sein bin ich nicht irgendein Mann. Ich erzähle dir mal kurz meine Geschichte. Meine Mutter war eine kranke, drogenabhängige Schlampe, die ihren Körper für einen kleinen Drogenkick verkaufte und dann dabei unglücklicherweise Schwanger wurde und in Folge dessen mich zeugte. Ich muss dir sicherlich nicht erzählen in was für einem Drecksloch ich aufgewachsen bin. Als dann auf einmal mein Erzeuger vor unserer Haustür stand, anscheinend hatte sie ihm in ihrem Rausch gesteckt, dass er einen Sohn hatte mit ihr. Er holte mich raus aus dem Dreck, brachte mich in einer Bude unter, wo ich mich zwar um mich selber kümmern musste, aber es tausendmal besser war als in dem Wrack, das meine Mutter unser zu Hause nannte. Er brachte mir sogar sein Handwerk bei, wie man nutzlose, erbärmliche Geschöpfe loswird.“ Meine Augen wurden groß und ich schaute ihn geschockt an, was ihn nur noch mehr zum Lachen brachte: „Ja du weißt genau wovon ich spreche. Weißt du, ich liebe das Geräusch, wenn Knochen brechen und erst diese Schreie…aber ich schweife ab. Weißt du alles lief echt bestens und ich glaube du kannst dir auch vorstellen, wer mein Vater war. Wir sind sozusagen Halbgeschwister.“ „Nein! Das kann nicht sein!“, erwiderte ich laut Hals. Ich trat ein paar Schritte zurück bis ich wieder die Wand in meinem Rücken spürte und ließ mich dann einfach daran hinunter sinken. Der Typ lachte krank auf: „Was überrascht dich denn da so sehr? Das dein Halbbruder genauso genial war wie dein Vater? Ah nein für euch sind wir ja nur Mörder und Abschaum. Dabei haben die Leute nur Angst vor uns, was wundert es dich denn? Deine Mutter war genauso krank im Kopf. Auch wenn sie keine Leute, so wie wir, geschlachtet hat, dafür hat sie aber unser liebes Geheimnis bewahrt. Musste sie auch, sie hatte viel zu viel Angst vor unserem Vater, dass musst du dir mal vorstellen. Sie hat sich sogar manchmal schützend vor dich geschmissen, sodass du kaum was mitbekommen hast, aber dafür musste ihre Seele darunter leiden.“ Ich sah zu ihm auf und versuchte alles zu verarbeiten. „Ich glaub dir kein Wort! Wenn du angeblich mein Halbbruder bist, warum hat mir nie jemand was von dir erzählt? Und was hat das alles hier mit mir zu tun?“, fragte ich und sah ihn ängstlich an, doch tief in mir drin wusste ich das er Recht hatte. Das erklärte auch, warum ich meinen Vater damals nur selten zu Gesicht bekommen hatte, das erklärte warum meine Mutter immer mehr solche Ticks bekam. Weil sie einfach mit ihren Nerven am Ende war. Er sah mich finster an und redete dann weiter: „Wieso hätten wir dir was sagen sollen? Du warst nichts weiter als ein dummes, kleines Kind und wir waren uns noch nicht mal sicher, ob wir dich nicht lieber auch töten sollen. Hätten wir es bloß getan…weißt du in dieser Nacht war ich auch da. Ich kam aber zu spät, deine Mutter hatte ihn schon getötet und ich wusste, dass die Polizei schon auf dem Weg war. Also blieb mir nichts anderes übrig als die Beweise verschwinden zu lassen. Als ich damit fertig war, waren sie leider schon da.“ Er seufzte auf: „Wenn ich schneller gewesen wäre, hätte ich euch beide getötet. Aber leider waren die Bullen schneller und ich sah das meine Chance mich zu rächen vorbei war.“ Ich schüttelte wieder mit dem Kopf: „Wenn das wirklich stimmt was du da sagst, wie konntest du dann die Beweise für eure Morde so schnell verschwinden lassen? Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, das ihr das alles die ganze Zeit unentdeckt getan haben könnt.“

Er grinste mich wieder an: „Ich wäre wohl sehr dumm, wenn ich dir unser Geheimnis verraten würde und zu dem anderen, da musste ich nicht viel wegschaffen. Zwar wurde die Scheune hier untersucht aber nur oberflächlich. Wozu auch noch? Sie hatten doch schon die Mörderin in ihrer Gewalt. Ja das dachten sie und ich dachte es auch. Und dann fand ich etwas heraus und jetzt rate mal was es war!“ Er ging ein paar Schritte auf mich zu, beugte sich zu mir vor und sah mich mit großen Augen an: „Du hast ihn getötet!“ Nein! Er lügt, dachte ich mir. Doch als er das sagte wusste ich, dass er Recht hatte.

Ich sah mich wieder als kleines Kind vor der Wohnzimmertür stehen. Ich streckte meine kleine Hand aus, legte sie auf die Türklinke und öffnete die Tür. Und dahinter sah ich etwas das mir die Knie weich wie Pudding werden ließ. Ich sah meinen Vater, der eine Vase in der Hand hielt und meine Mutter, die am Boden lag und um Gnade winselte und vor Schmerzen stöhnte. Mein Vater stand über ihr und holte gerade zum nächsten Schlag aus, als meine Füße sich wie von selbst bewegten, auf meinen Vater zusprangen und ihn anschrien aufzuhören, ihn anflehten meiner Mama nicht mehr weh zu tun. Und dann ging mir die Luft aus, als mein Vater mich von sich schmiss und ich mit dem Rücken gegen die Wand knallte. Für ein paar Sekunden blieb mir die Luft weg und schwarze Flecken tanzten um meine Augen. Dann sah ich wie mein Vater über meiner Mutter kniete und ich hatte solche Angst, als sie zu schreien anfing. Solche Angst, dass ich neben mich griff. Erst später wusste ich, dass es ein Messer war. Ich nahm es in die Hand und rannte damit auf meinen Papa zu und stach damit zu. In seinen Rücken. Und weil ich merkte, dass er in seiner Bewegung innehielt, zog ich es heraus und nochmal hinein. Und dann klappte er einfach so zur Seite. Blut floss aus ihm raus und ich weinte und weinte. Bis Mama sich aufrappelte, mir das Messer aus der Hand nahm und mich zur Seite schubste. Ich kauerte in der Ecke und sah dabei zu, wie meine Mutter mit dem Messer immer und immer wieder auf meinen Vater einstach. Sie machte selbst dann weiter, als er aufgehört hatte zu zucken. Und ich saß da und schaute ihr dabei zu…

Das ist dein dunkles Geheimnis! Du bist eine Mörderin! Genauso wie ich und du hast mein Leben zerstört als du unseren Vater getötet hast und dafür wirst du jetzt bezahlen.“ Ich blinzelte und kam in die Gegenwart zurück. Ich sah etwas an der Seite aufblitzen und drehte mich im letzten Moment von seinem Messer weg. Dann spürte ich mein kleines Küchenmesser in der Hand und stach damit ebenfalls zu, doch anders als er traf ich mit meinem Messer. Es durchbohrte seinen Hals. Überrascht sah er mich an und ich nutze den Überraschungsmoment und stach nochmal zu, diesmal in den Bauch. Ich zog das Messer wieder raus und stach nochmal zu, immer und immer wieder. Mein Verstand war leer und ich dachte an nichts. Mein Verstand hatte sich verabschiedet. Erst als die Polizisten eintrafen, kam ich langsam wieder zu mir. Die Leiche meines Halbbruders war kaum zu erkennen. Überall war Blut und ich kauerte in der Ecke. Blutüberströmt mit meinem Messer in der Hand, flüsterte ich vor mich hin: „Ich bin eine Mörderin!“.

2 thoughts on “Mein Geheimnis

  1. Hallo Lisa, da hast Du Dir wirklich viel Zeit genommen eine so lange Geschichte zu schreiben. Ist ja fast schon ein Roman. 😉 Ich habe vorher nicht nachgesehen, wie lang die Geschichte ist und deshalb war ich auch nicht darauf eingestellt. Der Anfang hat mir wirklich sehr gut gefallen und war super spannend geschrieben, deshalb habe ich weitergelesen. In der Mitte zog es sich etwas, als ich merkte, dass es eine lange Geschichte ist. Da ist rein von der wirklichen Handlung nicht so viel passiert, das könnte man kürzen, damit die Spannung nicht verloren geht. Eine Kurzgeschichte lebt davon.
    Das letzte Kapitel fand ich dann wieder großartig -spannend und überraschend.

    Mein ♥️ hast Du!

    Vielleicht magst Du ja auch meine Geschichte “Stumme Wunden” lesen, das würde mich sehr freuen. 🌻🖤

    Liebe Grüße, Sarah! 👋🌻 (Instagram: liondoll)

    Link zu meiner Geschichte: https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/stumme-wunden?fbclid=IwAR1jjPqPu0JDYk0CBrpqjJYN78PYopCEU1VGdqzCvgp7O4jnGKQSFdS6m6w

    1. Hallo Sarah, danke für dein Feedback. 🙂
      Ja ich muss zugeben, dass ich sonst immer Geschichten schreibe und ich mich zum ersten Mal an einer Kurzgeschichte herangewagt habe. Es war sehr spannend für mich diese Erfahrung zu machen und es freut mich von Herzen, dass dir meine Geschichte gefallen hat, auch wenn sie etwas zu lange war. Aber das ist eine gute Anregung für mich, wenn ich nochmal eine Kurzgeschichte schreibe.

      Gerne schaue ich mal bei deiner Geschichte vorbei und lese sie in einer ruhigen Minute.
      Darauf freue ich mich schon. 🙂
      Ganz liebe Grüße zurück
      Lisa 💕💛🌈🍀🥰

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