Anne KurthNur einmal gewinnen

“Was kommt als nächstes?” fragte Sabrina Elli, nachdem beide wie die Käfer auf dem Rücken lagen und alle Viere von sich gestreckt hielten. 

“Ich hasse Sport! Hab ich das schon mal gesagt?”

“So ungefähr 5.000 mal” antwortete Elli grinsend. 

Aber beide waren sich einig, dass sie sich nach dieser sportlichen Herausforderung einfach grandios fühlen werden. 

Nach 1 Stunde weiteren schwitzens und anschließendem Duschen, machten sich die beiden Freundinnen vom Fitnessstudio auf nach Hause.

“Luke wird sich aber sehr über deine Fortschritte freuen, dein Po sieht grandios aus. Gut das er dich überredet hat mitzumachen. Aber so wie er aussieht, verbringt er ja selbst den halben Tag im Fitnessstudio, naja, wenn er nicht gerade Papas Vermögen ausgibt. Du hast da wirklich einen Wahnsinns Fang gemacht. Du musst ihn mir unbedingt mal vorstellen!”. 

Elli freute sich und erwiderte:

“Ja, irgendwann, wenn es passt. Er ist sehr beschäftigt. Ich bin selbst froh über jede Minute, die Luke für mich frei hat”. 

Sie gingen weiter und Elli schwärmte den ganzen Weg über von ihrem Liebsten. Sabrina wurde immer ganz neidisch, wenn sie die Fotos dieses gutaussehenden, athletischen Adonis sah, den Elli sich an Land gezogen hat.

In der WG der beiden ging jede in ihr Zimmer und Sabrina atmete schwer durch. Sie hatte es tatsächlich das erste Mal geschafft. “Lang genug habe ich die zweite Geige in unserer Freundschaft gespielt, jetzt hast du mal was zu gucken” dachte sie. Bisher hatte sie nichts weiter vor zu zeigen, was Elli in irgendeiner Weise beeindruckte.   

 

Am nächsten Morgen wollte Elli los zu ihrer Vorlesung. Aber genau neben ihrem Fahrrad lag ein Handy. Sie hob es auf und drehte den Bildschirm zu sich. Als sie den Knopf betätigte, um zu sehen, ob jemand vielleicht seinen Namen als Bildschirmsperre hinterlassen hat, erstarrte ihr Blick. “Das kann nicht sein!”. 

Und aus dem nichts stand Sabrina plötzlich hinter ihr und schaute über ihre Schulter. 

“Was hast du da?” Elli drehte sich erschrocken um. 

“Nichts! Nur ein Handy, das wohl jemand verloren hat. Aber das Akku scheint alle zu sein. Ich bekomme es nicht an” sagte Elli und ließ das Gerät schnell verschwinden. 

“Aber ich hab es doch gerade leuchten gesehen. Zeig mal her!” und Sabrina griff hinter Ellis Rücken und entriss es aus ihren Händen. 

“Na guck mal, es funktioniert doch.” Sagte Sabrina, und fing plötzlich an zu kichern.

“Du wolltest mir wohl verheimlichen, dass Luke heute Nacht hier war. Das ist doch sein Handy oder nicht? Wer würde sonst ein Foto von euch beiden als Bildschirmsperre haben. Und dein Handy kenne ich ja. Also was stellst du dich so an?”

Elli taute aus ihrer Schockstarre auf und war erleichtert, über die Vorlage. 

“Ja, tut mir Leid, du hast Recht Nur weiß ich ja, wie gerne du ihn kennenlernen möchtest, daher wollte ich es lieber für mich behalten. Luke kam erst mitten in der Nacht und musste schon früh wieder los. Und ich weiß ja, wie wichtig dir dein Schönheitsschlaf ist.” 

“Na gut, ich verzeihe dir. Aber wehe das passiert nochmal.” es folgte ein gespielter böser Blick und Sabrina hüpfte auf ihr Fahrrad und fuhr los. 

“Wir sehen uns heute Abend. Schönen Tag wünsche ich dir!”

Elli nickte artig und winkte kurz hinterher. Dann wandte sie sich wieder diesem Handy zu. Sie konnte es sich nicht erklären. Das war definitiv nicht das Telefon von ihrem Freund. Kurzerhand entschloss sie sich die Vorlesung sausen zu lassen und zu ihm zu fahren. Sie musste herausfinden, ob er irgendetwas damit zu tun hat. In ihrem Kopf gab es nur eine Frage “Wem gehört dieses Handy?”. 

 

Nach 20 Minuten war sie endlich dort. Sie klingelte gleich mehrmals, denn normalerweise schläft er um diese Zeit immer. Das machen Barkeeper nun mal so. Sie führen ein Leben in der Nacht. Elli hat ihn vor 6 Monaten bei einer Party kennengelernt. Er war tatsächlich nicht der schlechteste hinter der Bar, aber dafür der unscheinbarste. Genau das mochte sie an ihm. Seine schlaksige Figur, die zerzausten Haare und die Nerd-Brille auf der Nase. Er war wie sie und führte ein Leben im Schatten der anderen. Ganz verschlafen aber mit einem lächeln öffnete er die Tür. 

“Hey mein kleiner Engel, was machst du denn hier? Ich dachte wir sehen uns erst heute Nachmittag?” Elli ging hinein und wusste nicht, was sie sagen sollte. Wie sollte sie das erklären? Wollte sie das überhaupt erklären? Aber wie sollte sie anfangen? 

“Ich hatte solche Sehnsucht nach dir, dass ich einfach heute früh schon hallo sagen wollte” und küsste ihn. 

“Das funktioniert immer” dachte sie. In den paar Sekunden hatte sie eine Idee. Sie fragte einfach  “Wie spät ist es eigentlich? Ich hab keine Uhr um und mein Handy ist am Grund meiner Handtasche.”. 

Er zückte sein Handy (Elli überkam ein Hauch von Erleichterung) und sagte “Punkt 10. Wenn du dich beeilst, könntest du noch einen Teil deiner Vorlesung hören” 

“Ja, du hast ja Recht Olli. Das sollte ich wohl tun. Bis heute Nachmittag dann.” 

Olli schaute Elli mit einem verwirrten Blick hinterher, als sie mit ihrem Fahrrad davonfuhr. 

 

Elli war sich ziemlich sicher, dass Olli das Handy dort nicht platziert hatte. Er hat bei dem Wort “Handy” nicht einmal gezuckt. Auch wenn er nach der Arbeit gewiss Zeit und Gelegenheit gehabt hätte. Aber wer dann? Das machte sie fast wahnsinnig. Niemand sonst hat Zugriff auf dieses Bild gehabt. Es ist nur auf ihrem Telefon und ihrem Computer. 

 

Sie schmuggelte sich in den Hörsaal neben Vicky. Die saß wie immer in der letzten Reihe, weil sie ständig zu spät kommt. Ihrer Ansicht nach bekommt man nämlich früher Falten, wenn man sich vom Wecker wecken lässt und nicht ausschläft. Sie schaute Elli an und sogleich überkam sie ein fast schon gruseliger Enthusiasmus. Elli war sicher, dass Vicky geschrien hätte, wenn ihr nicht noch rechtzeitig eingefallen wäre, dass sie sich in einer Vorlesung befindet. 

“Ich hab ihn gesehen! Ich hab ihn gesehen! Bist du deswegen so spät dran? Ich glaube es nicht, der sieht ja in echt noch viel besser aus, als auf deinen Bildern. Oh mein Gott ist der heiß. Hat er einen Bruder? Hat er Freunde die genauso scharf sind? Du musst ihn unbedingt mal mitbringen. Das sollte doch kein Problem sein, oder?” 

Sie ratterte das in einer wahnsinns Geschwindigkeit runter und endete mit riesigen großen fragenden Augen. Es dauerte etwas bis Elli reagierte. 

“Wen hast du gesehen?” 

“Na Luke! Wen denn sonst.” 

Elli fiel in eine kurze Schockstarre. Das kann nicht sein. 

“Was? Wo? Wann? WIrklich? Bist du sicher?” 

“Oh, oh, oh. Ärger im Paradies? Natürlich bin ich mir sicher. Ich hab ihn auf dem Weg hierher gesehen. Er ist gerade aus einem Cafe herausgekommen. Brauchte wohl Kaffee” Sagte sie mit einem Zwinkern. 

Elli rang sich ein kurzes grinsen ab und nickte in die Richtung des Professors, um deutlich zu machen, dass sie lieber zuhören möchte als weiter zu quatschen. 

 

“Wie kann das sein?” dachte Elli. “Luke wohnt doch weit weg, darauf habe ich extra geachtet”. Die restliche Stunde konnten sie sich nicht konzentrieren und die Vorlesung war vorbei, bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte. Da bombardierte Vicky sie wieder mit ihrem endlosen Redegang. 

“Du scheinst überrascht zu sein, oder was ist los? Du hast dir keine einzige Notiz gemacht. Hast du Angst, dass wir deinen Luke jetzt kennenlernen? Was ist überhaupt dein Problem damit? Hast du Angst, dass wir dir ihn ausspannen? Da brauchst du keine Bedenken haben. Ich verspreche hoch und heilig, ich werde artig sein” 

Das Gute an Vicky ist, dass sie nur selten eine Antwort oder Reaktion erwartet. Elli wollte jetzt einfach nur raus und nach Hause. 

Sie verabschiedete sich mit einem kurzen nicken und einem “Wir reden später weiter, ich muss jetzt los.” und lies die verdutzte Vicky sitzen. 

 

Zu Hause angekommen, leerte sie den Briefkasten. Dort war ein Brief für sie, allerdings ohne Briefmarke. Das heißt, jemand musste ihn selbst eingeworfen haben. Sie öffnete ihn sofort. Darin stand

 

ICH KENNE DIE WAHRHEIT UND BALD WIRD ES JEDER WISSEN

 

Tränen schossen ihr in die Augen, sie lief in ihr Zimmer und hatte das Gefühl, das ihr schönes Kartenhaus gerade in sich zusammenbrach. Die Ereignisse schienen sich zu überschlagen.

 

Es klingelte und Elli schreckte hoch. Sie wusste gar nicht wie spät es schon geworden ist. Als sie die Tür öffnete, stand dahinter Olli. Elli freute sich erst. Eine Umarmung war genau das, was sie jetzt brauchte. Aber dann bemerkte sie seinen Blick. So hat sie ihn noch nie erlebt. Seine Augen glühten vor Wut und er war den Tränen nah. 

“Wie konntest du mir das antun? Hat es dir Spaß gemacht, mich an der Nase herumzuführen? Tagsüber hast du mit mir deinen Spaß und nachts bist du mit deinem Vorzeigetypen im VIP Bereich unterwegs? Ich kann dir sagen, dieses Spiel ist aus. Sowas lasse ich mir nicht gefallen. Leb Wohl du Miststück!” 

Und er schmiss ihr Bilder vor die Füße, drehte sich um und verschwand. 

Elli war erstarrt. Es dauerte ein wenig bis sie schaltete und ihm im Treppenhaus hinterherlief und rief. 

“Was hab ich denn getan? Bitte lass uns reden! Bitte warte!” Doch als sie unten aus der Tür rauskam, war er schon mit seinem Moped weggefahren und zeigte ihr nur noch den Mittelfinger. 

Schon wieder rannen ihr Tränen übers Gesicht. Sie ging verwirrt und verzweifelt die Treppe hinauf und schaute sich die Bilder an. Darauf war sie mit Luke in irgendeinem Club. Sie trug darauf das neue Kleid, was Olli ihr erst vor 2 Wochen geschenkt hat. Das Problem war nur, dass sie diese Bilder nicht kannte. Sie war niemals dort und sie war in diesem Fall auch nicht diejenige, die die Bilder mit Luke überhaupt erst erstellt hatte. 

 

Den ganzen Abend über hing sie über den Bildern. Sie ging ins Internet und stalkte wieder einmal die Social Media Accounts von Luke, der in Wirklichkeit Adam hieß. Sie schaute sich alle Fotos an, und fand das auf der Yacht, in das sie sich reinkopiert hat. Sie fand das Bild auf dem er mit einer anderen Frau vor seinem Jaguar stand, wo sie den Kopf mit dem ihren getauscht hatte. Aber sie fand kein Foto von ihm in diesen Club. Wer auch immer diese Fotos erstellt hat, hat sich sehr viel Mühe gegeben. 

 

Den nächsten Tag fuhr sie erst gegen Mittag zur Uni. Doch dieses mal war etwas anders. Alle Leute auf dem Campus starrten sie an. Auf einmal entdeckte sie sie. Die Flyer. 

 

WIE KANN MAN SO TIEF SINKEN

 

MIt jeweils 2 Fotos drauf. Original und Fake. Das Bild mit dem Jaguar oder das Bild mit der Yacht. 

 

Elli wollte einfach nur weg und flüchten, aber sie fand sich umzingelt wieder. Gefühlt der ganze Campus hatte sie umzingelt. Sie erblickte Vicky und schaute sie Hilfe suchend an, aber bekam nur ein trauriges Kopfschütteln zurück. Und dann trat jemand aus der Reihe. Elli wäre am liebsten im Boden versunken. Es war Luke bzw. Adam . 

 

“Soso, du bist also meine Freundin? Als Sandra mich kontaktiert hat, mir die Bilder zeigte und die Geschichte erzählte, konnte ich das erst gar nicht glauben.” Ellis Welt zerbrach. Natürlich, Sandra hatte Zugang zu Ihrem Laptop und musste die Bilder kopiert haben. Sie musste Die Fotos erstellt haben und sie Olli gegeben haben. Irgendwie muss sie auch von Olli erfahren haben.

“Dir ist schon klar, dass ich dich verklagen könnte oder? Aber wenn ich mich hier so umsehe, denke ich, dass ist Strafe genug. Adios.” sagte er spöttisch und mit einem verächtlichen Blick.

Hinter Ihm kam plötzlich Sandra hervor. 

“Glaubst du etwa nur du benutzt Instagram? Und nur du kannst den Photoshop bedienen? Ich wusste gleich, dass an der Sache was faul sein musste, als du mir die Bilder gezeigt hast. Und ich weiß, du erinnerst dich nicht, aber ich war an dem Abend auch in der Bar als du deinen Olli kennen gelernt hast. Der hat definitiv besser zu dir gepasst. Schade das er in deinen Augen nicht gut genug für dich war. So eine Freundin kann weder er noch ich gebrauchen. Wenn du nach Hause kommst, kannst du deine Sachen packen und gehen. Ich bin mit dir fertig.”

Sie drehte sich um und ging, sowie alle anderen auch. Elli blieb alleine zurück. 

In 48 Stunden hatte Elli ihre Freundin, ihren Freund, ihre Wohnung und ihr Ansehen verloren. Nur weil sie einmal im Rampenlicht stehen wollte. 

 

3 thoughts on “Nur einmal gewinnen

  1. Hey, Deine Geschichte hat mir gut gefallen. Sie hätte ruhig etwas länger sein können. Das Ende hat mir besonders gut gefallen, weil es zeigt wie schnell man alles verlieren kann. 👍 Dein Schreibstil ist schon ganz gut, kann aber noch etwas individueller werden.
    Bleib auf jeden Fall dran! 🖤 hab Dir ein Herz da gelassen.

    Vielleicht möchtest Du ja auch Mal meine Geschichte lesen. “Stumme Wunden”. Das würde mich sehr freuen! ♥️👋 (Instagram: liondoll)
    Link zu meiner Geschichte:
    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/stumme-wunden?fbclid=IwAR1jjPqPu0JDYk0CBrpqjJYN78PYopCEU1VGdqzCvgp7O4jnGKQSFdS6m6w

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