matthewfliegenSchattenseiten

Mit jedem Schritt, den er tat, musste sie zwei weitere nach vorne preschen um mit seinem raschen Tempo mit halten zu können. Der Linoleum Boden quietschte unter ihren abgetragenen Turnschuhen als Magnolia ihren Chef um eine weitere scharfe Linkskurve folgte. „Ich bitte Sie…“ presste sie angestrengt hervor, versuchte dabei jegliche Anzeichen von Anstrengung aus ihrer Stimme zu verbannen. Der Flur von dem Kopierraum zurück in die Redaktion war ihr noch nie so lange vorgekommen wie in diesem Augenblick. Herr Svärd, die braune Aktentasche locker unter den Arm geklemmt, marschierte leichtfüßig wie ein Tänzer an den entgegenkommenden Mitarbeitern und Journalisten vorbei während Magnolia neben ihrer, immer schlimmer werdenden Atemnot, kaum auf plötzliche Hindernisse achten konnte. Hin und wieder rempelte sie ausversehn einen der herum wuselnden Schreiber an, die auf dem Weg zum Raucherraum oder dem überarbeiteten Kopierer sowie schon angespannt genug waren. Dienstagmorgen, noch 8 Tage bis zum Drucktermin. Eine Deadline die am Ende des Monats, in der gesamten Redaktion für Wirbel und Stress sorgte, machte es Magnolia umso schwieriger mit ihrem Chef zu diskutieren.       „Herr Svärd,…“. Der beengte Gang  ergoss sich in dem großen Redaktionsraum, und ihre Worte gingen in dem allgemeinen Stimmengewirr unter, das sich über den Köpfen der gestressten Journalisten aufzog wie Gewitterwolken. Die Verzweiflung, die mit ihrem unvollständigen Satz mit schwang, verlor sich und schwebte ungehört zur Decke des lichtdurchfluteten Raumes. Mit dem gehetzten Schritttempo, eines Verbrechers auf der Flucht, umrundete Svärd einen Schreibtisch, grüßte den dahinter arbeitenden Reporter kurzangebunden aber nicht unfreundlich. Beinahe hätte Magnolia den glatzköpfigen Mann für seine Ausdauer bewundert.  Benedikt  Sunter schenkte der Brünetten Reporterin einen belustigten Blick, als der Verfolgte und die Verfolgerin an seinem Schreibtisch vorbei kamen. Die Szene die sich ihm an diesem Dienstagmorgen bei der Arbeit darbot, war ihm nicht unbekannt. Bekannt war ihm auch der Ausgang, den dieses einseitige Gespräch, wenn man es überhaupt so nennen konnte, nehmen würde. Torsten Svärd war ein außerordentlich guter Reporter. In seiner Karriere hatte er den ein oder anderen, Augenbrauen anhebenden Text veröffentlicht. Er nahm nie ein Blatt vor den Mund, sondern beschrieb dieses Blatt lieber mit seiner knallharten Meinung. Der, in die Jahre gekommener gebürtige Schwede war ein fairer aber harter Chef, der bekannt dafür war, bei der kleinsten Faktenunsicherheit  den Artikel eines Mitarbeiters komplett aus der monatlichen Ausgabe ihrer Zeitung zu streichen. „Der Falke“ war dafür bekannt ehrlich, satirisch und lupengenau zu sein. Nach Benedikts Meinung, verdankte das junge Magazin seinen monatlichen Erfolg eben genau der Erfolgsroute die ihr Chefredakteur beharrlich fuhr. Und von dieser eingespeicherten Route war er schwer von abzubringen, da konnte man ihm noch so viel Abkürzungen oder Umleitungen anbieten. Und man könnte ihm noch so pedantisch und ehrgeizig in sein Geschäftskonzept einreden wie Magnolia Eberts es tat, er würde dennoch nie das Steuer aus der Hand geben. „Torsten!“ Die atemlose Brünette versuchte einen letzten Angriff. Sie waren nun nur noch etwa fünf Schritte von der Bürotür des Vorgesetzten entfernt. Das heißt für sie waren es noch fünf Schritte, der große Skandinavier benötigte schätzungsweise nur noch zweieinhalb. „Ich arbeite jetzt schon seit…“ –Torsten Svärd hatte sich so schnell zu der jungen Frau umgedreht dass sie beinahe mit voller Wucht in ihn hinein gerannt wäre. Erschrocken verschluckte sie den Rest ihres Angefangen Plädoyers als ihr Gegenüber zum ersten Mal einen Anteil an dem, ihm auf gedrungenen Gespräch nahm und ihren Satz vervollständigte. „Seit 5 Jahren für den Falken! Ich bin mir dessen bestens Bewusst Frau Eberts, es gibt keinen Grund mich ständig an ihre Stelle hier zu informieren“  Sein Tonfall war weder unfreundlich noch wirklich nett. „Sie haben bereits Ihren Artikel! Ich schlage vor den bringen Sie erst einmal zu Ende bevor sie einen neuen aus meiner alten Seele heraus quälen wollen.“, bestimmte er kühl und drehte sich schwungvoll wieder, in Richtung seiner rettenden Bürotür. „Aber ich…“ – „ich verspreche Ihnen Eberts!“, unterbrach er sie bestimmt und die Art wie er seine Stimme so mühelos über den vorherrschenden Geräuschpegel der Redaktion hob, vermittelte ihr unmissverständlich dass das Gespräch damit jetzt vorbei war. „Sollte in dieser Stadt je auch nur einen Mord passieren, gehört die Story Ihnen! Bis dahin, bleiben sie bei ihrem jetzigen Artikel.“

 

Als Magnolia an diesem Abend die Wohnungstür aufschloss fühlte sie sich wie ein Eindringling. Eine Fremde in ihren eigenen 4 Wänden. Nach einem frustrierend langen Tag, den sie größten Teils mit dem Lockenkopf über einen Artikel gebeugt verbracht hatte, empfing sie nun der kleine Flur ihrer noch kleineren Mietswohnung mit einer kühlen Dunkelheit.  Seufzend tastete sie nach dem Doppellichtschalter neben dem Türrahmen. Sie musste am Morgen vergessen haben die Jalousien im Wohnzimmer, hoch zu ziehen denn diese hingen noch immer unverändert und träge über den großen Fenstern und straften die Räume mit Dunkelheit. Beinahe fühlte sich die 27 Jährige schlecht für ihre Hauspflanzen die den ganzen Tag bei scheinbarer Nacht verbringen mussten. Als der Lichtschalter das warme Deckenlicht durch den Raum schickte schloss sie die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel dreimal zusätzlich im Schloss. Bei jedem leisen klicken entspannte sich ihre verkrampfte Haltung ein kleines bisschen mehr, danach ließ sie ihn im Schloss stecken während der Autoschlüssel klimpernd seinen Platz auf der Kommode rechts neben dem Eingang fand. Das Geräusch wirkte unheimlich einsam in der vorherrschenden Stille, die schwer an den Wänden zu hängen schien wie eine hässliche Tapete. Sie streifte mit den Fersen die alten Schuhe ab und verbannte sie in die Ecke unter der Garderobe. Ihre Tasche hing schwer über ihrer Schulter und immer zu musste sie an den Artikel im Inneren denken. Wie ein Parasit hatte dieser Artikel sich nun auch in ihre Wohnung eingeschleust. Ihre Nerven befiel er schon seit dem Ende letzten Monats, als die Ideen für die nächste Ausgabe gepitched wurden. Magnolia konnte sich noch genau an das dämliche Grinsen von Benedict Sunter erinnern als er ihr gegenüber am großen Konferenztisch Platz nahm. Sie befürchtete das Bild seiner gehässigen Maske war ihr ohnehin bis auf weiteres hinter die Lieder gebrannt worden. Nachdem sie endlich die Arbeitstasche auf die Couch geworfen und die unbequeme Jeans gegen die lockere Jogginghose getauscht hatte erlaubte sie sich selbst einen Moment Entspannung. Die Nadel des Schallplattenspieler hüpfte ein zwei Mal auf der alten Schallplatte ehe sie Halt fand und leise knisternd vor sich hin zu singen begann. Magnolia sank auf die Couch im Wohnzimmer und bettet den schwer gewordenen Kopf auf der Sofalehne. Die Decke erwiderte ihren starren Blick. Was würde sie nur dafür tun endlich in ihrem Job die Anerkennung zubekommen die sie verdammt nochmal verdient hatte? Alles was sie brauchte, dachte sie entnervt, war eine Chance. Endlich mal eine gute, interessante Story zu geteilt zu bekommen wäre da schon mal ein Anfang. Ihre Gedanken schweiften ab zu Benedict  Sunter, dem „Star-Journalisten“ und Aasgeier der gesamten Redaktion. Der junge Germanistik Student staubte jede einzelne Titelblattstory ab, Monat für Monat, für Monat, für Monat. Während sie, die jetzt schon mehr als fünf Jahre zum Team des „Falken“ gehörte, seit Beginn ihrer Karriere im Sumpf der lokal Nachrichten eingesunken war.  Mit keinem Rettungsseil in Sicht, was sie aus dem hungrigen Matsch hätte  heraus ziehen können. Lokal Nachrichten. Klingt ja erst mal nicht schlecht, hatte sie sich gedacht bei ihrem ersten richtigen Auftrag einer Kolumne. fünf Jahre später und die aufregendste Nachricht über die sie je die Ehre hatte zu schreiben war ein Rentner der nach dem er aus dem Altersheim ausgebüchst war beim überqueren der Straße von einem Auto erfasst wurde. Magnolia liebte ihre Heimatstadt, sie war hier  aufgewachsen und gleich nach dem Studium wieder zurück gezogen und wird sich vermutlich noch für den Rest ihres einfachen Lebens in der Idylle einer Kleinstadt sonnen können. Aber hier passierte einfach nichts. Nichts Titelblatt würdiges. Dabei wusste sie eines so klar wie nichts anderes sonst. Sie war eine viel bessere Journalistin als Sunter es je sein würde. Und allemal hätte sie es mehr verdient. Eine plötzliche Wut stieg in ihr auf und kribbelte nervös in ihren Fingerspitzen. Die Worte ihres Chefs hallten zwischen ihren beiden Ohren hin und her wie bei einem Tischtennis Duell. „Sollte in dieser Stadt je auch nur ein Mord passieren, gehört die Story Ihnen“. Ein bitteres Lachen stieg unaufhaltsam in ihrer Kehle empor und begleitete den ruhigen R&B Song der Schallplatte als sarkastische Strophe.  „Sehr witzig Herr Chefredakteur“  Mit einem leichten Anflug von Überraschung bemerkte sie die eigene Gehässigkeit in ihrem Ton, aber eine erneute Welle der Wut überspülte sie und verwischte wie eine Welle die am Strand brach, die letzten Spuren ihrer Rationalität. Konnte er denn nicht ihr Talent sehen? Impulsiv zog sie das Manuskript ihres jetzigen Artikels aus der Umhängetasche neben sich hervor. Die Bewegung war so ruckartig, ihr Griff so verspannt dass ihre Finger tiefe kerben in das sonst makellos weiße Blatt zogen und die Ecken sich knickten. Am liebsten hätte sie die Seiten eigenhändig zerrissen. „Der Vegetarische Burger kommt in die Stadt“ las die Überschrift. Ja, so eine Nachricht war nun wirklich von Bedeutung. Vor allem in Anbetracht der anderen Reportagen die „der Falke sonst so herausbrachte. Die größeren Projekte des Magazins, die nicht auf die lokale Umgebung eingeschränkt waren variierten von internationalen Politik News, Reportagen über den besonderen Alltag interessanter Persönlichkeiten und Berufe und nicht zu vergessen Benedikts groß angekündigte Enthüllungsstory. Niemand ihrer Kollegen wusste etwas genaueres, da der Liebling des Chefs ein ganz unprivates Geheimnis daraus machte, was so viel bedeuten soll wie: er kündigt jedem eine große Reportage an und tut im Nachhinein so als dürfe niemand überhaupt auch nur wissen an was er gerade arbeitete. Ja Benedict Sunter liebt das Gemurmel und Getuschel über ihn und seine ungeheimen, geheim Projekte.

Eine undankbare Wut umschlang ihr Herz mit kalten Fingern und in einem urplötzlichen Gefühlsausbruch fegte sie mit ihrer Hand alles von dem niedrigen Couchtisch zu Boden. Als die leere Kaffetasse vom Vormittag den Boden berührte zerschellte sie in pastellblaue Bruchstücke, die Scherben schlitterten bis zu ihrer Topfpflanze in der anderen Ecke des Raumes. Ihr Atem nahm an Geschwindigkeit an als sie durch ihre Tränen hindurch den Artikel in dieselbe Richtung hinter warf. Die Doppelseite schnitt durch die aufgeladene Luft und segelte provozierend langsam dem Boden entgegen. Magnolia brauchte einige Minuten um sich von ihrem Gefühlsausbruch zu erholen. Erschöpft raufte sie sich die dicken Haare, und fühlte sich von einem Moment zum nächsten vollkommen ausgelaugt, ganz so als hätte ihr Wutanfall sämtliche Energie aus ihrem Körper gezogen. Wenn sie wo wütend war jetzt, dann wollte sie nichts auf der Welt lieber als ihrem Inneren Drang nach zu gehen und ihrem Ärger Gehör zu verschaffen. Sie wollte schreien, weinen und um sich schlagen. Aber Ärger bringt meist noch mehr Ärger in Folge, als dass er wirklich etwas an der Situation ändern könnte. Meistens malt die Wut dann doch die ganze Welt nur noch in dunkleren Tönen als sie einem ohne hin schon erscheint.  All das wusste sie, und doch schien es ihr so viel leichter sich jetzt ihrer Aggression hin zu geben und etwas kaputt zu machen, als zu versuchen sich zu beruhigen. Nach genau acht weiteren Minuten, in denen sie einfach nur so da saß und die Schallplatte holprig ihr Ende fand nur um der Stille erneut den Raum zu gewähren sich über die Wohnung zu legen wie ein schwerer Wintermantel, stand sie endlich von dem Sofa auf. Die Scherben wurden aufgefegt, das Buch, das aufgeschlagen mit den Seiten nach unten neben dem Kaffetisch lag, wurde zurück in das Regal über dem Arbeitstisch geräumt. Beinahe wollte Magnolia sich schon wieder auf die grauen Polster fallen lassen und die Impulshandlung, die sie ihre Lieblings Tasse gekostet hatte, in Vergessenheit verbannen da fiel ihr etwas Weißes ins Auge. Es blitze zwischen den Teppich Fransen hervor.  Sie stand erneut auf und holte sich ein kaltes Glas Wasser aus der Küche. Dann sammelte sie die wenigen herausgefallenen weißen Kapseln in ihrem Wohnzimmer auf, löschte das Licht und ging zu Bett. Die glatte Oberfläche der Tablette fühlte sich fremd an auf ihrer rauen Handfläche. Sie saß aufrecht zwischen ihren großen Kissen und blickte einen Moment skeptisch auf die Verpackung der Schlaftabletten hinab. „Hoffentlich bist wenigstens du keine Enttäuschung“ murmelte sie geschlagen und spülte die Tablette mit dem Wasser herunter. Danach saß sie noch eine Weile so da und wartete auf den Effekt. Nach ein paar endlosen Minuten glaubte sie ihr Kopf fühle sich an wie Watte. Ihre Gedanken, die zuvor auf dem Highway in ihrem Hirn blitzschnell herum gerast waren bogen nun auf eine gemütliche Landstraße ab und tuckerten ohne ein wirkliches Ziel zu haben gemütlich hintereinander her. Die Dose klackte als sie mit tauben Fingern den Verschluss  erneut öffnete und eine weitere Tablette auf ihre geöffnete Handfläche fallen ließ. In dieser Nacht schlief Magnolia so tief und traumlos, wie schon lange nicht mehr.

 

Als sie die Augen aufschlug war es, als hätte sie sie nie aufgemacht. Der Raum lag in kompletter Dunkelheit vor ihr während die letzten Reste ihres formlosen Traumes an ihr vorbei zogen wie Nebelschwaden. Sie streckte sich und riss ihre Glieder sowie Muskeln aus dem Schlaf. Als sie ihren Arm über den Kopf heben wollte, durchfuhr ein stechender Schmerz ihre Schulter und fraß sich bis in den rechten Ellenbogen und rauf in ihren Nacken hoch. Stöhnend setzte sie sich zwischen ihren gestärkten Laken auf. Die Bettdecke lag nur noch zur Hälfte auf der Matratze und das Laken war vollkommen zerwühlt. Komisch, ihr Schlaf war ihr selbst so ruhig und tief vorgekommen, dachte sie. Dabei sah ihr Bett aus als habe sie sich stundenlang unruhig darin herum gewälzt. Irritiert ließ sie ihre rechte Schulter kreisen und der leise Schmerz schrie im Hintergrund ein gequältes Lied. Muss wohl blöd drauf gelegen sein, dachte Magnolia sich und beließ es dabei. Magnolia gähnte herzhaft und kostete die letzten Momente in ihrem Bett sowie die Erinnerung an den erholsamen Schlaf noch ein letztes Mal aus bevor sie in die Realität aufstehen musste. Magnolia hatte schon lange nicht mehr so gut geschlafen. Genau genommen schlief sie selten gut oder gar durch. Schon seit ihren frühen Teenager Jahren wurde sie von Schlafproblemen geplagt. Mit einem bitteren Geschmack im Mund erinnerte sie sich an ihre starke Insomnie, die sie befallen hatte wie ein Dämon. Damals war sie gerade zwanzig gewesen und konnte kaum mehr ihr Leben selbst leben. In der Nacht fand sie kaum Ruhe und am Tag darauf raubte ihr die Erschöpfung jegliche Motivation oder kraft. Zum Glück hatte sie seit sechs Jahren keine schlimme Insomnie mehr gehabt. Hin und wieder plagten sie Schlafrhythmus Störungen aber im Großen und Ganzen war ihr der Begriff Schlaf kein fremdes Wunschdenken mehr. Trotzdem, an diesem Morgen war sie außerordentlich froh sich letzte Woche die Schlaftabletten gekauft zu haben. Sie fühlte sich energiegeladen noch vor ihrem Morgen Kaffe und das grenzte für Magnolia schon fast an ein Wunder.  Aus einer guten Laune heraus zog sie alle Jalousien in der Wohnung hoch und pfiff eine  fremde aber süße Melodie während sie ihre Pflanzen goss. Um Punkt Acht Uhr wollte sie die Wohnung verlassen. Sie hatte sich vorgenommen den schrecklich langweiligen Veggi Burger Artikel fertig zu bringen ab nächstem Monat würde sie sich jedoch auf keinen weiteren Kompromiss einlassen. Sie wollte endlich das was sie auch verdient hatte. Entschlossen griff sie nach dem Schlüssel, den sie normalerweise stets im Schlüsselloch stecken ließ. Ihre Hand griff ins Leere. Verwundert sah Magnolia auf das kahle Türschloss und aus einer Intuition heraus drückte sie die Klinke der schweren Wohnungstür herunter. Sie ließ sich problemlos öffnen. Der Flur blickte ihr spottend entgegen. Ein klammes Gefühl nagte sich Magnolia in die Brust. Das kann doch aber nicht sein. Sie sperrte immer ihre Tür ab, dreimal. Hastig fuhr sie zur Kommode herum und sah ihn dort liegen. Unschuldig reflektierte sich das decken licht in dem Metall. Magnolia schluckte den Klos, der sich in ihrem Hals aufwärts schob wieder herunter. Nicht vor zu stellen was hätte passieren können. Sie war die gesamte Nacht ungeschützt vor Dieben oder schlimmeren Verbrechern in ihrem Bett gelegen und hatte sich der falschen Illusion von Sicherheit hin gegeben. Magnolia war geschockt, denn seit einem gewalttätigen Einbruch in ihre Studenten WG konnte sie nie auch nur entspannt auf der Couch sitzen ohne alles verriegelt zu haben.  „Es ist ja nichts passiert“ raune sie sich selbst zu. Vielleicht war das ein Zeichen  dass sie allmählich über die besagte Nacht während ihrer Zeit an der Uni hin weg gekommen war.  

 

Ihre Gute Laune sollte nicht den ganzen Tag anhalten, geschweige denn überhaupt den Arbeitstag überleben. Noch bevor ihr Auto vollkommen um die Ecke, in die Regentenstrasse abgebogen war, schlug Magnolia ein nervös zuckendes Blaues Warnlicht entgegen, das den grauen Himmels zerteilte wie ein Messer. Das Blaulicht war im Vergleich zu dem wolkenbehangenen Himmel grotesk grell und ließ das trübe Grau der Wolken nur noch trüber und grauer wirken. Beinahe hätte Magnolia vor Schreck eine Vollbremsung hingelegt. Was wollte die Polizei denn vor der Redaktion? Eine irrationale Befürchtung wuchs in ihrer Magengegend zu einem unguten Gefühl heran. Kaum hatte sie den Wagen geparkt, würgte sie den brummenden Motor ab und schaffte es gerade noch so sich an die Handbremse zu erinnern bevor sie mit ihrer Tasche unter dem Arm förmlich vom Fahrersitz auf sprang. Das unverkennbare Behördenauto war seitlich am Rande der Straße geparkt, die Beifahrertür zeigte direkt auf den Eingangsbereich des Gebäudes. Das blaue Licht tanzte in regelmäßigen Abständen als eine Reflektionen in den vielen Fensterscheiben als Magnolia neugierig das Haus betrat. Die Redaktion des „Falken“ befand sich im zweiten sowie im dritten Stock des Mietshauses. Im Erdgeschoss machte ein eigenständiger Friseurladen sein Geschäft, der nicht wenig von den ein und ausgehenden Reportern profitierte. Die Arbeiterschaft des „Falken“ stellte vermutlich sogar die Hauptkundschaft des Ladens dar, zuerst verdienten sie ihr Geld in den oberen Stockwerken und gaben es am Ende einer langen Schicht eine Etage tiefer wieder aus. Magnolia war keine der Stammkundschaft des Friseurs. Um genau zu sein hatte sie in den ganzen fünf Jahren, in denen Magnolia nun schon hier arbeitete noch nie die Ladeninhaberin gesehen. Doch heute stand die hagere Frau mit den leuchtend roten Haaren im Türstock ihres geöffneten Salons und sah, mit einer grauen Wolke über ihrer Stirn, in Richtung Treppen.  Verzerrt drangen unbekannte Stimmen aus dem Oberen Stockwerk zu den beiden Frauen herab, und obwohl das Echo des kalten Treppenhauses, den kompletten Inhalt der Worte verschluckte, konnte Magnolia sofort erkennen dass eine der Stimmen zu einer ihr bekannten Person gehörte. Als sie die Treppen erklomm wurde das Stimmengewirr immer lauter und klarer.  Am letzten Treppenabsatz angekommen stellten sich Magnolia plötzlich ein schwarzes Paar Stiefel in den Weg. Die Schnürstiefel gehörten zu einer etwas steif wirkenden jungen Polizistin, die Magnolia aus ihren stahlblauen Augen heraus an zu klagen schien. „Entschuldigen Sie, das hier ist keine öffentliche Angelegenheit bitte-“ – „Schon ok ich arbeite hier“. Magnolia wusste es normalerweise besser als eine vollkommen uniformierte Beamtin zu unterbrechen aber in jenem  Moment dachte sie nicht weiter darüber nach. Sie späte, etwas außer Atem von dem Treppensteigen, durch die offene Tür der Redaktion als ein weiterer Polizist, mit einem grimmigen Gesichtsausdruck und Augen die diesen Ausdruck keinen Gefallen taten, in ihr Blickfeld trat. „Bitte machen Sie Platz!“ Bellte er beinahe und die Art wie er Magnolia, ohne sie wirklich je angeschaut zu haben, mit der rechten Hand etwas beiseite gegen die Wand schob ließ anmuten dass er schon einen harten morgen hinter sich gehabt haben musste. Das Schauspiel, was sich nun vor Magnolias Augen abspielen sollte,  an genau diesem Morgen, in genau diesem Treppenhaus kam ihr so derartig skurril und unwahr vor, dass sie sich im aller ersten Moment tatsächlich fragte ob sie sich nicht doch in einem Traum befand. Sie zog es eher in Erwägung an eine Überdosis Schlaftabletten in ein derartig tiefen Schlaf versetzt worden zu sein, der fast schon wie ein Wachkoma ihr nun vorgaugelte der Traum in dem sie immer noch gefangen und versunken war sei Realität geworden. Sie glaubte eher daran als dass Benedict Sunter, das Unschuldslamm, der Star Journalist und Vorgesetztenliebling an diesem  Frühlingmorgen in Handschellen aus dem eigenen Arbeitsplatz geführt wurde. Magnolia musste blinzeln. Die Szene spielte sich in Zeitlupe ab. Sein blonder Haarschopf war gen Boden gesenkt, ob aus Scham oder anderen Beweggründen, das konnte Magnolia zu diesem Zeitpunkt nicht ausmachen. Flankiert von beiden Seiten wurde er aus dem Raum eskortiert. Die zwei Beamten, jeweils rech und links von ihm ,hatten den Reporter so fest an beiden Oberarm im Griff, dass Magnolia die angestrengten Venen an deren Handgelenken wie ranken hoch klettern sehen konnte. Auf einmal hob Benedict den Kopf. Sein Gesicht zeugte von einer schlaflosen Nacht und seine dunkel unterlaufenen Augen sprachen eine Geschichte, deren ende Magnolia sich nicht sicher war heraus finden zu wollen. Für einen Kurzweilligen Augenblick trafen sich ihre Blicke und Benedikts müde Augen bohrten sich in Magnolias. „Ich bin unschuldig“, rief er mit rauer Stimme wurde aber zum Schweigen gebracht als einer der Polizisten in ruckartig am Arm rüttelte. Der Moment dürfte nur einige wenige Sekunden gedauert haben doch in Magnolias empfinden dehnte er sich ins unendliche. „Das ist ein Irrtum!“, kam es, zwar deutlich leiser aber nicht weniger vehement und überzeugt, und Benedict letzte Worte bevor er aus dem Gebäude getragen wurde, hallten in dem Treppenhaus gespenstisch wieder. Die blonde Beamtin, die sich Magnolia vorher in den Weg gestellt hatte, folgte still schweigend ihren Kollegen und einige Minuten später, in denen Magnolia sich nicht von ihrem Fleck an der Wand im Flur bewegt hatte verschwand das blau pulsierende Licht, das von draußen durch die Fenster eingedrungen waren. Magnolia raffte sich schließlich auf und betrat die Redaktion. Das sonst so rege Treiben unter den Journalisten war ausgetauscht worden durch ein misstrauisches leises Gemurmel. Die wenigen Journalisten die schon da waren standen alle wahllos im Raum herum, entweder hinter oder vor ihren aneinander gereihten Schreibtischen ganz so als hätte etwas sie alle samt in ihrer Routine, ihrem programmierten Ablauf gestört. Ganz so als habe jemand bei einer Fernbedienung auf “Stopp” gedrückt. Magnolia erblickte einen sehr bleichen Herr Svärd am anderen Ende des Raumes. Sichtlich darum bemüht die Fassung zu wahren räusperte er sich ein zwei Mal, was in dem plötzlichen Geräusch Vakuum viel zu laut wirkte als es sollte. „Zurück an die Arbeit Leute wir haben immer noch eine Deadline ein zu halten“. Magnolia hatte das Gefühl der erfahrene Schwede hatte keine Ahnung wie er sich zu verhalten hatte. Seine Unwissenheit schlug in Gereiztheit um und er sand einen Haufen steinerner Blicke durch den Raum bis sich die meisten wieder ihrem Vorhaben besinnen konnten und zurück in ihre Routine fielen. Wenn auch leiser als sonst. Dann fiel sein Blick auf Magnolia, die noch immer in der Tür stand als würde sie weder dazu passen noch als wäre sie eine Unbeteiligte. Mit einer kleinen, kaum wahrnehmbaren Kopfgeste machte er ihr zu verstehen, ihm ins Büro zu folgen.

 

„Auf eine verkorkste Art und Weise scheint irgendetwas da oben…“ (hier verdreht er kurz die Augen gen Zimmerdecke) „ …es gut mit ihnen zu meinen.“ Eine braune Akte landete vor Magnolia, die vor dem Tisch ihres Chefs stand. Noch bevor sie auch nur irgendeine Frage in ihrem Verstand zu greifen bekam raunte Svärd noch: „Sieht so aus als bekämen sie ihre Titelstory!“

Aus der, zuvor so ordentlichen Akte, waren einige Blätter herausgequollen und eines davon rutschte endgültig aus seinem Gefängnis aus Pappe und auf den aufgeräumten Schreibtisch des Chefredakteurs. Ein schwarz weißes Bild, nicht größer als Magnolias Handfläche prangte in der oberen Ecke des DIN-A  4 Blattes, daneben hatte jemand mit hastiger Schrift notdürftig Notizen angefertigt. „Ich verstehe nicht!“ Es war ihr unmöglich ihre Verständnislosigkeit verständlich zu machen. „Sie werden es früher oder später ohne hin erfahren… Herr Gott alle werden es erfahren!“ Magnolia glaubte eine Art Enttäuschung aus seinen zusammengezogenen Augenbrauen heraus lesen zu können. Dem sonst so gefassten Mann war Ratlosigkeit in die Glieder gefahren,  sie machte sich in jeder seiner Bewegungen bemerkbar, denn er wirkte trotz seiner beeindruckenden Körpergröße als wäre er nicht wirklich anwesend. „Benedict… Herr Sunter. Kann vorerst aus einer Reihe von Gründen, die zum Teil auf reinen Spekulationen basieren, seine Reportage nicht zu Ende schreiben.“ Seine feingliedrigen Finger deuteten in einer Geste, die nur mit alles andere als fein zu beschreiben war, auf die Akte vor den Beiden. „Herzlichen Glückwunsch sie dürfen die Story übernehmen. Obwohl es mir zu wieder ist einem Reporter die eigene Arbeit weg zu nehmen, die Deadline erlaubt uns jetzt keine … weiteren Verzögerungen!“ – „Ich…“ Doch er unterbrach sie, sichtlich nicht in der Stimmung ein längeres Gespräch zu führen. Seine Worte kamen ohne jegliche Betonung. „Es ist ein Enthüllungsartikel über die unseriösen Machenschaften im Bezug auf Freier und nach Deutschland verschleppten Mädchen, die hier gezwungen werden als prostituierte oder Stripper ihr Brot zu verdienen.  Dabei hat er einen ehemaligen Freier und Puffbesitzer interviewt.“ Magnolia blickte auf das unscharfe schwarz Weiß Abbild eines bärtigen Mannes mit ausdrucksstarken Augenbrauen und krausen Haar. „Bruno Karsow. Leider könne sie den Mann nicht mehr interviewen.“ Eine kurze Pause in seinem Protokoll erlaubte es Magnolia verwundert eine Frage zu stellen. „Wieso nicht?“ Es waren nicht die Worte die im Folgenden aus Svärd Mund kamen es war die Art und weise wie stumpf seine Augen zu glühen begannen als er ihr direkt und ohne jegliche Umwege in die Seele damit blickte. „Weil er heute Morgen ermordet aufgefunden worden ist“. Die Puzzelteile vielen immer mehr in ihre Plätze im Gesamtbild. „Sie meinen Sunter hat diesen Mann umgebracht?“ Ich bin unschuldig, hallte es unter ihrer Schädeldecke. „Die Ermittler gehen derweil davon aus. Anscheinend sei ein belastender Hinweis am Tatort aufgetaucht, und nachdem ihr Kollege kein Alibi vor weisen konnte passt er wohl ihn ihr Verdächtigen Profil.“ Zwischen den Zeilen die ihr Gegenüber sprach, konnte Magnolia dessen Glauben an Benedikts Unschuld herauslesen.

„Natürlich ist das sehr belastend für unser Magazin, deshalb möchte ich nicht, dass er, wenn  er zurück kommt, am gleichen Artikel weiterschreibt. Das wäre einfach nicht respektvoll gegenüber dem ganzen…“, im fehlten die Worte.  „Ich bin mir sicher die Situation klärt sich noch auf!“ versprach er stattdessen und schien eher sich selbst davon überzeugen zu wollen als die junge Reporterin.  „Was wurde denn am Tatort gefunden, wenn ich fragen darf?” Svärd Miene verfinsterte sich und er wandte sich für einen kurzen Moment ab um seine Emotionen zu verbergen doch Magnolia hatte den Blick auf seine sorgen verhangene Mimik erhaschen können. Nie hatte sie ihren Vorgesetzten als einen sentimentalen Menschen erlebt und würde ihn auch nie mit weich zeichnenden Worten umschreiben, würde sie je in die Situation kommen da dies erforderlich werden würde. „Eine Visitenkarte… von dem „Falken“ Der Schauer den Magnolia über den Rücken lief zog eine Spur aus Gänsehaut hinter sich her. „Die Polisten haben mir nicht alle Informationen zu dem Tatbestand geben wollen. Wir sollten vorerst keine Spekulationen äußern. Ich möchte dass unser Team ein Team bleibt und nicht von Vorwürfen und unbestätigten Motiven auseinander gerissen wird.“ Magnolia hatte das Gefühl eine neue Seite in dem Buch ihres Lebens war aufgeschlagen worden nachdem sie seit Monaten keinen Paragraphen weiter gekommen war. Benedict Sunter, ein Mörder? Sie bekam die Titelblatt-story? Der Rest des Gespräches verlief kurz, da beide Partien ihren eigenen Gedanken nach hingen. Er entließ Magnolia kurze Zeit später mit dem Auftrag Sunters Artikel um zu schreiben und ab zu arbeiten. Svärd wollte den Teil mit dem Interview komplett raus gestrichen und Magnolia war bereit für diese Chance auf jede seiner Anweisungen und Wünsche zu hören. Auf die Frage hin ob sie zusätzlich ein Statement zu dem Mordfall einbringen solle, der den Standpunkt des Magazins deutlich macht, blickte Svärd sie nur unbewegt an und meinte: „ich denke Benedict würde das gerne selber übernehmen wenn er zurückkehrt“ Er sprach von ihm wie ein Vater über einen Sohn. Wenn, dachte Magnolia sich. Svärd richtete danach für eine gute viertel Stunde seine Stimme gegen den Rest des Teams. Alle waren für den Rest des Tages freigestellt da er selbst zum Polizeirevier fahren müsse um eine Aussage für seinen Mitarbeiter abzugeben. Er würde versuchen neue Informationen heraus zu finden bis dahin sollten sie alle von zu Hause weiter recherchieren. Svärd erinnerte alle nachdrücklich an die Deadline in den kommenden Tagen und noch nachdrücklicher warnte er alle davor zu vorschnell eine Meinung über das was heute Morgen vorgefallen war zu bilden. Es sei alles ein Missverständnis, denn ein Reporter wirft Licht auf Ungerechtigkeiten und begeht diese nicht selbst.

 

Die folgenden Stunden flogen an Magnolia vorbei wie ein Schwarm Zugvögel auf ihrem Kurs  Richtung Süden.  Kaum war die Brünette zu ihrer Wohnungstür herein gekommen, brach ein schierer Gedanken-Wasserfall über ihrem Schädel aus und überschwemmte ihre alltäglichen Sorgen mit unzähligen Fragen, die keinen freien Platz in ihrem Gehirn frei zu lassen schienen. Nachdem sie sich zwei Mal versichert hatte die Tür korrekt abgesperrt zu haben, lag nur noch der Umweg zur Kaffemaschine zwischen ihr und einer Reihe von angestrengten Recherche-arbeiten. Mit dem summenden und brummenden Laptop auf dem Schoss saß sie auf ihrem Wohnzimmerteppich, und klickte sich einmal quer durch das halbe Internet. Die lokalen Online Anzeige Blätter und Zeitungen ließen nicht lange auf ihre Berichte warten, und so musste nicht einmal die Hälfte des Tages vergehen bevor fast jeder in der Stadt von Benedict Sunters Straftat erfuhr. Wenn ein Feuer dieses Kalibers in dieser Umgebung einmal entfacht wurde, fraß es sich unaufhaltsam voran und machte keinen Halt, selbst vor der kleinsten Pflanze nicht. Obwohl keiner der Artikel Benedikt namentlich erwähnte und alle samt immer nur monoton denselben Sachverhalt in unterschiedlichster Art wieder gaben, konnte Magnolia viel Licht in ihre Verworrenen Gedanken bringen.  Langsam aber sicher säbelte sie sich ihren Weg durch das Dickicht zu einer Lichtung frei.  Die meisten Artikel, waren kurze Randtexte, Magnolia wusste nicht ob das Layout deshalb so unscheinbar ausfiel weil man keinen unnötigen Aufruhr erzeugen wollte, die ein Mord nun mal so als Beigeschmack hatte. Der Tote soll am frühen Morgen zwischen fünf und sechs Uhr am städtischen Busbahnhof aufgefunden worden sein. Das Opfer wurde rasch mit Hilfe seines Personalausweises, den er in der Hosentasche bei sich trug identifiziert und entpuppte sich als Bruno Karsow. Dieser war den örtlichen Behörden kein unbekanntes Gesicht gewesen. In zwei Artikeln, die Magnolia las, wurde Karsows Tätigkeit im einzigen Nachtclub der Stadt eingeworfen, der sich nicht allzu weit vom  Busbahnhof entfernt befand und einen schlechten Ruf pflegte. Offiziell war das rot gestrichene Haus zwar ein Nachtclub oder eine Disco und hatte auch Türsteher und all das vor zu weisen, eigentlich tanzte dort drinnen aber kaum jemand anderes auf den Tanzflächen als leicht bekleidete Mädchen.  Magnolia vermutete zwischen den Zeilen heraus lesen zu können, dass der Freier auf dem Weg Nachhause angegriffen worden sein musste. Außerdem fand sie heraus dass die Polizei einen belastenden Beweis in der Nähe der Leiche gefunden habe,  und dieser sie zu einem Verdächtigen führte der noch am selben Tag in Gewahrsam genommen wurde. Magnolia merkte es nicht aber sie nickte in leiser Zustimmung als  sie dies las. Die Sonne fiel viel zu schnell in warmen goldenem Abendlich durch das Fenster und die R&B Schallplatte drehte nun schon zum dritten Mal in Folge dieselben Runden, in einer schieren Dauerschleife.  Der Tonabnehmer holperte gerade ein letztes Mal über das Vinyl als Magnolia seufzend den Laptop zu klappte. Die Fakten waren da und sie waren verständlich aber dennoch so unbegreiflich. Benedict Sunter war zwar ein aufgeblasener Angeber gewesen, das unterschrieb Magnolia gerne, aber ein Mörder? Andererseits weiß man nie wirklich wer Jemand ist, denn man kann in keinen anderen Kopf hinein blicken. Magnolia hatte sich schon oft in ihrem jungen Leben gefragt wen sie wirklich kannte oder wen sie nur glaubte zu kennen. Der heutige Tag schenkte ihr die  fiese Erkenntnis, dass niemand wirklich je in der Lage dazu ist oder es sein wird, eine andere Person vollends zu kennen. Selbst unsere Sprache wird nie in der Lage sein die meisten unserer Gefühle irgendeiner Form, oder einem Buchstaben zu zu weisen. Jeder vermittelt das von sich selbst was er Andere wissen lassen will. Also wird auch nie Jemand alle Scherben und Bruchstücke zu sehen bekommen, die aber alle zum Gesamten zusammenkommen und eine Person erst aus machen.

 Nach all dem könnte Benedict Sunter genauso gut wirklich ein Mörder sein. Genauso gut aber auch nur ein armer Teufel der zu unrecht verdächtigt wurde. Magnolia stellte nach einigen Momenten fest, dass sie für sich selbst schon längst ein Urteil über ihren Exkollegen gefällt, und das Schaffot heraus gerollt hatte.Die Sonne war schon beinahe hinter den Ziegeln der Häuser versunken  als Magnolia sich endlich dazu entschloss die braune Akte, die ihr Chef ihr so rührend vor die Nase geworfen hatte durch zu sehen. Der Gesamte Inhalt Sunter Recherchen zu seiner großen Enthülllungsartikel umfasste erstaunliche 4o DinA Blätter voller Informationen über das deutsche Rotlichtviertel. Der junge Journalist hatte alles farblich koordiniert und geordnet, sodass Magnolia bald heraus fand dass blaue Postits für Artikel, grüne für Interviews und rosa Heftzettel für Steckbriefe standen. Sie ärgerte sich dass es sie beeindruckte wie detailliert und genau Sunter gearbeitet haben muss. Seine Recherchen waren teils von Hand teils mit dem Computer geschrieben worden und es dauerte eine ganze Stunde bis Magnolia alles einmal durch geblättert und verarbeitet hatte. Benedict Sunters Enthüllungsstory hätet diesen Monat einen solchen Umfang und Ausmaß nach sich gezogen, dass dieser Artikel allein für genug  Aufsehen um das Magazin gesorgt hätte. Allem Anschein nach befassten er sich mit dem einschleppen von jungen unschuldigen Mädchen nach Deutschland und der Zwangsprostitution die hier auf sie wartete. Er beschrieb ausführlich den Zuwachs der Etablissements im Laufe der Zeit und schrieb über Freier die miteinander illegale Geschäfte machten. Der Verstorbene sollte nicht sein einziger Zeuge gewesen sein, der Steckbrief eines  junges Mädchen namens Leila nahm gleich drei Seiten ein, das Interview dazu genaus viel. Eine kleine Randnotiz neben ihrem schwarz-weiß Bild, aus dem sie, Magnolia aus unschuldigen großen Augen heraus anblickte, schrieb: „will anonym bleiben!“. Drei Ausrufezeichen folgten der blauen Tinte. Magnolia hätte ihre Verwunderung nicht unterdrücken können auch wenn sie es gewollt hätte. Ein neuer, nie zuvor da gewesener Anflug von Respekt gegenüber dem eingebildeten Journalisten zog sich schattenhaft um ihre Mimik. Warum sollte Sunter aber einen seiner Interviewer und Zeugen töten? Hatte dieser ihm keine ausreichende Information geben können oder ihn gar übers Ohr gehauen, was sich der Blonde mann nicht gefallen lassen wollte? Nein, so irrational und impulsiv war dieser nicht, das sah man alleine schon daran wie akrybisch seine ganzen Unterlagen und Notizen geordnet waren. Benedict Sunter schien ein ziemlich ordentlicher und perfektionistischer Reporter zu sein. Es passte nicht ins Bild, dieser plötzliche Totschlag. Magnolia tastete neben sich wo sie ihr Smartphone vermutete aber statt dem Handy gruben sich nur die weichen Teppichfransen in ihre Handfläche. Sie musste es in ihrer Handtasche im Flur vergessen haben. Sie erhob sich von ihrem inzwischen schattig gewordenen Platz  und holte ihre Handtasche aus dem kalten Flur. Doch das Smartphone was sie aus dieser fischte war ihr fremd. Die silberne Hülle des Handys warf ihr eine verzerrte Version ihres eigenen Gesichts zurück als sie das Gerät inspizierte. Der Lockscreen bildete eine sonnige Szene auf einem Feld ab, die gelben Blüten und der blaue Himmel forderten Magnolia quasi dazu auf weiter herum zu schnüffeln. Bevor sie auch nur die Chance gehabt hätte den Finger zum Tastenfeld zu heben um sich an dem Code zu versuchen entsperrte sich das Handy magisch wie von selbst. In der oberen Ecke des Bildschirms stand in weißen Buchstaben: „Gesichtserkennung erfolgreich!“ Magnolia wurde von einer Verwirrung in die Nächste gestoßen, als der Hintergrund keinen geringeren als Benedict Sunter abbildete, wie er mit breitem Lächeln neben einer dunkelhaarigen Frau posierte. Das Bild musste an einem Sommertag aufgenommen worden sein, der Himmel war azurblau und klar von Wolken. Das Pärchen strahlte in ihren kurzen Shorts und T-Shirts, mit der Sonne um die Wette. Was ging hier vor? Hielt sie gerade wirklich das Handy von Sunter in der Hand, von einem verdächtigten Mörder? Und noch fragwürdiger war wie sie daran herangekommen sein sollte? Sie versuchte der Neugier nur kurz zu wiederstehen dann schaltete sich ihre Reporternatur ein und sie begann alles durch zu stöbern und die aufdringlichen Sinnfragen über das plötzliche Auftauchen des Gerätes erstmal in den Hintergrund zu schieben. Sie ging akrybisch vor, und ließ beinahe keine App ungeöffnet, in der Hoffnung auf irgendwelche Informationen oder Beweise für Sunters Schuld zu finden. Der Messenger war voll gemüllt. Unzählige Gesichter blickten sie aus den kleinen Profilbildern an und es wurden immer mehr davon je weiter sie runter in Benedicts Chatverlauf scrollte. Der Mann schien ein echter Menschenfreund zu sein, dachte Magnolia und ein kleinlauter Neid zog ihre Mundwinkel hinab. Der Chat ganz oben war der mit Sunters Frau, das vermutete Magnolia zumindest den das Profilbild zeigte dieselbe dunkelhaarige Schönheit, die im Gegensatz zum Hintergrundbild, hier aber alleine in die Kamera lächelte. Die letzten Nachrichten warne jedoch unaufregend. Um 12 Uhr 30 am Tag der Festnahme, schrieb die als „Hase“ eingespeicherte Frau nur kurzangebunden: „Wo bist du?“. Magnolia scrollte sich einen Tag weiter nach oben, zu dem Tag an dem der Mord sich ereignet hatte. Um zwei Uhr Nachts fraßen sich die gleichen Worte erneut in Magnolias Augen. „Wo bist du?“ Herr Sunter war bis spät in die Nacht also an einem, von seiner frau unbekannten, Aufenthaltsort gewesen und hätte sonst was machen können. Interessant, dachte sich Magnolia. Die übrigen Konversationen beliefen sich auf die verschiedensten Leute, aber bald verlor Magnolia auch schon das Interesse an dem öden Hin und Her Getexte, aus dem sie nichts schließen hätte können auch wenn sie es noch so gewollt hätte. Die Gallerie des Handys brauchte einen Wimpernschlag um die gesamten Aufnahmen zu laden. Magnolia stockte der Atem. Sunter schien der Fotographie nichts abgewinnen zu können, jedenfalls sprachen die nur 30 Bilder für sich. Die meisten waren beinahe ein halbes Jahr alt. Die drei jüngsten Aufzeichnungen stachen aus de Masse der sonst so frohen und hellen Landschafts-Abbildungen heraus. Die drei dunklen,  schemenhaften Fotos wirkten bizarr und unpassend. Alle drei waren am gleichen Tag aufgenommen wurde, oder besser gesagt in der gleichen Nacht.  Beinahe GAB SICH Magnolia Dem Drang hin das Handy von sich zu werfen. Die letzte der drei Aufnahmen zeigten Karsow, schattenhaft aber unverkennbar neben einer erleuchteten Straßenlaterne lehnen.  Doch war es nicht die Aufnahme des Toten das ihr den Atem aus den Lungen presste. Vielmehr waren es die vorherigen zwei Bilder. Magnolias Kopf drehte sich wie ein Karussell und ihr Magen verknotete sich als sie in das schlafende Gesicht Sunter blickte. Und plötzlich blitzte es hinter ihre Lieder grell auf und sie sah sich selbst in einem fremden, dunklen Schlafzimmer stehen und auf zwei schlafende Gestalten hinab blicken. Der grauenhafte Tagtraum war so schnell vorbei wie er aufgetaucht war und Magnolia wurde wieder zurück in ihre eigenen vier Wände geschleudert. Mit pochendem Herzen starrte sie auf das letzte der drei Fotos.

 

Die folgende Nacht sollte eine lange werden. Sie kam kaum zur Ruhe. Ständig wurde sie von den Gedanken und Erinnerungen des Vortages ein geholt, die spottend ihre Runden um sie zu ziehen schienen. Bei jedem mal, bei dem sie Magnolia über holten wurde es dieser nur noch unmöglicher den immer größer werdenden Abstand zwischen sich und dem erlösenden Schlaf zu überwinden.   Die schemenhaften Bilder der Fotogalerie spukten hinter ihren geschlossenen Liedern und an der Zimmerdecke bildete sich der Umriss einer grauenhaften Vermutung ab, den sie nicht zu bestätigen wagte. Als ihr Radiowecker fünf Uhr an die Wand warf hielt sie es schließlich nicht mehr aus. Und so saß sie zu einer gottlosen Zeit an ihrem Küchentisch, über einem doppelten Kaffe gebeugt da und wartete bis die Zeit verstrich und die Sonne aufwachen würde. Als es endlich halb acht war, die Schatten die sich um ihre Augen zogen wurden immer dichter, hielt Magnolia es für eine angemessene Zeit endlich zur Arbeit zu fahren. Endlich aus der Wohnung zu kommen und der Zimmerdecke, die ihr auf den Haarschopf zu fallen drohte zu entfliehen. Sie war kaum zwei Straßen weit gekommen da erschütterte ein lauter Knall ihren Wagen und rüttelte sie aus ihrem Gefängnis im eigenen Verstand. Sie schaffte es gerade noch so an den Seitenrand zu fahren  ohne etwas mit der Kühlerhaube des PKWs zu rammen. Rattern kam der Wagen zum stehen. Die vergangene Nacht zerrte an Magnolias gesamten Körper und die Müdigkeit fraß sich mit jeder Stunde, die der Tag voran schritt immer tiefer in ihre Knochen. Als sie ausstieg tanzten grelle Sterne in ihrem Sichtfeld auf und ab und einen Moment stand sie nur so da, neben ihrem liegen gebliebenen Wagen mit dem geplatzten reifen. Und beinahe fühlte sie sich so als würde ihr Hirn es dem Reifen gleich machen und jede Minute in die Luft gehen. „Alles gut bei dir?“ Die Stimme die an Magnolias Bewusstsein angeschwemmt wurde war unmelodisch und stockend, so als habe ihr Träger zuvor mit einem schwierigen Sprachfehler gekämpft. „Brauchst du Hilfe?“, ein zaghafter Griff an ihrem Oberarm zog so von der Fahrertür des PKW weg und auf den sicheren Gehsteig. Das Brummen unter Magnolias Schädeldecke wurde erst lauter bevor es wieder abnahm. Ein Schrei hallte in ihren Ohren wieder und erschrocken sah sie sich auf der Straße um, aber alles was ihr vor die Augen trat war ein rissiger Bürgersteig und ein schlaksiger junger Mann der sie besorgt anblickte. Die Erinnerung ging so schnell wie sie aufgetaucht war und hinterließ ein verpixeltes Bild vor ihrem Inneren Auge dass sie nicht zu entschlüsseln wusste. Der Knall des platzenden Autos hat irgendwas aus ihrer inneren Fotowand gelöst und die Aufnahme eines längst vergangenen Momentes war für einen Bruchteil einer Sekunde wieder an die Oberfläche ihres Bewusstseins hinab gesegelt. Sie binzelte schwer und ihre Augen fühlten sich zentner schwer an. „Hallo?“ – „Oh… ich, ich bin okay.“ Magnolia fand ihre Sprache wieder, das Universum vor ihren Augen hatte sich wieder gelichtet und sie konnte wieder klar in die Realität sehen. Der junge Mann, der sie besorgt von der Straße weg gezerrt hatte, stellte einen Schatten eines Bartes zur Schau und blaue Augen die unscheinbarer nicht hätten sein können.  „Mann, du warst grad echt weg getreten für einen Moment!“ Lachte dieser nun und der ohne hin lockere Griff um Magnolias Oberarm wurde vollends gelöst. Sie tat es mit einem leichten Lachen ab. „Ja, muss wohl zu schnell auf gestanden sein, mir war ein bisschen schwindelig.“ Sie blickte auf ihr Autot zurück. „Oh Mist!“, matterte sie geschwächt. Der rechte Hinterreifen war zu einer schwarzen Gummipfütze geschmolzen. Jedenfalls sah es so aus. „Reifen geplatzt!“, tönte es von ihrem unbekannten Retter. „Brauchst du vielleicht Hilfe damit?“ Magnolia setzte gerade an sein Angebot ab zu lehnen da pausierte sie für einen Moment und sagte stattdessen: „Das wäre echt nett!“ Sie schenkte dem fremden ein Lächeln und  bemerkte dass ihm das seine, was er ihr als Antwort schenkte, gut zu ihm passte. Verschmizt, jugendlich und offen. „Hast du nen Ersatzreifen? Ich bin übrigens Sven!“ Seinen Namen erwähnte Sven so beiläufig, dass Magnolia es fast überhört hatte. Sven beugte sich zu dem matten Gummi herunter und inspizierte diesen wie ein Dedektiv an einem Tatort. „Oh… einen Moment!“ Magnlia umrundete rasch den Pkw und klappte den Kofferraum auf um den Ersatzreifen, der darin seit dem Kauf des Autos im Schatten schlummerte, endlich das Tageslicht erblicken zu lassen. Das Metall warf ihr einen vorwurfsvollen Lichtblitz entgegen als das warme Morgenlicht in den Kofferraum fiel und Magnolia stieß eine erstickten Schrei aus. Beinahe glaubte sie ihr würde schwarz vor Augen  werden doch die dunkle Szene die sich ihr ins Gedächtnis fraß hatte nichts mit einem Ohnmachtsanfall zu tun. Sie knallte den Kofferraum zu und taumelte mit weit aufgerissenen Augen ein zwei dann drei schritte rückwärts, bis sie fast in das parkende auto hinter sich lief. Ein dumpfer Schrei, derselbe wie zuvor hallte zwischen ihren Ohren hin und her. Diesmal lauter, markerschütternder. „Was ist los? Alles gut? Was ist passiert?“ Sven kam mit ausgestreckten Händen auf sie zu. Auf einmal prasselte es auf sie herab wie eine Monsun und die Welt vor ihren Augen verschwamm und ward zu einer anderen, dunkleren Welt. Die Straßenlaterne hatte sich in dem metallenen Messer reflektiert als sie mit einem  weiten Boden zum Stoß ausholte. Es glitt beinahe reibungslos durch das Fleisch und sie war so erschrocken davon gewesen dass sie es reflexartig wieder hinaus zog nur um es gleich drauf ein zweites mal in Brunos rücken zu versenken. Nein, nein, nein, das war ein streich den ihr ihr übermüdetes Gehirn vorgaukelte. Magnolia warf ihren Kopf von rechts nach links und er grausamen Szene zu entrinnen. „Ist der Reifen zu schwer soll ich ihn heraus heben?“ Sie war zu Boden gesunken und musste von Außen scheinbar in eine Art Trance gefallen sein denn als sie wieder zu sich kam, und das warme Licht der sonne die schattend er eben aufgetauchten Erinnerung weg wusch erkannte sie  Sven, der von oben herab auf sie nieder schaute. Sein Bartflaum wirkte beinahe orange in den Lichtverhältnissen. „Ist dir wieder schwindelig?“ Aber Magnolia konnte nicht antworten, konnte nicht sprechen, sich nicht bewegen. Ihre Hände zitterten neben ihr auf dem rauen Asphalt und sie starrte Sven mit einem horror erfüllten Blick aus an, dass sie sich im Nachhinein wundern musste warum dieser nicht sofort gecheckt hatte was sie dort in ihrem Kofferraum gefunden hatte. „Keine Sorge ich kümmer mich drum!“, sagte Sven mit dem Helfersyndrom und drehte sich schon zu dem Kofferraum um. Magnolia entriss sich selbst aus ihrem Schock und Sven hatte gerade den Kofferraum entriegelt und begann die klappe hoch zu schieben da hämmerte sie ihre beiden Hände mit aller Kraft gegen die halb geöffnte Tür, sodass diese mit einem erneuten Knall zurück ins Schloss fiel. „Komm muss dir doch nicht peinlich sein, ich weiß wie man Reifen wechselt!“ Zwinkerte Sven ihr zu nachdem er sich von seinem anfänglichen Schock erholt hatte. Sei blickte scher atmend und weit aufgerissenen Augen auf ihre eigenen Hände. „Nein“, sagte sie bestimmt aber ohne zu ihm hoch zu sehen. „Wirklich, das ist kein Problem für mich!“ Er machte erneute Anstalten den Kofferraumdeckel zu entriegeln und diesmal war Magnolia schneller sie schubste den hochgewachsenen Mann mit einer Kraft auf die seiet, die sei selbst überraschte und ihn beinahe über den Gehsteig stolpern ließ. „Was zum… verdammt, hast du sie noch alle?“ Sie baute sich vor dem Kofferraum auf. Ihr eigenes Gesicht spiegelte sich verzerrt in dem roten Lack wieder auf das sie hinab blickte. Beinahe fragte sie sich ob es in Wirklichkeit nicht auch so grotesk entstellt aussah. „DU hast sie doch nicht alle!“,schimpfte der halbbärtige Sven und entfernte sich schlussendlich mit ein paar gemurmelten fassungslosen Worten von ihr und ihren aufgeblasenen Pupillen die ins leere starrten. Sie begriff auf einmal mehrere Sachen auf einen schlag. Zitternd und mit schlotternden Knieen setzte sie sich wieder auf den Fahrersitz in ihr Auto und starrte durch die Windschutzscheibe. Fassungslos, dauerte es einige Minuten bis sie überhaupt auch nur einen klaren Gedanken fassten konnte. Das blutverschmierte Messer in ihrem Kofferraum war ihr nun schmerzlich bewusst, sie spürte dessen Gewicht beinahe im hinteren Teil des Autos und natürlich auf ihrer seele. Ich war es, ich, ich? Der Monsun nahm an Stärke zu und spülte Bilder heran wie einzelne Floßstücke die auf der Strömung eines starken Flusses trieben. Die un abgesperrte Haustür am Morgen, sie war in der Nacht irgendwie nach draußen gegangen und hatte nach dem sie wieder nach Hause kam nicht an den Schlüssel gedacht. Die merkwürdigen Schmerzen in der rechten Schulter, von dem Schwung ihres Messerhiebes. Das Handy, die Bilder. Das Messer. Alles kam auf das Messer zurück und das Messer zeigte mit seiner dunkelroten Spitze direkt auf ihre Brust. „Das ist ein Scherz!“, flüsterte sie in die Stille des Autos. Und beinahe hätte sie gelacht aber sie hatte Angst in Tränen aus zu brechen. Jemand musste sie rein gelegt haben. Sunter hatte ihr das Handy und das Messer untergejubelt. Sie hatte geschlafen, Herrgott nochmal war von Schlaftabletten aus genockt gewesen. Sie hatte so tief geschlafen… das sie nicht einmal bemerken hätte könne, wäre sie aus der Wohnung Schlafgewandelt. Aber das war unmöglich. Niemand bringt während dem schlafwandeln einen Menschen um ,dachte sie in Panik. Sie kannte diesen Menschen doch nicht einmal. Sie konnte doch nicht … sie würde doch niemals…

„Ok, beruhig dich!“, presste sie in einem angestrengten Flüstern zwischen ihren hektischen Atemzügen hervor, so als habe sie Angst jemand könnte sie hören. Sie presste die Augen zusammen und wollte tief Luft holen, aber die Dunkelheit, die sie empfing, beschwor ungewünschte Bilder hervor, die aus einem Horrorfilm stammen könnten. Ihr Leben war vollkommen im Eimer, wenn das raus  kommen sollte. Sie hatte doch noch nicht mal wirklich gelebt! Von der Schule gleich ins Studium und dann ab in die Arbeitswelt. Nie hatte sie irgendeine feste Beziehung gehabt, nie war sie wirklich in der Welt herum gekommen. „Mit nicht mal dreißig im Knast!“, schluchzte sie, doch statt Trauer spürte sie eine Wut in sich brodeln dessen Ursprung ihr Angst bereitete. „Das geht nicht!“ Murmelte sie. Immer und immer wieder sagte sie sich das, während ein dicker Tränenschleier ihr Sichtfeld weich zeichnete. Wie ein Mantra oder ein Gebet wiederholte sie diese  Worte: „Das geht nicht!“ Und mit jedem Mal, dass ihre Lippen über diese Worte stolperten schien sie sich immer mehr und mehr zu beruhigen. Und ein grauenhafter plan formte sich unter ihrer Schädeldecke. Magnolia wischte sich die heißen Tränen von der Wange, die zum Teil schon getrocknet waren, so lange saß sie dort schon in ihrem Auto. Ihre anfängliche Panik war verschwunden, zurück blieb eine gedämpfte Wut und ein nervöser Tatendrang.  Sie würde es nicht so weit kommen lassen. Schließlich hatte sie ja eine Titelseite zu füllen.

 

„Ich bin so stolz auf dich!“ – „Danke Mama!“.

„Na ja, die Geschichte ist schrecklich, aber… ich bin trotzdem stolz auf dich!“ Am anderen Ende der Leitung knackste es kurz statisch auf ehe Magnolia die Stimme ihres Vaters durch den Hörer nörgeln hörte. „Jetzt lass mich doch auch mal mit ihr reden!“ Sie lachte unbeschwert und blickte zufrieden auf ihren Schoß hinab. „Hallo Papa!“ – „Hallo Magnolia! Ich kann dir gar nicht sagen wie vielen Kollegen ich deinen Artikel schon im Büro gezeigt hab, die waren alle so grün vor Neid, dass ich so eine talentierte Tochter habe!“ Magnolia lachte erneut, langsam klang der helle Ton in ihren Ohren zu gezwungen. „Obwohl es schon gruselig ist dass du mal mit diesem Typen zusammen gearbeitet hast.“ Magnolias Augen blitzten auf und sie strich mit lackierten Nägeln über das dicke Zeitungspapier. Ihr eigener Name prangte dort und erfüllte ihr Herz mit einem Stolz, den sie noch nie zuvor gespürt hatte. „Die Dunkle Seite des Journalismus“, las die Überschrift und einige Absätze darunter, in den Artikel über Benedict Sunter eingebettet blickte ihr ein schwarz weiß Foto entgegen. Sunters Haltung vor dem Richter war gerade geblieben, selbst noch als der belastende Beweis seiner eigenen Handykamera ihm vollends die Schuld auf die Schultern lud und der Richter kurz darauf sein Urteil verlaß. „Ja ich weiß.“ Hörte wie durch eine dicke Glasscheibe hindurch ihre eigene Stimme sagen.

„Niemand von uns hatte geahnt was für ein Monster in ihm gelebt hatte!“

6 thoughts on “Schattenseiten

  1. Hallo und guten Tag

    Respekt.
    Dir ist eine wirklich gute und außergewöhnliche Story gelungen

    Ich habe sie gerne gelesen und war total gefesselt.
    Die Spannung war genial aufgebaut, hat mich in ihren Sog gezogen.
    Ich habe permanent mit Magnolia mitgefiebert, mitgelitten.

    Krass.

    Deine Sprache ist wunderbar bildreich und ausgeprägt. Du hast definitv schon jetzt einen komplett eigenen Stil.
    Und der gefällt mir sehr gut.

    Das Ende war natürlich böse und skrupellos.
    Aber so müssen Kurzgeschichten enden.
    Genau so.
    Sie müssen im Kopf, im Herzen der Leser weiterleben.
    Weiter führen.

    Eine negative Sache muss ich jedoch auch ansprechen.

    Deine Rechtschreibung und deine Zeichensetzung ist zuweilen unsicher.
    Lass deine Geschichten in Zukunft immer noch einmal gegenlesen. Und korrigieren.
    Einem Fremdleser würden Fehler schnell auffallen. Dieser würde sie entfernen, und deine Story wäre perfekt.
    Es ist unheimlich schwer, seine eigene Arbeit zu berichtigen. Vor allem, wenn man sich in Bezug auf sämtliche Regeln und Bestimmungen unsicher ist.

    Das alles ist aber kein Problem, wenn man einen sachkundigen Gegenleser hat.
    Schließlich werden ALLE Bücher und Texte von großen und bekannten Autoren auch korrigiert und lektoriert.

    Das Entscheidende ist und bleibt die Geschichte.
    Die Spannung.
    Die Sprache.
    Die Aussage.
    Die Ambition.

    Ich lasse dir sehr gerne ein Like da.
    Du hast es dir verdient.
    Ich finde die Geschichte nämlich richtig, richtig gut.

    Schreib weiter, und du wirst noch viele tolle Geschichten verfassen.

    Viele Grüße und gib niemals auf.

    Swen Artmann (Artsneurosia)

    Ich würde mich sehr über einen Kommentar zu meiner Geschichte

    “Die silberne Katze” freuen.

    Ganz liebe Grüße und pass auf dich auf.

  2. Idee und Aufbau der Geschichte haben mir gut gefallen. Deine sehr langen, ineinander verschachtelten Sätze bewirken bisweilen allerdings einen recht umständlichen Erzählstil – bei mir hat er dafür gesorgt, dass ich das Gefühl hatte, mich sehr konzentrieren zu müssen, und für mich einige Fragezeichen offen geblieben sind: Was hat jetzt Benedict getan, was Magnolia? Hier täten einige Kürzungen dem Erzählfluss und dem Vorantreiben der Handlung gut; wie auch der Tipp meines Vorschreibers, das Ganze gegenlesen zu lassen 😉 Denn: Deine Story will auf jeden Fall erzählt werden.

  3. Hallo 🙂

    Auch mir haben der Aufbau und die Idee hinter deiner Geschichte gefallen. Ich finde, du hast wirklich ein Talent die Orte, Personen und Handlungen sehr anschaulich und lebendig zu gestalten. Mir hat da besonders der Part gefallen, in dem Magnolia nach Hause kommt. Das war wirklich sehr bildhaft und detailreich beschrieben.

    Meinen Vorrednern möchte ich mich anschließen, was die Rechtschreibung und Grammatik deiner Geschichte angeht. Ich musste mich aufgrund der Fehler wirklich sehr konzentrieren. Teilweise macht das auch wirklich die Schönheit deiner Beschreibungen kaputt, da Worte oder Buchstaben fehlen und man erstmal rekonstruieren muss, was du wohl gemeint hast. Vielleicht hast du ja noch Gelegenheit deine Geschichte zu korrigieren bzw. sie jemandem zum Gegenlesen zu geben. Aktuell kannst du die Geschichte ja auch hier auf der Seite noch bearbeiten. Das würde ich mir vielleicht überlegen, weil es ja wirklich schade wäre, wenn deine tolle Geschichte einige Leute nicht zu Ende lesen, weil die äußere Erscheinung sie abschreckt. Ein paar mehr Absätze hätten mich persönlich auch noch beim Lesen entlastet. 🙂

    Was mir sonst noch aufgefallen ist:

    “Magnolia vermutete zwischen den Zeilen heraus lesen zu können, dass der Freier auf dem Weg Nachhause angegriffen worden sein musste.” Magnolias Opfer war meines Verständnisses nach doch der Besitzer des Bordells? Also kein Freier? Das hat mich etwas verwirrt…

    “(…) und die Aufnahme eines längst vergangenen Momentes war für einen Bruchteil einer Sekunde wieder an die Oberfläche ihres Bewusstseins hinab gesegelt.” Wenn etwas an die Oberfläche kommt, dann steigt es in der Regel auf und sinkt oder segelt nicht herab. Das fand ich an der Stelle ein wenig irritierend.

    Nichtsdestotrotz möchte ich noch einmal betonen, dass du wirklich einen ansprechenden Erzählstil hast und mich der Detailreichtum beeindruckt hat. Schreibe unbedingt weiter!

    Liebe Grüße
    Merle (Sepia)

  4. Moin,

    Eine richtig gute Geschichte die du uns hier erzählst. Du hast einen richtig schönen, bildhaften Schreibstil. Mein Lieblingssatz:

    Ihre Gedanken, die zuvor auf dem Highway in ihrem Hirn blitzschnell herum gerast waren bogen nun auf eine gemütliche Landstraße ab und tuckerten ohne ein wirkliches Ziel zu haben gemütlich hintereinander her.

    Richtig, richtig gut! Mit jungen 18 Jahren so zu schreiben da gehört einiges zu.
    Ich bin alles andere als ein Rechtschreibnerd, aber muß meinen Vorschreibern recht geben…
    Aber….für so etwas gibt es Lektoren. Wir müssen nur schreiben und das ist um einiges schwerer, als einen fertigen Text auf Fehler zu korrigieren !

    Mach weiter, du hast es…👍🏻👏🏼
    Mein Like lass ich dir gerne da und wünsche dir alles Gute für’s Voting.

    LG Frank aka leonjoestick ( Geschichte: Der Ponyjäger)

  5. Hallo 🙂

    deine Geschichte ist wirklich fesselnd und mal wieder aus einem ganz anderen Holz geschnitzt.

    Du hast einen tollen Einstieg gewählt, um Magnolia und ihr Umfeld kennenzulernen.

    Was mich besonders fasziniert hat, ist deine unglaublich gute bildhafte Schreibweise, mit der du mich super abgeholt hast. Zudem ziehst du passende Vergleiche, um die Situation zu unterstreichen.
    Diese drei Sätze haben es mir am meisten angetan, auch wenn es nur ein Ausschnitt ist.:

    „Die Nadel des Schallplattenspieler hüpfte ein zwei Mal auf der alten Schallplatte ehe sie Halt fand und leise knisternd vor sich hin zu singen begann.“

    „Ihre Gedanken, die zuvor auf dem Highway in ihrem Hirn blitzschnell herum gerast waren bogen nun auf eine gemütliche Landstraße ab und tuckerten ohne ein wirkliches Ziel zu haben gemütlich hintereinander her.“

    „…seit Beginn ihrer Karriere im Sumpf der lokal Nachrichten eingesunken war. Mit keinem Rettungsseil in Sicht, was sie aus dem hungrigen Matsch hätte heraus ziehen können.“

    Ich finde den Namen der Protagonistin „Magnolia“ wirklich schön – dies ist kein 0815-Name.

    Bzgl. der Rechtschreibung schließe ich mich meinen Vorrednern an. Satzzeichen und Buchstaben fehlten leider z.T. und ich musste leider ein paar Mal stocken und die Sätze mehrfach lesen, um sie zu verstehen.

    Zudem wären Absätze wirklich hilfreich – vor allem bei Dialogen. Absätze sind für mich immer wie Luft holen und wenn es keine gibt, macht es dies für den Leser unübersichtlich und man tut sich schwer sie zu lesen. Wie Merle646 schon sagte, wäre es schade, wenn die Leser keine Lust hätten, deine tolle Geschichte zu lesen, nur weil die Aufmachung sie „abschreckt“.

    Ansonsten wirklich eine tolle und runde Geschichte mit einem Wow-Effekt am Ende. Mach weiter so!

    Like ist gegeben 

    LG, Ani
    http://www.wirschreibenzuhause.de/geschichten/der-schwur

  6. Hallo Matthew!
    Ich bin durch Wirschriebezuhause auf Insta auf deine Geschichte aufmerksam geworden – habe es nicht bereut, sie gelesen zu haben.
    Respekt
    Ein paar Fehlerchen haben sich eingeschlichen: “Sei blickte scher atmend” … und an manchen Stellen hätte ich persönlich gekürzt, z.B. Swen mit dem Helfersyndrom (ist nicht wichtig an der Stelle) – aber das sind Kleinigkeiten. Der Schluss gefiel mir richtig gut. Du bist erst 18? Wow, da steckt so viel Potenzial und Kreativität in dir, mach weiter!
    Ich drücke dir die Daumen.
    Vielleicht magst du auch meine Geschichte lesen? Würde mich riesig freuen!
    Liebe Grüße
    Lotte
    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/der-alte-mann-und-die-pflegerin

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