C.GomesMona

 

Mona von C.Gomes

Kapitel 1

Samstag, 20. April

Jeder weiß, dass sie uns nach dem Eröffnungsgong in wenigen Sekunden töten könnten. Aber der eigentliche Spaß bei den Hungerspielen liegt darin, zuzuschauen, wie sich die Tribute gegenseitig umbringen. Ab und zu töten sie…“

Die Türklingel riss mich von meinem Buch los. Ich ging zur Haustür, nachdem ich das Buch neben mich aufs Bett gelegt hatte, doch als ich sie öffnete, war der Hof vor mir leer. Ein Klingelstreich? Ich sah mich um, in der Erwartung von einem super lustigen 10-jährigen und seinen Freunden überwältigt zu werden, doch ich konnte sie weder hinter einem der Büsche in unserem Vorgarten, noch die Straße runter erkennen. Ich seufzte und ärgerte mich, aufgestanden zu sein. Ich wollte die Tür wieder schließen, als mein Blick nach unten auf ein kleines, unscheinbares Paket, mit meinem Namen drauf, fiel.

MONA“. Der Edding verblasste gegen Ende der Buchstaben.

Ich hob das Paket auf, besonders schwer war es nicht, und schloss die Tür wieder. Zurück an meinen Schreibtisch holte die Schere aus meinem Etui, um das Paketklebeband aufzuschneiden, halb in der Befürchtung, von einem, aus der Verpackung springenden Clown überrascht zu werden. Als ich das Päckchen öffnete, verflüchtigten sich meine Gedanken jedoch rasch.

Ein schwarzes Handy lag, sorgfältig in Packpapier eingebettet, darin. Es war alt, hatte bereits Schrammen und einen Sprung im Display. Wer schickt mir ein altes Handy? Und warum?, fragte ich mich. Als ich es in meinen Händen drehte, leuchtete das Display auf. Ich betrachtete den Bildschirm und ließ das Handy prompt wieder fallen.

Was sollte das denn?

Im Hintergrund war… ich!

Wie kann das sein? Was soll das? Von wem ist das? Millionen Fragen schossen mir durch den Kopf.

Ich zwang mich durchzuatmen. Bestimmt gibt es eine einfache, logische Erklärung für all das.

Das Bild im Hintergrund zeigte mich, meine langen, blonden Haare, meine schön gebräunte Haut. An dem Tag war ich mit meinen Freundinnen am See. Ich trug mein liebstes blaues Sommerkleid. Mama nannte es immer mein „Alice im Wunderlandkleid“, weil es sie an sie erinnerte.

Ich hatte das Bild bestimmt auf sämtlichen sozialen Medien hochgeladen. Es konnte also jeder drankommen, der wirklich wollte. Vielleicht ein heimlicher Verehrer? Oder nein, wahrscheinlich eher ein Stalker. Oh je. Soll ich zur Polizei damit? Aber was sollen die schon groß unternehmen? Ich werde ja nicht bedroht. Zumindest noch nicht.

Also, wenn das Hintergrundbild bereits ein Foto von mir ist, was ist dann noch alles…?

Nein, das wollte ich mit gar nicht ausmalen. Dennoch wollte ich die Antwort auf meine Frage nicht meiner Fantasie überlassen. Also überlegte ich fieberhaft, wie ich den Entsperrcode entschlüsseln konnte.

Ich versuchte es mit 0000 und 1234, doch beide Male zeigte das Handy „falscher Code“.

Wer auch immer mir das Handy hatte zukommen lassen, der wollte, dass ich es finde und darauf zugreifen kann. Es muss also ein Code sein, den ich kenne.

Also probierte ich es,ohne wirkliche Erwartungen, mit meinem Geburtsdatum.

Doch tatsächlich 0211 und das Handy gewährte mir Zugang.

Auf dem Startbildschirm gab es lediglich 2 Apps: die Fotogalerie und Whatsapp. Das konnte doch nur schlimmes bedeuten. Zunächst öffnete ich Whatsapp, doch es waren weder Chats, noch Kontakte gespeichert, die ich hätte anrufen können. Einen Versuch war es wert.

Also widmete ich mich der Fotogalerie.

Das erste Bild was ich vorfand war das, welches ich bereits im Hintergrund sehen konnte. Ich swipte nach rechts und fand drei weitere Fotos. Alles drei waren sie auf einer Party aufgenommen. Es war die letzte Party auf der ich gewesen bin. Vor ungefähr 1 ½ Jahren Damals war ich fast 17. In dem Alter hatte ich gerne mit meinen Freundinnen gefeiert. Marie und Mia, wir nannten uns auch M&M&M. Damals. Jetzt nicht mehr. Jetzt sind sie M&M und ich, ich bin Mona. 18 Jahre alt, Bücherwurm, und zukünftige Jurastudentin. Ich lebte zusammen mit meiner Mutter. Mein Vater ist kurz vor meiner Geburt an Lungenkrebs gestorben. Ich habe eine beste Freundin, Amy, und neuerdings scheinbar einen verrückten Stalker. Der mir Bilder von mir selbst zukommen lässt, auf dem ich ausgelassen tanze. Ein letztes Mal getanzt habe. Ein letztes Bier und einen letzten Tequila getrunken habe.

Es klopft an meiner Tür.

Erschrocken lege ich das Handy auf meinen Schreibtisch und tat so, als sei ich mit lernen beschäftigt, als meine Mutter den Kopf zur Tür reinsteckte.

Hey Spätzchen, ich bin Zuhause, kommst du in die Küche?“

Ja klar, bin gleich da.“

Kapitel 2

Hattest du einen schönen Tag?“, fragte meine Mutter und blickte mich an, während sie versuchte ein Salatblatt auf ihre Gabel zu spießen.

Mhm“, antwortete ich. Kaum in der Lage, mich auf das Gespräch zu konzentrieren. Was sollten diese Bilder? Wollten sich mich daran erinnern, wer ich damals war? Mittlerweile bin ich ein komplett anderer Mensch und das ist auch gut so. Ich weiß was ich will und was ich nicht will. Und zwar will ich ganz sicher nicht, an diesen Abend erinnert werden oder an den Menschen, der ich damals gewesen bin.

Diese Wochenendschichten bringen mich um.“ seufzte meine Mutter, erschöpft von ihrer Arbeit.

Babys werden nun mal nicht nur Werktags zwischen 8 und 17 Uhr geboren.“, erwiderte ich lustlos.

Ich konnte mich nicht dazu durchringen, ein ordentliches Gespräch zu führen, ich musste herausfinden was es mit dem Handy auf sich hatte und wer dafür verantwortlich war. Doch alleine schaffte ich das bestimmt nicht. Sollte ich Mama davon erzählen? Nein, lieber Amy. Gleich Montag werde ich es ansprechen, beschloss ich.

Was ist denn los, Mona? Du bist heute so ruhig.“

Alles gut, Mama.“

Wirklich? Wenn du reden willst, weißt du doch, kannst du immer zu mir kommen.“

Ja ich weiß, danke, Mama, aber ich bin nur müde. Der ganze Abi-Stress und die Arbeit und alles. Heute war einfach ein langer Tag.“

Ich blickte auf meinen Wecker 0:14. Kann ich jetzt bitte einfach einschlafen? In nicht mal mehr 6 Stunden muss ich aufstehen und auf der Arbeit im Café erscheinen. Ich brauchte meinen Schlaf, doch die Gedanken an das Handy ließen mich nicht mehr los.

Ich versuchte, mir nicht mehr den Kopf darüber zu zerbrechen und mich aufs Einschlafen zu konzentrieren.

Einatmen

Ausatmen

Einatmen

Ausatmen

Schon besser.

PIEP PIEP

Das darf nicht wahr sein!

0:16. Es war das Handy, das auf dem Schreibtisch lag und dessen Ton offensichtlich nicht auf Vibration eingestellt war.

Ich sollte schlafen, doch wie sollte ich jetzt, nachdem das Handy geklingelt hatte?

Ich seufzte und stand auf. Ich war sowieso hellwach dann kann ich mir auch gleich die Whatsapp Nachricht anschauen, die gerade reingekommen ist.

Ich vermisse deine freizügigen Partyröckchen. Sie haben deinen Körper so schön betont.

Kapitel 3

Sonntag, 21. April

Ich bereitete Tee und Kaffee zu, als Marie und Mia, aka M&M, ins Café kamen.

Hey Mona, wir haben ja ewig nichts mehr von dir gehört. Wie geht es dir?“, begrüßte mich Mia, als sie an der Reihe waren um zu bestellen.

Hey, gut und euch beiden? Seit ihr am Shoppen?“

Ganz genau“, erwiderte Mia und Marie sprach weiter. „Morgen sind wir auf einem 25. Geburtstag eingeladen. Da brauchen wir doch neue Outfits.“, Marie zwinkerte mir zu.

Outfits? Hatte das was mit der gestrigen Nachricht zu tun?, fragte ich mich.

Die beiden wechselten sich mit dem Sprechen ab.

Schade, dass du nicht mehr dabei bist, wir drei hatten doch immer sooo viel Spaß.“

Oh ja, die guten alten Zeiten. Was ist denn passiert?“

Sie schauten mich erwartungsvoll an.

Ihr wisst doch, dass ich nicht darüber spreche.“, sagte ich, in der Hoffnung, dass sie meine Antwort nicht persönlich nahmen.

Was passiert war? Garantiert nichts, was ich wiederholen wollte. Warum kommt es mir so vor als würden alte Narben wieder aufgerissen?

Ich blickte auf die länger werdende Warteschlange. „Was wollt ihr trinken?“

Einen Cappuccino und einen Früchtetee.“ bestellte Marie.

Tut mir Leid“, sagte ich nochmal, als ich ihre Getränke vor ihnen abstellte.

Sie nickten verständnisvoll und gingen zu einem freien Tisch.

Bevor ich mich dem nächsten Gast zuwandte, schwebte mein Blick zur Eingangstür mit der großen Fensterfront. Draußen stand jemand. Der Mann war um die 40, relativ groß und trug eine Brille. Er hatte eine Glatze und schaute geradewegs zu mir.

Ein Milchkaffee, bitte“, bestellte die junge Frau vor mir, in der Warteschlange.

Natürlich, kommt sofort.“

Als ich noch einmal zur Tür blickte war der Mann verschwunden.

Auf dem Nachhauseweg grübelte ich über Literaturepochen, welche ich für mein Geschichtsabitur nächste Woche brauchte.

War die Aufklärung von 1720 bis 1790 gewesen? Oder war es 1780?, überlegte ich. Es wollte mir einfach nicht einfallen. Ich stockte, als mir der Glatzkopf von heute Nachmittag entgegenkam.

Er kam direkt auf mich zu. Keine Möglichkeit auszuweichen. Die Straßenseite zu wechseln wäre zu auffällig. Er kommt immer näher. Mist.

Ich atmete tief durch, ich durfte jetzt nicht paranoid werden, bestimmt will er mir gar nichts Böses.

Doch warum starrte er mich dann so an?
„Hey, entschuldige, bist du Mona?“

Woher kannte er meinen Namen? Was will er? Hat er das Handy geschickt? Weiß er womöglich wo ich wohne?

Mein schockierter Gesichtsausdruck brachte ihn zum Schmunzeln.

Wer sind sie? Was wollen sie von mir?“ fragte ich ihn.

Tut mir Leid, ich… bin… Daniel und ich glaube ich bin dein Vater.“

Kapitel 4

Mein Vater ist tot. Was soll das? Lassen Sie mich in Ruhe!“

Langsam wurde ich echt panisch.

Da packte er mich am Arm.

Ich schrie auf und versuchte mich loszureißen, doch sein Griff war zu stark. Hilfesuchend blickte ich mich um, doch es war niemand zu sehen, der mir helfen konnte, die Siedlung schien wie ausgestorben.

Hör mir zu! Bitte!“

Lassen sie mich los, Sie Bastard! Hilfe!“ rief ich.

Sofort lies er mich los

Das wollte ich nicht, ich wollte doch nur, dass du mir zuhörst. Ich bin dein Vater. Deine Mutter, Hanna, sie ist bei deiner Geburt gestorben und meine Tochter, du, bist verschwunden damals.“

Was. Zur. Hölle.

Nein! Das kann nicht sein. Meine Mutter kommt gleich von der Arbeit und mein Vater ist tot. Das ist doch bescheuert. Verschwinden Sie!“

Ich stürmte davon ehe er noch mehr sagen konnte.

Was war das denn bitte? Was bildete dieser Kerl sich eigentlich ein, mich einfach so mit so einer Nachricht zu konfrontieren? Und dann auch noch mit so einem Blödsinn. Wie sollte er mein Vater sein? Vielleicht sollte ich tatsächlich zur Polizei gehen.

Ich ließ mich auf mein Bett fallen.

Erst schickte er mir ein Handy auf dem Fotos von mir sind, dann anzügliche Nachrichten und jetzt das!

Doch wie soll ich das beweisen? Vielleicht sind Fingerabdrücke auf dem Handy. Nein, bestimmt hat er sie vermeiden können. Und eben auf der Straße hat uns auch niemand gesehen. Hat er das womöglich geplant? Jedenfalls habe ich keine Zeugen, die beweisen können, dass er mich angreifen wollte.

Was sollte ich der Polizei also erzählen? Viel hatte ich nicht. Also war das sinnlos. Außerdem, vielleicht war das Handy ja auch gar nicht von ihm.

Ich zog mein eigenes Handy aus meiner Handtasche um Amy von diesem Typen und von dem Päckchen zu erzählen, als sich besagtes Handy auf dem Schreibtisch meldete.

Bereust du deine Tat nicht?

Kapitel 5

Meine Tat? Meinte er etwa… Nein, bitte nicht. Daniel kann doch unmöglich auch wissen, was damals in der Nacht vor 1 ½ Jahren passiert ist, oder? Denn doch, das bereute ich zutiefst. Oder ist es doch jemand anderes?

Ich will mit meiner Vergangenheit doch nichts mehr zu tun haben. Warum muss ich jetzt wieder damit konfrontiert werden?

Ich höre, wie meine Mutter nach Hause kommt, lege das Handy wieder auf seinen Platz und gehe in die Küche.

Als ich sie am Herd stehen sehe, fällt mir zum ersten Mal auf, wie unterschiedlich wir sind. Ihre Haare sind dunkelbraun, meine blond. Ihre Haut ist schneeweiß, während ich im Sommer immer so schnell braun werde. Auch ihm Gesicht sehen wir uns eigentlich nicht ähnlich, von unseren blauen Augen mal abgesehen.

Hey Mama“, plötzlich kommt mir das Wort nur schwer über die Lippen.

Hey Schatz, da bist du ja, ich koche gerade Bolognese für uns. Hattest du einen schönen Tag?“

Naja, wie mans nimmt. „Ja, alles bestens. Nur Abi-Stress und so.“, log ich.

Ich nahm sie genauer in Augenschein, während sie weiter kochte, und auch während des Essens, aber ich traute mich nicht, etwas zu sagen. Vielleicht bildete ich mir das ja nur ein.

Nach dem Abendessen, nahm ich das Handy zur Hand. Sollte ich versuchen, die Nummer anzurufen? Ich wägte ab, ob es nicht zu gefährlich sei, aber hier in meinem Zimmer fühlte ich mich sicher. Wer auch immer am anderen Ende dran ging, konnte schlecht durchs Telefon springen und mich angreifen.
Also klickte ich den Whatsappchat an und schließlich auf den kleinen Telefonhörer.
Eine Stimme meldete sich.
„Der gewünschte Gesprächspartner ist zur Zeit nicht erreichbar.“

Montag, 22. April

Geil, ich liebe diese Grütze, die sie uns hier als Kartoffelbrei verkaufen.“ sagte Amy, als sie sich in der Kantine neben mich setzte.

Oh ja, ich weiß genau was du meinst“, erwiderte ich müde und stocherte auf meinem eigenen Teller herum, „ich muss dir was erzählen.“

Klar, was denn? Ich bin ganz Ohr.“, sie schaute mich interessiert an.

Verhält sich irgendjemand auffällig und beobachtet uns?“, fragte ich sie.

Amy war verwirrt und schaute sich um, „Nein, alles ganz normal, wieso? Wer sollte uns denn beobachten?“

Das ist es ja gerade, was ich versuche herauszufinden.“ Ich erzählte ihr von dem Handy, den Fotos darauf und den Nachrichten, die ich erhalten hatte.

Echt? Oh gott. Das ist echt creepy. Kann ich mal sehen?“

Was? Nein, ich hab das Handy zuhause. Jedenfalls versuche ich jetzt herauszufinden, wer mir das Päckchen geschickt hat und warum.“

Und was bitte sollst du bereuen? Da gibt es ja echt einiges bei dir.. die zahlreichen Jungs mit denen du was hattest, Alkohol als du gerade mal 13 warst…“ Ich halte ihr den Mund zu, bevor sie weiter reden konnte.

Halt die Klappe. Das ist ernst!“

Du hast Recht, tut mir leid, meinst du..“

Sie musste nicht zu Ende sprechen. An diese Möglichkeit hatte ich ja ebenfalls bereits gedacht. Aber dieses Geheimnis konnte doch niemand wissen. Oder?

Ich weiß nicht..“, sagte ich unsicher.

Also, was ist mit Marie und Mia? Du warst doch zu der Zeit, damals so gut mit ihnen befreundet? Oder vielleicht steckt auch dein Ex Noah dahinter?.“, überlegte Amy.

Ja, an die hatte ich auch bereits gedacht, aber ist einer von ihnen zu so etwas fähig?

Ja, vielleicht, aber niemand von denen verhält sich auffällig. Vielleicht werde ich auch von einem Fremden gestalkt? Da war gestern so ein Kerl…“

Was? Was denn für ein Kerl?“

Er ist einfach aufgetaucht“, begann ich zu erzählen und berichtete Amy von den gestrigen Ereignissen, während meine beste Freundin die ganze Zeit gespannt zuhörte.

Vielleicht solltest du zur Polizei gehen.“

Aber was soll ich denen erzählen? Ich habe doch keine Zeugen oder brauchbare Beweise.“

Aber was willst du dann machen?“

Na, herausfinden, wer versucht mich zu bedrohen.“

und wie?“

das weiß ich noch nicht.“, gab ich zu, „Glaubst du, dieser Daniel hat Recht?“

Oh gott, Keine Ahnung, wäre doch verdammt krass.“

Ja klar, aber glaubst du dass das stimmt?“
„Kann ich mir kaum vorstellen, aber möglich wärs. Deine Mutter ist doch Hebamme und war es auch vor 18 Jahren schon. Vielleicht solltest du mal mit diesem Daniel reden.“

Spinnst du? Und wenn er mich dann angreift? Er hat mich gestern schon angepackt.“

Aber er hat dich auch direkt wieder losgelassen, oder? Wahrscheinlich wusste er selber nicht genau, was er tut.“

Naja ich weiß nicht..“, sagte ich ausweichend. Außerdem, wie sollte ich ihn treffen? Ich konnte nur darauf warten, dass er wieder bei mir auftaucht.

Als ich nach der Schule nach Hause kam, zeigte das Handy eine neue Nachricht an. Mit zitternden Händen klickte ich auf die Benachrichtigung.

Kapitel 6

Direkt rief ich Amy an. Ich hatte ihr versprochen, mich sofort zu melden, wenn es etwas neues gab.

Ich habe gestern versucht die Nummer, von der die Nachrichten kommen anzurufen, aber das Handy war aus. Also habe ich eine Nachricht geschickt und gefragt wer da ist und was er von mir will“, erzähle ich weiter, während ich mich auf meine Couch fallen ließ.

und was hat derjenige geantwortet?“

Was ich will? Dich, wie du damals warst. Wie du getanzt hast, wie du deinen Spaß hattest. Vermisst du das gar nicht?“

Und was ist drauf auf dem Foto?“

Ich und Noah, wie wir uns küssen. Heftig küssen.“

Also ich glaube nicht, dass dieser Daniel dahintersteckt. Und ich glaube auch nicht, dass es um deine Eltern geht, wer auch immer sie jetzt auch sein mögen.“

Hör auf, so was zu sagen.“

Ich glaube eher, dass M&M dahinterstecken.“

Sicher? Denkst du, dass sie wirklich zu so etwas fähig sind?“

Ganz bestimmt!“, erwiderte Amy.

Ich weiß ja nicht,“ überlegte ich. „Welchen Nutzen hätten sie davon?“

Was weiß ich? Vielleicht finden sie es lustig.“

Was wenn Noah es selbst war? Er weiß immerhin, was an diesem Abend alles passiert ist. Vielleicht spricht er darauf an.“

Aber warum sollte er es jetzt plötzlich öffentlich machen wollen?“

Das weiß ich doch auch nicht. Du, ich muss jetzt los zur Arbeit. Wir sehen uns.“, beendete ich das Gespräch, nachdem ich einen Blick auf die Uhr geworfen hatte und sah, wie spät es bereits war.

Ich war gerade dabei die Theke abzuwischen, als sich ein Mann davorstellt.

Einen Latte Macchiato, bitte“

Ich erkanent die Stimme und blickte auf. Daniel stand vor mir.

Wortlos drehte ich mich zur Kaffeemaschine und machte ihm einen Latte Macchiato.

Gibst du mir noch eine Chance?“, fragte er.

Ich blickte mich im Café um. Ziemlich ruhig heute, für einen Samstag, aber es ist auch schon fast Feierabend, also nickte ich. „2 Minuten.“

Danke! Also, es tut mir wirklich leid, dass ich dich gestern so überfallen habe“, sagte er und setzt sich auf einen der Barhocker. „das wollte ich wirklich nicht. Ich war nur selber so überfordert, dass ich dich endlich gefunden hatte.“

Schon gut, erzählen Sie weiter. Wie kommen Sie darauf mein Vater zu sein?“

Wie gesagt“, begann er, „Vor 18 ½ Jahren war meine Frau schwanger. Wir lebten in Hamburg, nun das tue ich immer noch, und waren überglücklich über diese Nachricht. Raja wollten wir sie nennen. Unsere kleine Hoffnung auf ein gemeinsames Leben. Doch dann starb Hanna während der Geburt an Komplikationen, dabei verlor sie viel Blut und ihr Herz versagte. Doch das Baby hatte überlebt. Später war ich wieder im Krankenhaus, um unsere kleine Raja zu besuchen. Sie musste noch einige Tage im Krankenhaus bleiben, weil sie ein bisschen zu früh war. Dort sagten mir die Ärzte, sie sei an den Folgen der Komplikationen der Geburt gestorben. Ich durfte sie nicht noch einmal sehen. Deshalb war ich von Anfang an überzeugt davon, dass Raja, also.. du.. nicht tot sein konntest. Zwischenzeitlich musste ich die Suche nach dir aufgeben, doch vor 8 Monaten heuerte ich einen Privatdetektiv an, der herausgefunden hat, wie du heißt und dass du in diesem Café arbeitest. Also bin auf gut Glück vorbeigekommen. Und als ich dich sah, war ich mir sicher. Du musst es sein, denn du hast Hanna´s Augen und lächelst genau wie sie.“ Er holte ein zerknittertes Foto aus seinem Portemonnaie. Darauf waren er und eine Frau, die zusammen in die Kamera grinsten. Sie war schwanger. Hatte blonde Haare und genau meine Augen.

Kapitel 7

Sag mal.. färbst du dir eigentlich die Haare?“, fragte ich meine Mutter, als wir uns, bei einem späten Abendessen gegenübersaßen.

Nee, sie waren schon immer braun. Wieso fragst du?“

Nur so. Und Papa? Welche Farbe hatten seine Haare?“
„Was ist los Mona? Woher kommen all diese Fragen? Du kennst deinen Vater doch von Fotos, seine Haare waren auch braun.“

Nein, tue ich nicht, ich habe noch nie ein Foto von meinem Vater gesehen.“

Mona, was soll das? Was willst du damit sagen?“

Wie kann ich blond sein, wenn meine beiden Eltern dunkelhaarig sind?“

Das kann vorkommen. Mein Vater hatte zum Beispiel blonde Haare, du hast seine Gene geerbt.“

Es sind doch nicht nur die Haare, wir sehen uns überhaupt nicht ähnlich.“

Aber natürlich Spätzchen, du hast meine Augen und die Nase und Lippen von deinem Vater.“, beharrte sie.

Nein.“ Ich hole das Foto hervor, dass Daniel mir gegeben hatte. Das. Sind meine Augen und mein Mund.“

Meine Mutter erstarrte. Sie schluckte. „Wo hast du das her?“
„Also stimmt es?“ rief ich, außer mir vor Wut, dass es wahr ist, dass sie mich mein ganzes Leben lang belogen hatte.

Sie fing an zu zittern, sagte nichts mehr, nickte nur.

Wie kannst du nur?“, fragte ich sie, scheinbar ruhig. Doch innerlich kochte ich.

Damals, vor 19 Jahren..“, begann sie zu erzählen, „lebte ich mit deinem Vater, also dem Mann, der dein Vater werden sollte, Felix, in Hamburg. Wir waren glücklich und wollten ein Baby. Doch ich wurde einfach nicht schwanger. Nach einem Termin beim Arzt kam heraus, dass ich unfruchtbar bin. Felix und ich hatten darauf hin eine schwere Zeit und trennten uns schlussendlich. Kurze Zeit später habe ich erfahren, dass er krank ist. Lungenkrebs. Ich weiß nicht, wie es ihm heute geht, und ob er noch lebt.

Jedenfalls, an einem Abend im Krankenhaus war ich allein mit den Neugeborenen und da lagst du und ich hatte mich direkt in dich verliebt. Deine Mutter war bei deiner Geburt gestorben und auch du hattest mit den Folgen der Komplikationen zu kämpfen.

Den Ärzten erzählte ich, dass auch du gestorben seist und habe daraufhin die Stadt verlassen. Niemand hat mich gefragt wo die Leiche ist. Ich redete mir ein, dass dich niemand vermissen würde und du niemanden gehabt hättest, der sich um dich gekümmert hätte.“

Da hast du dich getäuscht. Mein Vater hat mich gefunden.“

Ich konnte es einfach nicht fassen. Mein ganzes Leben war eine Lüge gewesen.

Ich saß auf der Couch in meinem Zimmer, den Kopf im Nacken starrte ich an die Decke.

Meine Mutter, sollte ich sie jetzt Leah nennen?, war nicht mehr meine Mutter und mein Vater nicht mehr mein Vater.

Ich hatte ja nicht mal mehr einen Namen. Hieß ich Mona? Oder doch Raja, so, wie es meine leiblichen Eltern für mich bestimmt hatten.

Ich wusste nicht mehr wer ich war und wer ich sein wollte. Hatte mein Leben überhaupt noch einen Sinn?

Ein Piepen riss mich aus meinen Gedanken. Eine neue Nachricht von Mr. Unbekannt.

Ich weiß, was du getan hast. Aber du kannst es wieder gut machen. Geh aus und amüsiere dich. Warte, ich schicke dir Bilder…

Nein, nicht jetzt, nicht auch das noch! Dafür hatte ich jetzt wirklich keine Energie. Ich stürmte aus meinem Zimmer, um frische Luft zu schnappen. Das Handy noch in der Hand, rannte ich Richtung Haustür, wobei ich das Wohnzimmer durchquerte. Mit der Couch, auf der meine Mutt… auf der Leah saß. Mit einem, mir unbekannten Handy in der Hand. Sie war hochkonzentriert. Unwillkürlich blieb ich stehen.

Mein Kopf ratterte. Irgendwas war komisch. Leah sah von ihrem Handy auf, in dem Moment in dem jenes, in meiner Hand vibrierte. Wie in Zeitlupe klickte ich auf die Nachricht, die Bilder von mir zeigten. Mir und einem anderen Mann, nur spärlich bekleidet auf dem Bett. Fotografiert wurde es offensichtlich durch die Tür, die nur halb geschlossen war.

Doch das alles war jetzt nicht wichtig. Das konnte doch kein Zufall sein.

Ich klickte auf das kleine Telefonsymbol oben in der Anzeigeleiste.

Die Verbindung baute sich auf.

Und Leah’s Handy klingelte.

Kapitel 8

Du!“, stieß ich aus. „Wie konntest du nur?“

Ihr Gesichtszüge wurden hart. „Wie ich nur konnte? Du bist diejenige von uns, die darüber nachdenken sollte, was sie getan hat!“
„Da bin ich ja mal gespannt.“

Sie stand auf und kam auf mich zu. „Ich weiß, dass du einen Menschen getötet hast.“

Ich wurde fassungslos. Einen Menschen umgebracht? „Wovon sprichst du?“

Na, davon, dass du ein unschuldiges Baby in deinem Bauch abgetrieben hast. Es hätte zur Welt kommen und ein gutes Leben haben sollen, aber du hast ihm dieses Recht verwehrt!“, ihre Stimme wurde immer lauter.

Das ist ja wohl meine Entscheidung gewesen!“, hielt ich dagegen, „ich war erst 16 und hätte diesem Baby nichts bieten können. Ich habe ja nicht mal das Abitur, von einem Studium und finanziellen Möglichkeiten ganz zu Schweigen.“

Ich wollte noch weiter reden, doch sie unterbrach mich.

Das hätten wir zusammen wohl hingekriegt.“

und was sollten diese Fotos? Und die ganzen Nachrichten“, fragte ich.

Na was wohl? Du solltest wieder feiern gehen und dich schwängern lassen. Mach deinen Fehler wieder gut und trag ein Kind aus. Du solltest auf den Strich gehen, bis es klappt.“

Das werde ich ganz bestimmt nicht tun“, das ist mein Körper, von dem wir hier reden! Ich…“

Ich wollte in mein Zimmer gehen. Meine Sachen packen und von hier verschwinden. Wohin ich gehen sollte, konnte ich mir zur Not später noch überlegen. Doch gerade, als ich mich umgedreht hatte, packte meine Mutter mich am Arm und zerrte mich Richtung Eingangsbereich.

Lass mich los!“, schrie ich und versuchte ihrem Griff zu entkommen, doch sie hielt mich erbarmungslos fest und verstärkte ihren Griff, als sie merkte, dass ich mich gegen sie wehrte.

Sie öffnete die Tür, hinter der die Treppe in den Keller führte „du hast nichts anderes verdient.“

Und damit stieß sie mich die Treppe runter. Ich versuchte, auf meinen Füßen zu landen, doch ich hatte zu viel Schwung und fiel bis nach unten. Mein Arm wurde eingeklemmt, mein Hüftknochen stieß gegen die harten Stufen und mein Kopf schlug schließlich auf den Boden auf. Ich wollte aufstehen und zurück stürmen, in der festen Überzeugung die überwältigen zu können. Doch da schloss sie die Kellertür mit einem Knall.

Was hatte sie nur vor?

E N D E

2 thoughts on “Mona

  1. Mit Spannung habe ich die Erlebnisse meiner Namensvetterin gelesen. Besonders gefällt mir, dass Du hier geschickt zwei Erzählstränge miteinander verknüpfst, wobei sich der eine als Lösungsweg für den anderen auftut. Nur das Ende, das war mir etwas zu offen – jetzt hänge ich hier und möchte wissen, wie es weitergeht 😅

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