SteffipiechnikSchokland

Schokland

von Stefanie Piechnik

 

Prolog

Ich bin angekettet an einem Heizkörper. Ich spüre eine Nadel auf der Haut. Ich rieche mein verbranntes Fleisch. Die Haare und die Augenbrauen sind abrasiert. Ich sehe eine männliche Person über mir. Mein rechtes Handgelenk ist mit einem Strichcode; darunter mit einer Zahl tätowiert. Wie ein Barcode aus dem Supermarkt sieht es aus. Mein Zuhälter bestraft mich, weil ich einen Fluchtversuch unternommen habe. Die Zahl steht für meine angeblichen Schulden. Ich sage nichts. Nicht einen Mucks, als er mich anschreit. „Du Hure, gehörst mir. Versuche es noch einmal und ich bringe dich um.“ Ich schaue an mir herunter. Mein Körper ist übersät mit Striemen und blauen Flecken. Wer mir das angetan hat? Mein Zuhälter, der liebe Nachbar, der Vater, der Bruder. Wir leben mit Ihnen, Tag ein Tag aus, ohne ihre wahren Abgründe ihrer Seele zu erkennen. Die Stadt der Sünde hielt mich zwei Jahre gefangen. Ich saß mehrere Tage dort angekettet. Mehr Tod als Lebendig als man mich befreite. Ich war Eva. Ein Mädchen, das nach dem äußern Anschein nach älter als 18 Jahre gehalten wurde. In Wirklichkeit war ich erheblich jünger. Ich wohnte an einem Kanal, in einer Stadt, die ich nicht kannte. Der Stadtteil, in dem ich lebte und arbeitete, war der älteste Amsterdams. Einheimische nennen ihn `De Wallen´; besser bekannt als das Red Light District.

 

Schokland 2018

Mein Studium war abgeschlossen. Ich grub im ältesten trockengelegten Schiffsfriedhof der Welt, nach den Überresten aus der Vergangenheit des UNESSCO Weltkulturerbes. Im heutigen Polder, wo früher nur Wasser zu finden war, waren täglich tausende Schiffe unterwegs. Dabei kam es oft zu Schiffsunglücken. Bei der Trockenlegung kamen hunderte Schiffswracks ans Licht. Gezählt wurden bisher vierhundertfünfunddreißig Wracks und dreiunddreißigtausend Gegenstände aus der Zeit zwischen 1200 und 1900. Mehr als hundertsechzig archäologische Fundstellen, darunter alte Fußabdrücke von Menschen von vor über 4000 Jahren beweisen, dass das Land schon damals bewohnt war. Vor einer Woche eröffneten die archäologischen Ausgrabungen im Schokland, einer Provinz im Flevoland in den Niederlanden. Hier entstand das größte Eindeichungsprojekt aller Zeiten. Als die ehemalige Zuiderzee, dass heutige Ijsselmeer, trockengelegt wurde, entstand diese Naturlandschaft, in der ich mich aufhielt.

Ich rutschte ungeschickt in einer Pfütze aus, die sich nach mehreren Regentagen in einer kleinen Kuhle gebildet hatte. „Aua!, schrie ich laut auf, als ich auf dem kalten und harten Waldboden fiel. Ich roch den nassen und modrigen Matsch unter meinem Gesicht. Mein linkes Bein schmerzte. Es war heiß, wie eine Kochplatte. Eine Entzündung suchte sich einen Weg durch meinen Körper. Ich fühlte ein Gewölbe unter dem Bauch. „Eine alte Baumwurzel. Auch das noch. Dann werde ich erst Morgen weiter graben können“, dachte ich enttäuscht. Doch dann erkannte ich, dass ich Hier und Jetzt ein Stück Geschichte schreiben werde. Ich grub tiefer.
Meine Fingernägel waren blutig und mein Mund staubtrocken. „Dieser Fund wird mich als Neuling die Karriereleiter nach oben katapultieren“, dachte ich erregt. Erst zum Schluss nahm ich mein Werkzeug in die Hand, um den Fund nicht zu beschädigen. Behutsam nahm ich einen langen Knochen hervor. Ich wischte vorsichtig mit dem Lappen darüber und befreite ihm von dem Dreck. Ehrfürchtig und voller Liebe studiere ich die Überreste aus vergangenen Tagen. Meine Hände glitten vorsichtig über den Gegenstand. „Dieser Knochen ist mindestens 5000 Jahre alt. Das wäre der älteste Fund, welcher hier jemals gefunden wurde“, stellte ich fest. Ich versteckte den Fund vorsichtig in dem Lappen und steckte ihn in meine Tasche.

Aus der Ferne sah ich, wie Hans der Projektleiter und mein Ziehvater, ins Büro schlenderte. Nach ein paar Sekunden kam er wieder heraus. Er schaute zu mir herüber und winkte mich zu sich. Langsam erhob ich mich aus dem Schlamm und zog vorsichtig mein verletztes Bein hinterher. Ich versuchte, mich verzweifelt auf den Beinen zu halten. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich humpelnd bei der Hütte an. „Keinen Feierabend? Da ist aber jemand besessen von einem großen Fund“, stellten einige Kollegen scharf fest, die bei Hans standen und sich ins Wochenende verabschiedeten. Patrick, ein Studienfreund und Konkurrent sagte: „Du weißt, dass ich meinen Fund bereits gestern an das Labor gegeben habe. So wie es aussieht, habe ich bereits die Knochen eines prähistorischen Menschen gefunden. Wozu noch weiter suchen?“ „Tja, wie gesagt: Nur einer von uns kann die Stelle im Museum erhalten. Ich gebe nicht auf“, gab ich frech zurück. „Wo hast du überhaupt die angeblichen Knochen gefunden? Du warst die letzten Tage nicht da“, konterte ich. Patrick lächelte verschwörerisch. „Das Gebiet der Ausgrabungsstelle ist erweitert worden. Das hast du wohl noch nicht bekommen, was. Es gibt noch eine weitere Stelle, weiter nördlich im Wald, wo wir weitere Gegenstände, wie Mammutknochen, Keramik und viele Werkzeuge bei der Trockenlegung gefunden haben. Ich habe bereits komplette Gräber und Überreste von Häusern gefunden.“ Mir klappte die Kinnlade herunter. „Was! Wieso weiß ich davon nichts, Hans?“, schrie ich ihm hinterher, der auf dem Weg zum Auto war und sich aus der Situation wegzuschleichen, ohne mir etwas mitzuteilen. „Du warst so besessen davon hier zu graben, dass du um dich herum nichts mitbekommen hast. Die Kollegen machen sich schon über dich lustig, weil du bei deinem ganzen Ehrgeiz die Teamarbeit vergisst. Elise, wach auf! Du hast verloren. Geh nach Hause und treffe dich endlich mal mit Freunden. Arbeit ist nicht alles“, sagte Hans fürsorglich und stieg ins Auto.

Ich sah ihm traurig hinterher. Patrick wich von meiner Seite und verschwand mit den Anderen ins wohlverdiente Wochenende. „Man sieht sich, süße“, sagte er zum Abschied übertrieben machohaft und in Gewinnerlaune. Ich warf ihm einen eisigen Blick zu. Tränen schossen mir in die Augen. Ich drehte mich um, und hinkte in Richtung Schutzhütte. Meine Gedanken verloren sich, wie wir zu Anfang diesen Unterschlupf bauten. Patrick haute mir unachtsam ein Brett mit einem rostigen Nagel ans Bein. „Vorsicht Elise“, schrie mir Hans entgegen, als er das Unheil kommen sah. „Patrick! Pass auf!“, ermahnte er ihn. Doch es war zu spät. Mein Bein war sofort geschwollen. Durch das nasse und kalte Wetter, und durch die gebückte Haltung beim Graben, wurde der stechende Schmerz bedenklich. Hans ermahnte mich zum Arzt zu fahren. Doch ich dachte nicht daran, Patrick den Durchbruch zu schenken. Ich vermutete, dass er es mir mit Absicht antat, um freie Bahn zu haben. Seit einigen Monaten kämpfen wir um die gleiche Anstellung für das Institut RACM in Lelystad.

Dort liegen unzählige Schiffswracks im Depot des Museums.
Nach den unschönen Gedanken an Patrick, fragte ich mich jetzt: „Warum ist er so fies zu mir geworden? Am Anfang war er charmant und zuvorkommend.“ Ich erinnere mich, wie wir nach Feierabend gemeinsam durch die moderne Hauptstadt Flevolands schlenderten. Die Lage am Markermeer war fantastisch. Wir liefen vorbei an Yachthäfen, Segel- und Surfschulen. Die herrlichen Strände, die Architektur, die Museen und das größte Blumenzwiebelgebiet von Holland, lagen uns zu Füßen. Ich war damals heimlich in ihn verliebt, bis er anfing zu lügen, um sich Vorteile in der Firma zu erhaschen. Er versuchte, mich zu manipulieren. Doch zum Glück durchschaute ich ihn rechtzeitig. Jetzt schien es, als schrecke er vor nichts mehr zurück.

Als ich endlich an dem Unterschlupf ankam, öffnete ich den Spind. Ich zog meine Jacke heraus. Dabei fiel mir etwas herunter. Ich bückte mich und sah ein Mobiltelefon. Doch es war nicht meines. „Wieso ist ein fremdes Handy bei mir im Fach?“ Ich starrte es an. Lange. Ich drehte mich um. Ich öffnete die Tür zum WC. Ich rief. Es war keiner da. Verwirrt setzte ich mich auf eine Bank. Dabei bemerkte ich, dass ein Zettel an der Seite des Spinds befestigt war. Ich faltete das kleine Stück Papier auseinander und las: „Ich kenne deine Vergangenheit! Wo ist Tom? Was hast du mit ihm gemacht? Du wirst es bereuen, dich mit uns angelegt zu haben! Du wirst dafür büßen, du Teufel.“ Schweiß rann mir von der Stirn hinunter. Er schmeckte bitter, als dieser meine Mundwinkel traf. Mit zitternden Händen strich vorsichtig über das fremde Smartphone. Es öffnete sich, ohne die Eingabe einer persönlichen Identifikationsnummer. Ich erschrak, als eine Videodatei auf ploppte und sich einschaltete. Zu sehen waren ich und Tom. Wir stritten. Ich bestand darauf, mich frei zu kaufen, aber dass hätte mich 40.000 DM gekostet. „Ich bringe dich um“, schreie ich meinen Zuhälter an, als er mich wieder schlägt und mich zur Prostitution zwingt. Ich weine und bin hysterisch. Ich schnappe einen Gegenstand und schlage auf ihn ein. Er bricht zusammen. Er steht wieder auf und sagt eiskalt: „Deine Identität ist und bleibt Eva!“ Ich hatte keine Ahnung, dass ich damals heimlich gefilmt worden bin. Sexvideos mit meinen Freiern sind darauf zu sehen. Eins nach dem anderen bootet automatisch. „Ich habe gesagt, schau mich an. Ein Freier befummelte mich und keuchte in mein Ohr. Sein Körper roch nach Schweiß. Jetzt bewegte er sich schnell auf mir. „Du verdammtes Mitstück!“, schrie er mich an. „Wofür hältst du dich? Tu, was ich sage!“ Er zitterte, als er in mir kam. Ich hielt den Atem an und das Video endete.

Aus der Ferne hörte ich ein Auto stoppen. Ich zuckte schreckhaft zusammen und verstaute den Zettel und das Handy in der Jackentasche. Die Tür stieß auf und Hans kam herein. „Du bist immer noch da? Alles in Ordnung, Elise?“ „Ja, alles bestens. Ich wollte auch gerade los. Bis morgen.“ „Morgen ist Wochenende.“ „Ach ja, stimmt.“ „Ist wirklich alles in Ordnung?“ „Sicher.“ Ich verschwand schnell aus dem Raum und rannte zum Auto. Hans rief mir etwas hinterher. Ich entfernte mich immer weiter. Meine Gedanken sprudelten, als ich ins Auto stieg. Ein Artikel über Psychopathie kam mir in den Sinn. Der Bericht erschien in der letzten Ausgabe der beliebten Zeitung Emmeloord. Dort stand, dass ein Psychopath sein Unwesen in der Provinz trieb. Mehrere Frauen wurden als vermisst gemeldet. Der Journalist schilderte akribisch, wie diese Menschen uns charmant im Alltag begegnen und uns manipulieren. Der Journalist schrieb: „Es kann der eigene Chef, der Familienvater, Partner oder Freund sein. Bei Personen mit übermäßigen Selbstbewusstsein, extremer Schlagfertigkeit, sollten sie vorsichtig sein. Im Gespräch mit anderen sind diese Menschen nur oberflächlich an ihnen interessiert. Lassen sie sich nicht von großartigen Versprechungen oder überwältigenden Reden blenden. Damit versuchen sie absolute Kontrolle über sie zu bringen. Die wenigsten Psychopathen verbringen ihr Leben hinter Gittern. Man kann sie überall treffen – zum Beispiel am Arbeitsplatz, im Bekanntenkreis, oder in der Politik. Experten warnen: Sie sind stärker emotional beeinträchtigt und setzen ihre Ziele hemmungslos mit Aggression durch, um Kontrolle über andere auszuüben. Besonders sind diese Ausprägungen in der Arbeitswelt wieder zu finden, wenn diese skrupellos nach Macht gieren…“

Der komplette Artikel floppte in meinem Hirn auf und sendete Warnsignale an den Körper. Ich zitterte. „Wo soll ich hin? Nach Hause? Nein. Was ist, wenn dort Jemand auf mich wartet? Ich wusste nicht wohin, also fuhr ich scharf rechts ab. Immer tiefer in den Wald. Keiner kannte ihn so gut wie ich. Ich versuchte meine Gedanken an früher abzulenken. Noch bevor meine Eltern starben und mein Leben zum Desaster wurde. Damals waren wir jeden Sommer in dieser Region. Sie sagten:“ Hier haben wir alle Voraussetzungen für einen gelungen Urlaub.“ Meine Mutter war eine Wasserratte und aufgrund der Lage am Meer, kam diese jeden Sommer voll auf ihre Kosten. Das Windsurfen war ihre große Leidenschaft. Das Outlet-Zentrum Batavia Stad war ihre zweite Passion. Während dieser Zeit pilgerten Paps und ich der weilen lieber in die Museen. Wir erfuhren alles über die Schifffahrt und die damalige Landgewinnung. Hier stieß ich zum ersten Mal mit der Geschichte des Goldenen Zeitalters der Niederlande und der nierderländischen Ostindien- Kompanie zusammen. Doch am schönsten war es, wenn wir als Familie in der unberührten Natur des Naturschutzgebietes Oostvaardersplassen und im Natuurpark Lelystad, den Resturlaub gemeinsam verbrachten. Die wilden Tiere, die Mooren, Dünen und das Weideland mit seiner vielseitigen Tierwelt, bezauberten mich schon damals als Kind. Am liebsten wanderte ich durch den Horster Wald, der zu den größten zusammenhängenden Laubwald West Europas gehört.
Beim gemeinsamen campen im Wald, erzählte mein Vater mir zum ersten Mal von diesem mystischen und zugleich unheimlichen Ort. Beim Lagerfeuer nannte er jenen Ort gruselig den `Schokland Wood´. Genau dort, hielt ich mich auf. Direkt auf der Insel im Polder; im Wald Schokkerbos, wie er richtig heißt. Mein Vater erzählte mir von unheimlichen Begegnungen mit den verlorenen Seelen der Seefahrer. Die früheren Pioniere der damaligen Zeit, gaben Geschichten von Generation zu Generation weiter. Diese gruben vor einiger Zeit von Hand kilometerlange Gräben, um den Boden zu entwässern. Danach wurden hunderttausende junger Bäume gepflanzt und es entstand ein abwechslungsreicher Wald. An jenen Tagen sind ihnen Seemannsleute bei den Arbeiten erschienen sein.

Als ich endlich an unserer Stelle im Wald ankam, setzte ich mich am ehemaligen Lagerfeuerplatz hin. Es fing an zu dämmern. Der Regen ließ langsam nach. Ich beruhigte mich. Ich atmete tief durch. Meine Lungen füllten sich mit Luft. Ich entspannte mich. Eine Eule gurrte im Dickicht. Der Rest der Waldbewohner waren ebenso aktiv. Auf den Feuchtwiesen liefen Hasen und Rehe. Schwalben und andere Vögel flogen hoch über den Baumkronen. Ich liebe die raue und ungestüme Natur. Ich war gerne alleine und in der Wildnis. Menschen erzeugten bei mir Angst. Schon damals wusste ich, dass ich Archäologin werden würde.

Fasziniert von den Erzählungen meines Vaters und den damaligen Besuchen in den hiesigen Museen, wusste ich, welche Schätze der Grund dieses Waldes barg. Plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als ich ein seltsames Geräusch hörte. „War mir jemand heimlich gefolgt?“ Ich begab mich in eine Schutzhaltung und duckte mich. Inzwischen war es Dunkel. Wieder ein Knistern. Ich kannte die Stimmen der Natur. Dieses gehörte nicht dazu. Nach einer Weile hörte ich eine ironische und doch vertraute Stimme: „Eva, wo steckst du? Ich weiß das du hier bist. Ich kenne dich und dein Geheimnis.“ Es war Patrick. Mein Herz pochte bis zu Hals. Für wenige Sekunden stand es still. Ich hatte Angst. Panische Angst. Ich erkannte die reale Bedrohung und sprang ins Dickicht. Der Wald und die verlorenen Seelen verschlungen mich in dieser Raben schwarzen Nacht. Ich rannte um mein Leben. Den stechenden Schmerz im Bein spürte ich durch das Adrenalin nicht mehr. Äste schlugen mir ins Gesicht. Blutige Kratzer blieben auf meiner Haut zurück. Hinter einem großen Gebüsch verharrte ich abrupt. Ich hörte in der Ferne schnelle Schritte. Diese wurden langsamer. Kurz vor meinem Versteck blieb Patrick stehen. „Wo steckst du? Du wirst nicht weit kommen. Morgen im hellen werde ich dich finden. Es ist Wochenende und keiner wird hier sein, um nach dir zu sehen. Hans ist mit der Familie im Vergnügungspark Walibi in Biddinghuizen und übernachtet dort im Village. Er holte eben die Tickets aus dem Büro ab und wollte Fragen, ob du mit möchtest. Dachtest du im ernst, er hätte dir das Handy dort platziert? Weißt du, ich kenne dich schon länger. Wir haben einen gemeinsamen Freund wie du inzwischen weißt. Seit Jahren bin ich auf der Suche nach dir. Wie konntest du nur so lange untertauchen? Dieses scheiß Zeugenschutzprogramm hat dir letztendlich nichts gebracht.“

Die dicken Regenwolken verschwanden am Nachthimmel. Jetzt erhellte der Mond den Wald. Der Wind wehte aus Osten. Die Blätter des Waldes fächelten den Farn auf. Doch dann hörte ich ein schnelles Rascheln hinter mir. „Vielleicht ein Wildschwein.“ Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem rechten Oberarm. „Nein. Bitte lass mich los.“ „Das könnte dir so passen. Nach so vielen Jahren hab ich dich endlich gefunden“, hörte ich Patricks eisige Stimme. „Bitte, bitte tu mir nichts. Was willst du von mir?“ „Du musst deine Schulden begleichen, du Miststück! In unserer Branche verjährt das nicht. Wenn du nicht das tust, was ich dir jetzt sage, dann bringe ich dich um.“ Ich hörte seine Worte, doch mein Körper war starr vor Angst. Ich zitterte am ganzen Leib und stotterte: „Woher weißt du von meiner Vergangenheit? Wieso erst Jetzt, zweiundzwanzig Jahre später?“ Mit dem linken Arm huschte ich währenddessen unter meiner Jacke durch. Ich lockerte mich aus seinem Griff und riss mich los. Ich rannte. Fiel zu Boden. Stand auf. Sprintete weiter. Meine langen blonden Haare blieben an den Ästen hängen. Ich spürte das Herausziehen der einzelnen Haarwurzeln nicht. Ich hastete immer tiefer in den Wald. Nach einer Ewigkeit erreichte ich die Durchgangsstraße. Patrick war stets hinter mir. Innerlich betete ich: „ Lieber Gott. Hilf mir. Ich will nicht sterben. Lass ein Wunder geschehen.“ Ein Ruck von hinten stieß mich auf den harten Betonboden der Waldstraße. Plötzlich spürte ich einen heftigen Stich in meinem Rücken. „Nein! Ich will nicht sterben. Nicht so“, dachte ich in meinem Kampf ums Überleben.

In der Ferne ertönte ein Signal, wie von einem Schiff. Patrick hielt sich die Ohren zu. Ich rappelte mich langsam auf. Ein heller Lichtstrahl blitzte zwischen den Bäumen hervor. Es war extrem grell. Patrick hielt seine Hände vor die Augen. Ich erkannte meine Chance. Ich wusste, er konnte mich für eine kurze Zeit weder hören noch sehen. „Meine Gebete wurden erhört.“ Ich rannte zurück in den Wald, Richtung Ausgrabungsstelle und wählte den Notruf. Die Nacht wich den frühen Morgenstunden. Es wurde langsam hell. Mit letzter Kraft kam ich bei der Schutzhütte an. In der Hütte brannte Licht. Die Polizei war vor Ort. Ich sah Hans. „Hilfe! Hilfe“, schrie ich. Mein Überlebenswille war offensichtlich. Ich rief lauter. Hans stürmte auf mich zu und fing mich auf. „Patrick war es“, stammelte ich leise. Dann wurde es um mich herum Dunkel.

„Elise, du hast es geschafft!“, hörte ich eine Stimme auf mich einreden. Ich öffnete meinen Augen. Hans saß an einem Bett und hielt die Hand. „Was ist passiert?“ „Du hattet großes Glück“, weinte Hans. Den Knochen den du gefunden hast und den du bei dir getragen hast, kam aus dem Labor zurück. Du hast nicht die sterblichen Überreste eines prähistorischen Menschen gefunden, sondern die von Catharine van Dahlen. Sie wird schon seit Wochen vermisst. Patricks Knochen werden weiterhin untersucht. Mit einem Ruck kam ich nach oben. Der Schmerz in meinem Rücken kroch durch den Körper. „Nein“, stieß ich hervor.  „Ist Patrick der seit Monaten gesuchte Psychopath?“

„Bitte Beruhige dich. Es wird alles gut.“ „Da bin ich mir nicht so sicher. Die Ergebnisse von dem Knochenfund von Patrick sind soeben eingetroffen“, ertönte eine fremde Stimme das Krankenhauszimmer. „Ich bin Kommissar Weesterea. Die Knochen stammen von Tom Verlaat, seinem Bruder. Im Verhör erzählte er uns ihre Vergangenheit. Laut dem gefundenen Handy in ihrer Tasche und den Videos kannten sie, den ermordeten. Frau Elise Schuster, sie sind festgenommen, wegen heimtückischen Mord an Tom Verlaat. Oder soll ich lieber Eva zu Ihnen sagen?“ „Wer ist Tom?“, fragte Hans mich verdutzt.

5 thoughts on “Schokland

  1. Hallo Stefanie,

    Vielen Dank für deine Geschichte.

    Der Name Schokland hat mich gereizt und daher habe ich mich an deine Geschichte gemacht.

    Deinen Prolog fand ich super eindringlich beschrieben, du hast ein Auge für Details. Das erkennt man auch an deiner Beschreibung des Schoklands. Ich konnte mir das richtig gut vorstellen.
    Was mich aber gewundert hat ist, dass es nur ein Schokland 2018 gibt. Ich habe deshalb erwartet, dass es auch einen anderen Zeitpunkt gibt.
    Ich wusste zb. auch nicht, ob der Prolog davor spielt oder danach.

    Du hast viele Ideen und bist kreativ in deinem Thema, aber mir hat etwas die Struktur und der Hintergrund gefehlt, um ganz in die Geschichte einzusteigen und alles zu verstehen. Vielleicht kannst du das ein oder andere noch klarer aufzeigen.

    Das Ende kam überraschend, das find ich gut.

    Mach weiter so und alles Liebe weiterhin für dich,

    Jenny /madame_papilio
    (Geschichte: Nur ein kleiner Schlüssel)

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