Tyron2000Seelenspiegel

Ihr Blick wich nicht von dem EKG-Gerät. Das Summen, der Herzschlag des jungen Mädchens wurde immer langsamer. Und langsamer. Sie hatte alles in ihrer Macht stehende getan, aber es hatte nicht gereicht. Sie wusste,es würde nur noch ein paar Minuten dauern. Dann war sie tot.

Sie konnte sich nicht von der Linie des Displays losreißen, welches ihr Versagen demonstrierte.Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, aber irgendwann war der permanente Summton da. Es war vorbei.

Deine Schuld“ sagten ihre Gedanken immer und immer wieder.

Sie vergrub ihr Gesicht in der Hand, und wollte dass es aufhört. Dass die Stimme endlich still war. Doch jene taten ihr diesen Gefallen nicht.

13.Juli Riverside 3:45 am

Mit einem leisen Aufschrei wachte Emily schweißgebadet in ihrem Bett auf. Ein kurzer Blick auf den Wecker sagte ihr, dass es erst 3:45 am Morgen war. Zum Glück hatte sie Marcus nicht aufgeweckt, der seelenruhig neben ihr schlief.

Sonst würde er sich wieder Sorgen machen.

Seit dem Vorfall damals, hatte sie die meisten Nächte immer wieder den selben Alptraum. Wieder und Wieder.

Sie nahm seitdem Antidepressiva, um nicht total durchzudrehen. Und nachts meistens Schlaftabletten, damit die Träume ausblieben. Aber heute hatte sie abermals versucht, ohne sie auszukommen.

Geht anscheinend nicht“ murmelte sie leise, dann nahm sie widerstrebend doch noch eine, damit sie wenigstens den Rest der Nacht durchschlafen konnte.

Sie könnte zwar auch noch nachmittags schlafen, da sie morgen die Nachtschicht im New Hope Hospital hatte, aber den wollte sie für sinnvollere Tätigkeiten nutzen.

Nachdem sie die Tabletten geschluckt hatte, schlief sie kurz darauf wieder ein. Diesmal ohne Träume.

14.Juli 9:35 Riverside City

Sie blinzelte langsam das Sonnenlicht weg, das auf ihre Augenlider schien, und öffnete die Augen.

Der Wecker war eigentlich auf 8:00 gestellt gewesen, aber sie wunderte sich nicht, dass sie verschlafen hatte.

Die Tabletten waren schließlich ziemlich stark.

Sie zog ihren Morgenmantel an, und ging die Treppe hinunter in die Küche.

Marcus saß schon bürofertig am Tisch, und trank noch seine Tasse Kaffee. Er würde in den nächsten Minuten losfahren.

So ging es die meisten Tage. Sie sahen sich gerade mal 5-10 Minuten, wenn sie mal wieder Schicht arbeitete. Aber dass hatten sie beide vorher gewusst.

Wahrscheinlich hatte er auch schon das Pausenbrot für ihre Tochter Annette gemacht und sie angezogen.

Wie immer.

Guten Morgen Schatz“ sagte er, und begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange. Aber als sie in sein Gesicht sah, spiegelte sich dort Besorgnis wieder.

Er stellte die Tasse ab.

Du hast es heute Nacht wieder versucht oder?“

Sie wich seinem Blick aus. Also hatte er es doch mitbekommen.

Emily, ich weiß du willst nicht von Tabletten abhängig sein, aber es bringt nichts wenn du dich deswegen quälst“

sagte er mitfühlend.

Ich…“ begann sie, brach aber dann den Satz ab, und nickte nur stumm.

Wir unterhalten uns später okay“?. Danach küsste er sie noch kurz auf die Stirn bevor er das Haus verließ.

Sie blickte ihm nach. Er meinte es gut, aber er konnte nicht verstehen wie sie sich dabei fühlte.

Es kam ihr so vor als wäre sie eine andere Person, seit sie die Tabletten und Antidepressiva nahm.

Als würden ihr diese beiden Mittel die Möglichkeit geben , den Menschen zu mimen, der sie vor dem Unfall gewesen war.

Es war eine Maske, nichts weiter.

Die sie trug, damit niemand die verzweifelte und zerstörte Persönlichkeit dahinter sah.

Am Nachmittag räumte sie auf, fuhr einkaufen, holte ihre Tochter von der Schule ab und machte mit ihr Hausaufgaben.

Marcus rief an, er würde heute erst spät nach Hause kommen, wegen eines Meetings. Also würden sie sich heute nicht mehr sehen. Um 21 Uhr brachte sie Annette ins Bett, las ihr wie immer ein Märchen vor, damit sie einschlafen konnte.

Mama, warum siehst du manchmal so traurig aus“? fragte sie.

Das brachte ihr einen verdutzten Blick von Emily ein.

Warum sollte ich das denn tun“? erwiderte sie.

Naja, wenn du glaubst dass dich niemand sieht, wirkst du meistens traurig“.

Ach das glaubst du nur mein kleiner Wonneproppen“.

Bevor das Mädchen weiter fragen konnte, sagte sie:

Jetzt ist aber Schlafenszeit“ und mit einem gute Nacht Kuss drehte sie das Licht aus.

14. Juli 23:35

New Hope Hospital, Riverside

Eine Stunde nachdem sie Annette ins Bett gebracht hatte,

war sie losgefahren. Zum Glück waren es nur ein paar Meilen bis zum Krankenhaus.

Da Riverside relativ klein ist, war das Hospital auch nicht übermäßig groß.

Sie hatte den Luxus, dass in der Nachtschicht höchstens ein Notfall eintrat, wenn überhaupt. Zwei waren schon sehr viel.

Außer ihr und einem anderen Arzt, waren nur die stationären Patienten, Steve der Wachmann, sowie Sarah und Jessica, zwei Krankenschwestern hier.

Es würde also wie so oft eine relativ ruhige Nacht werden.

Mrs. Ross, ich drehe meine Runde, sagen sie Bescheid wenn was sein sollte“ sagte Steve bevor er losging.

Mach ich Steve“ sagte Emily, während sie in einem Computer

Daten der letzten Operationen und Patienten überprüfte und ergänzte. Ihr kleines Büro war im 2.Stock des Krankenhauses. Es gab nur 3 Stockwerke, die oberen beiden bestanden fast nur aus Patientenzimmern.

Im Erdgeschoss war die Chirurgie, die Notaufnahme,sowie ein paar Labore, im Keller hauptsächlich Lagerräume, die Heizung und die Generatoren.

Nachdem sie fertig war, ging sie hinaus, um kurz frische Luft zu schnappen. Ein schneller Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie wesentlich länger gebraucht hatte als gedacht, über eine Stunde. Eigentlich hätte Steve zumindest einmal in dieser Zeit vorbei kommen müssen. Sie zuckte nur die Achseln. Auf dem Weg zur Tür, kam sie am Anmeldetresen vorbei, wo normalerweise Sarah um diese Uhrzeit saß.

Macht wohl auch gerade eine kurze Pause“ dachte sie.

Anscheinend hatte sie ihr Smartphone liegen lassen, dass auf dem Tresen lag.

Es lag gefährlich nahe am Rand, also nahm sie es, um es an eine sichere Stelle zu legen.

Genau in diesem Moment ertönte mehrmals das Summen einer neue Nachricht.

Ein wirklich komischer Zufall“ dachte sie, und legte es hin.

Kurz darauf sah sie ein Bild.

Keine Tastensperre,wirklich sehr leichtsinnig Sarah“.

Sie wollte gerade gehen, als ihr auffiel, dass sie die Umgebung auf dem Bild kannte.

Dadurch neugierig geworden, sah sie sich das Bild genauer an. Es war ihre Nachbarschaft. Besser gesagt ihr Haus.

Darauf war sie zu sehen, als sie gerade mit Annette im Garten spielte. Unter dem Bild stand ein Wort. „Heart“.

Das ergab keinen Sinn. Warum sollte Sarah Bilder von ihr machen? War sie eine heimliche Stalkerin?

Nein, das konnte nicht sein. Sie kannte die Frau seit 10 Jahren. „Du glaubst sie zu kennen“ korrigierte ihr Verstand sie. „Du solltest es besser wissen, letztlich trägst du selbst seit Jahren eine Maske“.

Sie schaute sich das nächste Bild an. Da waren sie und Marcus gerade in einem Restaurant gesessen. „Let“ stand darunter. Was sollte der Mist?. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und ihr Magen zog sich zusammen. War das ein dummer Streich?. Auf dem nächsten Bild ging sie mit ihrer Familie im Park spazieren. Darunter stand „Hurt“.

Die Worte ergaben keinen Sinn. Zumindest nicht allein.

Sie sah sich das letzte Bild an. Es war eine Fotografie von ihr, in ihrem Kittel. Darunter stand das Wort „ever“.

Das letzte Bild zeigte eine Kreuzung. Eine welche sie bereits gesehen hatte.Und in ihren Träumen immer und immer wieder sah. Darunter das Wort „How“.

Irgendjemand trieb hier Spielchen.

Die Worte waren zusammengefügt . „ Heart let Hurt Ever How“.

Lass Herz schmerzen immer wie“? Sagte sie leise vor sich hin.Nein, die Wörter ergaben keinen Sinn, auch nicht in anderer Reihenfolge, oder auf Deutsch. Sie hatte noch nie in ihrem Leben Herzproblem gehabt. Sie sah sich die Bilder nochmal an. Ihre Augen weiteten sich als sie im ersten Bild oben einen Namen las. „Jennifer Ashcroft“.

Der Name des Mädchens, dass sie vor 5 Jahren nicht retten konnte. Bei deren Operation sie versagt hatte.

Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn. Das war mehr als ein simpler Streich. Diese Worte sollten etwas aussagen.

Etwas, dass mit ihr und dem Mädchen zu tun hatte.

Sie überlegte fieberhaft. „Vielleicht ein Anagramm“? flüsterte sie leise. Ein paar Minuten später bekam sie einen Satz heraus, der sie einen leisen spitzen Schrei ausstießen ließ

Reveal the Truth Whore“. „Enthülle die Wahrheit Schlampe“

Sie zitterte am ganzen Körper. Nein, es war unmöglich dass jemand davon wissen konnte. In dieser Nacht war schließlich nur sie dagewesen. Oder?

Sie war sich so sicher gewesen, dass niemand sie gesehen hatte. Und die letzten Jahre hatten ihr das doch bestätigt.Zumindest hatte sie es geglaubt.

Ihr Puls raste, und sie sah den Satz immer und immer wieder an.

Sie würde Steve anrufen, vielleicht wusste er, wem das Handy gehörte.

Sie hörte nur Leerzeichen, dann die Mailbox. Was war hier los?. Sie probierte danach, Sarah, Jessica und Howard.

Dreimal das selbe Ergebnis. Die Angst umklammerte ihr Herz immer fester und drückte erbarmungslos zu.

Als sie sich umdrehte und in den schwach beleuchteten Gang blickte, sah sie dort am Ende eine menschliche Silhouette stehen. Eine, die sich langsam auf sie zubewegte.

Hallo“? Sagte sie zaghaft. Der Schatten kam immer näher.

Keine Antwort. Als die Gestalt ungefähr noch 5 Meter entfernt war, konnte Emily erkennen dass es sich um einen Mann handelte. Er war um die 1,80 Meter groß, schlanke Gestalt, und komplett schwarz gekleidet. Eine ins Gesicht gezogene Kapuze machte sein Gesicht allerdings kaum erkennbar. Dafür sah sie in seiner linken Hand das Blitzen von Metall, als er in den beleuchteten Bereich ging.

Er hielt ein langes Messer in der Hand, dessen Klinge voller

Blut war.

Ihre Augen weiteten sich, und sie ging langsam rückwärts.

Er kam weiter auf sie zu, ohne ein Wort zu sagen, wie eine Maschine die nur einen Auftrag hatte: Sie zu töten.

So schnell sie konnte drehte sie sich um und rannte durch die Tür ins Treppenhaus. Wenn er das Messer warf, hätte er sie vielleicht erwischt, aber darüber verschwendete sie keine Gedanken.

Sie musste nur so schnell wie möglich hier verschwinden.

Oder sie würde das Schicksal der Leute teilen, deren Blut an dem Messer klebte.

Sie Stürzte förmlich die Treppe hinunter. Ihr Herz brannte förmlich in ihrer Brust vor Angst. Sie wagte einen kurzen Blick zurück. Der Mann machte keine Anstalten zu laufen, sondern folgte ihr seelenruhig.

Sie kam ins Erdgeschoss und rannte auf die Ausgangstür zu, und wollte sie aufziehen. Abgeschlossen. Ihre Hände zitterten, als sie in ihrer Tasche nach dem Schlüssel kramte. Woher hatte er den Schlüssel?

Vielleicht war es doch Steve. Sie machte sich daran aufzusperren, als sie bemerkte, dass jemand das Schloss beschädigt hatte.

Verdammt, Verdammt“ sagte sie leise. Deswegen also seine Gelassenheit. Sie würde hier nicht so einfach rauskommen.

Sie drehte sich um, und rannte auf das Treppenhaus zu, dass in den Keller führen würde. Nach einem kurzen Blick hinter den Tresen hier offenbarte sich ihr ein furchtbarer Anblick.

Jessica, die jüngere der beiden Krankenschwestern saß dort zusammengesackt, mit nach vorne gebeugtem Kopf in einer Lache aus Blut. Obwohl sie keine Zeit verlieren konnte, hoffte sie inständig, dass sie möglicherweise nur aufgrund des Blutverlusts bewusstlos war. Sie ging kurz zu ihrer Gestalt, und berührte sie kurz an der Schulter.

Mit einem leisen Aufschrei des Grauens fuhr sie zurück. Jessicas Kopf fiel auf die Seite, ihr Hals war nicht nur aufgeschlitzt worden sondern halb durchtrennt. Ihr Kopf, aus dem glasige Augen ins Leere blickten, lag nun in einer

abstrakten Position nun auf ihren Schultern.

Dieser Mensch war eine Bestie.

Sie hörte die Schritte näher kommen. So schnell sie konnte rannte sie die Stufen in den Keller hinab. Dort hetzte sie in einen der beiden Lagerräume auf der rechten Seite des Ganges.

Sie wagte es nicht das Licht anzuschalten, aber zum Glück hatte sie Aufbau des Raumes im Kopf. Sie ging auf einen kleinen Schrank am Ende des Raumes zu. Nein, wenn er sie darin finden würde, wäre sie erledigt.

Also lieber hinter, oder unter den Tischen.

Sie kauerte sich unter einem Tisch am Ende des Raumes zusammen, vor dem zwei Stühle standen. Die Zeit schien stillzustehen. Sie nahm nur das heftige Pulsieren ihres eigenen Herzschlags wahr. Dann hörte sie draußen auf dem Gang Schritte.

Sie wagte kaum zu atmen. Sie hörte immer wieder das Geräusch von sich öffnenden Türen. Dann wurde plötzlich der Raum in grelles Licht getaucht.Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie bekam kaum mehr Luft,und zitterte am ganzen Körper. Die Schritte kamen immer näher, und blieben kurz vor ihrem Versteck stehen.

Dann hörte sie das Splittern von Glas, wäre fast vor Schreck hochgesprungen. Die schwarzen Stiefel des Mörders gingen an ihrem Versteck vorbei, und sie hörte das er den Schrank am Ende des Raumes öffnete. Darauf folgte das Aufschlagen eines großen Gegenstands auf dem Boden. Sekunden zogen sich in quälende Länge. Die Schritte wurden wieder leiser, und sie hörte wie eine Tür geschlossen wurde. Sie wartete noch ein paar Minuten, und dann konnte sie nichts mehr hören.

Entweder weil er zu weit entfernt war, oder weil er irgendwo auf sie lauerte.

Ganz langsam kam sie aus ihrem Versteck. Ihr Atem ging schnell und heftig, und das Zittern hatte nicht nachgelassen.Trotzdem wagte sie einen kurzen Blick auf den Schrank.

Dann sah den Gegenstand der herausgefallen war. Oder besser gesagt die Person. Steve ,der Wachmann.

An seinem Torso sah sie keinerlei Stichverletzungen oder Gewalteinwirkung. Ein Blick auf das Gesicht zeigte ihr die Todesursache. Ihm fehlte etwas. Seine Augäpfel.

Ein schmerzverzerrte Maske des Todes blickte sie an.

Es war zuviel für Emily. Nach dem Anblick von Jessica, jetzt das hier. Ihre Magen rebellierte, und sie erbrach.

Nachdem nur noch Schleim kam, flüsterte sie: „Welches kranke Schwein macht so etwas“?. Hoffentlich war dies alles nur ein Alptraum, aus dem sie bald erwachte.

Ganz leise verließ sie den Raum, immer ängstlich um sich blickend, ob er nicht irgendwo wartete.

Aber es passierte nichts.

Sie ging langsam die Treppe hinauf.

Sie konnte noch den Notausgang im 2.Stock versuchen, oder übers Dach.

Ihre besten Chancen lagen wohl in letzterem, aber sie würde die andere Option nicht ausschließen.

Die Ruhe, die nur das Echo des flackernden Lichts, und ihrer eigenen Schritte unterbrochen wurde, zerrten weiter an ihren Nerven.

Oh Gott, ich will hier raus“ schluchzte sie leise vor sich hin. Sie zwang sich in den zweiten Stock hinauf, und ging langsam auf das Gangende zu. Dort wo sie diesen geisteskranken Bastard zum ersten Mal gesehen hatte.

Als sie auf die Tür zuging, kauerte davor eine Gestalt. Nein, es lag jemand davor.

Sarah.

Aber im Gegensatz zu Steve und Jessica, hatte sie nur eine Stichwunde in der Herzgegend. Ihr Tod war wesentlich weniger grauenvoll als die der beiden anderen gewesen.

Die Tür war natürlich auch abgeschlossen, das Schloss ebenso zerstört. Blieb nur noch das Dach. Sie drehte sich um und ging auf das Treppenhaus zu, als sie wieder Schritte hörte. Sie blieb wie angewurzelt stehen. Kurz darauf wurde es wieder still.

Emily ging so leise wie möglich über die Stufen in den dritten Stock. Ein kurzer Blick in den Eingangsraum, sagten ihr, das hier ein Kampf stattgefunden hatte. Der Tresen, der Boden, alles war blutverschmiert. An der Wand waren blutige Handabdrücke. Ein kurzer Blick auf den Ventilator, der voller Blut war, und immer noch einen leichten Blutregen verteilten, sagten ihr bereits wie er ausgegangen war. Und das dieses Blut wohl von Howard war, dem letzten der Leute die heute Dienst hatten.

Er hatte sie alle umgebracht. Und das obwohl sie das Hauptziel zu sein schien.

Hielt er sie für gute Freunde? Hatte er sie deswegen getötet? Oder machte es ihm einfach Spaß?

Egal, sie konnte sich darüber nicht den Kopf zerbrechen.

Nicht solange sie in Lebensgefahr war.

Sie flog förmlich auf die Tür zu, die aufs Dach führte.

Dort konnte sie die Tür verbarrikadieren, und dann mit ihrem Smartphone die Polizei anrufen. Von dem Killer fehlte jede Spur.

Suchte er gerade die Räume nach ihr ab?

Sie drückte ganz leise die Tür nach draußen auf.

Kühle Nachtluft schlug ihr entgegen.

Zum ersten Mal in dieser Nacht beruhigte sie sich etwas.

Sie trat hinaus, kramte in ihrer Tasche nach dem Smartphone, als plötzlich ein lauter Knall die Stille der Nacht durchschnitt. Sie spürte einen sengenden Schmerz im Bein, und ließ das Handy fallen.

Danach folgte ein Aufflammen in ihrer rechten Schulter, und sie spürte wie etwas Spitzes sich dort in ihr Fleisch grub. Danach traf sie ein heftiger Stoß, und sie stürzte rückwärts zu Boden. Mit einem kurzen Schmerzensschrei schlug sie auf. Der Schmerz pulsierte in ihrem Körper, und trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie kroch rückwärts auf den Dachrand zu.

Vor ihr stand wieder die schwarzgekleidete Gestalt.

Die Kapuze nach hinten, sodass man erkennen konnte, dass er eine schwarze Hockeymaske trug. Dann hörte sie seine tiefe Stimme:“ Es wird Zeit, dass sie für ihre Sünden bezahlen,Doktor Ross.“ Er spie die Worte förmlich aus, voller Hass.

Mit zusammengepressten Zähnen sagte Emily: „Warum“? „Wieso haben sie alle getötet, wenn es nur um mich geht“?

Er lachte kurz. „ Es sterben immer Unschuldige“.

Er beugte sich zu ihr hinab. „Aber das sollten sie ja am besten Wissen nicht wahr“?.

Es ging hier um Jennifer. Jennifer Ashcroft, das Mädchen das ihr unter den Händen wegstarb.

Bevor sie etwas erwidern konnte fuhr er fort.

Eigentlich sollte ich sie unwissend sterben lassen,aber da es sowieso gleich vorbei ist, macht es wohl kaum einen Unterschied“.

Ein freudloses Lachen erklang.

Oh, ich weiß dass sie bei der Operation damals versagt haben“.

Deswegen habe ich sie ein Leben lang verabscheut. Sie haben meine Tochter sterben lassen.“

Es ging um Rache. Dann war der Mann vor ihr also der Vater von Jennifer.

Judith, meine Frau hatte es nicht mehr ertragen, mich innerlich verrotten zu sehen, und sich deshalb scheiden lassen.“

Sie, Doktor haben mir alles genommen“.

Er sah ihren angstverzerrten Gesichtsausdruck.

Das Gesicht einer Frau,die ihre Sünden noch einmal vorgehalten bekam, bevor sie die verdiente Belohnung dafür erhielt. Einen langsamen, qualvollen Tod.

Ich habe sie gehasst, aber ein kleiner Teil von mir sagte, dass es jedem hätte passieren können. Das die Operation schwierig war, bei den starken inneren Blutungen die mein Engel hatte.“

Seine Stimme wurde lauter, die Abscheu, und der Zorn darin schwangen immer mehr mit.

Also machte ich es mir zur Aufgabe, denjenigen zu finden, der sie erst in diese Situation gebracht hatte.

Mit der Pistole, die er dem toten Wachmann abgenommen hatte, schoss er Emily in den Bauch.

Ein gellender Schrei kam über ihre Lippen, voller Leid, aber er genoss es. Sie in ihrem eigenen Blut, vor ihm windend zu sehen.

Fünf lange Jahre,habe ich nach Informationen gesucht, ohne Erfolg“. fuhr er fort.

Und dann eines Tages, kam ein Mann zu mir in meine Praxis, der sagte dass ihn die Dämonen der Vergangenheit quälten.

Genau wie mich.

Er war vor 5 Jahren obdachlos gewesen, und sah wie an einem nebligen Samstagabend, ein junges Mädchen angefahren wurde.

Er fand nur ihren blutigen Anhänger, in dem der Name meiner Tochter stand. Und eine Frau mittleren Alters die zuerst panisch wegfahren wollte, dann aber das Mädchen ins Auto legte. Ein Auto mit dem Nummernschild „ER 326“.

Er konnte zwar nicht viel sehen, aber als die Frau kurz im Licht der Scheinwerfer,die blutüberströmte Gestalt des Mädchens hochhob, sah er etwas was bei Menschen höchst selten ist. Zwei verschiedene Augenfarben, ein blaues und ein braunes Auge“.

Emily schnappte nach Luft. In ihrer Panik damals war ihr wohl mehr entgangen, als sie sich eingestehen wollte.

Gut, dass Nummernkennzeichen hatten bestimmt mehr als sie, aber eine Iris-Heterochromie eher nicht.

Die Wahrheit, dass die Person die sie sterben ließ, gleichzeitig dieselbe war, die sie erst tödlich verletzt hatte war zu viel für mich.“

Jetzt erinnerte sie sich an seinem Namen.

Dr. Thomas Ashcroft. Der Mann war Pyschologe gewesen.

Aber durch den Tod seiner Tochter, war er wohl völlig wahnsinnig geworden.

Sie hatte eigentlich zwei Leben zerstört, besser gesagt eine ganze Familie.

Hatte sie den Tod nicht verdient? War er nicht besser als das Leben mit Tabletten tagein, tagaus. Den Schuldgefühlen?

Wie würde sie sich ohne die Antidepressiva fühlen?

Nun, verabschieden sie sich von der Welt.“

Sie war gerade am Ende des Daches angekommen. Er zielte mit der Pistole auf ihren Kopf. Dann überlegte er es sich anders.

Nein, sie verdienen keinen schmerzlosen Tod“.

Er steckte die Pistole ein. Er beugte sich hinab, und zog das Messer aus ihrer Schulter. Emily wurde vor Schmerzen schwarz vor Augen. Es kam nur ein schmerzhaftes Wimmern von ihren Lippen Sie fühlte, wie sie hochgezogen wurde.

Sie standen beide am Rande des Daches. Er holte gerade aus, als der Lebenswille in ihr die Kontrolle übernahm. Mit den letzten Kräften zog sie ihr Knie hoch und traf ihn mit voller Wucht in die Weichteile. Ein überraschtes Keuchen, das Messer entglitt seiner Hand, dann fiel er vornüber, das Dach hinunter.

Emily sackte zusamen. Dann wurde alles schwarz.

Sie wachte in einem Bett auf. Marcus ängstliches Gesicht war das erste dass sie sah.

Gott sei Dank“ flüsterte er, ihre Hand haltend.

Ein Arzt führte ihn danach aus dem Raum, sagend dass sie geschont werden musste.

Sie sah einen Blumenstrauß neben sich auf dem Bett stehen.

Dort war eine Karte mit Besserungswünschen.

Bevor sie die Augen wieder schloß fielen ihr aber noch drei Wörter darunter auf.

TOY TEN ROVE. Ihr Gedanken nahmen nicht mehr war, dass es ein weiteres Anagramm war.

Welches richtig hieß: NOT OVER YET.

One thought on “Seelenspiegel

  1. Im Mittelteil der Geschichte habe ich überlegt, ob es wohl nur ein Traum sein könnte, der Emily in Panik versetzt. Es passiert sehr viel in kurzer Abfolge in Deiner Geschichte und das macht das Lesen spannend. Gut finde ich auch das offene Ende.
    Ein Like von mir.

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