evaschnablStille Nächte und laute Geheimnisse

 

Stille Nächte und laute Geheimnisse

 

 

 

Prolog.
Unzählige Stöße. Grunzendes Stöhnen. Wie ein leidiges Schwein. Stinkender Schweiß. Ein quietschender Lattenrost. Schmerzen, scharfe Schnitte, Leid.
Im Takt eines Herzschlages, welches sie nicht mehr spüren wollte. Sie wollte das Ihre zum Stehen bringen, damit es aufhörte. Es rausreißen, mitsamt allen Gefühlen, Adern und Sehnen. Klopfend in den Händen halten und nichts mehr empfinden müssen.
Irgendwann hatte sie es aufgegeben. Lag nur noch da, starrte an die weiße Zimmerdecke und spürte die Falten des Bettlakens unter ihrer nackten Haut. Versuchte sich abzuschotten, aus ihrem Körper zu entfliehen, um nur eine Hülle zu sein und zu entgleiten, wie nasse Seife den Händen.
Als er mit ihr fertig war, kroch sie aus dem Bett und ließ sich benutzt und wie weggeworfen auf den Boden fallen. L
ag nun hier, zusammengekauert, zitternd, noch immer nackt. Ihre Beine angezogen, von den Händen umschlungen. Ihr Kopf war leer, und doch unendlich voll mit Bildern, die abscheulicher nicht sein konnten. Huschten in ihrem Kopf wie Vögel, die in ihrem Gehirn gefangen waren. Leckten süchtig an ihrem Inneren mit einer Zunge aus Stacheln, rissen es entzwei. Die Tränen kamen stumm und gefühllos, rannen seitlich von ihrer Schläfe und sickerten in den Teppichboden. Sie hoffte, dass sie die Bilder mit sich nahmen, durch ihre Augen nach draußen zerrten und sie ebenfalls im Boden versinken würden. Ihre lackierten Fingernägel bohrten sich in ihre Beine, versuchten den Schmerz und das Schamgefühl heraus zu kratzen, wie eine Gartenkralle das Unkraut. Die Kälte des Raumes drückte sie nach unten, die Last presste sich auf ihren kaputten Körper, vergrub sie unter sich, und hinterließ sie mit zersplitterten Knochen und einer gebrochenen Seele.

 

 1.
Er mochte den Herbst. Es war die schönste Jahreszeit.
Der stille Nebel am Morgen, die kühlen Temperaturen am Tag, die Sonne, die am frühen Abend unterging und die ganze Stadt in ein sattes Orange tauchte.
Josh schlenderte durch die Straßen, seine Chucks waren schon durchnässt, und er erkannte, dass er sich besser für anderes Schuhwerk entscheiden hätte sollen. Der Geruch des Regens war ihm am Vormittag schon in die Nase gestiegen, er hatte es genossen. Diese leichte Säure und Feuchtigkeit, die ankündigte, dass es jeden Moment zu regnen begann.
In seiner Wohnung angekommen, schloss er auf, ging nach drinnen, streifte seine Schuhe ab und stopfte sie gleich mit einer alten Zeitung aus, damit sie bis zum nächsten Tag trocknen konnten.
Ein komisches Gefühl überkam ihn. Es war nicht wie die Angst vor den Albträumen, die ihn auch diese Nacht wieder plagen würden, sondern anders. Als wäre sie schon anwesend, ein stiller Einbrecher der auf ihn wartete.
Kopfschüttelnd schob er den Gedanken beiseite. Die Schlüssel hängte er wie gewohnt auf die Befestigung an der Wand, die Jacke auf den Kleiderständer. Josh ging durch die offene Küche ins Badezimmer. Seine Wohnung war klein, aber er brauchte auch nicht mehr. Eine kleine Küche, ein runder Esstisch mit zwei Stühlen, gegenüber ein graues Sofa mit passendem Teppich und ein etwas besserer Fernseher. Und eine vorzügliche Sammlung von guten Thrillern und Kriminalromanen. Auch ein paar literarische Meisterwerke befanden sich im Regal. Im Bad angekommen schaltete er die Dusche ein, die wie immer ein paar Minuten brauchte um auf eine angenehme Temperatur zu kommen. Währenddessen putzte er sich die Zähne, wusch sein Gesicht, stellte fest, dass er sich morgen den Bart rasieren musste und ging unter die Dusche. Der warme Strahl heizte ihn von innen auf, er genoss den Duft seines drei-in-eins Duschgels und sog den Dampf ein, der das ganze Badezimmer eingenommen hatte. Er rubbelte mit dem Handtuch seine lockigen braunen Haare ein wenig trocken, während er in Boxershorts ins Schlafzimmer ging, um sich wie immer seine Wäsche für den nächsten Tag sorgfältig auf den Sessel im Esszimmer zu legen. Dabei fiel ein Blick auf den Tisch. Ein unbekanntes Handy lag auf dem hellbraunen Holz. Es war nicht versperrt, das Display leuchtete auf als er es hochhob. Das unangenehme Gefühl, nicht allein zu sein, machte sich wieder breit. Seine Augen suchten den Raum ab, aber es war alles wie gewohnt. Sein Herzschlag erhöhte sich, die Pupillen wurden weiter und seine Hände begannen so stark zu zittern, dass er das Smartphone fallen lies.
Es zeigte ihn und eine ihm bekannte junge Frau. Er konnte sich noch genau erinnern, sie waren spazieren gewesen, und hatten sich über Gott und die Welt unterhalten. Sonnenstrahlen kitzelten auf ihren Rücken, es roch nach Blüten und Pollen, und er roch sie an seiner Seite. In diesem Moment hatte er plötzlich etwas anderes als nur Freundschaft zwischen ihnen gespürt. Etwas Stärkeres. Vielleicht Liebe? Doch diese Gefühle durften nicht Teil seines Lebens werden.
Es war noch schlimmer zu begreifen als die nicht enden wollenden Albträume, die ihn fast jede Nacht heimsuchten. Wie ein Wolf, der sich leise und bestimmt seinen Opfern näherte, breitete sich die Erinnerung wieder in seinem Kopf aus. Das Bild fletschte die Zähne und fraß sich in seinen Körper. Wie gelähmt ließ er sich auf den Stuhl fallen, hob das Gerät von Boden auf und sah nochmal hin. Wie konnte das passieren? Woher wusste derjenige Bescheid? Wie kam jemand in seine Wohnung? All diese Fragen musste er sich beantworten.
Als würde dieser Jemand seine Gedanken lesen, vibrierte das Telefon und eine Nachricht erschien.

 

 01010100
01010010
01010101
01010100
01001000

Ein Binärcode. Das wusste er sofort, er hatte einen Teil davon im Studium gelernt. Doch das war schon eine Weile her. Jedes Innere eines Computers besteht aus Nullen und Einsen, man nennt diese Aufeinanderfolge von Zahlen Binärcode. Sein Wissen war gerade so weit, dass er die Zahlen ausrechnen konnte. Sein Gehirn arbeitete nun auf Hochtouren um den Code zu entschlüsseln. Er nahm seinen Laptop zur Hilfe und hatte das Ergebnis in knapp zehn Minuten. 84,82,85,84,72. Das ergab zunächst keinen Sinn. Doch er würde es herausfinden. Zuerst musste er versuchen, eine Nacht darüber zu schlafen, so gut es ging. Morgen würde er der Sache auf den Grund gehen.

 

 2.

 

Der Abend war angenehm warm, so wie es im Sommer sein sollte. Seine Chucks trugen ihn durch die Straßen der Stadt.

 

Stimmten begleiteten ihn, sie zogen ihn in die Dunkelheit, flogen an seinem Gesicht vorbei wie schwarze Geister. Sie rissen ihre Mäuler auf, schrien ihn an, verurteilten ihn, zogen ihn in ihren schmerzhaften Untergrund. Ein hässlicher Gestank drang in seine Nase. Breitete sich auch wie ein heißer Fluss und verbrannte einen Teil seiner Seele. Er roch wie eine Mischung aus Alkohol und verdreckten Straßen. Es verkohlte sein Herz, seine Lunge arbeitete nicht mehr richtig, Atemnot überkam ihn und schnürte ihm die Kehle zu. Schwer atmend und vor Schmerz gebückt setzte er seinen Weg fort. Augen schlichen ihm hinterher, wie Schatten, die ihn jede Nacht begleiteten. Sie umkreisten ihn, mit Tränen überfüllt, voller Leid und Unverständnis. Verwandelten sich in wütende, hasserfüllte Pupillen, die immer näher kamen und schließlich in seinen Kopf eindrangen. Er sah mit seinen Augen, die der Vergangenheit angehörten. Du hast sie allein gelassen, schrie er. Du bist Schuld an ihrem Schmerz. Du wusstest was passieren würde. Es ist deine Schuld.

 

Schmerzerfüllt und kalt durchgeschwitzt fuhr er aus dem Schlaf.

 

 3.

 

Staatsanwältin Nina Thomson hob die Zeitung auf, die vor ihrer Haustür lag und ging wieder nach drinnen. Erholsamer Schlaf war bei ihr schon lange nicht mehr der Fall gewesen. Seit ihrer Jugend brachte sie es nicht auf mehr als fünf Stunden Schlaf. Im Morgenmantel und plüschrosaroten Hausschuhen setzte sie sich an die Theke, die an die Kücheninsel gebaut war und trank einen Schluck aus ihrem Cappuccino. Guter Kaffee, die Zeitung und ein gemütliches Frühstück waren ihr an ihren freien Tagen am Wichtigsten. Der Kaffee, den sie ihr im Büro zumuteten war ungenießbar, nicht einmal wenn sie die ganze Nacht gearbeitet hatte und ihre Augenringe bis zur Nase reichten, lies sie sich eines von diesen Gesöffen andrehen.
Heute hatte wieder einmal einer dieser grausamen, krankhaften Reporter die Lücken in der Polizeidienststelle entdeckt, für sein Ego ausgenutzt und einen Mord wie diesen an die Titelseite geklatscht. „Grausamer Mord an Familienvater“ war die Schlagzeile. Das Bild zeigte das Haus des Opfers, das teilweise verbrannt war. Die Polizeiabsperrungen hinderten an näheren Fotos, aber der Leichensack, der weiter vorne am Bild zu sehen war, wird so manche verstören. Der Artikel im Inneren war ziemlich Nichtssagend. Ein mittelschichtiger Mann, um die vierzig, hinterlässt eine Frau und einen Sohn. Vermutlich wurde der Tatort zu dem Zweck angezündet, die Spuren des Täters zu verwischen. Die Hintergründe des Mannes oder des Motives waren unbekannt. Viel mehr konnte sie an dem Artikel nicht herauslesen.
Als sie gerade vom Hocker aufstehen wollte um sich umzuziehen, läutete ihr Handy. „Ja bitte?“, antwortete sie auf die bekannte Nummer.
„Du musst sofort kommen.“, sagte die Stimme am anderen Ende, die ihrem Lebensgefährten und Kollegen Mark gehörte.
„Der Mord aus den Nachrichten? Was ist passiert?“
„Ja, es ist wieder geschehen, das wirst du sehen wollen. Schließlich ist es einer der Gründe weshalb du Anwältin geworden bist.“, gab er unmissverständlich zu verstehen. Sie merkte die Nervosität in seiner Stimme.
Mit raschen Schritten lief sie in ihr Schlafzimmer um sich eine dunkle Jeans, eine lockere weiße Bluse und den passenden Blazer anzuziehen. Ihre schwarz gefärbten schulterlangen Haare hatte sie schon zu einem Pferdeschwanz gebunden, und sie beließ es dabei. Schlüpfte in ihre stilvollen schwarzen Pumps, schloss die Haustüre ab und eilte hinaus.
Sie hatten sich im Büro des Bundeskriminalamts verabredet, und wie immer lehnte sie den Kaffee ab, den sie ihr anboten. „Warum könnt ihr euch keine vernünftige Kaffeemaschine leisten, oder wenigstens eine Filtermaschine, aus dem man den Kaffee dann auch trinken kann?“, gab sie als Antwort zurück. Ein anderer Beamter ergriff die Chance, nahm ihm den Kaffee ein wenig zu schwungvoll aus der Hand sodass die Flüssigkeit über den weißen porzellanen Rand schwabbte und auf seine Hand klatschte.
„Frau Staatsanwältin, Guten Morgen. Ich wusste, dass Sie heute frei haben aber ich war der Meinung, das würde Sie interessieren.“, fing der Vorsitzende der Ermittler Frederik Traut die Besprechung an. „Der Tote ist ein dreiundvierzigjähriger Mann, einmal geschieden und wieder verheiratet, einen Sohn. Er wurde gestern Abend gefunden, nachdem die Feuerwehr den Brand gelöscht hatte. Das Feuer wurde gelegt, der Mann war auf einen Stuhl gefesselt und voll mit Benzin.“
„Okay, und warum braucht ihr mich dazu? Den Großteil habe ich schon in der Morgenzeitung gelesen. Nun, ich weiß ich bin sehr gut in meinem Job, aber das ist nicht gerade das, was ihr angepriesen habt.“
„Das war noch nicht alles. Er wurde brutal gefoltert, wir vermuten mit irgendeinem Elektrogerät. Und als wäre das noch nicht genug, wurden zu guter Letzt seine Geschlechtsorgane entfernt und in seinen Mund gesteckt.“

 

4.

 

Tim war unterfordert, die Schule langweilte ihn, Er passte in den Stunden kaum auf, weil er den ganzen Stoff schon vor einem halben Jahr durchgegangen war und auswendig konnte. Sein fotografisches Gedächtnis war zwar eine Gabe, aber in mancher Hinsicht auch unvorteilhaft. Die einzige Person, die er außerhalb der Schule kannte, war die Tochter seiner Nachbarn. Sie mochte ihn, sie konnte mit seinen Macken umgehen.
Der Lehrer hatte ihn erneut in das Lehrerzimmer beordert. Schon zum zweiten Mal in diesem Monat war er im Mathematikunterricht eingeschlafen. Tante Betty würde ihn auch diesmal zu Hausarrest verurteilen, aber sie beide wussten, dass das für ihn keine Strafe war. Die meiste Zeit verbrachte er zu Hause und versuchte auf jede erdenkliche Frage die in seinem Gehirn auftauchte eine Antwort zu finden, und damit seinen unendlichen Wissenshunger zu stillen. Tim setzte sich an den Schreibtisch vor seinen Computer, den er von der übrig gebliebenen Familie als Geburtstagsgeschenk bekommen hatte, und arbeitete an seinem Physikprojekt weiter.
Seit dem Tod seiner Eltern hatte er sich nur noch mehr hineingehängt, es war alles was er hatte und alles was ihn noch interessierte. Alle andren Jungs in seinem Alter hatten Freundinnen, gingen auf Partys und tranken Alkohol, aber er verstand den Sinn dahinter nicht. Die Chance, dass man mit seiner Jugendliebe bis ans Lebensende zusammenblieb war sehr gering, und sowieso waren Mädchen für ihn ein Rätsel. Er würde es vielleicht irgendwann zu Stande bringen, aber das hatte keine Priorität für ihn. Wieder einmal hängte sich sein Computer auf. Er verfluchte die Technik, sandte eine Bitte an alle Programmierer in der großen weiten Welt und hoffte, dass es bald etwas Besseres gab. Sonst würde er es selbst in die Hand nehmen müssen. Genervt ging er runter zu seiner Tante, bei der er seit dem Unfall seiner Eltern lebte.
„Tante, ich geh rüber“, sagte er, während er sich schon die Schuhe anzog.
“Okay,
aber komm nicht zu spät zurück!“ erwiderte sie und las weiter in ihrem Buch.
Nebenan angekommen, klingelte er. Der grauhaarige Mann der aufmachte, sah schlimm aus. Die Alkoholfahne die ihm entgegenflog ließ keinen anderen Schluss zu, als dass er wieder einen über den Durst getrunken hatte. Oder eher eine ganze Flasche.
„Du schon wieder. Sie ist in ihrem Zimmer. Und das du ja nichts versuchst Kleiner, hast du mich verstanden?“ Seine leise, aber bestimmte Stimme unterstrich die zu Schlitzen geformten, trostlosen und leeren Augen und die geballte Faust, die neben der Türangel hervorragte.
Ihre Zimmertür war angelehnt und es ertönte ein winziger Laut, den er Kopfhörern zuordnete. Er begrüßte Sie mit einem kurzen „Hey.“, aber sie hörte ihn nicht. Er setzte sich neben sie auf den Boden, auf dem sie lag und stupste an ihre Schulter. „Bist du verrückt?!“ Sie fuhr hoch und begann sogleich zu lachen.
„Was hörst du? Den Bassklängen nach klingt es wie Rolling Stones.“, erwiderte er, legte sich neben sie und versuchte dabei ihre Kaffeetasse nicht umzustoßen.
„Ja, du hast Recht, wieso weißt du das? Achso. Natürlich. Du bist ja ein Genie.“, antwortete sie mit einem genervten, aber nett gemeinten Unterton.
„Und was machst du eigentlich hier? Wolltest du nicht zuhause an irgendetwas Unverständlichem tüfteln, du Nerd?“ Mit einem Grinsen im Gesicht setzte sie sich auf.
„Mein Computer ist schon wieder einfach eingenickt. Also habe ich den Entschluss gefasst, meine Schuhe anzuziehen, zu dir rüber zu gehen, und mir von deinem Vater eine Drohung anzuhören, die er zu einer hohen Wahrscheinlichkeit niemals umsetzen wird, da ich ja noch ein Teenager bin, und laut Gesetz ist es verboten, Minderjährige zu verprügeln.“
„Ah ja. Also so denken Menschen wie du.“
„Was meinst du damit?“, fragte er.
„Ach vergiss es. Weißt du, ich sollte nächstes Mal zu dir kommen, wenn ich wieder mal eine fünf auf meinen Mathematik Test habe. Dann kann ich mal von hier weg und mir von einem richtigen Mathe-Professor die unverständlichen Dinge erklären lassen.“
„Aber ich bin doch kein Professor?“
„Du bist sicher intelligenter als Professor Müller.“
„Um ein Professor zu sein muss man studieren und eine Arbeit schreiben damit man erst als Lehrkraft zugelassen wird, und dafür bin ich zu jung. Außerdem habe ich noch keinen Abschluss.“
Sie verdrehte ihre Augen und lächelte. Das war das, was er an ihr so mochte. Sie verbesserte ihn nicht oder sagte, dass er sie nerve, sie nahm es wie es war, blieb einfach still und schmunzelte.
„Also du brauchst Mathe-Nachhilfe?“, fragte Tim und setzte sich auch auf.
Die nächsten zwei Stunden saßen sie an ihrem Tisch und gingen die für ihn einfachsten Rechnungen durch. Geduldig war er allemal, denn nicht jeder konnte solche Sachen mit einem Verstand wie seinem lösen. Als sie sagte, dass ihr Kopf schon von dem vielen denken rauchte, erklärte er ihr, dass das nicht passieren würde und warum Köpfe nicht rauchen konnten. Diesmal bekam er einen leichten seitlichen Schlag gegen den Oberarm.
„Aua, wieso machst du das? Ich habe doch recht.“, beschwerte er sich.
„Ja, aber sowas will ich nicht wissen, es klingt viel dramatischer wenn ich sage ‚Mein Kopf raucht‘.“, antwortete sie mit einem Lächeln.
Nach einer weiteren halben Stundeverabschiedete er sich. „Danke fürs Intelligenter sein als ich.“, sprach sie ihm hinterher.
Auf dem Weg nach draußen sah er, dass ihr Vater wieder einmal eine ganze Flasche Schnaps geleert hatte, und mit sich selbst redete. Die Mutter saß gedankenverloren auf dem Sofa. Mit einem schnellen „Auf Wiedersehen.“ verabschiedete er sich höflich und trat in die kühle, erfrischende Abendluft.
Die tiefe, wütende Stimme ihres Vaters und verschiedenste hässliche Schimpfwörter drangen gedämpft durch die geschlossene Haustür. Auf dem Weg zum Gehsteig drehte er sich unsicher noch einmal um und überlegte für einen Moment ob er zurückgehen sollte um seine Freundin mit zu ihm zu nehmen, doch er verwarf den Gedanken. Nochmal wollte er diesem abscheulichen Mann nicht begegnen.

Die nächsten Wochen waren der Horror. Er wusste nicht, was passiert war, aber es hatte sie zerstört. Und er konnte nichts dagegen tun. Sie ging ihm aus dem Weg, ignorierte seine Versuche, mit ihr zu reden. Ihre Augen waren leer, ihre Haut blass. Es hat nicht nur sie kaputt gemacht. Die Schuldgefühle nahmen auch von Tim Besitz.
Was ist ihr passiert? Bin ich schuld daran? Hätte ich doch nochmal zurück gehen sollen? Hätte das etwas geändert? Hätte? Wäre? Was, wenn?
Der Schmerz wurde immer schlimmer und er beschloss, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und verfasste einen Brief zum Abschied.
„Es ist besser so.“ sagte er sich, legte den Brief in ihren Briefkasten und ging.

 

 5.
Als Josh übermüdet in der Arbeit ankam, war zu seinem Glück noch niemand da. Seine Augen schmerzten von dem Schlafmangel und Kopfschmerzen kündigten sich an. Er nahm sich aus der Kaffeeküche eine Tasse und brühte sich einen Earl Grey. Mit einem Schuss Milch vollendete er sein Koffeingetränk und setzte sich an seinen Arbeitstisch, an dem er täglich Grafiken und Webseiten entwarf.
Der Gedanke an das Handy von gestern schwirrte unaufhörlich in seinem Kopf herum. Die Nacht war nahezu schlaflos gewesen, die Albträume hatten ihn geplagt und danach war an Ruhe nicht mehr zu denken.
Josh hatte das Handy mitgenommen und an einen seiner Laptops angeschlossen, um irgendetwas rauszufinden. Nichts. Es war bis auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt. Nicht einmal die eigene Nummer des Handys oder eine iCloud-Verbindung war abzulesen. Also musste derjenige sich sehr gut mit Technik auskennen, vielleicht war er sogar mit Hacking vertraut. Aber wie kam jemand an sein Geheimnis? Er war gründlich gewesen, hatte jegliche Spuren verwischt, damit niemand ihn oder jemand anderen in seiner Familie finden konnte. Ihm kam ein Gedanke, doch so schnell er gekommen war, schob er ihn wieder beiseite. Nein, dass konnte er nicht. Dazu waren er und alle anderen Beteiligten nicht bereit.
Auf seinem privaten Computer öffnete er Google und versuchte, die Zahlen die er gestern Nacht errechnet hatte, einzugeben. Keine Ergebnisse. Da es seiner Meinung nach ein Binärcode war, suchte er auch nach diesem Begriff. Die ersten Beiträge waren Websites, an dem man den Code ausrechnen konnte, aber das hatte er bereits.
Die nächsten Ergebnisse zeigten verschiedene Versionen des Codes an. Dualcode, Gray Code, BCD-Code. Doch auch diese ergaben keinen Sinn. Der nächste Aufruf war ein Treffer. Diese Version nannte sich ASCII-Code. Es war eine Tabelle, anhand der man die Zahlen in Buchstaben entschlüsseln konnte. Keine halbe Minute später war das Rätsel gelöst.
Die Zahlen bedeuteten: TRUTH. Wahrheit.
Sofort packte er seine Sachen, ließ seinen Tee stehen, rief seinen Kollegen an und bat um einen freien Tag. Er eilte aus der Tür, schmiss sich regelrecht in sein Auto, startete den Motor und fuhr los. Richtung Norden, um eine alte Freundin zu finden.

 

6.

 

Als Josh die Haustür geöffnet wurde, zu der er in knapp drei Stunden gerast war, erschrak er. Der junge Mann, der ihm die Tür aufgeschlossen hatte, war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Er hatte ihre Augen, herzlich, glänzend hellblau mit grauen Einschließungen, und erinnerten ihn an das Meer, durch das ein Sturm zog. Auch seine Haare glichen ihren, hellbraun, ein wenig lockig. Sein Alter hätte er auf etwa Mitte zwanzig geschätzt.
„Grüß dich, bin ich hier richtig bei Nina Thompson?“ fragte Josh.
„Guten Morgen, ja, ich bin Oliver. Nina ist meine Mutter. Und wer sind Sie?“, antwortete er und bat ihn herein. Josh stellte sich vor, und fragte erneut nach Nina.
„Ich kann auch später wieder kommen, ich will keine Umstände machen.“
„Nein nein, ist doch keine Ursache. Mom ist im Büro, sollte aber gleich nach Hause kommen. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“
„Ja gerne.“ Er trat ins Haus. Es war sehr stilvoll eingerichtet, nichts anderes hatte er von ihr erwartet. Sie hatte schon immer einen guten Geschmack, und dieser spiegelte sich auch in der Inneneinrichtung wieder. Die Küche war aus schwarzem Holz, mit einer Kücheninsel in der Mitte, und Arbeitsflächen aus grau gemustertem Marmor. Barhocker standen daneben und er stellte sich vor wie Nina abends darauf saß und sich ein Glas Rotwein in ein mundgeblasenes, langstieliges Glas schenkt. In der Ecke stand eine professionelle Kaffeemaschine mit Siebträgern, eine Magnetleiste zierte die Küchenrückwand mit teuren, er vermutete handgefertigten, schimmernden Messern aus Stahl. Der Essbereich bestand aus einem Massivholztisch und sechs Armlehnstühlen, angrenzend an das offene Wohnzimmer. Eine smaragdgrüne Samtcouch stand mittig im Raum, gegenüber ein Fernseher und ein Regal gefüllt mit dekorativen goldenen Accessoires, Bilderrahmen und Kerzen. Ein weißer Teppich mit grafischen Mustern schmückte den Parkettboden.
Er nahm auf dem Sofa Platz und Oliver brachte ihm einen frisch gebrühten Espresso. Als er einen Schluck der tiefschwarzen Flüssigkeit nahm, wärmte es ihn von innen, er wunderte sich nicht eine Sekunde darüber, wie fantastisch er schmeckte. Auch hier war Nina die Selbe geblieben. Schweigend saßen die beiden Männer nebeneinander, und hofften, dass sie bald auftauchte.
„Und was wollen Sie von meiner Mutter?“, fragte ihn Oliver und durchbrach die Stille.
„Ich bin ein alter Freund, ich habe da etwas, das sie interessieren könnte.“
„Oh, achso. Was genau wenn ich fragen darf?“
„Das würde ich gerne für mich behalten, es ist privat.“
„Okay. Der Kaffee ist toll, nicht?“
„Ja, total lecker. Sie hat schon damals guten Kaffee gemocht.“
„Damals, in eurer gemeinsamenJugend?“
Josh fragte sich, warum er das wusste, aber sie könnte ihm ja von ihm erzählt haben. Er stellte die leere Tasse auf den kleinen Tisch vor sich, und wollte aufstehen. Plötzlich überkam ihn ein Schwindelgefühl und der schöne Raum begann sich zu drehen.
„Ich komme später wieder, scheint also…dei…Mutter..si…verspä….“Sein letztes Wort kam nur mehr als Lallen, der Boden kam immer näher und vor seinen Augen wurde es schwarz.
 

 

Oliver hob den Mann vom Sofa, und zerrte ihn an den Esstisch. Er hatte lange nach der richtigen Methode gesucht, jemandem den Schmerz zuzufügen, den auch seine Mutter erleiden musste. In einem Antiquariat ist er fündig geworden. Das kastenförmige hölzerne Telefon, das durch eine Kurbel Strom erzeugte, stand jetzt auf dem Esstisch. Bereit, angeschlossen zu werden. Eines der beiden Enden der Kabel klemmte er an den großen Zeh des linken Fußes, und spontan entschied er sich dazu, das andere Ende an dem Penis festzuklammern. Arme und Beine fesselte er an den Stuhl. Die Methode war perfekt, die Übung an den anderen Männern hatte sich ausgezahlt. Wenn er jetzt die Kurbel betätigt, fließt der Strom durch den gesamten Körper. Seine Vorfreude stieg.
Er sah so friedlich aus, so unschuldig. Der Kopf war auf seine Brust gesunken, seine braunen Haare fielen ihm ins Gesicht, Bartstoppeln kämpften sich durch die reine Haut. Die kurz davor noch wachen, blauen Augen waren geschlossen. Oliver nahm auf einem weiteren Stuhl Platz und beobachtete den Bewusstlosen. Kurz genoss er den Anblick, dann ballte er seine Hand zu einer Faust und schlug zu.

 

7.

 

Vom Schmerz, der seinen Kiefer durchzog, hob Josh den Kopf und versuchte sich zu orientieren. Er war noch im gleichen Haus, aber saß am Tisch. Schmeckte das Blut, das aus seiner Nase rann, metallisch, warm. Das trübe, verschwommene Bild vor seinen Augen schärfte sich, und seine Erinnerungen kamen zurück. Vor kurzem war er noch auf dem Sofa gesessen.
„Was…was…du..“, stotterte er durch das schmerzende Kiefer.
Der junge Mann, der ihm freundlich die Tür geöffnet und ihm den Kaffee gemacht hatte, saß ihm jetzt schräg gegenüber.
„Guten Tag Josh. Schön, dass du gekommen bist. So ersparst du mir die Fahrt, sehr nett. Mom wird sich freuen dich zu sehen, wenn sie heimkommt, ihr habt euch ja ewig nicht gesehen. Aber da bist du ja selbst Schuld, hast ihr ja in dem Brief geschrieben, dass es so besser wäre, oder nicht, Josh? Oder sollte ich lieber sagen, Tim?“
Josh hob den Kopf und blickte ihm in die Augen. Das Strahlen war verschwunden, wie bei einem hungrigen Tier glänzte blanke Wut und Hass in ihnen.
„Woher ich das weiß? Schön, dass du fragst. Mom hat mir von dir erzählt, als ich das Bild von euch vor ein paar Tagen gefunden habe. Ein Freund von einem anderen, schlechteren Leben. Nur du warst der gute Teil davon, hat sie gesagt, du wärst ein toller Freund gewesen. Versteht man das unter ‚Guter Freund‘? Der einfach abhaut und sich einen Neuanfang aufbaut, während sie leidet? Es sie fast zerfrisst? Ja, sie hat mir alles erzählt. Als ich geboren wurde, war sie gerade mal achtzehn. Du hast sie missbraucht, verlassen und ihr unheimlich weh getan aber sie hatte es verstanden, sie ist so gutmütig. Du bist einfach weggelaufen, hast alles vergessen können, aber sie hatte auch noch mich. Jeden Tag hat mein Anblick sie daran erinnert. Doch sie war stark, hatte es durchgestanden und geschafft, mich zu lieben. So wie ich sie liebe und ihr damit helfe, vollständig damit abzuschließen. Deshalb bist du hier.“ Ein verträumtes, bizarres Lächeln huschte über seine Lippen.
„Was hast du vor?“, fragte Josh ihn, nachdem er der Version der Geschichte von Oliver aufmerksam gelauscht hatte.
„Das, was ich auch mit den Anderen gemacht habe.“
Oliver kurbelte die alt aussehende Konstruktion an und Josh verspürte eine nicht enden wollende Welle des Schmerzes. Er flammte in ihm auf, wie ein Feuer, das sich von seinen Eingeweiden ernährte. Das Tier, das er vor kurzem in Olivers Augen gesehen hatte, breitete sich in ihm aus wie heiße Säure, und der Stuhl wackelte von Joshs Zucken, pendelte sich aber doch noch ein. Er schrie auf, versuchte sich loszureißen, aber die Bänder schnitten in seine Handgelenke und schürften ihn blutig. Es fühlte sich an, als rieben sie schon an seinen Knochen, wollten sie durchsägen. Es war beinahe unerträglich. 

 

8.

 

Als Nina auf dem Weg zum Haus war, hörte sie einen Schrei. Die Stimme kam ihr bekannt vor. Sie und Mark hatten ein Codewort vereinbart, das sie dem anderen senden, falls es je eine heikle Situation erforderte, er wusste von ihrer Vergangenheit und hatte darauf bestanden. Insgeheim hat sie jedoch gehofft, es nie benutzen zu müssen. Ihr Bauchgefühl aber sagte, dass dies eine solche war. Mit zitternden Händen ließ sie ihr Handy wieder in die linke hintere Hosentasche sinken, riss die Haustür auf und stürmte hinein.

 

Der Anblick war grauenhaft und verstörend. Ihr Sohn Oliver saß am Esstisch und hatte ein krankes Lächeln im Gesicht. Dieser Ausdruck war ihr völlig fremd. Der andere Mann am Tisch war nackt, sein Körper zuckte eigenartig und jagte ihr noch mehr Angst ein als ihr Sohn. Bei näherem Hinsehen, unter all dem Blut und der verzerrten Grimasse, erkannte sie ihn. Josh. Oder Tim. Wie auch immer er sich gerade nannte.
Oliver sprang auf und begrüßte sie mit einer Umarmung, als wäre alles normal. „Hallo Mom!“
Mit aufgerissenen Augen und völlig perplex fragte sie: „Oliver, was hast du getan!?“, und versuchte, ihre Stimme so ruhig wie möglich klingen zu lassen.
„Es sollte eine Überraschung sein. Keine Sorge, ihm geht’s gut, er hat nur einen leichten Schlag abbekommen.“ Sie eilte zu Josh und wollte ihn losbinden. „Nein! Ich bin noch nicht fertig!“ schrie Oliver sie an und schubste sie auf den anderen Stuhl. „Ich hab das für dich getan! Ich wollte dir damit helfen, endlich mit allem abzuschließen.“, sprach er in einer Tonart, die ihr einen Schauer über den Rücken laufen ließ, Gänsehaut breitete sich aus.
„Aber er hat doch nichts getan! Lass ihn gehen!“
„Er hat nichts getan? Glaubst du das wirklich? Hat dein Therapeut dir das eingeredet? Er hat dich missbraucht! Und dann ist er einfach damit davongekommen und abgehauen! Das nennst du unschuldig?“
„Ja, er ist vielleicht abgehauen, aber er hat mir nichts getan! Ich habe dir nicht alles erzählt, weil ich dich beschützen wollte! Ich habe dich trotz der Vergewaltigung zur Welt gebracht, habe angefangen, dich zu lieben, dich aufgezogen, obwohl du aus einer so beschissenen Situation heraus entstanden bist! Du hast mein Leben so viel schöner gemacht! Dank dir konnte auch ich neu anfangen und alles hinter mir lassen. Einer der Gründe warum ich heute die sein kann, die ich bin, bist du!“ Ihre Bemühungen, nicht in Tränen auszubrechen, versagten. Sie ging langsam auf Josh zu, ließ ihren Sohn dabei aber nicht aus den Augen und flüsterte Josh etwas ins Ohr. So grausam sein Anblick auch war, trotz der blutigen Nase und dem zitterndem Körper, erfüllte sie es mit Freude, ihn wiederzusehen. Sie hatte ihn vermisst, seine Intelligenz, seine freundliche und manchmal etwas komische Art mit Menschen umzugehen. Tief in ihr wusste sie, dass sie ihn schon immer, wenn auch auf eine etwas andere Art und Weise, geliebt hatte.
„Hör auf!“, fleht sie Oliver an, aber sogleich jagte er den nächsten Stromstoß durch Josh´s Körper. Wieder durchströmten ihn Zuckungen, seine Hände schlugen dadurch immer wieder von hinten gegen die Lehne und die Fesseln rissen erneut Hautfetzen von seinen Gelenken.
Seine gequälten Schreie vermischten sich in dem Augenblick mit dem Geräusch vieler schwerer Stiefel, die gerade auf dem Weg waren, das Haus zu stürmen.
Zwei Minuten später war der Racheakt beendet worden. Sie blickte zu Oliver, als die Polizisten ihm die Handschellen anlegten und nach draußen brachten. Die ganze Situation war völlig surreal.
Als Josh in den Krankenwagen geschoben wurde, blickte er sie mit schmerzerfüllten Augen an und versuchte, eine Entschuldigung über die Lippen zu bringen. Nina lächelte ihn nur an und formte mit den Lippen stumm ein ‚Ich liebe dich‘.

 

 

 

Epilog

 

drei Wochen später

 

Nina und Josh saßen in einem netten Cafe und schlürfen an ihren Tassen. Diese Rösterei hatte sie als gut befunden, weshalb sie auch einen Kaffee bestellt hatte. Josh´s Gesicht hatte sich wieder normalisiert, das angeschwollene Auge war verschwunden und an seiner Nase klebte nur mehr ein Pflaster. Innerlich hatte er sich zum Glück keine Verletzungen zugezogen, von den Schuldgefühlen abgesehen.
„Schön, dass du gekommen bist, du siehst schon besser aus.“, fing Nina die Unterhaltung an. Obwohl sie gewissermaßen ihren Sohn verloren hatte, wirkte sie fröhlich.
„Natürlich, ich bin so froh dich wiederzusehen. Diesmal mit beiden Augen, und in scharf.“, antwortete er und lachte.
Oliver war als unzurechnungsfähig eingestuft worden, und kam in eine Klinik. Die anderen drei Morde, die er begangen hatte, waren aufgeklärt worden, alle Männer waren in der Vergangenheit gewalttätig gewesen oder hatten Mädchen sexuell missbraucht. Über grausame pornografische Seiten im DarkNet, in dem sich die Männer ausgetauscht hatten, war er an die Infos gekommen, hat sich mit ihnen verabredet und schließlich Rache geübt, um seine Art von Gerechtigkeit zu verüben. Sie mit einem sogenannten „Tucker Telephone“ gefoltert, um ihnen den Schmerz zuzufügen, den in einer anderen Hinsicht auch Nina erleiden musste. Die Vorgeschichte seiner Mutter hat ihn aus der Bahn geworfen, dazu kamen die genetischen Marker bei Kindern, die aus Inzest entstehen.
Sie sah Josh in die Augen. Blau, ein wenig grün, mit minimalen grauen Punkten. Trauer und Schuld spiegelten sich wider, aber es schien, als wäre er glücklich. Sehr sogar.
„Wie geht es dir?“ fragte Josh.
„Ganz gut, ich habe gerade Oliver besucht. Er macht sich ganz gut. Unter guten Umständen kommt er in ein paar Jahren wieder raus. Aber zuerst muss er versuchen, gesund zu werden. Wenn das möglich ist.“
„Ich habe alles nur noch schlimmer gemacht. Es tut mir so leid.“
„Ach was, hör auf damit. Du bist nicht der Grund warum es so passiert ist. Aber ich hätte einen Vorschlag.“
„Und der wäre?
Er dachte nicht lange über ihre Einladung nach, wieder in die Stadt zurückzukehren. Es war wie früher. Sie hatte über alles hinweggesehen, ihm vergeben und wieder in ihr Leben gelassen. In diesem Moment spürte er endlich, dass alles gut werden würde. So wie sie es ihm vor ein paar Wochen ins Ohr geflüstert hatte.

 

ENDE

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