frenagizziMein Gesicht der Rache

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Kurzgeschichte

„Identität“

    Mein Gesicht der Rache   

 

Nancy fröstelte, als sie sich auf den Heimweg machte. Das Zittern ihres Körpers nahm zu. Die Kälte, die sie verspürte lag nicht allein an der kühlen, frischen Nachtluft. Es war etwas viel tieferes in ihr. Ein kurzer Funke, ein Gedanke, ein Gefühl, dass ihren ganzen Körper schaudern ließ. Ihre dunklen Geister verfolgten sie, seit ihrer Jugend. Würde sie je zur Ruhe kommen?

Ihr Zuhause ragte im Dunkeln vor ihr auf. Ein alter Plattenbau – grau, eintönig, kalt. Umrandet von dunklen, großen Tannen. In Gedanken versunken, öffnete sie die Eingangstür und plötzlich schoss er auf sie zu.

 Ein kurzer Schreckensschrei entfuhr ihr, ihre Handtasche landete polternd auf dem Boden. Dieser dumme Kater. Er schaffte es immer wieder sie zu überraschen. Wie aufs Stichwort fing der Kater ein klagendes Miauen an, strich um ihre Beine und forderte sein Fressen. Sie hatte etwas Futter im Keller, als Reserve, um dem Streuner zu versorgen. Er schien sich, ausgerechnet in ihrem Wohnblock, eingenistet zu haben.    

 Auf dem Weg nach unten, am letzten Absatz des Treppenhauses, erwartete sie absolute Dunkelheit. Sie ging die Kellerabteile entlang und tastete sich langsam vorwärts. Es roch muffig, nach abgestandener Luft. Als sie allmählich den letzten Parzellen näher kam, fiel ihr ein kleiner blasser Schimmer auf. Es leuchtete in kurzen Abständen und eine Melodie drang, windend wie eine Schlange, in der Stille zu ihr durch. Sie schritt die letzten Meter auf ihr Abteil zu und stutze.

 Konnte das sein? Oder war sie zu weit gelaufen? Es kam aus Ihrer Kellernische.

Zitternd schloss sie ihr Abteil auf und machte Licht. Es sah aus wie immer. Alles stand an seinem Platz. Der Staub wirbelte in den Lichtstrahlen. Sie kontrollierte das Vorhängeschloss in ihren Händen und fand auch daran keine Auffälligkeiten. Es war definitiv abgeschlossen gewesen. Die Melodie verstummte und genau vor ihr, zwischen alten Zeitschriften und Büchern, lag es verloren am Boden – ein Handy. Ein Dutzend Fragen schossen Nancy durch den Kopf, für die sie keine Erklärung fand. Wie kam das Handy in ihren Keller? Hatte es ein Nachbar verloren oder vielleicht war der Hausmeister hier gewesen? Lag es wirklich aus Zufall hier? Was würde sie darauf finden?

 Ein seltsames Gefühl ergriff sie und trotz der merkwürdigen Umstände erfasste sie eine gewisse Neugier.

Ein kurzer Blick in das Telefon konnte bestimmt nicht schaden.Nervös und angespannt begann sie das Mobiltelefon zu durchsuchen. Was sie sah, erschauderte sie zutiefst. Ihr wurde heiß, sie schwitze, sie bekam kaum Luft. Raus, einfach nur schnell raus hier. Sie hatte das Gefühl die Wände kämen immer näher und näher und würden sie zerdrücken. Ihr Herz raste und der Magen rebellierte. Der Keller drehte sich, sie stolperte und fiel auf die Knie. Langsam wurde ihr schwarz vor Augen und die Dunkelheit umhüllte sie.

 Mit flatternden Lidern erwachte Nancy. Ihre Gedanken schälten sich langsam aus den Nebelschwaden in ihrem Kopf. Was war passiert?

 Das Handy! Es lag neben ihr auf dem Boden. Konnte das wirklich sein? Diese Bilder – nein das war nicht real. Sie musste allen Mut zusammen nehmen, um das Handy und die Fotos erneut zu betrachten. Es lag in ihrer Hand wie ein giftiger Skorpion. Voller Abscheu öffnete sie erneut das erste Bild.

Die Frau auf dem Foto musste tot sein. So viel Blut… und mit jedem weiteren Bild folgten mehr grässliche Details. Sie betrachtete die Bilder genauer und stockte. War das etwa… nein das war völlig unmöglich, das konnte nicht sein! Von den Bildern blickte sie sich selbst entgegen. Das Gesicht der Toten war ihr eigenes. Sie war lebendig, sie atmete und sah sich gleichzeitig tot auf einem Foto am Boden liegen.

 Was Sie jedoch so sehr daran ängstigte war, dass sie diese Bilder kannte! Es hatte sich in ihr Gehirn gebrannt, egal wie oft sie versuchte es zu verdrängen. Es war so viele Jahre her, aber vor ihrem dunklen Abgrund konnte Sie einfach nicht davon laufen.

Nach dem ersten Schock versuchte sie sich zu sammeln. Wer wusste von ihrem Geheimnis? Was sollte Sie jetzt tun? Holte Sie ihre Vergangenheit jetzt endgültig ein?

 Atmen, ruhig atmen. Bilder und Erinnerungsfetzen jagten durch ihren Kopf. Erinnerungen, so real, als könnte man sie ergreifen. Überschattet wurde das Ganze vom eisernen Geruch nach Blut und dem Gestank des Todes. Wir waren alle so jung… und es war doch ein Unfall.

 Wie paralysiert hatte sie es, am Abend, noch in ihr Bett geschafft – ständig die Bilder vor Augen. An Schlaf war natürlich nicht zu denken. Langsam kroch das Morgengrauen durch die Fenster und Nancy war noch immer in ihren Gedanken gefangen. Sie brauchte Hilfe. Allein kam sie sich so verloren vor. Wem konnte sie vertrauen? Ein Fehler, ein kleiner Fehler und ihr Leben wäre für immer zerstört. Was tat sie hier eigentlich? Schluss mit diesen Lügen! Irgendjemand wollte Ihr Angst machen, sie eiskalt an die Vergangenheit erinnern. Das war gelungen. Waren die Fotos manipuliert? War es eine Puppe, eine Attrappe, die täuschend echt drapiert wurde? Schritt für Schritt gab es nur einen Weg zur Wahrheit, um endlich dieses Mysterium hinter sich lassen.

 Das Schwerste hatte Nancy somit noch vor sich. Sie hätte nie gedacht, dass sie ihn wieder sehen würde. Schon gar nicht so, unter diesen Umständen. Nancy hatte sich geschworen alles zu vergessen, auch ihn zu vergessen. Eines teilten sie sich jedoch immer, nämlich ihr Geheimnis.

Es hielt sie beide fest umschlungen, wie ein unsichtbares Band. Nancy musste zu ihm gehen und nach all den Jahren einen Abschluss finden. Sie hoffte, dass er ihr helfen würde. Ein letzter Gedanke, den sie aber nicht wahr haben wollte, keimte in ihr auf. Könnte er hinter diesen Fotos stecken? Wäre das möglich? Oder zerstörte sie damit sein Leben, indem sie alte Wunden aufriss?Egal wie, sie musste zu ihm. Eilig schnappte sie sich ihre Tasche und Autoschlüssel und rappelte sich auf. Sie kannte den Weg und bevor sie ihren Mut verlieren würde, raste sie mit ihrem Auto los.

 Angekommen stieg sie aus ihrem alten Toyota und sah ihn genau vor sich. Er hatte sich kaum verändert. Langsam ging sie auf ihn zu. Als hätte er ihre Anwesenheit gespürt, drehte er sich um und blickte ihr geradewegs in die Augen.

„Hallo Schwesterherz“, sagte er.

„Für dich immer noch >>Stiefschwester<<. Wie geht´s dir“?

 Sie kam sich unglaublich dumm vor. Bastian war anders. Er war impulsiv und hielt sich selten zurück. Er war immer ihr großer Bruder gewesen, ihr Beschützer auf den sie sich verlassen konnte. Als ihre Eltern sich kennenlernten und auch heirateten, gab es nie Feindseligkeiten, zwischen den neuen Stiefgeschwistern. Ein Herz und eine Seele.

 „Was willst du Nancy? Du kommst doch nicht einfach so“, entgegnete Bastian direkt, wie eh und je.

„Die Fotos“, wollte sie von ihm wissen. „Wenn du damit zu tun hast, dann sag es gleich. Ich habe keine Kraft für irgendwelche Spielchen und es ist auch nicht witzig. Es macht mir Angst“. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Bastian entging der gehetzte Blick von Nancy nicht. Sie sah panisch aus, hatte eindeutig Furcht – aber wovor?

 „Wir sollten das wohl besser drinnen klären“. Ohne eine Antwort von ihr abzuwarten, drehte sich Bastian um und ging  voran in ihr Elternhaus. Nancy folgte ihm lautlos wie ein Schatten.

Sie saßen sich gegenüber und jeder beobachte den anderen mit forschenden, abschätzenden Blicken. Beiden war bewusst, dass heute der Tag war, den sie so lange versuchten zu verdrängen. Alte Erinnerungen würden hochkochen und ausbrechen wie aus einem Vulkan. Erinnerungen und Gefühle, die man nie so tief vergraben konnte, ohne seine Seele dafür zu verkaufen.

 Nancy hatte ihm alles erzählt. Wie sie zufällig das Handy fand und von den Bildern. Zögernd, mit zittriger Hand, legte sie das Mobiltelefon auf den Tisch. Das Handy verströmte eine Aura des Bösen, als versuchte es, beide in einen tiefen, schwarzen Abgrund zu ziehen.

Bastian konnte verstehen, wie sie sich fühlte. Es war gruselig und faszinierend zugleich. Die Fotos zeigten eine Tote, aber dieses Gesicht – wie Zwillinge. Je länger man die Gesichtszüge betrachtete, desto unheimlicher wurde es. Sie konnten sich beide nicht erklären, wie das möglich war.

 Nancy war sich sicher, dass Bastian nichts damit zu tun hatte. Sie sah es in seinen Augen, er machte sich Sorgen. Sie kannte diesen Blick noch von früher.

Bastian würde alles für Nancy tun. Er liebte sie, seine kleine Schwester. Und niemand würde ihr je wehtun. Er konnte es nicht länger mit ansehen, wie sie voller Angst vor ihm saß. Sie hatten beide viel zu verlieren. Es war ihre gemeinsame Vergangenheit, ihr gemeinsames dunkles Geheimnis.

„Wir müssen zurück. Wir müssen uns dem stellen“! Nancy vernahm Bastians Worte durch einen Schleier aus purer, nackter Angst.

 Zusammen machten sie sich auf, um die Vergangenheit zu bezwingen. Keiner von beiden blickte zurück – eine Reise ins Ungewisse lag vor ihnen.

 Die Fahrt verlief schweigend. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach und überlegten, was sie wohl erwartete. Sollten sie lieber umkehren? Was, wenn es eine Falle war“, ging es Nancy durch den Kopf.

Das Handy lag keineswegs zufällig in ihrem Keller. Jemand hatte es bewusst dort hingelegt und dafür gesorgt, dass sie es fand. Ihr wurde schlecht bei dem Gedanken, dass jemand Fremdes bei ihr Zuhause war. Womöglich wurde sie schon länger beobachtet. Sie würde sich nie wieder sicher fühlen. Die ständige Angst, beobachtet zu werden, ergriff sie auch jetzt. Ihr Körper bebte. Die Fotos waren natürlich absichtlich so gewählt worden. Der Zweck war es, sie an diesen Ort des Geschehens zu locken. Der Schauplatz ihres Geheimnisses – der Ort der Unfalltragödie.   

 Die Zufahrt war gesperrt. Der Bauzaun wurde kaum erneuert und das >>Betreten verboten<< Schild, fing langsam an zu rosten. Das letzte Stück mussten sie zu Fuß gehen, um die Blockierungen und Hindernisse zu umgehen. Sie gingen mit langsamen Schritten, um nicht zu stürzen. Man sah keine drei Schritte weit, nur undurchdringliche Schwärze, die sie vollends umgab. Erst als sie nah genug heran waren, trauten sie sich ihre Taschenlampen zu benutzten. Im Schein des Lichtes öffnete sich vor ihnen ein steinerner Krater. Fast majestätisch ruhig lag er vor ihnen, der Steinbruch.

Das Areal wurde schon vor langer Zeit still gelegt und der mittig gelegene See als illegales Badeparadies genutzten. Die bewachsenen Hänge und das kristallklare Wasser zogen einen förmlich an.

 Das fremde Handy in ihrer Tasche fing an zu Läuten. Diesmal war es nur eine Nachricht und Nancy begann, sie aufgeregt zu lesen:

„Wo wird einst des Wandermüden letzte Ruhestätte sein?

Unter Palmen in dem Süden? Unter Linden an dem Rhein?

Werd ich wo in einer Wüste eingescharrt von fremder Hand?

Oder ruh ich an der Küste eines Meeres in dem Sand?“* 

 „Machen wir, dass wir fort kommen, sofort“, meinte Bastian. Nancy blieb starr. Ihre Entscheidung stand fest. Sie konnte nicht länger weglaufen. Es würde nie aufhören. Hier und jetzt würde sie sich dem Ganzen stellen. Allein oder mit Bastian.

 Der Steinbruch war riesig und hatte sich in den ganzen Jahren kaum verändert. Die Natur kroch langsam zurück und es hatte alles etwas Wildes, Raues und dennoch Atemberaubendes an sich. Sie blickte Bastian tief in die Augen und ging los. Es gab hier nur eine letzte Ruhestätte, die gemeint sein konnte.

Auf der Anhöhe angekommen, flackerte ihnen der helle Schein eines Lagerfeuers entgegen. Eine Stimme begrüßte sie höhnisch.

 „Freut mich, dass ihr es einrichten konntet. Ich hoffe euch gefällt der Ort für ein Wiedersehen. Sind hier doch so viele Geheimnisse begraben.“  Eine junge Frau kam langsam näher und schritt hinter den Flammen entlang. Mit scharfem, abschätzendem Blick fixierte sie ihre Gäste. Und fing an zu lachen.

 „Ihr solltet eure Gesichter sehen, so voller Furcht. Dabei war ich schon fast beleidigt, dass es so einfach war, euch hierher zu locken… ein reines Kinderspiel“!

„Was wollen Sie von uns? Und wer sind Sie“? Bastian fand als Erster seine Stimme wieder.

 „Sie haben, was Sie wollten. Wir sind hier. Also…“, forderte Bastian.

 „Bastian, Bastian, Bastian – direkt wie eh und je. Wir haben alle Zeit der Welt uns neu kennenzulernen“. Die fremde Frau wandte sich mit eisigem Blick Nancy zu.

 „Wer bin ich“, fragte die Fremde.

 Sie stand zum Greifen Nahe und beide erkannten jetzt die Details ihres Gegenübers. Sie glich Nancy bis aufs Haar, identisch – sogar die Kleidung passte. Nancy dachte erst, es sei eine optische Täuschung, ein Trugbild, ausgelöst durch Stress und Angst. Wie eine Fata Morgana in der warmen, flimmernden Luft. Als stünde vor ihr ein lebensgroßer Spiegel und sie erblickte sich selbst – ihr Gesicht sowie das Gesicht der Toten auf den Fotos.

 „Ein wahres Meisterwerk, nicht wahr? Die Ärzte haben mehr als gute Arbeit geleistet, um das Gesicht zu konstruieren. Es ist Perfekt! So, wie ich immer sein wollte.“ Wieder lachte die Fremde. Ein kaltes, gefühlsloses Lachen.

 „Ich musste Opfer bringen, Dinge tun, von denen du keine Ahnung hast. Ein langer Weg liegt hinter mir. Aber ich bekam alles, was ich je wollte.“

 „Wofür das alles?!“ fiel ihr Bastian ins Wort.

 „RACHE“! Mit diesen Worten zog die Fremde eine Pistole.

 Die Frau war erfüllt von Unruhe. Man sah ihr an, dass sie innerlich vor Wut kochte. Ihr Blick war starr und eisig. Ihre Stimme, hatte sie nur schwer unter Kontrolle, als sie auf Nancy einredete.

 „Mir war klar, dass du die Bilder auf dem Telefon erkennen würdest. Den Ort, an dem du mich als Freundin verraten hast. Nur wird Heute wird der Tag meiner Auferstehung und deines Unterganges“.  Sie stellte sich direkt vor Nancy und grinste.

 „Theresa“, flüsterte Nancy kaum hörbar und versank in ihren Erinnerungen. „Es war ein Unfall. Du bist gestürzt. Wir haben nach dir gesucht“, fing Nancy an. Sie verstand immer noch nicht, wie es damals dazu kommen konnte. Theresa war weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Sie suchten unermüdlich den ganzen Steinbruch ab und fanden einfach keinerlei Hinweise auf ihren Verbleib – Theresa blieb verschwunden. Beide, Nancy und Bastian, hatten Angst, was mit ihnen passieren würde. Die Ungewissheit war für die zwei eine Strafe genug. Es wurde ihr Geheimnis.

 „Dass ich nicht lache! Ihr habt mich zum Sterben zurück gelassen! Ich war euch komplett egal und stand dir doch nur im Weg. Ich war so dumm zu glauben, dass wir Freundinnen waren“, entgegnete Theresa.

 „Du… du allein bist schuld“! Ihre Stimme klang tief und kratzig.

 „Warum nur musstest du ständig im Mittelpunkt stehen? Alles an dir war so widerlich perfekt! Dein ganzes Leben. Und wer war ICH? Keiner hat mich doch je wahrgenommen! Immer stand ich nur in deinem Schatten. Neben dir existierte ich doch überhaupt nicht! Dabei wollte ich immer nur so sein wie du“!

 Die letzten Worte schrie Theresa förmlich. Nancy war zu perplex, um Antworten zu können.

 „Nicht mal er hat meine Gefühle erwidert, weil er nur dich liebt. Nur NANCY, seine kleine Schwester!“ mit diesen Worten zielte sie auf Bastian.

 Bastian fiel es schwer all das zu glauben. War das wirklich Theresa? Hatte sie, mit diesen schweren Verletzungen, den Unfall von früher überlebt?

 „Theresa, du bist krank. Du brauchst Hilfe. Nancy war deine Freundin und du stiehlst ihre Identität und zerstörst ihr Leben. Du bist besessen und zerfressen vor Eifersucht“!

 Ohne Vorwarnung löste sich ein Schuss. Bastian ging auf die Knie. Seine Seite schmerzte höllisch.

 „Halt dich da gefälligst raus!“, brüllte Theresa.

 „Theresa, bitte hör auf“, flehte Nancy erneut.

 Ruckartig sprang Theresa vor und stürzte sich auf Nancy. Sie wollte ihr einfach wehtun. Sie sollte büßen. Beide schlugen um sich, kratzen, bissen. Zusammen wälzten sie sich auf dem Boden und jede versuchte, die Waffe an sich zu bringen.

Langsam näherten sie sich dem Feuer und Nancy bekam einen Holzscheit zu fassen. Sie schleuderte ihn Theresa entgegen. Beim Abwehren entglitt Theresa die Waffe und schlidderte ins Dunkel davon. Nancy war schneller wieder auf den Beinen, aber ihr fehlte langsam die Kraft. Lange konnte sie sich nicht mehr wehren. Sie wollte nur, dass es endete und sie war bereit zu kämpfen. Es ging um ihr Leben.

 „Theresa? Ist alles in Ordnung?“ Ihre Stimme ging stoßweise durch die Anstrengung und sie zitterte. Sie bekam keine Antwort.

 Blitzartig, bekam Theresa sie wieder zu fassen und zerrte sie an den Haaren zu sich. Sie war komplett außer sich, wild, wie eine Furie. Und sie brüllte:

 „ICH HASSE DICH“!

 Theresa legte ihre Hände an Nancys Kehle und drückte zu.

Ein weiterer Schuss löste sich. Durch den Schreck fielen beide und verkeilten sich ineinander. Vor sich erkannten sie einen schwachen Umriss. Beim näher kommen stellten Sie fest, dass es sich um Bastian handelte. Sein Gesicht machte Nancy Angst. Sie erhaschte zwar nur einen kurzen Moment, aber in seinem Blick lagen Wut und Zorn.

 „Aufstehen. Beide. Sofort!“ Bastian hatte die Pistole gefunden.

 Sie waren dem Abgrund gefährlich nahe. Theresa fiel Nancy erneut an und die Lage eskalierte. Es geschah wie in Zeitlupe.

Wer genau wer war, konnte Bastian nicht zu 100% Prozent sagen. Ihm lief die Zeit davon. Noch länger würde eine von beiden den Kampf nicht überleben. Er musste sich auf seine Intuition verlassen und entscheiden. Es war seine Schwester. Er kannte sie, sein ganzes Leben lang.

 „Bring es zu Ende Bastian. Erschieß sie. Tu es für mein Leben!“ Er schoss.  

 Beide Frauen strauchelten und fielen… Teile vom Fels lösten sich. Sie schaffte es, sich an einem vorstehenden Stein fest zu krallen. Mit der anderen Hand griff sie ins Leere… Eine Steinlawine folgte donnernd, wie für ein letztes Begräbnis.

 Eine gespenstische Stille legte sich über den Steinbruch.

Etwas packte sie ruckartig am Arm und hielt sie fest.

„Nancy, ich bin es. Es ist vorbei, endlich vorbei“, Bastian zog sie hoch und hielt sie eng umschlungen fest. Diese Stimme. Langsam drang sie durch ihren Kopf, durch den Nebel aus Furcht. Sie liebte diese Stimme.

 „Bastian. Es tut mir so leid. Ich wollte nicht, dass du…“, ihre zarte Stimmte war direkt an seinem Ohr. Sie hielten sich in den Armen. Der Alptraum hatte ein Ende. „Danke“, wisperte sie.

Zu zweit, in Staub gehüllt, verließen sie den Steinbruch.

Ein steinernes, verschüttetes Grab ließen sie hinter sich zurück.

Waren sie Mörder? Nacht für Nacht dachte Bastian über diese Frage nach. Egal, ob Mord oder Notwehr – sie waren frei! Keine bösen Geister mehr, die sie verfolgten. Gemeinsam wollten sie von vorn beginnen, weit weg von hier und den schlechten Erinnerungen. Geschwister hielten zusammen und sie würden für einander da sein. Die letzten Umzugskartons waren gepackt. Es konnte losgehen.

 Während der Fahrt hörten sie in den Nachrichten eine kurze Meldung zum Steinbruch. Wie es hieß, sollte er in Kürze verfüllt werden. Man würde die Leiche wahrscheinlich nie finden. Ihr Geheimnis war sicher unter Millionen von Steinen und Schutt.

 Sie blickte noch einmal in den Rückspiegel. Zurück auf ihr altes Leben. Sie würde es nicht vermissen. Ihre Augen leuchteten und Theresa lächelte. Sie würde ihr neues Leben beginnen. JETZT.

 

Ende

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