aidaxryThe Beginning Path

New York, 30.04.2020 – 14:46 Uhr 

„Grant, wenn das schief geht, dann bekennen Sie sich für schuldig“

Der Kriminalpsychologe Grant Knight reagiert nicht auf Officer Steve Thompson‘s Allusion, er ist ganz auf den Donut in seiner Hand fixiert und liest seelenruhig die Zeitung von heute weiter. Es vergehen Minuten indem die beiden Männer schweigend dasitzen, denn heute ist ein erfolgreicher Tag für den Kriminalpsychologen. Erst als sich die Tür zum Aufenthaltsraum öffnet schaut Knight das erste Mal auf. Der Kopf von Officer Ronald Dillon sucht den Raum ab. Als er den Kriminalpsychologen entdeckt, stolpert er in den Raum, während Knight die Zeitung zusammen faltet.

„Kann es losgehen?“, fragt er. Dillon nickt hektisch und räuspert sich. Bevor Knight den Aufenthaltsraum verlässt tauschen er und Thompson noch einen stummen Blick aus. Knight richtet seine Krawatte, während er sich auf die schleppenden Schritte des Officers hinter sich konzentriert, um nicht vor Freude in die Luft zu springen. Knight fasst sich instinktiv an die Jackentasche und tastet nach dem kleinen Döschen. Er überlegt, ob er eine weitere Dosis zu sich nehmen soll, denn er spürt deutlich die Anspannung auf seinen Schultern, aber auch eine Erleichterung im Brustbereich. Auf dem Weg zu den Verhörräumen bekommt er von der blonden Sekretärin Pam, mehrere Akten überreicht. Vor Raum 001 bleibt er stehen, in diesem Raum sitzt der Erstgeborene.

„Viel Glück“, tätschelt Dillon Knight‘s Schulter, der die Hand schon auf der Klinke hat und wie erstarrt zu ihm zurück schaut. Seinen Blick deutend, zieht der Officer sofort wieder die Hand zurück und lässt den Kriminalpsychologen seine Arbeit verrichten.

Der Raum ist klein, ausgestattet mit einem Tisch und zwei Stühlen. Er schaut nach links und sieht sein Spiegelbild in der verglasten Wand. Weiter wandern seine Augen zur Kamera an der Decke, um den Mann zu entgehen, der vor ihm sitzt.

„Jaddox Barnett“

Das Blinken der Kamera bestimmt seinen Takt.

„Geboren am 1. November 1994 um 23:52 Uhr in New York, Manhatten. Mutter, geborene Margret Lennings, liiert mit Dr. Justin Barnett. Beide verstorben“

„Schön wie Sie mir meinen Steckbrief aus der Grundschule vorgetragen haben. Wirklich bemerkenswert – jedoch haben Sie vergessen zu erwähnen, dass ich einen Fisch hatte, namens Finn“, nach einer kurzen Pause schnauft er. „Er ist leider auch gestorben“

Knight starrt noch immer dem roten Blinken nach und konzentriert sich, um seine Gesichtszüge zu kontrollieren.

„Ich hoffe, Sie wissen wieso Sie hier sitzen?“, mahnt er an.

„Ja, in der Tat. Aber Sie haben das letzte Puzzleteil nicht berücksichtigt, denn ich bin unschuldig“

„Mr. Knight“, die Tür wird aufgerissen, der Befragte bekommt gar nicht die Möglichkeit sich weiter zu erklären, denn Officer Dillion taucht hinter dem Kriminalpsychologen auf und wedelt mit Papieren vor seinem Gesicht herum.

„Die Pflicht ruft, nicht wahr?“

Knight schaut den Befragen noch immer nicht an, sondern folgt Dillon aus dem Raum und knallt die Tür hinter sich zu. Dillon legt ihm die Papiere auf die Akten in seiner Hand und stemmt demonstrativ die Hände in die Hüfte. „Der Durchsuchungsbeschluss – wurde abgelehnt“

Knight schaut den Officer an und blinzelt einige Male bis er realisiert, dass vor ihm einer der größten Idioten in der ganzen Polizeistation steht. „Und dafür haben Sie mich aus dem Verhör geholt?“

„Ehm, ja“, Dillon zuckt mit den Schultern, während es anfängt in Knight zu brodeln. Er spürt wie sich Hitze in seinem Gesicht ansammelt, die Last auf seinen Schultern wird um einiges schwerer.

„Dillon, Sie sind unmöglich“, Knight verstaut die ungelesenen Papiere in einer Akte, schüttelt den Kopf und geht dann entschlossen um die Ecke, zu Raum 002, indem der Zweitgeborene ihm bereits die Tür aufhält.

„Willkommen, darf ich Sie herein bitten?“

Knight wird eine große Hand hingehalten. Er abrupt stehen, um dieser zu entgehen und öffnet mechanisch die oberste Akte, als er in den kleinen Raum tritt.

„Jaxon Barnett“, Knight vergeht so langsam die Geduld.

„Jaxon Barnett. 26 Jahre jung, geboren am 2. November 1994 um 00:13 Uhr in Manhatten, New York. Meine Mutter war Lehrerin an einer High School und mein Vater war sehr experimentierfreudig, wenn ich das mal so sagen darf“

Knight schnauft laut und blättert die Akten weiter durch, ohne wirklich auf deren Inhalt zu achten, während der Befragte vor ihm hin und her läuft.

„Naja, beide sind zum heutigen Zeitpunkt tot“, der Befragte setzt sich auf den Stuhl, verschränkt die Arme vor der Brust und denkt laut nach. „Hm, hab ich was vergessen zu erwähnen – ach ja, ich war’s nicht. Und das beweist wieder nur einmal, dass man den Cops nicht trauen darf. Wer hat euch eigentlich ausgebildet?“

„Ich bin Kriminalpsychologe“, Knight weiß nicht genau wieso er gerade darauf anspringt, doch irgendetwas in ihm will sich verteidigen. Jaxon nickt bestätigend.

„Ach ja, dann stimmt es also was man sagt?“, der Befragte erhebt sich wieder und beginnt lachend hin und her zu laufen, was Knight mit kleinen Augen erfolgt. „Dass alle Psychos einen an der Klatsche haben?“

Knight hält die Luft an, denn es fühlt sich so an als ob ein angezündetes Streichholz in einen Öltank fällt. Er klappt mit gespielter Selbstbeherrschung die Akten zu und stürmt ohne etwas zu erwidern aus dem Verhörraum. Alle Psychos haben einen an der Klatsche, dass er nicht lacht. Und das entkommt ihm auch – ein Lachen, während er ohne jede Ablenkung auf sein abgelegenes Büro im Westflügel zusteuert. Dort lehnt er sich an die verriegelte Tür und fasst in seine Jackentasche, er ist im Inbegriff sich eine doppelte Dosis zu verpassen, doch das euphorische Gefühl in ihm will er auf gar keinen Fall eindämmen. Er rauft sich durchs Haar und geht die nächsten Schritte in seinem Kopf durch, als Erstes bedient er die Freisprechanlage des Telefons. Es klingelt kurz.

„Pam, wo sind die Wertsachen?“

Die Frau am anderen Ende der Leitung ist hörbar überfordert. „Mr. Knight, Sie wissen doch, dass ich dafür keine Verfügung habe“

„Das ist mir scheiß egal, wir haben für diesen Deal drei tausend Dollar ausgemacht“

„Ich weiß, aber-“

Knight stützt sich an seinem Schreibtisch ab und starrt wütend das Telefon an. „Sie gehen jetzt sofort Ihrem Versprechen nach, sonst ist das heute ihr letzter Arbeitstag, dafür werde ich höchstpersönlich sorgen“

***

New York, 30.04.2020 – 16:12 Uhr

„Dillon, was zum Teufel tun Sie da?“

Knight steht im Türrahmen und sieht wie der Officer sich über den Tisch beugt. Er ruiniert mir noch die ganze Show.

„Was? Ich befrage die Zwillinge. Unsere Hauptverdächtigen in diesem Mordfall“, er zeigt stolz zuerst auf den Einen und dann auf den Anderen. Jaxon Barnett blickt auf zu Knight, während sich Jaddox Barnett nicht rührt. Die beiden Männer sitzen teilnahmslos direkt im Geschehen, so als ob sie nicht gerade des Mordes beschuldigt werden.

„Meine Herren“, der Kriminalpsychologe tritt an den Tisch mit einer kleinen Box. „Schlüssel – Portmonee, Uhren und – selbstverständlich Ihre Handys“, er legt alles nacheinander und ordentlich vor den Männern auf den Tisch. „Hier noch eine rechtliche Verfügung, die Sie bitte unterzeichnen. Damit bestätigen Sie, dass Sie Ihre Wertsachen zurück erhalten haben“, er tritt zurück und schaut die beiden Männer zum ersten Mal richtig an. Sie sind Zwillinge – als sitzen vor ihm Klone. Dabei stellt er sich die Zeit schindende Frage, welcher der beiden nun wen geklont hat.

„Officer“, er reißt sich selbst aus seinen Gedanken, „ Sie versorgen Jaddox Barnett bitte mit flüssiger Tinte, und Sie Jaxon Barnett, folgen mir“

Jaxon schaut seinen Zwillingsbruder Jaddox einen Moment an, sie verständigen sich wohl und das im stummen. Jaddox jedoch zuckt nur mit den Schulter, während Jaxon sich erhebt, fast in Sekundenschnelle seine Wertsachen in den Hosentaschen verstaut und dem Kriminalpsychologen und dem Officer hinaus folgt.

***

Jaxon Barnett läuft dicht gefolgt den beiden Männern hinterher.

„Haben Sie denn noch alle Tassen im Schrank? Sie können die beiden doch nicht zusammen verhören. Das ist ein schweres Vergehen wofür sie beschuldigt werden, da können wir uns keine Absprachen zwischen den beiden leisten“, der Kriminalpsychologe lehnt sich etwas zum Officer und sieht ihn streng an, dieser geht in seinem Blick fast unter.

Der Kriminalpsychologe und der Officer bleiben vor dem Raum stehen, indem Jaxon das erste Mal verhört wurde. Auch er bleibt stehen und setzt ein breites Lächeln auf, obwohl er innerlich kocht. Knight nickt in dem Raum hinein. Ohne zu zögern geht Jaxon an den beiden Männern vorbei, doch wendet sich dabei zu Knight.

„Na, gibt‘s Ärger im Paradies?“

Er betritt den Raum und seufzt, als die Tür hinter ihm ins Schloss fällt. „Wie wäre es, wenn ihr alle mal euren Job richtig macht?“, er weiß, dass er keine Reaktion erhaschen wird, jedoch spricht im Gegensatz dazu die Kamera in der obersten Ecke des Raumes, er wird beobachtet. Jaxon zuckt sein Handy und entsperrt es mit der Face-ID, doch sofort wird im klar, dass das nicht sein Handy ist.

„Verdammt“, zischt er und setzt sich an den Tisch, jetzt ist er wieder eingesperrt, diesmal zwar mit Handy, aber nicht mit seinem eigenen. Er fährt sich durchs Haar und stützt seinen Kopf auf dem Tisch ab, während er das Handy seines Zwillingsbruders durchforstet. Seine Kontakte, unbedeutende Menschen, die alle wohl gerade Feierabend machen und nicht in seiner Haut stecken müssen. Nicht mal Spiele hat er auf seinem Handy, also öffnet er in der Hoffnung etwas Schönes zu sehen die Galerie. Das erste Bild, dass Jaxon betrachtet zeigt auf den ersten Blick seinen Bruder. Er führt das Handy näher zu seinen Augen, denn er erkennt im Nacken sein eigenes Tattoo.

„Was zum Henker?“

Er erinnert sich an den Tag, als wäre es gestern gewesen. Sein Vater steht vor ihm und blickt ihn ausdruckslos an, doch auf dem Bild ist nur seine größere Silhouette zu erkennen, denn Jaxon verdeckt ihn und zuckt in diesem Moment eine Pistole. Die Walther P1, die Jaxon ihm als Teenager geklaut hat. Genau dieses Bild befindet sich auf dem Handy seines Bruders. Jaxon erhebt sich und blickt kurz zur Kamera und dann wieder auf das Handy. Sein Blut gefriert und er hat das Gefühl, dass die Wände immer näher zu ihm rücken.

„Jad“, murmelt Jaxon wie in Trance, als sich die Tür zum Raum ruckartig öffnet. Er erstarrt und das Handy gleitet aus seiner Hand.

„Also Mr. Barnett, Sie beteuern Ihre Unschuld im Mordfall Ihres Vaters Justin Barnett?“

**

Jaddox Barnett greift nach seinem Portmonee, zählt die vielen Scheine darin nach. Nicht dass er das nötig hätte, aber er würde um nichts auf dieser Welt diesen Psychos hier etwas da lassen. Er schaut sich die Verfügung an, ohne sie wirklich zu lesen und entsperrt das Handy mit Hilfe der Face-ID.

„Was ein Bullshit“, murmelt Jaddox und legt die Verfügung beiseite. Er wählt das Telefon Symbol, ehe er feststellt, dass er in diesem verdammten Bunker gar kein Netz hat. Er fragt sich welcher Tag heute eigentlich ist und zielt blind auf den Kalender, als er hinschaut befindet er sich in der Galerie. Das Foto, dass sich öffnet ist ihm fremd.

Er runzelt die Stirn und er kneift die Augen zusammen, in der Hoffnung etwas erkennen zu können. Er erblickt das Gesicht seines Vaters. Das Bild ist verschwommen, dennoch ganz klar vor seinem geistlichen Auge. Sein Vater sitzt am Tisch, das linke Bein über das rechte geschlagen und ein Glas mit Bourbon in der Hand – sein Lieblingsgetränk. Er lacht nicht. Das hat er nie.

Im Hintergrund erkennt er eine sich ähnelnde Gestalt, die über die schlappen Schultern des Vaters gebeugt ist. Auf dem ersten Blick, könnte man meinen ein inniges Vater-Sohn-Verhältnis zu betrachten, wäre da nicht das kleine Fläschchen in der Hand seiner Selbst, dass ohne jeden Zweifel für den Drink seines Vaters bestimmt ist.

Jaddox zuckt kaum merklich zusammen und fährt sich über das Gesicht, als ihm klar wird, dass das nicht sein Handy ist, sondern das seines Zwillingsbruders.

„Verdammte Scheiße, Jax“

Ein Windstoß und ein Knall reißen Jaddox aus dem Sinn, denn vor ihm steht plötzlich sein Ebenbild.

***

New York, 30.04.2020 – 17:02 Uhr

Er lächelt als Jaxon Barnett in den Verhörraum tritt, indem sein Bruder Jaddox Barnett ihn wie aus allen Socken anstarrt.

„It’s Showtime“

Es dauert keine Sekunde – da stürzt sich der Erstgeborene auf den Zweiten. Sie raufen und rangeln sich, während Knight genüsslich alles durch die Glaswand beobachtet. Er hat dafür gesorgt, dass alle Officer eine kleine Pause einlegen, sodass die Brüder ungestört miteinander ihre Probleme aushandeln können.

„Das läuft ja besser als gedacht“, Knight klatscht voller Euphorie in die Hände, als der Eine den Anderen zu Boden drückt. Die Last auf Knight‘s Schultern prasselt so langsam von ihm ab. Jedoch hat er kleine Schwierigkeiten damit die beiden auseinander zu halten, da es verdammte Zwillinge sind. Sie rollen über den Boden, der nach Knight‘s Beurteilung seit Wochen nicht mehr gereinigt wurde und nun auch Bluttropfen diesen zieren.

„Auseinander!“

Knight blinzelt einige Male, bevor er realisiert, dass Officer Thompson in den Verhörraum stürmt und sich auf die beiden stützt.

„Verfluchte Scheiße“, er schlägt gegen die verdunkelte Glaswand, die zum Glück alle Geräusche einfängt. Thompson packt den Einen und schubst den Anderen in die andere Ecke des Raumes.

„Hände nach oben, da wo ich sie sehen kann“

Knight schaut sich das Geschehen an und zittert am ganzen Körper, so hatte er sich das alles nicht vorgestellt. Jetzt sollte es zum Höhepunkt seiner Show kommen.

Dieser verdammte Thompson – du versaust mir noch meinen ganzen Plan. Er stürmt aus dem verglasten Raum und sieht nur noch wie die Tür 001 zufällt und der andere abgeführt wird. Auf dem Boden befindet sich eine Spur aus Blut.

***

New York, 30.04.2020 – 17:30 Uhr

„Vorhin haben Sie gemeckert, als ich die beide zusammen verhört habe“, Dillon geht neben Knight her, als sie sich zum Verhörraum begeben.

„Halten Sie die Klappe, Dillon“, Knight öffnet genervt die Tür und knallt sie hinter sich zu, sodass Dillon ihm nicht mehr folgen kann. Er hält einen kurzen Moment inne und versucht sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Jetzt gehören sie nur mir.

Die Brüder sitzen jeweils am anderen Ende des Tisches, blutverschmiert an Kopf und Hand und würdigen sich keines Blickes.

„Meine Herren“, er geht um den Tisch und tut so als würde er das Diktiergerät einschalten, doch es bleibt außer Betrieb. „Sie werden des Mordes an Ihrem Vater – Justin Barnett -beschuldigt“, er dreht sich mit dem Rücken zur blinkenden Kamera und schaut vom Einen zum Anderen.

Jaddox – sieht älter aus, als sein Zwillingsbruder. Das ist er auch um ganze 24 Minuten. Seine gerade Nase ist etwas gekrümmt und blutunterlaufen, wohl ein glatter Bruch. Seine grünen Augen verdunkeln sich mit jedem Blinzeln. Auch auf dem Stuhl sitzend, hat er eine Haltung an sich, die ihn mächtig wirken lässt.

Der Andere – Jaxon ist sichtlich der Herzensbrecher, jung und draufgängerisch. Schon allein wie er da sitzt. Seine Lippe ist ausgeplatzt, doch es kümmert ihn nicht, dass sein weißes Shirt blutdurchtränkt ist. Seine Hände auf dem Tisch sind aufgerissen und wenn man genauer hinsieht erkennt man die Prellungen und Brüche der kleineren Finger. Er hat einen Blick drauf, der ihn etwas gefährlicher wirken lässt, doch das schüchtert den Kriminalpsychologen nicht ein.

Im Raum ist es still, nur das Ticken der Uhr ist zu hören und ab und an ein Bluttropfen der sich seinen Weg nach unten bahnt. Knight holt tief Luft in der Hoffnung die angestaute Hitze loszuwerden. Jaddox reagiert und hebt den Blick.

„Ich war es nicht!“

„Und ich erst recht nicht“,faucht Jaxon seinen Bruder an.

„Haben Sie Ihren Vater geliebt?“, Knight versucht das Gespräch anzukurbeln.

„Natürlich“, entgegnet Jaxon eine Sekunde zu schnell, während sein Gegenüber nur verächtlich die Schultern hebt. „Was du nicht sagst“

„Wieso hast du ihn umgebracht?“, Jaxon zieht eine Braue hoch.

„Also ich dachte, du warst es“, die beiden liefern einen Starrwettbewerb und Knight erkennt, dass keiner als Erstes nachgeben wird. Also schmeißt er den nächsten Fetzen Fleisch den Löwen zu. „Wie haben Sie es getan?“

„Ich glaube, er hat ihn vergiftet – er hat sich schon immer für die Weite der Chemie interessiert“, Jaddox richtet sich auf. Knight beobachtet diese stumme aber bedeutende Geste. Jaxon hingegen verdreht die Augen nur.

„Und ich meine zu wissen, dass du mir seine Walther geklaut hast. Vielleicht habt ihr einen schönen Spaziergang gemacht und dann-“, Jaxon legt sich zwei gebrochene Finger an die Schläfe und drückt theatralisch ab. Nun verdreht Knight die Augen, denn er ist es leid, sich ihre falschen Anschuldigungen anzuhören.

„Er wurde erstochen“, Knight wartet auf eine Reaktion, denn er weiß genau, dass die Anschuldigungen auf den jeweils anderen zutreffen.

Jaxon schaut seinen Bruder stumm an. Ihr Vater wurde weder erschossen, noch vergiftet, sondern erstochen. Die beiden Brüder beginnen zu grinsen. Aus dem Grinsen folgt plötzlich ein lautes Lachen. Knight kneift die Augen zusammen, als die Brüder den Kriminalpsychologen anschauen und auslachen, er sieht blass obendrein. Schweißflecken bilden sich auf seiner Stirn und fließen sein Gesicht hinunter, erneut beginnt er zu zittern und tätschelt die Jackentasche, indem sich seine Tabletten befinden.

***

Berlin, 1.5.2020 – 09.33 Uhr

„Ist mein Plan aufgegangen?“

Grant Knight liegt auf der Pritsche und öffnet langsam die Augen. Als erstes sieht er die weiße Decke und blinzelt mehrmals. Erst nach einigen Momenten bemerkt er die völlige Leere in seinem Kopf.

„Hab ich’s geschafft?“, er setzt sich mit einem Ruck auf und schaut in das Gesicht eines älteren Mannes mit kleiner Brille. Er kann im ersten Moment seinen Gesichtsausdruck nicht deuten, doch dann beginnt der Mann vor ihm den Kopf zu schütteln.

„Nicht?“

„Mr. Knight“, der alte Mann räuspert sich. „Von welchem Plan sprechen Sie denn?“

Er schaut sich verwirrt um. Der Raum ist groß und hell. Überall sind weiße Akzente gesetzt, die den Raum medizinisch wirken lassen. „Na, von den Barnett Zwillingen. Ich wolle ihnen den Mord an ihrem Vater anhängen. Hab ich‘s geschafft?“

Knight’s Augen leuchten vor Vorfreude, während er über das Leder der Pritsche fährt und versucht sich an etwas zu erinnern, jedoch ist alles leise und dunkel. Seine anfängliche Freude schwindet langsam.

„Schauen Sie mich an“

Knight folgt der Anweisung und blickt den alten Mann an. Seine Augen werden wieder groß.

„Nein“, entkommt es ihm entgeistert.

„Doch“, entgegnet sein Gegenüber und tippt auf das Namenschild, dass an seinem Kittel befestigt ist. „Mein Name ist Dr. Paul Ramm. Ich bin Kriminalpsychologe in Ihren Fall. Das hier ist unsere dritte Sitzung, in der Sie mir Ihren vermeintlich durchgeführten Plan schildern, indem Sie die Barnett Zwillinge verhaften lassen, Sie überführen und durch das Vertauschen Ihrer Mobiltelefone aufeinander hetzen, um ihnen somit ein vergebliches Geständnis zu entlocken“

„Sie sind Kriminalpsychologe?“

Ramm nickt nur und schlägt die Beine übereinander. „Können Sie mir erzählen, wieso Sie die beiden Männer dafür anheften wollen?“

Knight legt sich wie erschlagen wieder auf die Pritsche und kneift sich in den Nasenflügel. „Sie haben meinen Vater getötet“

„Wie das?“

„Naja, unsere Väter waren Chemiker, keine wirklich nennenswerte. Sie hatten einige Dinge am laufen, ziemlich große Dinge sogar. Eines Tages bekamen sie einen wohl illegalen Deal angeboten, sie hätten Millionen damit machen können“, Knight seufzt erschlagen, doch fährt nach einigen schweigenden Minuten fort. „Sie hätten Weltgeschichte schreiben können. Doch dann haben sie meinen Vater ermordet“

Es ist für den Kriminalpsychologen Ramm nicht zu übersehen, dass Knight’s Scharade zu bröckeln beginnt, also stellt er die entscheidende Frage: „Und wie genau denn haben SIE ihren Vater ermordert?“

„Ich habe mit dem Messer mehrmals auf ihn eingestochen“

Es ist genau die Antwort die Ramm von Grant Knight hören wollte.

„Wieso?“, fragt er kurz angebunden nach.

Knight schaut auf und blickt in Ramm’s altes Gesicht, als die leere und Dunkelheit in seinem Kopf durch einen Blitz erleuchtet wird.

„Weil Barnett Senior meinen Vater verraten hat. Dafür musste er mit seinem Leben bezahlen. Also habe ich mich gerächt. Blut übertrumpft man doch mit Blut, wussten Sie das nicht?“

Hinter Ramm sind schwere Schritte zu hören, der Kriminalpsychologe weiß, dass Officer Steve Thompson nun das abgeriegelte Behandlungszimmer betreten hat.

„Grant Knight – ich verhafte Sie wegen Mordes an Justin Barnett“

Knight beginnt wieder zu zittern.

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