Lena KnRache

Der Wind pfiff ihm eisig ins Gesicht, während er mit langen großen Schritten auf die Treppe zur U-Bahn zulief, stützte er den Kragen seines Trenchcoatmantels nach oben. Am Bahnsteig angekommen schaute er immer wieder nervös zu der großen runden Uhr. Die Bahn hätte nun schon vor einer Minute da sein sollen. Unruhig ging er einen Schritt vor und zurück. Mit jeder weiteren verstrichenen Minute in der die U-Bahn nicht eintraf, wuchs seine Nervosität zu massiver Anspannung heran. Monatelang hatte er diesen Tag vorbereitet, stundenlange Diskussionen mit der Klinikleitung geführt. Immer wieder hatte er an seinem Plan gefeilt. Heute würde er mit seiner innovativen Therapie starten. Daran konnte auch ein U-Bahn, die nicht pünktlich kam etwas ändern. Er versuchte sich zu beruhigen. Du bist gut vorbereitet. Du hast alle Fakten zusammen und weißt, was du vor hast, redete er sich ein.

Die U-Bahn kam schließlich lediglich fünf Minuten zu spät. Um zehn vor neun, saß er an seinem Schreibtisch und blätterte durch seine Unterlagen. Von Montags bis Donnerstags leitete er nun jeweils eine Therapiegruppe mit 6 Patienten. Immer waren es drei weibliche und drei männliche Patienten. Bei den Frauen handelte es sich, um Frauen, die durch einen Missbrauch bis auf einen Fall handelte es sich immer um eine Vergewaltigung, traumatisiert waren. Er führte über 200 Gespräche mit Frauen. Schon während der Vorbereitung wäre die Studie fast gescheitert. Als er die Studienteilneherinnen suchte, meldeten sich einige. Doch die wenigsten Frauen waren aufgrund eines Missbrauchs traumatisiert. Die Männer waren alle verurteilte Sexualstraftäter. Im Gegensatz zu den weiblichen Teilnehmern war die Teilnahme an der Studie weitaus weniger freiwillig. Ein Staatsanwalt, dem er von seiner Forschung berichtet hatte, sorgte dafür, dass die Männer durch die Teilnahme an der Therapie bessere Bedingungen im Gefängnis erhielten oder sogar eine Haftverkürzung. Dieser Anreiz war für die meisten Täter allerdings immer noch nicht nicht ausreichend. Daher musste Holger die fünf geplanten Gruppen auf vier reduzieren. Auch wenn die Teilnehmer nicht erfahren würden, aus welchen Gründen die anderen dabei waren, war es ihm wichtig, dass die Patienten sich untereinander nicht kannten. Am fatalsten wäre es, wenn ein opfer und der Täter zusammen in einer Gruppe aufeinander träffen. Ein solcher Fehler konnte die ganze Studie und damit auch sein eigenes Leben endgültig zerstören.

Daher überprüfte er nun schon zu dritten Mal an diesem Morgen Die Liste seiner Teilnehmer.

Jonna H.; 28 Jahre alt, Referendariat als Lehrkraft. Sie wurde vor etwa einem Jahr von ihrem Ex-Freund mit KO-Tropfen in einer Disko willig gemacht und in einer Disco missbraucht.

Jana A, 21 Jahre alt, Journalistikstudentin und Volontär bei den Ruhrnachrichten. sie wurde vor 2 Jahren auf dem Heimweg von einem Babysitteneinsatz vergewaltigt. Der Täter ist unbekannt.

Ute B.; 32 Jahre alt, Mutter und Hausfrau, wurde jahrelang von ihrem Onkel und Großvater missbraucht und vergewaltigt. Viele Ereignisse, die sie verdrängt hatte, stießen bei der Beerdigung ihres Opas vor wenigen Monaten wieder in ihr Bewusstsein.

Rudi L., 43 Jahre alt, vergewaltigte mehrfach seine Stieftochter und versuchte sie zu töten, nachdem sie sich ihrer Mutter anvertraut hatte.

Carlos S., 35 vergewaltigte seine Ehefrau mehrfach.

Hannes U., 32, lockte mehr als 5 Kinder im alter zwischen 6-10 Jahren in sein Haus und vergewaltigte diese und brachte sie später um, bis einem Mädchen die Flucht gelangt.

Holger wollte beide Patiententypen heilen in denen sie unbewusst spürten, was ihr Gegenüber empfand. Dabei war es strikt verboten, dass die Patienten über den Grund redeten, weshalb sie in der Therapie waren. Sie durften lediglich darüber reden, was sie empfanden und aktuell empfinden.

Einige Beamte in Zivil brachten die männlichen Teilnehmer in den Gruppenraum, wo sie Therapie in wenigen Minuten startete. Anschließend verteilten sie sich im Gebäude ind an den Ausgängen, falls einer der Täter versuchen sollte zu fliehen.

Holger begleitete seine Patienten in den Therapieraum und schaute erneut in seine Akten. Als die drei Frauen nach einander kamen, startete die erste Sitzung. Sie lief nahezu perfekt. Holger stellte sich vor und erinnerte seine Patienten erneut an die Regeln nicht den Grund für die Therapie zu erwähnen. Anschließend sollten sich die Patienten kurz vorstellen und sagen, wie sie sich fühlten. Ute war diejenige, die am ehrlichsten antwortete. Sie berichtete ausführlich davon, wie schwer es ihr fiele aufzustehen. Alles überforderte sie und sie war sehr müde. Den beiden jüngeren Damen gelang der Alltag nur schwer. Doch sie versuchten zu kämpfen, um in der Zukunft wieder glücklich zu werden. Sie hatten einen starken Drang zu funktionieren.Die wortkarge Reaktion der männlichen Patienten hatte Holger nicht anders vorher gesehen. Sie sagten auch keineswegs die Wahrheit.

Als er zu Hause ankam, wartete seine Frau schon auf ihn. Sie kam mit einem Glas Rotwein auf ihn zu und küsste ihn sanft auf die Wange. „Und wie war es mein Schatz?“,flüsterte sie. „Gut“, sagte er trocken. Schon auf dem Rückweg stellte er fest, dass dieser erste Tag viel weniger vielversprechenden war, als es sich morgens anfühlte.Doch er hatte nichts anderes erwartet. Bis seine Forschung ein Ergebnis erzielen würde, musste noch viel mehr geschehen. Auch wenn dieser Tag scheinbar nichts brachte, war er sehr wichtig und erfolgreich. Er küsste seine Frau und nahm das Glas entgegen.

Sie berichtete kurz von dem Gespräch mit den Lehrern von Nicolas. Obwohl Holger seinen Sohn mit in die Ehe gebracht hatte und der in der Schule ständig Ärger machte, nahm Anke ihn an, als sei er ihr eigenes Kind und vrrsuchte Holger so gut es ging zu unterstützen. Er musste ihr nicht m erklären, dass Nicolas oppositionelles Verhalten keine starke Hand brauchte, sondern Vertrauen und Akzeptanz. Der Junge hatte seine leibliche Mutter verloren und musste dann vor drei Jahren aus einem kleinen Dorf in die deutsche Hauptstadt ziehen, die Schule wechseln und mit der neuen Frau seines Vaters leben. Anke verstand, dass das alles ziemlich viel für einen 13jährigen war.

So stellte er sich seine Heimkunft jedenfalls vor. Er rutschte viel zu oft in seine heile Gedankenwdlt ab. Doch Zuhause wartete keine Frau. Anke, die Liebe seines Lebens war schon längst aus seinem Leben verschwunden. „Ich habe die Schnauze voll von einem erfolglosen Schnorrer wie dir. Du schaffst es nicht einmal deinen eigenen Sohn zu erziehen!“, warf sie ihm vor, als sie mit ihrem riesigen roten Koffer durch dir Tür spazierte. Er schaute noch stundenlang aus den Fenster und sah, wie sie flüchtete. Auch ein Jahr später blieb sie fort. Kein Anruf, kein SMS und auch keine Antwort auf den Brief, den er ihr geschrieben hatte. So saß er nun nicht mit einem Glas erlesenen Rotweins, sondern mit einer Flasche Hansa vom Kiosk gegenüber der Wohnung auf der Couch und lauschte in die Stille. Nicolas zog vermutlich wieder mit irgendwelchen Jugendlichen durch die Gassen der Stadt und rauchte irgendwo billiges Gras.

Plötzlich hörte er ein leises Klopfen, so als würde jemand mit den Knöcheln der Faust gegen eine massive Holztür schlagen. Holger horchte auf die einzigen Holztüren in der Wohnung befanden sich in den Schlafzimmern von ihm und von Nicolas. Er stand auf und trottete kurz den langen Flur entlang. Die Tür zu seinem Schlafzimmer stand, wie immer offen. Er sah keinen Sinn darin diese zu schließen. Gäste, die nur in Ausnahmefällen die Wohnung betraten, hätten niemals einen Grund soweit in die Wohnung zu kommen, dass sie die Schlafzimmer am Ende des Flures erreichten. Nicolas Tür hingegen war geschlossen. Das war typisch für ihn und für vielen anderen Jugendlichen. Normalerweise akzeptierte Holger die Privatsphäre seines Sohnes, doch diesmal ignorierte er sie das Klopfen war so nah und real gewesen, dass er einfach nachschauen musste, ob jemand in der Wohnung war. Er drückte die Klinge vorsichtig runter. Dabei fühlte er, sie er eine Grenze zu überschritt und seinen Sohn zu hinterging. Als er die Tür halbgeöffnet hatte, horchte er und rief in das Zimmer hinein „Hallo?“. Keine Reaktion. Mit einem Mal fühlte er sich unsagbar albern. Wer sollte schon in seine Wohnung einbrechen und sich im Zimmer seines Sohnes zu verstecken, um dann einmal zaghaft zu klopfen. Er musste unweigerlich grinsen, ging rückwärts einen Schritt zurück und schloss die Tür leise. Er schlurfte zurück ins Wohnzimmer. Dort blickte er sich um. Auch wenn es ihm sehr albern und unrealistisch erschien, war er sich mehr als sicher, dass er das Klopfen gehört hatte. Da bemerkte er, dass das Fenster zur Straße auf Kipp stand. Das beruhigte ihn. Er redete sich ein, dass das Klopfen durch irgendetwas draußen entstanden sein musste. Vielleicht war es ein Passant dessen Handy einen klopfenden Klingelton hatte.

Lukas

„das ist jetzt wirklich safe?“ tippte er in das Chatfenster des zweifelhaften Chatrooms, indem er sich schon seit einigen Wochen mit Jurisa99 traf. Zum Glück musste er nicht lange auf eine Antwort warten.

„ja, ganz klar. er ist es, holger frank. Ehemals Frank Braun. Er hatte mit einer susanne mayring, genannt suse, 1991 geschlechtsverkehr. anschließend zog er aus unna weg, irgendwo nach berlin und wechselte auf ein internat. zuvor erhielt er dann auch den neuen namen.“

Pah. Geschlechtsverkehr, dachte Lukas und ballte seine Hände zu Fäusten, so wie er er immer tat, wenn ihn die Emotionen zu überwältigen drohten. Dieser Holger Frank oder Frank Braun, wie auch immer der Dreckskerl hieß, hatte seine Mutter vor knapp 20 Jahren auf einer Raststätte während der Rückfahrt von einer Klassenfahrt vergewaltigt und die Tat abgestritten. Da es nur dieses Foto gab auf denen beide erschrocken in die Kamera schauen, wurde nie geklärt, ob der Sex einvernehmlich war oder nicht. Ein Frauenarzt, der erst Wochen später nach dieser Tat aufgesucht wurde, konnte zwar feststellen, dass sie im Bereich der Vagina verletzt wurde, doch wann das war, konnte niemand genau feststellen. Der Schulleiter des Gymnasiums, der die Klassenfahrt begleitet hatte, versuchte vehement Franks Unschuld zu beweisen. Vermutlich hatte er bloß Angst vor den rechtlichen Konsequenzen, weil er nicht richtig aufgepasst hatte, vermutetet Lukas. Frank Braun wurde niemals verurteilt oder bestraft, da ihm nichts nachgewiesen wurde. Und trotzdem weiß ich es, dachte Lukas. Nachdem sein Vater Job und Haus verloren hatte und sie umziehen mussten, fand Lukas eine alte Kiste auf dem Dachboden mit Fotos und Erinnerungsstücken an seine Mutter. Bis dahin glaubte er noch, dass seine Mutter bei seiner Geburt gestorben sei. So wurde es ihm immer erzählt. Doch neben Fotos aus ihrer Kindheit und Jugend und von ihrem Abiball, fand er auch einen Brief. Einen Abschiedsbrief. Seine Mutter entschuldigte sich. Er erkannte auf dem alten und vergilbten Papier Wellen, welche typischerweise von Wasser stammten. Vermutlich hatte seine Mutter während sie schrieb sehr viel geweint. Sie habe seine Geburt nicht ertragen. Durch diesen Vorgang, so behauptete sie, wurde sie retraumatisiert. Sie hatte nachts ständig Albträume von der Vergewaltigung. Wenn ihr Männer mit bestimmten Parfüm oder anderen Merkmalen begegneten, fiel sie zurück in die Vergewaltigung. Lukas hatte den Brief gar nicht zu Ende gelesen. Viel zu schrecklich waren die Bilder, die seine Mutter mit ehrlichen Worten auf das Papier gemalt hatte.

Er stahl den Brief aus dem Karton, den sein Vater nach dem Umzug in das Haus seiner Eltern in der Dortmunder Innenstadt, wieder auf den Dachboden räumte. Er sprach ihn nie darauf an. In der Vergangenheit hatte er schon oft versucht über seine Mutter zu reden. Das Gesicht seines sonst so distanzierten und emotionslosen Vaters hellte sich einen Augenblick auf. Doch dann wurde es trübselig und sein Vater wurde aggressiv. Seitdem er seinen Job verloren hatte, nahm diese Aggressivität deutlich zu. Auch wenn Lukas es nie zugeben hätte, denn dafür liebte er seinen Vater viel zu sehr, war er sehr froh, dass sie bei seiner Oma einzogen. Auch wenn die alte dünne Frau bei einem Wutausbruch von seinem Vater vermutlich nichts ausrichten könnte, fühlte er sich mit ihr sicherer und behütet.

In den ersten Nächten im neuen Haus lag er oft wach und malte sich aus, wie das Leben wohl gewesen wäre, wenn seine Mutter nicht gestorben wäre. Oma erzählte oft, wie ausgelassen sein Vater früher war. Ein glücklicher Mensch, der andere Leute immer wieder zum Lachen ansteckte. Sie sagte auch, dass Suse, sich vermutlich genau deshalb in ihn verbliebt hatte. Sie war das absolute Gegenteil zurückgezogen, schüchtern und immer ein wenig in den Gedanken verloren. „So wie du“, bemerkte sie.

Er hing seinen Gedanken schon wieder so sehr nach, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass Jurisa ihm noch mehr gesendet hatte.

Es handelte sich um eine jpg. Datei. Ohne zu zögern öffnete Lukas das Bild. Sofort war ihm klar, welches Bild es war und das nicht nur, weil er seine Mutter von den Abibildern, die er erst kürzlich gesehen hatte, wiedererkannte.

Das Foto zeigte die Umrisse von einer schmutzigen, mit Edding und Graffiti beschmierten Toilette. Außerdem einen rothaarigen Jungen , dessen Arsch noch unten auf dem Bild nackt zu erkennen war. Seine Augen blickten genau in die Kamera und der Schreck stand im ins Gesicht geschrieben. Scheiße, der ist ja gerade mal ein oder zwei Jahre älter als ich, stellte Lukas mit erstaunen und spürte Mitleid in ihm aufsteigen. Es tat ihm mit einem Mal leid, dass er diesen Scheißdreckskerl so sehr missachtete und ihm den Tod wünschte. Ihm war klar gewesen, dass der Täter selbst im selben Alter, wie seine Mutter gewesen sein musste, aber irgendwie wollte er das nicht glauben. Er konnte nicht fassen, dass ein Jugendlicher in der Lage war das Leben eines anderen Menschens so nachhaltig zu zerstören. Doch all das Mitgefühl verflog, als er in das Gesicht seiner Mutter blickte. Sie sah so ängstlich aus. Sie trug kein T-Shirt und der BH hing nur an ihrem Oberkörper, so als seien die Körbchen einfach nur runter gerissen worden.

Wieder ballte er die Hände. Er war zornig. Wie konnte es sein, dass ihr damals niemand glaubte, obwohl dieses Foto existierte?

Die Antwort würde er nie erhalten. Allerdings hoffte er auf die Antwort einer anderen Frage.

“woher hast du das foto?”

Tippte er in den Chat an Jurisa99. Wieder dauerte es nicht lange bis ein leises Pling ertönte und ihm signalisierte, dass Jurisa geschrieben hatte.

„Ein magier verrät seine tricks nicht ;-)“, schrieb sie bloß. Lukas war ein wenig enttäuscht, aber damit konnte er gut leben. Jurisa hatte ihn mit jeder Informationen versorgt, die er brauchte. Er lernte sie ursprünglich in einem Forum für Truecrime-Interessierte kennen. Mit 1.025 Beiträgen gehörte sie mit zu den aktivsten Usern, und wie er schnell herausfand auch mit zu einem der erfolgreichsten. Sie half dutzenden Usern Fälle aufzuklären, die die Polizei zu den Akten legte. Nur ihren eigenen Fall, eine Vergewaltigung nach einer Party konnte sie nicht aufklären, ebenso wenig, wie die Polizei. Lukas schrieb ihr von seiner Mutter und sie war sofort sehr interessiert. Doch sie wollte das nicht in diesem Forum besprechen. Sie schickte ihm einen Link zu dem Chatportal, wo sie nun schon über Monate immer wieder schrieben. Jurisa99 war es auch, die auf die Idee kam mit alten Freunden seiner Mutter zu sprechen. Da er keine Spuren hinterlassen wollte, bat er sie darum das zu übernehmen. So tauschten sie sich immer wieder mit Informationen aus. Lukas war es irgendwann leid ständig auf den Dachboden zu klettern, um in dem Karton nach neuen Erkenntnissen zu suchen, so dass er ihn kurzer Hand unter seinem Bett versteckt hielt. Fast jeden Abend schrieb er mit Jurisa, doch wusste er, dass es irgendwann zu Ende sein würde. Davor fürchtete er sich. Er hatte in Jurisa eine Verbündete und eine Freundin verbunden. Schon in seiner alten Schule hatte er kaum Freunde gehabt. Seit dem Umzug war er noch einsamer geworden. Jurisa zog ihn oft aus dem Sumpf der Einsamkeit und Verzweiflung heraus.

Lukas öffnete einen weiteren Reiter seines Internetbrowsers und suchte nach Holger Frank. Innerhalb weniger Sekunden wurde er fündig. Der Kerl war Psychologe und plante eine Studie zur Behandlung von traumatisierten Patienten. Lukas las den mittlerweile ziemlich monatealten Aufruf für freiwillige Teilnehmer an der Studie nun schon ein drittes mal. Das ist doch ein schlechter Scherz, glaubte er.

Aktuellere Artikel auf der Homepage der psychiatrischen Institutsambulanz verkündeten, dass das die Studie schon in zwei Wochen startete. Er suchte noch ein bisschen weiter, bis er ein Foto von Holger Frank fand. Er verglich mit dem Foto von vor 20 Jahren und auch wenn er mittlerweile keine feuerroten Haare und deutlich weniger Sommersprossen hatte, erkannte er die eisigen blauen Augen sofort wieder. Er schaute noch einmal, ob er das Pling des Chats einfach überhört hatte, doch Jurisa hatte nichts mehr geschrieben. Er klappte den Laptop zu. Zwei Wochen sind eine gute Zeit, um den Plan im Detail umzusetzen, dachte er. Dann legte er sich ins Bett, wo er sich wieder ausmalte, wie sein Leben wohl wäre, wenn seine Mutter noch lebte, wie er dann wohl wäre? Schon im Kindergarten spürte er, dass er anders war, als die anderen. Das Fehlen einer Mutter machte ihn zum Außenseiter und das hatte sich bis heute nicht verändert. Der Dreckskerl hatte nicht nur das Leben seiner Mutter beendet, sondern auch gleich das seines Vaters und sein eigenes zerstört. Am nächsten Morgen ging Lukas mit seinem Vater ein Stück zusammen zur Schule. Sein Vater hatte einen Kiosk unweit der Schule eröffnet. Sobald sein Vater rechts abbog, drehte Lukas sich um und eilte zurück zur Kreuzstraße von daraus würde er mit der U-Bahn über Stadtgarten nach Aplerbeck gelangen. Das Gelände der Psychiatrie hatte sogar eine eigene Haltestelle. So viel hatte er über Googlemaps herausfinden können. Die Ambulanz öffnete um 9 Uhr. Es war nicht ganz acht Uhr, als Lukas die Haltestelle Kreuzstraße erreicht hatte. Er hoffte, dass die Mitarbeiter nicht viel früher vor der Öffnung der Ambulanz kamen.

Er hatte Glück. Nachdem er 10 Minuten über das weitläufige Gelände gewandert war bis er die Institutsambulanz fand, lief er Frank beinahe in die Arme.Nach dem ersten Schreck fing er an ihn zu beschatten. Nach zwei Woche wusste er alles, was er wissen musste.

Er stand schon beinahe 20 Minuten unten an der U-Bahn Haltestelle. Er wusste, welche Bahn Frank nahm, Doch diesmal kam er nicht. Er hatte Angst, dass Frank an dem ersten Tag seiner Studie vielleicht früher oder später Feierabend machte, aber das er früher ging konnte nicht möglich sein. Immerhin stand Lukas den ganzen Tag in der Nähe der Tür und beobachtete, wer raus und rein ging. Niemals hätte er Frank verpassen können. Wenn dann arbeitete er länger. Lukas hatte mit bekommen, wie wichtig diese Studie für Frank war. In der Ambulanz nahm ihn kaum einer ernst. Er war kein richtiger Psychotherapeut. Anfangs kapierte Lukas nur Bahnhof, als er die Gespräche von anderen Mitarbeitern der Ambulanz belauschte. Bis er mit Hilfe langer Internetrecherche herausfand, dass ein Psychologe bei weitem nicht das selbe, wie ein Psychotherapeut war. Ein Psychologe hatte Psychologie studiert und einen Master oder Bachelor Abschluss erhalten. Um als Therapeut arbeiten zu dürfen, musste noch eine weitere, sauteure Ausbildung absolviert werden. Durch die Gespräche, die Lukas heimlich verfolgte, wusste er nun dass Frank die Ausbildung angefangen hatte, aber die Abschlussprüfung nicht bestanden hatte. Er wollte sie dann wiederholen oder so ähnlich und fiel wieder durch, so ganz hatte Lukas das nicht gecheckt. Jedenfalls blechte seine Frau dafür, die ihn dann verließ und er die Ausbildung pausieren musste, weil er keine Kohle mehr hatte. Lukas freute sich über diese Info. Das geschieht diesem Scheißkerl nur Recht.

Endlich sah Lukas ihn. Gehetzt eilte er die Treppe zu den Gleisen hinunter. Auch wenn er Lukas nicht erkennen konnte, hatte er Angst gesehen zu werden. Dabei war er nur einer von sehr vielen Menschen, die am Gleis auf die Bahn warteten. Er zog die Kapuze seines Parkers tiefer ins Gesicht. Dann rollte die U-Bahn ein. Lukas drängelte sich an vielen Menschen vorbei. Das war normalerweise gar nicht seine Art. Er regte sich viel eher über diese Drängler auf, doch heute brauchte er das Gedrängel. Außerdem musste er dicht an Frank heran kommen. Eine ältere Dame, die Lukas sehr an seine Oma erinnerte schubste er ziemlich stark zur Seite, als er zu Frank aufholte. Die Dame beklagte sich lauthals und Lukas nuschelte „tschuldigung“, doch ihm war klar, dass es so wenig ernst gemeint war, wie es klang. In diesem Moment hatte er keinen Kopf mehr für andere Dinge, auch wenn sein Gewissen bald an ihm nagte. Er schloss zu Frank auf, rempelte auch diesen, diesmal beabsichtigt, an und schaffte es dabei das alte Klapphandy in Franks Tasche zu verstauen. Der erste Schritt war geschafft. Die Idee mit einem älteren Modell war genial. Sie kam ihm nur durch Zufall, als er sich an ein Gespräch von zwei Typen erinnerten, die beklagten, dass die neusten Smartphones oft gar keine Akkukapazität mehr hatten. Die alten Dinger hielten oft ohne Laden mehrere Wochen.

Zuhause angekommen wartete schon Lukas Vater auf ihn, was sehr ungewöhnlich war. Er packte ihn am Kragen und presste ihn gegen die Wand, als er zischte:“ Die Schule hat angerufen und uns informiert, dass du mit Omas Hilfe geschwänzt hast!“. Lukas Oma hatte ihm Entschuldigungen in den letzten zwei Wochen geschrieben. Dass er so schnell aufflog, hatte er nicht gedacht. Als sie zu den beiden in den Flur stieß, lies sein Vater von ihm ab. Stattdessen er warf eine Vase auf den Boden. Lukas flüchtete auf sein Zimmer. Wieder war da wieder diese blöde, was-wäre -wenn-Mama-hier-wäre-Frage in seinem Kopf.

Lukas zog das zweite alte Handy, welches er besorgt hatte hervor. Er hatte mit einem Typen aus der Nordstadt ein Geschäft gemacht. Der Typs besorgte ihm zwei alte Handys samt Prepaid-Karte. Der war so blöd und geldgeil, dass er ihm die für 50€ klar machte ohne irgendwelche Fragen zu stellen.

Er schickte Frank nur zwei Buchstaben F B. Die Initialen seines ursprünglichen Namens.Dann wartete er. Doch der Scheißkerl meldete sich nicht. Lukas wurde zunehmend unruhig. Als er sicher war, dass seine Oma und sein Vater schliefen, rief er das Chatportal auf. Er schrieb Jurisa an.

 “ER schreibt nicht auf meine nachricht.”

 Nervös tippte er mit seinen Fingern auf dem Schreibtisch. Bis er endlich sah, dass Jurisa online war und eine Nachricht schrieb.

“was genau hast du ihm denn geschrieben?”

“FB”

“FB?”

“Ja die initialen seines namens. Ich will die sache langsam angehen.”

 “das ist eine scheiß idee. du musst schneller handeln. Sofort!”

Damit ging sie offline und das Gespräch war beendet. Lukas zog sein Handy aus seinem Rucksack und schrieb Frank eine weitere Nachricht. „Ich weiß, wer du wirklich bist, Frank Braun!“

Dann legte er sich ins Bett ohne noch auf eine Antwort zu warten. Er konnte nicht einschlafen, weil er zu sehr daran denken musste, was Frank alles zerstört hatte. Er stellte sich vor, wie schön es sein musste eine Mutter zu haben und einen liebevollen und glücklichen Vater. Vielleicht sogar Geschwister…

Holger

Als Holger am nächsten Morgen in seinem Büro saß und seine Akten durchgehen wollte, fand er plötzlich ein Handy in seinem Tasche. Ein altes klappbares Modell. Unwillkürlich lachte er. Wie lange hatte er ein solches Handy nicht mehr gesehenen? Er erinnerte sich noch, wie sie vor etlichen Jahren mal der Letzte Schrei gewesen waren und Anke ihm eins zu Weihnachten schenkte. Er er klappte es auf und sah, dass sich auf dem Handy zwei ungelesene Nachrichten befanden. Einen Augenblick fragte er sich, ob er sie öffnen sollte oder nicht. Vermutlich gehörte dieses Handy irgendjemandem und der Besitzer wäre bestimmt nicht sehr erfreut,, wenn Holger einfach seine Nachrichten durchging. Doch dann überlegte er, dass die SMSs vielleicht helfen könnten, heraus zu finden, wer der Besitzer war. Mit dem Lesen der SMSs verfolgt die Leichtigkeit, die er bei dem Anblick des Handys gespürt hatte mit einem Schlag. Nun war ihm klar, wer der Besitzer des Handys war. Er selbst.

Die erste SMS bestand lediglich aus zwei Buchstaben FB, die zweite war so eindeutig, dass kein Fehler vorliegen konnte. „ich weiß er du bist, Frank Braun!“

Er griff nach seinem Mantel, das Handy mit der anderen Hand fest umklammert und eilte zum Büro seines Chefs. „ich muss mich krank melden. Es tut mir leid!“, sagte er und ohne die Reaktion abzuwarten, eilte er aus dem Büro und aus dem Gebäude Richtung U-Bahn. Sein Herz pochte. Als er sich setzte versuchte er logisch an die Sache heran zu gehen. Auch wenn er seinen Geburtsnamen schon Ewigkeiten nicht mehr gehört hatte, gab es noch genügend Leute, die ihn kannten. Aber was wollte dieser jemanden nun von ihm? Warum gerade jetzt? Er hatte noch einmal die Chance erhalten sein Leben in den Griff zu bekommen. Das wollte er keineswegs gefährden.

Zuhause angekommen schrieb er eine SMS zurück: „wer bist du?“

Er bekam nicht sofort eine Antwort. Mit dem Handy in der Hand eilte er aus dem Haus zum Kiosk und holte sich eine Schachtel Zigaretten. Ein altes Laster. Immer wenn er ungeduldig war, rauchte er eine nach der anderen. Die Schachtel war schon fast aufgebraucht, als endlich eine neue SMS auf dem Handy einging „Dein schlimmster Alptraum!“

Fast hätte er auf gelacht. Das las sich, wie in einem schlechten Krimi.

„Und was willst du?“, schrieb er zurück.Diesmal musste er keine Minute auf die Antwort warten.

Es war nur ein einziges Wort: „Rache“. Nun war die Unsicherheit wieder da. Wer würde sich an ihm rächen wollen? Er wusste, dass er auf dem Heimweg der Klassenfahrt zu unrecht mit Suse verkehrt hatte, doch hatte ihr niemand geglaubt. Außer vielleicht die ein oder andere Freundin, aber welchen Grund sollten sie haben sich heute zu rächen und vor allem wie?

Lukas

Nach er Schule eilte Lukas nach Hause. Der Vibrationsalarm seines Handys gab ihm zu verstehen, dass er eine neue Nachricht bekommen hatte. In diesem Moment wollte er am liebsten auf`‘s Klo rennen und die Nachricht lesen und beantworten. Doch er riss sich zusammen. Die Nachrichten sollten wohlüberlegt sei und so unterdrückte er mit Mühe den Impuls ihm zu antworten.

Am Abend schrieb er wie üblich mit Jurisa.

„Du musst endlich etwas tun! Schicke ihm das Foto und dann geht‘s endlich richtig los!“

„wie meinst du das, dass es richtig los geht?“

Diesmal brauchte Jurisa lange um zu antworten. Lukas wollte gerade schon den Rechner runter fahren, als das bekannte Pling eine Nachricht von Jurisa ankündigte.
„was hast du mit ihm vor?“ Lukas ging in sich. Als er den Brief seiner Mutter die ersten Male gelesen hatte, spürte er zum ersten mal Wut. Richtige Wut alles, was er zuvor für Wut gehalten hatte, war nichts im Vergleich zu dem, was er in diesem Moment empfand. Er wollte etwas zerstören. Nicht etwa Stifte, Bücher oder was er sonst so oft zerstört hatte, als die anderen Kinder ihn damit auszogen, dass er keine Mutter hatte. Er wollte das Leben des Arschlochs zerstören, der sein Leben ruiniert hatte. Damals wurde ihm ganz heiß bei dem Gedanken und seine Haut prickelte vor Erregung. Doch heute hatte er große Zweifel. Er wusste nicht mehr, was er tun sollte. Er hatte den Kerl kennengelernt und erkannt, dass er eine ziemlich arm dran war. Der Typ war beruflich erfolglos, hatte einen Sohn, der Drogen vertickte und war sonst ziemlich einsam.

„ich glaube ich sollte das foto einfach veröffentlichen. Damit wäre seine arbeit als forschende psychologe jedenfalls hin“

„auf gar keinen fall!“ Die Antwort traf innerhalb von zwei Sekunden ein.

Lukas überlegte, was er schreiben sollte, als er die drei tanzenden Punkte sah, die anzeigten, dass Jurisa eine Nachricht tippte.

„das ist eine selten dämliche idee. das foto gab es schon 20 jahren und da hat es auch niemanden gejuckt. du musst ihn aus der reserve locken und so tun, als hättest du noch mehr beweise. dann bringst du ihn dazu dich zu treffen. Und dann…“

Lukas wusste, dass Jurisa ihm nicht mehr erklären würde, was sie mit und dann meinte. Er beendete den Chat und öffnete ein Bildbearbeitungsprogramm. Er Schnitt das Foto zu, so dass das Gesicht von Frank und von seiner Mutter nicht zu erkennen war. Nur noch sein Arsch und ein Rest der ranzigen Kabine war zu sehen. Das sendete er noch am Abend zu Frank. Am nächsten Nachmittag wollte er dann das komplette Bild schicken.

Holger

Er war nervös. Wieso kramte ausgerechnet jetzt jemand diese alte Geschichte aus? Seit 20 Jahren hatte er nicht mehr daran gedacht. Er wollte endlich neu durchstarten. Die Studie erfolgreich beenden, Geld verdienen und erneut die Ausbildung zum Psychotherapeuten absolvieren und so hoffentlich Anke zurück bekommen. Bei dem Gedanken an seine Arbeit wurde er noch nervöser. Er suchte sein eigenes Handy und rief bei seinem Chef an. Dieser war sehr aufgebracht über seine abrupte Flucht. „Die Schule von Nicolas rief an. Sie sagten er sei im Krankenhaus. Im Endeffekt hat er nur einen gebrochenen Arm. Morgen bin ich auf jeden Fall wieder da und ich lasse mir etwas einfallen, wegen der Stunde heute.“ eine Notlüge erlaubte er sich in dieser Situation.

Er dachte angestrengt nach, wer für diese Aktion in Frage kommen würde. Nachdem Suse damals niemand geglaubt hatte, wechselte er die Schule. Doch er hatte noch mitbekommen, wie sich die anderen nach und nach von Suse abwendeten. Er war damals mit großem Stolz erfüllt. Er fühlte sich enorm mächtig. Die einzige, die noch auf ihrer Seite war, war ihre beste Freundin. Er überlegte ununterbrochen, wie sie noch hieß. Sein visuelles Gedächtnis funktionierte einwandfrei. Die schlanke Figur, die herausstehenden Schlüsselbeine, der kleine Leberfleck links neben der unter Lippe, die wild gelockten tief schwarzen Haare. All das hatte sich in sein Hirn eingebrannt, aber der Name wollte ihm nicht mehr einfallen. Er ging in sein Arbeitszimmer und versuchte sich mit seiner Arbeit abzulenken. Er lass sie Notizen durch, die er gestern gemacht hatte und wollte mit der Auswertung starten. Bis er die erste begonnen hatte, vergingen Stunden. Er war so abgelenkt, dass er nicht in der Lage gewesen war, konzentriert zu arbeiten. Dann vernahm er ein Klopfen. Sein Herz setzte für einen Moment aus. Es kam von dem Handy. Er hatte es vorsichtshalber mit in sein Büro genommen, damit Nicolas es nicht zufällig finden würde. Er öffnete die Nachricht. Auch wenn das Foto nur einen Ausschnitt zeigte erkannte Holger es sofort. Er fluchte. „wer bist du?“ schrieb er abermals.Es dauerte nicht lange bis eine neue Nachricht kam. „Das wirst du noch früh genug erfahren.“

Lukas

Lukas hätte zu gerne das Gesicht von Frank gesehen. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er das Gefühl Kontrolle über etwas zu haben. Er schickte Frank das komplette Bild und schrieb danach. „ich weiß noch viel mehr über dich. Auch wenn deine Tat verjährt ist, werde ich dein Leben zerstören. So wie du meins. Du wirst niemals wieder als Psychologe arbeiten können“.

Als er daraufhin keine Reaktion erhielt, schrieb er weiter. „wir werden uns Freitagabend sehen!“

Darauf sprang Frank an. Lukas hatte sich für das Treffen einen verlassenen Fußballplatz in mitten von einem kleinen Wald und Feldern entschieden. Dort war er früher oft mit seinem Opa. Er schrieb Frank, wie er dort hinfinden würde und eine Uhrzeit. Mehr war gar nicht notwendig. Am Abend schrieb er wieder mit Jurisa. Er berichtete ihr,was passiert sei.

„sehr gut!“ schrieb sie.

„was jetzt?“

Es folgten drei Emojis. Ein Kreuz, eine Pistole und ein Gesicht mit x statt Augen. Lukas wusste sofort, was sie vor hatte. Ihm wurde übel und er übergab sich unweigerlich in den Mülleimer, der neben seinem Schreibtisch stand. Er hatte seit dem letzten Chat mit ihr lange darüber nachgedacht und es sogar kurzzeit in Erwägung gezogen. Er dachte an eine Vergiftung oder eine andere hinterlistige Idee. Doch wirklich abfinden konnte er sich mit dieser Vorstellung nicht. Seine körperliche Reaktion zeigte ihm endgültig, dass das keine Option war. Niemals könnte er einen Mord begehen Das war ihm nun endgültig klar.

„nein, das kann ich nicht!“ antwortete er.

„ich weiß, schreibe mir wo ihr euch trefft“, verlangte Jurisa. Lukas zögerte. Er wollte sich rächen, deshalb hatte er die ganze Sache angefangen, doch morden war zu viel. Es würde ihm schon reichen, wenn die ganze Sache jetzt zu Ende war. Holger hatte Angst gespürt. Mehr musste nicht passieren.

Das Pling riss ihn aus seinen Gedanken.

„mach schon, ansonsten werde ich schon herausfinden, wo er wohnt und erledige ihn auf eine andere Art und Weise.“

Angst. Auch wenn die Tonlage und der Gesichtsausdruck fehlte, bemerkte Lukas intuitiv, wie ernst es Jurisa in dieser Situation war. Sie war fest entschlossen Frank zu töten. Entweder mit seiner Hilfe oder ohne ihn. Jetzt musste er sich entscheiden, was für ein Mensch er sein wollte. Ein Mörder oder ein Angsthase. Er hatte die Möglichkeit sich für all sein Leid zu rächen und all die Wut endgültig aus seinem Körper strömen zu lassen. Andernfalls konnte er sich dafür entscheiden nichts zu tun. Doch war das wirklich eine Möglichkeit? Was wäre wenn Jurisa wirklich heraus finden würde, wo er wohnt. Besonders schwer war es nicht. Immerhin hatte er selbst es geschafft. Jemand, wie Jurisa würde das auf jeden Fall hinbekommen. Mit einem unangenehmen Gefühl im Bauch schrieb er Jurisa, wo und wann das Treffen mit Frank stattfinden sollte.

Holger

Jetzt stand er hier mutterseelenallein in der Kälte. Er fragte sich, wieso er sich auf dieses Treffen überhaupt eingelassen hatte. Doch was hatte er für eine Wahl gehabt? Er hätte schlecht zur Polizei gehen können. Er wollte die Sache von damals vergessen und nicht noch mal neu ausgraben. Er hatte damals einen großen Fehler gemacht, den er mittlerweile bitter bereute. Deshalb entschied er sich für seine Studie mit Missbrauchsopfern zu arbeiten. Er wollte etwas wieder gut machen.

Plötzlich hörte er einen lauten Knall. Er dachte noch daran, dass es klang, wie der Schuss einer Pistole, als er vor Schmerz stöhnte und auf den Boden sackte. Er bekam nicht mehr mit, dass er aufkam. Schon kurz bevor er den Boden erreichte, wurde die Welt um ihn herum schwarz.

Während es vor einer halben Minuten noch dunkel und still war, war der Fußballplatz nun dank Blaulicht und Taschenlampen der Polizei hell erleuchtet. Sie hatten den Schützen leider einen Moment zu spät entdeckt. Die junge Frau, die sich nun krampfhaft gegen den Griff der Polizistin zu wehren, hatte einen Schuss auf den Mann abgefeuert.

Ein Teenager hatte anonym bei der Polizei angerufen und versichert, dass auf dem Platz ein Mord stattfinden würde. Erst, als er zugab, dass er ein schlechtes Gewissen hätte, weil er an der Sache beteiligt war, wurde ihm geglaubt und ein Streifenwagen wurde dorthin geschickt. Als sowohl der Mann und die junge Frau entdeckt wurden, die der Teenager beschrieben hatte, riefen die Polizisten Verstärkung.

Drei Wochen später

Holger Frank lag im Krankenhaus. Der Schuss hatte ihn nicht getötet, aber schwerverletzt. Er wurde in ein künstliches Koma versetzt aus dem er noch nicht erwacht war. Lukas wünschte sich, dass er dabei bleiben würde. Er hatte sich entschieden das richtige zu tun, trotzdem wünschte er Frank nichts Gutes. Wenn er sein Leben lang eine Behinderung davon tragen würde, würde er eventuell ein vergleichbares Leid ertragen müssen, wie Lukas.

Jurisa, dessen richtiger Name Larissa Kraus war, wurde sofort in Untersuchungshaft verwiesen. Während der Ermittlungen wurde ihre Wohnung auf den Kopf gestellt. Dabei wurden Indizien für weitere Verbrechen an sexual Straftätern gefunden. Die IT-Experten der Polizei arbeiteten intensiv daran Beweise zu finden. Lukas selbst meldete sich bei der Polizei. Er zeigte ihnen das Chatportal in dem er mit Jurisa gechatet hatte. Das war ein wertvoller Beweis. Lukas hatte einen Mord verhindert, seine Mutter gerächt und dabei geholfen eine Mörderin zu überführen. Trotzdem ging es ihm enorm schlecht. Die Zeit, die er mir Jurisa verbracht hatte war nun endgültig vorbei und er war wieder ganz alleine.

One thought on “Rache

  1. Da hat die Geschichte aber nochmal ein wildes Ende genommen 🙈
    Sehr schön! Sehr kreativ gearbeitet wurde hier. Du hast sehr schöne Ansätze beschrieben nur leider konnte ich dir nicht mit jedem Wort folgen..
    Aber dran bleiben! Unbedingt!☺️
    Herzlich, die Lia 🌿💚

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