schaggiknaggiVerdrängnis

Verdrängnis

„Bis Montag, Tom. Viel Spaß und sag Lilly liebe Grüße von mir“, Lenny schob sich die Mütze ins Genick und zwinkerte, „ich drücke dir die Daumen, dass euer Date so heiß wird wie die Spaghetti Arrabiata, die sie immer zaubert.“

„Du bist unverbesserlich. Aber danke, Mann. Und ich hoffe, dass du vielleicht dieses Wochenende deiner Anastasia 2.0 über den Weg läufst.“ 

Lenny grinste und winkte Tom zu. Mittlerweile bereute er nicht mehr, dass er sich den Namen seiner Ex-Frau hatte tätowieren lassen („Damit ich dich immer sehe, auch wenn wir gerade nicht beisammen sind, Baby“). Damals, als Anastasia ihn noch nicht für einen halb so breiten Kerl ohne Hüftprobleme und ohne Ansätze von Falten verlassen hatte. 

„Meine nächste Frau muss eben auch Anastasia heißen – so einfach ist das.“ Lenny lief zur Zentrale, um das Institut für Deutsche Sprache fürs Wochenende abzuriegeln. Zusammen mit Tom und Caro arbeitete er gerade an einem spannenden Projekt: Sie untersuchten, wie Neologismen wie „whatsappen“ oder „Ohrgasmus“ ihren Weg in die deutsche Sprache finden und erstellten anhand dessen ein Neologismus-Wörterbuch. Lenny hatte seinen Fokus dabei auf die 14- bis 25-Jährigen gelegt und fühlte sich so der Jugend wenigstens ein bisschen zugehörig. Manchmal drehte er schon durch, wenn sein Neffe ihn begrüßte mit „Hey bratan, was geht ab? Nice, dass wir uns mal wieder sehen!“

Er murmelte etwas wie „die Alten haben doch Recht: früher war wirklich alles besser, bratan“, drückte auf den Zentralverriegelungsknopf – und stockte. Da hatte jemand sein Handy vergessen. Wahrscheinlich ein Schulkind. Tom hatte der 4a aus der Oststadtschule heute eine Führung gegeben.  

„Och Mensch, die Kids müssen besser auf ihre Sachen aufpassen und nicht alles überall rumliegen lassen. Das wird denen noch zum Verhängnis. Aber der gute, alte Lenny ist ja da. Wenn der nicht nochmal alles überprüfen würde, bevor er ins Wochenende abhaut! Dann hättest du dein überlebenswichtiges mobiles Endgerät nicht…“ 

Lenny nahm das Handy in die Hand und der Bildschirm leuchtete auf. Das war wahrscheinlich eins dieser neumodischen Dinger, das sich anschaltete, sobald man es bewegte. Doch das war es nicht, was Lenny in seinem Monolog stoppte. Er hatte das Gefühl, die Person auf dem Hintergrundbild zu kennen. Diese Haare… Und die Schuhe… Als er den Hund sah, wurde sein Mund ganz trocken.

Lenny legte das Handy zurück und versuchte, dieselbe Stelle zu erreichen, von der es aufgenommen hatte (Idiot, das ist hier doch kein Tatort).

Er rief Caro an. Obwohl er wusste, dass sie telefonieren hasste und ungern gestört wurde – vor allem an einem Freitagabend. Nach dem dritten Klingeln nahm sie ab. 

„Hey Lenny, was gibt’s?“ 

„Caro, sag mal, du hast dein Handy vorhin doch mit nachhause genommen, oder? … Ja, ja genau. Du, ich hab‘ hier eben was Merkwürdiges gefunden… Also, ehm, du wirst es mir wahrscheinlich nicht glauben, aber hier liegt ein Handy rum – und du bist das Hintergrundbild.“ 

 

Nach dem Telefonat mit Lenny brauchte Caro ein Glas Wein. Und zwar einen guten. Sie hatte sich in ihrer Weintrinkerin-Karriere schon durch einige edle Tropfen probiert, aber an den halbtrockenen Spätburgunder kam einfach nichts ran. 

Caro hatte sich für den nächsten Tag um 10:00 mit Lenny am Paradeplatz verabredet. Sie wollte sich das Handy selbst anschauen. Lenny hatte einen Hang zum Übertreiben und Caro würde erst glauben, dass sie die Person auf dem Foto ist, nachdem sie es mit eigenen Augen gesehen hatte. 

Sie nahm den ersten Schluck und kraulte Bobbys Fell. Der Schäferhund war seit neun Jahren ihr bester – und einziger – Freund. Mit ihm teilte sie sich ihre Wohnung mit Blick auf den Wasserturm, eines der schönsten Wahrzeichen Mannheims. Inklusive: Blick auf die Teenager, die die gerade blühenden Mandelbäume als Hintergrund für ihre Instagram-Fotos benutzen. Ihre 500 Follower wollen schließlich auch versorgt werden, richtig?

Je leerer das Weinglas wurde, desto müder wurde Caro. Auch Bobby gähnte immer öfter und machte sich schließlich auf den Weg in sein braun-grün kariertes Hundebettchen. 

Caro stellte den Fernseher aus, ließ den Blick über den Wasserturm gleiten, fläzte sich tiefer in die Kissen und hatte unbewusst bereits die Entscheidung getroffen, auf der Couch zu übernachten. Der Weg zum Bett war so weiiiiit… so weit… so…

 

„weit! Du bist so weit. Du kannst es schaffen!“ Selbst mein Flüstern hört sich laut an. Ich schaue das Tokio-Hotel-Poster an der Wand an. Betrachte die Kratzer auf dem Dielenboden, die der neue Spiegel verursacht hatte. Meine Schultern sind ganz schwer. Ich rücke den Rucksack zurecht und schließe die Tür. Tripple die Wendeltreppe runter. Vorbei an dem Geländer, das Mama jeden Tag putzt, weil es so doch viel schöner glänzt. Vorbei an den Familienporträts, auf denen ich gequält schaue. Vorbei an der Küche und der Kaffeemaschine, die bei jeder Benutzung so laut brummt, dass sie eine Unterhaltung fast unmöglich macht. Vorbei am fliederfarbenen Sofa, auf dem wir immer zusammen Wer weiß denn sowas? geschaut haben. Vorbei an der Garderobe im Flur, an der kein Platz mehr für neue Jacken ist. Vorbei am Gäste-WC, das unnötig ist, weil selbst die Gäste lieber das richtige Bad benutzen. Und vorbei am Regenschirmständer, mit dem Papa mich oft gehauen hat: Ich hab‘ ihn beim Fernsehschauen gestört. Das Geschirr nicht abgewaschen. Ich war fünf Minuten später zuhause als abgemacht. Die Rhabarbersaftschorle, die ich ihm gebracht habe, war zu warm. Mein Rock war zu kurz. Mein Lipgloss zu auffallend…

 

Etwas Feuchtes berührte Caros Gesicht. Sie öffnete die Augen und schaute direkt in Bobbys Gesicht. Er kläffte und lief schwanzwedelnd zur Tür. Die Digitaluhr verriet Caro, dass schon viertel nach neun war – morgens! Die Nacht war wie verflogen. Die Reste des Albtraumes schüttelte Caro ab, indem sie sich streckte und den Rücken knacken ließ. 

„Auf geht’s, Bobby! Wir gehen Pipi machen. Und Lenny treffen, kennst du Lenny noch?“ 

Beim Namen ihres Arbeitskollegen stellte Bobby die Ohren auf. Kein Wunder: Lenny brachte immer Leckerli mit, wenn er wusste, dass er Bobby sehen würde. 

Caro schnappte sich einen Eiskaffee aus dem Kühlschrank, bevor sie die Tür hinter sich zu fallen ließ und sich über die Planken auf den Weg zum Paradeplatz machte. Die Einkaufsstraße in Mannheim hatte sie von Anfang an begeistert: überschaubar, süße Cafés und eine breite Auswahl an Geschäften. Der Paradeplatz war der Abschluss der Straße und ein willkommener Treff für Obdachlose. Viele von ihnen waren Hundehalter. Einmal hatte Bobby sich dort mit einem Terrier-Mischling angelegt. Es war ein für Hunde typischer Machtkampf, aber alles andere als harmlos: Bobby hatte einen Teil seines Schwanzes verloren, weil der andere (wie hieß er noch gleich? War es nicht etwas Einfallsloses wie Bello oder so?) danach geschnappt hatte. Bobbys Schwanz wurde von Doktor Schweins zum Glück gut behandelt und heilte schnell. Und ja – der Tierarzt hieß tatsächlich so. Er pflegte zu sagen: „ich musste Tierarzt werden – alles andere hätte mein Name nicht erlaubt!“ 

„Hallo und einen wunderschönen guten Morgen! Wenn ich euch sehe, geht die Sonne auf!“ 

Lennys laute Stimme war fast noch auffälliger als das Anastasia-Tattoo und sein Gehstock, den irgendwelche Grundschulkinder beim IDS mal für ihn signiert hatten. Obwohl er erst 52 Jahre alt war, litt er bereits unter beginnender Hüftarthrose. 

Bobby zog an der Leine und Caro wusste, dass es keinen Sinn hätte, ihn zurückzuhalten. „Auf geht’s, hol Lenny!“

Der hatte natürlich schon mehrere Leckerlis parat und fütterte Bobby glücklich. 

„Ja, so ist‘s brav. Schön langsam, mein Freund. Ja, wir verstehen uns, gell?“ 

Caro musste grinsen. Sie hatte nicht viele sozialen Kontakte und die wenigen, die sie hatte, waren Arbeitskollegen. Sie würde Lenny nicht als einen Freund bezeichnen, eher als einen guten Bekannten. Und wenn Bobby jemanden mochte, tat sie es ihm gleich. Hunde hatten einfach die beste Menschenkenntnis. 

„Hey Caro! Wie geht’s dir?“

„Schön, dass du mich auch mal registrierst, nachdem du meinen Hund begrüßt hast. Bei mir ist alles gut. “ 

Sie leinte Bobby wieder an (einen weiteren Hunde-Machtkampf wollte sie nicht riskieren) und kam direkt zur Sache: 

„Hast du das Handy dabei?“ 

Lennys Grinsen, während er Bobby gefüttert hatte, noch ganz breit, wurde schlagartig kleiner. 

„Ja, hab‘ ich. Warte kurz…“ Er fummelte in seiner Jacke herum. 

„Hier ist es. Also, ich bin mir wirklich fast zu hundert Prozent sicher, dass du das bist, Caro. Das ist Bobby mit seinem kurzen Schwanz und deine ausgelatschten Sneaker würde ich auch überall wiedererkennen. Ist ja nicht so, dass ich dich anstarren würde oder so, um Gottes willen, aber manche Sachen sieht man halt… Ich weiß nur nicht, wieso jemand sich die Mühe machen…“

Caro hörte nicht mehr zu. Sie hatte einen Blick auf das Hintergrundbild des Handys geworfen und war sicher. Das bin ich. Oh mein Gott, das bin ich.

„… habe bei der Oststadtschule angerufen und die sagen, dass niemand der Kinder ein Handy vergessen habe. Und sonst haben wir keine Daten der anderen Besucher. Du weißt ja, Elisabeth an der Zentrale lässt oft einfach mal so jemanden ins Gebäude, der sich nur mal umschauen oder die Bücher bewundern will. Caro, ist alles in Ordnung?“

„Was? Jaja. Ja, ich überlege gerade. Wieso sollte jemand ein Handy mit mir als Hintergrundbild haben? Und wie zum Teufel gelangt das an meinen Arbeitsplatz? Das muss doch irgendjemand im Voraus genau so geplant haben.“ 

„Ganz ehrlich? Das hab‘ ich mir auch schon gedacht. Jemand muss das mit Absicht da platziert haben. Hast du vielleicht irgendwelche Feinde oder jemand, der dir Böses will?“

Fast hätte Caro laut losgelacht. Sie hatte nicht einmal Freunde – und da sollte sie Feinde haben? 

„Nein, nicht dass ich wüsste. Ich habe keine Ahnung, wer das gewesen sein soll. Und weshalb? Derjenige, der das war, muss doch gewollt haben, dass ich es finde und mich darauf entdecke. Aber wer kann das gewesen sein?“ 

„Ja, die Frage hatte ich mir dann auch gestellt. Ich habe schon mal ein bisschen recherchiert und bei Google eingegeben: Wie findet man heraus, wer der Eigentümer eines Handys ist?“ 

Lenny holte sein Handy heraus und öffnete den Internetbrowser. Er las vor:

Alternativ können Sie sich die SIM-Karte anschauen und über die dort befindlichen Informationen den Provider ermitteln. Der hat über seine Kundendatenbank die Möglichkeit, zu ermitteln, wem die SIM-Karte und damit auch das Smartphone gehört. Das heißt, wir könnten auf die SIM-Karte schauen und zum Anbieter gehen. Der kann dir sagen, wessen Handy das ist.“

Caro nickte. Sie starrte auf das Hintergrundbild. Obwohl es ziemlich verpixelt war, konnte sie ihre ausgelatschten Sneaker, wie Lenny ihre Schuhe genannt hatte, erkennen. Auch ihre struppigen Haare und die Hosen von Levi‘s, die sie auf einem Flohmarkt ergatterte. Und natürlich Bobby mit seinem kurzen Schwänzchen, der zu ihr aufschaute. Das Foto wurde aufgenommen, während die beiden am Neckar spazieren gegangen sind. Ihre tägliche Runde. Der Fotograf (oder die Fotografin – wieso müssen es immer Männer sein?!) war direkt hinter ihr gelaufen. Caro hatte ihn womöglich sogar gesehen. Und sich selbstverständlich nichts dabei gedacht. 

Während Caro ihren Gedanken nachhing, hatte Lenny das SIM-Karten-Fach geöffnet. 

„Vodafone. Das ist gut, hier ist doch direkt ein Laden auf den Planken. Komm, lass uns gehen.”
„Es ist echt lieb, dass du mir helfen willst, Lenny. Aber du musst wirklich nicht mitkommen. Ich kann das auch alleine machen. Du hast sicher bessere Sachen zu tun.“

„Nein, das macht mir nichts aus! Ich habe noch“ – er schaute auf seine Uhr – „fünfundzwanzig Minuten Zeit. Außerdem will ich doch auch wissen, wer meiner Lieblingskollegin nachstellt.“

Caro wusste, dass Lenny ein Lächeln von ihr erwartete, doch dazu konnte sie sich gerade nicht durchringen. Was zur Hölle ging hier vor sich? Machte sich der Eigentümer des Handys nicht strafbar damit, dass er einfach so Fotos von ihr machte?

„Okay, weißt du was? Ich kann Bobby so lange nehmen und du gehst in den Laden. Ich habe noch ein paar Leckerlis dabei. Wir machen uns eine schöne Zeit. Stimmts, mein Junge?“ 

Lenny tätschelte Bobby den Kopf. 

„Außerdem würde ich lahme Ente dich bestimmt sowieso nur aufhalten.“ Er zeigte auf seinen Gehstock. 

„Okay, alles klar. Danke, Lenny. Ich beeile mich auch.“

Der Vodafone-Laden war fünf Minuten Fußweg vom Paradeplatz entfernt. Als Caro in den Shop ging, wurde sie direkt von einem Verkäufer in Beschlag genommen. 

„Guten Morgen, kann ich Ihnen weiterhelfen?“ Er trug das typische Vodafone-Rot und war kleiner als Caro. Was schwierig war, zog man ihre 1,62 Meter in Betracht. Noch stärker als seine geringe Körpergröße fiel ihr sein Bart auf, der ihm einen südländischen Touch verlieh. Das Namensschild wies ihn als M. Aydogmus aus.

„Ja. Ich habe ein Handy auf der Straße gefunden und würde gerne den Besitzer ausfindig machen.“ 

Caro hatte die SIM-Karte draußen gelassen und das Handy ausgeschaltet. Es hätte ja sein können, dass der Verkäufer erkennt, dass sie die Person auf dem Hintergrundbild ist. Und neugierige Fragen konnte Caro erst recht nicht gebrauchen. Vor allem, weil sie sie nicht beantworten können würde. 

„Ah, Sie haben die SIM-Karte schon rausgenommen, super. Gut, dann schauen wir mal.“ 

Der Verkäufer tippte die Daten der Karte in seinen Computer. 

„Ich suche jetzt in unserer Datenbank nach dem Eigentümer der SIM-Karte. Wussten Sie, dass SIM für subscriber identity module steht?“ 

Caro schüttelte den Kopf.  

„Das bedeutet, dass anhand der SIM die Identität des Besitzers ermittelt werden kann. Dazu gebe ich diese 15-stellige Zahlen- und Buchstabenkombination ins Suchfeld ein und der Computer spuckt direkt aus, wer die Karte gekauft hat.“

Jaja, sehr interessant. Na los, komm schon. Ich will einen Namen!

„Na also, hier haben wir‘s. Schön, wie schnell das geht, nicht? Der Inhaber ist Nick Kress. Den Vertrag bei uns hat er vor zwei Monaten abgeschlossen. Am besten suchen sie ihn auf Facebook. Sie können natürlich auch im Telefonbuch nachschauen, aber ich weiß nicht, ob Sie ihn da finden. Liegt ganz bei Ihnen. Wenn Sie möchten, kann ich das Handy für Sie aufbewahren.“ 

M. Aydogmus zuckte mit den Schultern und gab Caro das Handy zurück. 

„Nein, nicht nötig. Auf Facebook finde ich ihn bestimmt. Vielen Dank. Einen schönen Tag noch.“

Caro verließ das Geschäft. Ihre Knie zitterten. Nick Kress? Das konnte kein Zufall mehr sein. 

Ihr Nachname war Kress. 

 

„Und? Was hast du rausgefunden? Wessen Handy ist das?“

Lenny konnte vor Aufregung kaum stillhalten. Er machte Bobby Konkurrenz, der Caro schwanzwedelnd begrüßte. 

„Die konnten nicht nachschauen – seit gestern Abend sind ihre Computer lahmgelegt und sie haben keinen Zugriff mehr auf die Datenbanken. Keine Ahnung, wann die das geregelt haben werden. Ich denke, ich werde am Montag nochmal hingehen.“

Lügen waren eines der Dinge, die sie am meisten verabscheute. Trotzdem hatte sie das Gefühl, diese kleine Notlüge sei jetzt das Beste, was sie tun könnte. 

„Das ist ja blöd. Wieso haben die dann überhaupt geöffnet? Die können ja gar nichts machen ohne PC. Aber in der Rheingalerie gibt’s doch auch noch eine Filiale. Wieso gehst du da nicht hin? Ich würde dich super gerne begleiten, aber du weißt ja: Die Pflicht ruft.“

‚Pflicht‘ – so nannte Lenny das jetzt also. Seit einigen Wochen hatte er Tinder für sich entdeckt und nutzte die Plattform, um seine Liebe des Lebens Nummer 2 kennen zu lernen. Bisher erfolglos. Aber er war noch immer ein unverbesserlicher Romantiker.

„Sie heißt zwar nicht Anastasia, aber dieses Mal bin ich mir sicher, dass es was werden könnte. Und Leute nur wegen ihrer Namen auszusuchen, wäre ja auch charakterlos, oder?“

Caro nickte, wünschte Lenny viel Spaß und machte sich mit Bobby auf den Heimweg. 

Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie kannte niemanden mit dem Namen Kress – außer ihre Eltern natürlich. Gedanken an die hatte sie seit Jahren erfolgreich verdrängt. Außer in Albträumen geisterten sie nicht mehr durch ihren Kopf. Was sie auch einer guten Therapeutin zu verdanken hatte. Neben Bobby war Frau Höring die Einzige, der sie ihr ganzes Herz ausschütten konnte. Nein, nicht dein ganzes Herz, Kleine

Caro hasste diese innere Stimme. Weil sie Recht hatte. Nicht einmal ihre Therapeutin wusste alles. Sie hatte ihr von den blauen Flecken erzählt. Den Tagen, an denen sie Angst vorm Heimkommen hatte. Den Prügeleinheiten, die sie mit dem Regenschirmständer erhalten hatte. Sie hatte von ihrer Mutter erzählt, die sie als „schwache Mistkuh, die keine Eier in der Hose hat“, bezeichnete. Auch davon, dass sie nie verstehen konnte, wie sie mit „diesem Menschen, der die Definition von Abschaum ist und den ich über alles hasse“ zusammenbleiben konnte. Frau Höring wusste auch Bescheid darüber, dass Caro in der Schule gemobbt wurde, weil sie im Sommer nur lange Kleidung trug, um ihre Wunden zu verdecken.  Und darüber, dass, wenn ihr Vater einen besonders schlechten Tag hatte, er ihr das heiße Bügeleisen an den Rücken gehalten hat („Nur kurz, mein Schatz. Damit du verinnerlichst, dass du nie wieder einen so kurzen Rock anziehen sollst“). Sie hatte Caros Narben am Rücken gesehen. Wusste, dass Caro sich nicht ins Schwimmbad traute, weil sie Angst vor Blicken hatte. Sie wusste, dass sie eine Eigenbrötlerin war. Dass sie außer Bobby niemandem vertraute und sich niemandem öffnen wollte. Frau Höring wusste auch, dass Caro im Alter von vierzehn Jahren mit dem Gedanken gespielt hatte, sich das Leben zu nehmen. Und es nur nicht getan hat, weil sie die Rasierklingen, die sie zuhause hatte, als zu stumpf einschätzte. Sie wusste, dass Caro in einer Nacht und Nebel-Aktion aus Stuttgart geflohen ist. Mit 16 Jahren, einem Alter, in dem man normalerweise auf erste Partys geht und so tut, als schmecke das erste Bier. Einem Alter, in dem man sich schminkt, um den Jungs zu gefallen und nicht, um blaue Flecken abzudecken. 

Aber da war eine Sache, die Caro nicht erzählt hatte. Eine Sache, die sie niemandem erzählen und – so hatte sie sich geschworen – mit ins Grab nehmen würde. 

„Wolle Rose kaufe? Nur eine Euro, eine Euro!“ 

Ein Straßenverkäufer, dessen Blumenstrauß doppelt so groß war wie sein Kopf, riss Caro aus ihren Gedanken. 

„Eine Euro! Eine Euro nur, Madame! Ja? Ja? Ja?“ 

Er wedelte mit den unnatürlich pinkfarbenen Rosen vor Caros Gesicht herum. Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte keine Rose. Sie wollte sie nicht, auch wenn sie ‚nur eine Euro‘ kostete. 

Sie wollte weiter über ihren Bruder nachdenken. 

Über Nick Kress, mit dem ihre Mutter schwanger war, als Caro von zuhause abgehauen ist. 

 

Caro wusste, dass Nick ihr Bruder sein musste. Dass er derjenige war, der das Handy im IDS platziert hat. Sie hatte einmal mit ihrer Mutter ein Gespräch geführt, in dem sie gefragt hatte, wie sie genannt worden wäre, wäre sie ein Junge geworden. 

„Nick! Das ist ganz klar. Da hätte mir niemand reinreden können – ich liebe diesen Namen.“ 

Ihre Mutter hatte ihr durch die Haare gestrichen und gefragt, ob sie auch ein Stück Apfelkuchen wolle. Zusammen hatten sie Kakao getrunken und Kuchen gegessen. Caro erinnerte sich daran, dass es einer der schönsten Tage ihres Lebens war. Ihr Vater war auf Geschäftsreise und würde erst spät nachts zurückkommen. Es war ein Keine-Prügel-Tag

Die zweite Schwangerschaft ihrer Mutter war nicht geplant. Sie war 43 Jahre alt, als sie Caro eröffnete, dass sie ein kleines Geschwisterchen kriegen würde. Und ihre Mutter hatte währenddessen gelächelt und ihren Bauch gestreichelt. Bis heute war es Caro ein Rätsel, wie ihre Mutter lächeln hatte lächeln können. Fand sie das Wissen, ein weiteres unschuldiges Wesen in diese gewalttätige Familie zu setzen, etwa schön oder lustig? Und nicht nur das: Dieses kleine Ding, das gerade die Größe einer Walnuss hatte, hatte Caros ganzen Plan durcheinandergebracht. Sie wollte von zuhause abhauen. Sie wollte ein neues Leben starten. Dafür hatte sie sich Mannheim ausgesucht und ein AirBnB gebucht, um erstmal Fuß fassen zu können. Sie wollte gehen, nachdem sie die zehnte Klasse beendet hatte – also in vier Wochen. Sie war sich sicher, dass ihre Eltern nicht nach ihr suchen würden. Denn dann würden Fragen auftauchen, die mit Sicherheit von der Polizei gestellt werden würden: „Wieso ist ihre Tochter abgehauen? Können Sie sich einen Grund vorstellen?“ Nie im Leben würden die beiden das Risiko eingehen, dass die Polizei ihrem Vater auf die Schliche kommen könnte. 

Ihre Mutter würde sich Vorwürfe machen. Doch Caro hatte an sich selbst denken müssen. Wenn sie es jetzt nicht tat, würde sie es niemals tun. Erst recht nicht, wenn ihr Geschwisterchen auf der Welt sein würde. Sie hatte sich fest vorgenommen, zurück zu kommen, um ihm zu helfen und sicherzugehen, dass es nicht dieselbe Hölle durchmachen musste. 

Trotz allem war sie erst 16 Jahre alt. Sie war zwar reif, aber noch immer jung genug, um Dinge verdrängen zu können und sich nicht verantwortlich zu fühlen. 

Die Nacht, in der sie sich von zuhause wegschlich, hatte sie nie vergessen. Im Gegensatz zu ihrem Geschwisterchen. 

Caro hatte sich schnell in Mannheim eingelebt. Sie hatte sich nicht umgemeldet. Doch so lange sie nicht erwischt werden würde, war das in Ordnung. Sie suchte sich einen Job als Reinigungskraft in einer Therme, mit dem sie die Miete zahlen konnte und machte nebenbei ihr Fachabitur über eine Fernschule. Mit 2.900€ nicht billig – aber Caro hatte das Geld, das sie zuhause fürs Zeitschriften Austragen verdient hatte, in weiser Voraussicht gespart. Danach konnte sie sich für Jobs bewerben, die qualifiziertere Mitarbeiter suchten. Sie arbeitete zuerst vier Jahre lang als Vollzeitkraft bei Daimler. Nebenbei putzte sie noch immer, diesmal beim Institut für Deutsche Sprache. Der Rest ist Geschichte: Caro bekundete ihr Interesse an der deutschen Sprache und lernte kurz darauf Lenny kennen. Durch seine offene Art und ihre außerordentlich guten Kenntnisse in Deutsch (sie schrieb im Abi 14 Punkte) konnte er ihr einen Platz in seinem Forschungsbereich, der Lexik, sichern. Daraufhin hatte Caro sich schon bald die Wohnung am Wasserturm gemietet und auch mit der Therapie angefangen. Dort behandelten sie all ihre Probleme – bis auf die Tatsache, dass sie wissentlich ihr Geschwisterchen in der Hölle zurückgelassen hatte. Caro hatte sich gehütet, das auch nur anzusprechen, geschweige denn daran zu denken. Im Verdrängen war sie Meisterin.

Frau Höring hatte Caro erklärt, dass Verdrängen bis zu einem gewissen Grad gesund sei: „Die Seele schiebt automatisch weg, was sie belastet. So können wir uns aktuellen Dingen widmen und stressen uns nicht mit Vergangenem. Schlimme Erinnerungen, Taten oder Situationen zu verdrängen kann aber auch genauso schlimme Folgen haben. Nicht selten führt es zu sozialer Isolation oder Persönlichkeitsstörungen. Und dann kann einem das Verdrängen ganz schnell zum Verhängnis werden.“ 

Dissoziation, nannte Frau Höring das. Wenn die Seele die auslösende Situation komplett abgespalten hat und man nicht mehr daran denkt. 

„Manchmal müssen wir einfach über unseren Schatten springen und uns der Vergangenheit stellen. Gleichzeitig ist aber auch das nach vorne Schauen wichtig. Dabei können Vertraute helfen, denen Sie sich öffnen. Und Caro, ich zähle nicht als Ihre Vertraute. Ich rate Ihnen, sich ein soziales Umfeld aufzubauen, in dem Sie sich wohlfühlen und fallenlassen können.“ 

„Okay, von mir aus kann ich mir ja einen Hund anschaffen, wenn Sie das glücklich macht“, hatte Caro damals einen Kompromiss vorgeschlagen, mit dem sich Frau Höring zufriedenstellen ließ. Nicht wissend, dass das eine der besten Ideen gewesen ist, die Caro je hatte. Denn Bobby würde sie um keinen Preis auf der Welt hergeben wollen. 

 

Als hätte Bobby gespürt, dass Caro gerade an ihn gedacht hatte, kläffte er. Mittlerweile waren sie zuhause. 

Caro schlüpfte aus ihren ausgelatschten Sneakern und blickte auf die Uhr am Fernseher. 11:45 Uhr. Hatte nicht irgendeine berühmte Person irgendwann mal gesagt, dass es nie zu früh für Rotwein sei? Bestimmt. Das Glas von gestern hatte Caro nicht gespült. Es stand noch immer auf dem Couchtisch. „Ach scheiß drauf“, murmelte sie.

Während sie den ersten Schluck nahm, klappte sie ihren Laptop auf und öffnete Facebook. 

„Dann wollen wir mal sehen, was du so von dir preisgibst, Nick.“

Caro tippte ‚Nick Kress‘ in die Suchleiste. Trotz des Rotweins und der beruhigenden Wirkung, die normalerweise nach den ersten Schlucken einsetzte, beschleunigte sich ihr Herzschlag. Mit zitternden Fingern drückte sie auf ‚suchen‘. Drei Ergebnisse. Und kein einziger Account hatte ein richtiges Foto als Profilbild. 

Account Nummer 1: Vermutlich ein Fake-Profil, hinter dem irgendjemand steckte, der Hasskommentare unter Nachrichten-Posts verbreitet. Als Profilbild diente ein riesiger Emoji. Der rote, wütende, der die Augen böse zusammenkneift. Caro scrollte weiter nach unten. 

Beim zweiten Nick Kress handelte es sich wohl um einen Scherzkeks. Sein Profilbild: Ein Beet, aus dem Gartenkresse sprießt. 

„Oh wow, bist du lustig, Mensch. Fast hätte ich mich am Rotwein verschluckt, du Witz…“

Caro stockte. Es war noch eine Person übrig und zwischen dem Fake-Profil und dem Clown hatte sie die Hoffnung fast verloren, ihren Nick Kress zu finden. 

Das dritte Profilbild zeigte einen Mann von hinten. Es schien, als habe er den Selbstauslöser betätigt, sich hingestellt und gewartet, bis das Foto geschossen wird. Vor dem Stuttgarter Schlossgarten. Stuttgart. Ihre Heimatstadt. Die Stadt, in der ihre Eltern wohnen und in der sie die schlimmsten Jahre ihres Lebens verbracht hatte. 

„Ach du scheiße, das wird doch nicht…“ 

Caro klickte auf den Namen. Sie hatte das Gefühl, die Seiten brauchten heute doppelt so viel Zeit zum Laden wie sonst. Sie trank nochmal am Wein. Die beruhigende Wirkung setzte nicht ein. Ihr Herzschlag, der durch Nick Kress 2, der mit der Gartenkresse als Profilbild, minimal langsamer geworden war, beschleunigte sich jetzt umso mehr. 

Die Seite hatte geladen. Sie sah das Profilbild und vergrößerte es. Fünf Likes, null Kommentare. Außer Stuttgart als Heimatort hatte er keine Infos von sich preisgegeben. ‚Freunde‘ hatte er 31. Aber der Schlossgarten…

Sie klappte den Laptop zu. Atmete ein. Aus. Und nippte nochmal am Wein. 

Was wusste sie? Was waren ihre Optionen?

Sie konnte die Polizei benachrichtigen und ihnen das Handy zeigen. Aber was sollten die schon tun? Caro konnte ja noch nicht mal nachweisen, dass sie diejenige auf dem Foto ist. Es gab bestimmt noch mehr blonde, normalgewichtige Frauen in Mannheim, die einen Schäferhund hatten und am Neckar spazieren gingen. Und was konnte sie von der Polizei erwarten? Sie wusste ja selbst noch nicht einmal, was Nick von ihr wollte. Außerdem: War sie sich überhaupt sicher, dass es sich um ihren Bruder handelte? Was sprach dagegen? Dass es mehrere Personen in Stuttgart gibt, die Nick Kress hießen? Laut Facebook nicht. Und welcher Nick Kress, wenn nicht ihr Bruder, sollte ein Foto von ihr machen und es sie finden lassen? Das ergab alles keinen Sinn. Es musste sich um ihren Bruder handeln. Sie spürte es. 

Caro hatte noch eine Idee. Sie öffnete einen anderen Tab und suchte auf Google-Bilder nach Nick Kress. Sie wollte das Gesicht zu dem Körper sehen. Ihr wurden unzählige Bilder von Gartenkresse angezeigt. Halt… da war ein Gruppenfoto von der Ludwigshafener Abfallwirtschaft. Ludwigshafen – die Nachbarstadt Mannheims. Caro klickte auf das Foto, um es zu vergrößern. In der Bildbeschreibung standen die Namen der abgebildeten Leute. ‚von links: Nick Kress, Thomas Harth…‘. Da war er. Caro schaute ihren Bruder an. Das erste Mal. 

„Was willst du nur von mir?“ flüsterte sie. Und nippte am Wein.

Du weißt, was er von dir will. Du weißt es genau. 

Caro stöhnte auf. Da war sie wieder, diese innere Stimme. Die so nervte, aber so Recht hatte. 

Du ahnst, dass er sich an dir rächen möchte. Natürlich weiß er, dass es dich gibt. Die Fotos von dir hängen noch dort. Deine Mutter wird sie nicht weggeschmissen haben. Sie hat Nick wahrscheinlich eine Lüge aufgetischt, vielleicht sogar erzählt, dass du gestorben bist. Aber Nick ist nicht dumm. Er kann dich ausfindig machen. Dass du geflohen, nicht gestorben, bist, wird er sich nach seiner ersten Prügel-Einheit gedacht haben. 

Caro lief es eiskalt den Rücken runter. Wie viele Infos über sich hatte sie auf Facebook der Welt mitgeteilt? Eigentlich hatte sie darauf geachtet. Und extra wenig über ihr Privatleben gepostet. 

Extra wenig? Nennst du es extra wenig, wenn du Seiten wie ‚Mannheim-Memes‘ likest? Und dich von Lenny unter allen möglichen Posts markieren lässt und mit Lachsmileys darauf reagierst?

Verdammt! Caro hätte sich ohrfeigen können. Sie war nachlässig geworden. Sie hatte das Internet einiges über sie erfahren lassen. Alleine schon durch ihr Profilbild, das sie – genau wie die Teenager-Influencer – vor den blühenden Mandelbäumen vor dem Wasserturm zeigte (die Kulisse war aber auch einfach zu schön!). Das hatte sie vor einer Woche aktualisiert. Es wird wohl ein leichtes für Nick gewesen sein, den Standort herauszufinden. 

Sie hatte nicht so weit gedacht. Eigentlich war sie sich sicher gewesen. So sicher, dass ihre Eltern nie nach ihr suchen würden. Sie war sich sicher, dass ihr Geschwisterchen es schaffen würde. 

Du warst dir nicht sicher. Du hattest geplant, ihn zu retten… Ihn aus dieser Hölle herauszuholen, ihm das zu ersparen, das du durchmachen musstest… Aber du hast gekniffen. Du hast Schiss gekriegt und dich in dein neues, wunderbares Leben verliebt, dass es dir egal war, was mit ihm passiert. Du kanntest ihn sowieso nicht. Er war nur ein weiteres Opfer häuslicher Gewalt und du hast dich einen Dreck um ihn geschert, weil DU es geschafft hast, zu fliehen! Das war dein Ziel, deine erste und einzige Priorität und du hast…

„Ich konnte es nicht! Ich konnte es einfach nicht, verdammt!“

Caro brach in Tränen aus. Die Tatsache, dass sie ein Geschwisterchen hatte, hatte sie jahrelang verdrängt. Genauso wie die Tatsache, dass sie nicht zurückgegangen ist, um ihm zu helfen. Caro schluchzte. Sie legte den Kopf auf die Hände und fuhr sich übers Gesicht („eine Geste von Nervosität“, würde Frau Höring jetzt sagen, „Menschen, die sich ins Gesicht oder ans Ohr fassen, versuchen unterbewusst, sich zu beruhigen.“) 

Sie spürte das vertraute Nass von Bobbys Schnauze. Er hatte sich während ihres Zusammenbruchs angeschlichen und steckte seinen Kopf zwischen Caros Arm und Oberkörper hindurch. Bobby schaute sie an und wedelte mit dem Schwanz. 

„Ach Bobby“, Caro nahm ihn in den Arm, „ich wollte das alles nicht. Ich wollte nie, dass es so weit kommt. Ich hatte mir geschworen, ihn da raus zu holen… Wie konnte das denn passieren? Ich hätte es der Höring sagen sollen. Wir hätten zusammen einen Plan entwickeln können. Sonst war sie doch auch eine gute Stütze. Was hab‘ ich denn jetzt fabriziert?“ 

Caro erwartete keine Antwort von Bobby. Trotzdem tat es gut, ihre Gedanken auszusprechen. 

Zehn Minuten später hatte sie sich so weit beruhigt, dass sie wieder klar denken konnte. Ihre Hände zitterten nicht mehr. 

„Okay, welche Möglichkeiten habe ich noch? Ich will mich nicht bei der Polizei melden. Ich muss das selbst regeln können, das schulde ich Nick.“ Es war seltsam, den Namen ihres Bruders auszusprechen. 

„Ich könnte ihn natürlich auch kontaktieren…“ 

Bobby wackelte mit den Ohren, als wolle er antworten. 

„Glaubst du, das ist es, was er möchte? Soll ich ihm schreiben?“ 

Super Idee, Kleine: ‚Hey Brüderchen, ich weiß, ich bin 19 Jahre und unzählige Narben zu spät, aber ich wollte nur, dass du weißt: Sorry, dass ich damals gegangen und dich in der Hölle zurückgelassen habe. Hoffe, dir geht’s gut, bis dann!‘ 

Caro war kurz vorm Durchdrehen – es schien, als könne sie nichts tun, das 100% richtig war. 

Klar – weil das, was 100% richtig gewesen wäre, nur in der Vergangenheit hätte getan werden können. Deal with it

Anscheinend musste sie das wirklich tun. Damit klarkommen. Aber was konnte sie machen, um die Situation zu deeskalieren? Nick musste doch irgendetwas vorhaben. Er wird nicht auf sich aufmerksam gemacht haben, um sich gemütlich auf einen Kaffee mit ihr zu treffen.

Caro schenkte sich noch ein Glas Rotwein ein. 13:12 Uhr. 

Es klingelte.

Caro blieb fast das Herz stehen. 

„Hallo?“ 

Sie fühlte sich wie die Hauptperson in einem 08/15 Krimi, in dem die Protagonisten in den unsinnigsten Momentan fragen, wer denn da sei… Als würde der Mörder lachend und winkend hinter der nächsten Ecke hervorkommen. 

„Pakete für Kress… Machen Sie aufe?“ 

Der Paketbote. Na klar! Caro stieß die Luft aus. Und merkte jetzt erst, wie angespannt sie gewesen war. Sie öffnete Ranjit, unterschrieb den Empfangszettel und nahm das Paket entgegen. Sie hatte ein Buch bestellt. „Digital Minimalism“ von Cal Newport. Was für eine Ironie: jetzt, wo Facebook eine elementare Rolle in ihrem Leben spielte. 

Caro merkte, dass sie nicht länger in der Wohnung bleiben konnte. Sie war ja jetzt schon nah am endgültigen Zusammenbruch. Aber sie merkte auch, dass sie noch labiler werden würde, je länger sie das Geheimnis für sich behalten würde. Sie hatte Option 3, neben Polizei benachrichtigen und Nick schreiben, noch nicht abgewogen: Lenny alles zu erzählen. Er war der einzige, dem sie einigermaßen vertraute (neben Bobby natürlich). Sie konnte es nicht mehr für sich behalten. Das hatte 19 Jahre lang funktioniert, aber irgendwann ist es vorbei mit der Heimlichtuerei. Jetzt stand eventuell auch ihre Sicherheit auf dem Spiel – denn wenn Nick schon wusste, wo Caro arbeitete, was wusste er noch? 

Das gab Caro den Rest. Sie öffnete ihre Kontakte im Handy (so viel zum Thema Digital Minimalism…) und rief Lenny an. 

Er nahm nicht ab. 

„Ach verdammt.“ Er war bestimmt noch mit seinem Date unterwegs. Sie sprach auf die Mailbox: „Hey Lenny. Du erinnerst dich doch daran, dass ich heute gesagt habe, dass die Computer bei Vodafone kaputt waren… Das, ehm, das war eine Lüge. Ich muss dir einiges erzählen und ich weiß echt nicht, wo ich anfangen soll. Ich…“ Caro atmete tief durch, „Ich würde mich gerne mit dir treffen. Am besten heute noch, vielleicht? Ich will dein Date nicht zerstören oder so, aber… Melde dich einfach und sag, wann du Zeit hast, okay? Bis dann.“ 

Caro hatte schon bessere Mailbox-Nachrichten hinterlassen. Sie trank am Wein.

„Oh Mann, was soll’s“, murmelte Caro und leerte das Weinglas auf einen Zug. Diesmal spülte sie es direkt aus. Danach ging sie wieder an ihren Laptop. Nick Kress‘ Profil war noch geöffnet. Sie klickte auf das Nachrichtensymbol (sonst gibt er nichts von sich preis – aber Nachrichten können ihm alle schreiben… Er will, dass du dich meldest). Ein leeres Fenster ging auf. 

‚Hey Nick. Ich habe dein Handy gefunden.‘ 

Kein guter Anfang. Caro löschte es wieder und tippte kurz darauf erneut: ‚Hallo Nick‘. 

In ihrem Kopf war gähnende Leere. Was sollte sie ihm sagen? Was wollte er hören? Und: Würde er sich über eine Nachricht von ihr freuen, wenn sie doch erzwungen war? Wenn sie ihm jetzt schrieb, würde sie das nicht aus freien Stücken tun. Sondern weil er ihr das Gefühl gab, sie müsse es tun – und ihr ein schlechtes Gewissen machte. 

Sie löschte die zwei Worte, schaute auf das leere Fenster und klappte den Laptop zu. 

„Das ist doch alles komplett bescheuert.“ 

Bobby schaute sie an, als wolle er sagen: Nein, es wird alles gut. Das Leben wird’s schon regeln. „Ich hoffe es, Bobby.“

Caro streichelte ihn und schaute nach draußen, betrachtete den schönen Wasserturm und die Mandelbäume. Sie fragte sich, wo ihr Bruder wohl gerade ist. 

Sie musste einen klaren Kopf bekommen. Das würde nicht mithilfe mehrerer Gläser Wein funktionieren – zumindest nicht nur. Sie musste aus der Wohnung raus.

„Na, hast du Lust, nochmal spazieren zu gehen, Bobby?“ 

Normalerweise musste sie das nicht fragen. Bobby hatte immer Lust, spazieren zu gehen. Er drehte den Kopf von links nach rechts und kläffte. 

Caro leinte ihn an, stellte die Weinflasche in die Küche (damit sie nicht mehr in Couch-Nähe und somit außer Reichweite stand) und verließ die Wohnung. 

 

Caro ging raus, zusammen mit ihrem besten Freund, um Klarheit in ihre Gedanken zu bringen. Um zu überlegen, was sie als nächstes tun sollte. Vielleicht hätte sie die Nachricht, die sie auf Facebook eingetippt hatte, doch absenden sollen. Aber wenn sie es getan hätte, hätte es ihr womöglich ein gutes Gewissen eingeredet – und das hatte sie nicht verdient. Caro hatte das Gefühl, dass sie leiden musste. Sie kam sich vor wie der schlimmste Mensch auf Erden.  

Jetzt übertreib nicht. Du hast immer noch eine Chance, das ganze wieder gut zu machen. Überlege erstmal, was der sinnvollste nächste Schritt wäre. 

Caro war diese ungewohnte Nettigkeit ihrer inneren Stimme gar nicht gewohnt. Aber, auch hier: sie hatte Recht. Caro wusste noch nicht, wie sie das wiedergutmachen sollte, aber sobald sie mit Lenny geredet hatte, würde die Welt bestimmt ganz anders aussehen. Beim Gedanken an Lenny seufzte sie. Er war ein guter Mensch. Wahrscheinlich würde ihn die Tatsache, dass sie ihr ungeborenes Geschwisterchen in einer gewaltsamen Familie zurückgelassen hatte, total aus den Socken hauen. Caro hatte den Eindruck, dass Lenny in ihr das liebe, etwas ruhige Mädchen von nebenan sah. Sie würde wahrscheinlich sein Weltbild zerstören. Apropos… 

Caro warf einen Blick auf ihr Handy. Mist. Keine Nachricht von Lenny. 

Mittlerweile waren Bobby und Caro in der Oststadt angekommen. Hier wohnten vor allem reiche, ältere Menschen. Während Caro ihr Handy checkte, hörte sie ein vertrautes Plätschern. Bobby erledigte sein kleines Geschäft. Danach schaute er sie an, als wolle er ein Kompliment hören. Caro tat ihm den Gefallen („Ja, so ist’s fein, Baby. Gut gemacht.“) und bekam als Gegenleistung ein Schwanzwedeln. 

Sie liefen weiter Richtung Neckar. Es war genau die Strecke, die sie fast jeden Tag gingen. Caro versuchte nochmal, Lenny zu erreichen. Irgendwie hatte sie ganz plötzlich das dringende Gefühl, ihr Herz jemandem auszuschütten. Und dieser Jemand musste Lenny sein. Sonst hatte sie ja niemanden. Sie ließ Bobby von der Leine. 

„Langsam, Bobby! Ich muss auch noch hinterherkommen!“ 

Als hätte er etwas gesehen oder gerochen, was nur Hunde wahrnehmen können, preschte er nach vorne. 

Caro lief schneller, nahm aber trotzdem noch die friedliche Umgebung wahr: den Neckar und sein vermeintlich langsam fließendes Wasser, die Brücken, die die Neckar- mit der Innenstadt verbanden und die vereinzelten Jogger, die sich verausgabten. Darüber schüttelte Caro nur den Kopf. Sie war zwar sportlich – aber dem Joggen hatte sie noch nie etwas abgewinnen können. Und: Wann sieht man schon mal einen Läufer, der während seines Trainings grinst? … Eben. 

Caro war unterwegs zu ihrem Lieblingsplätzchen am Neckar: einer kleinen Bucht am Ufer, die flach ins Wasser abfiel. Dort saß sie oft, während Bobby im seichten Wasser spielte. Caro liebte diesen Platz. Er war durch schulterhohe Büsche gut versteckt und kaum jemand rechnete wohl damit, dahinter eine schöne Fläche vorzufinden. Kein Wunder, dass er als Anlaufstelle für Kinder diente, die heimlich Zigaretten rauchten, obwohl die Eltern es verboten hatten. 

Bobby rannte geradewegs auf die Stelle zu. 

„Langsamer, Bobby! Ich komme ja kaum hinterher“, rief Caro wieder. 

Bobby hatte die Bucht bereits erreicht und war hinter den Büschen verschwunden. Na, da war jemand motiviert. Caro schaute wieder auf ihr Handy. „Mensch, Lenny, jetzt brauche ich dich einmal!“ 

Genau. Du brauchst ihn einmal. Das erste Mal. Du hättest viel früher auf ihn zukommen sollen. Zusammen hättet ihr dir aus der Misere raushelfen können. Jetzt ist es zu spät. Ich bin gespannt, wie du aus der Nummer wieder rauskommst. 

„Ich auch. Ich bin auch gespannt. Gott, wieso sind hier denn so viele Dornen, das war doch sonst nicht so… verrückt, wie schnell Unkraut wachsen kann“, Caro kämpfte sich durch die Büsche zur Bucht, „Bobby, wo bist du? Ich hab‘ doch gesagt, du sollst nicht so weit…“ 

Sie stockte. 

Da war Bobby. Aber er wedelte nicht mit dem Schwanz. Er kläffte nicht. Er wackelte nicht mit den Ohren und er drehte auch nicht seinen Kopf von links nach rechts. Er lag reglos auf dem Bauch. 

„Bobby! Nein!“ Caro stürmte hin, schüttelte ihn hin und her, zog seine Augenlider hoch – nur, um die unnatürlich nach oben verdrehten Pupillen zu sehen.

Ihr wurde schlecht. Mit zitternden Händen zog sie ihr Handy aus der Tasche. 

„Das würde ich lassen.“ 

Caro drehte sich um. Und schaute direkt in die Augen ihres Bruders. 

 

„Es war echt ein total schöner Mittag. Und hey – danke, dass du über meine Witze gelacht hast, auch über die schlechten“, Lenny schenkte Paula sein charmantestes Lächeln, „du bist definitiv in den Top 10 meiner bisherigen Tinder-Dates!“ 

„Okay, ich glaube, damit hast du jetzt deinen Vorrat an schlechten Witzen für heute aber ausgeschöpft“, Paula schmunzelte, „ich fand’s auch schön. Ich schreib dir wegen nächster Woche, bis dann!“ 

Paulas Straßenbahn kam, sie stieg ein, Lenny stand am Bahnsteig und schaute der Bahn hinterher – und fühlte sich wie in einem Liebesfilm. Das Date war ein Volltreffer gewesen! Da sag noch einmal jemand, Tinder tauge nichts. 

Intuitiv griff er zu seinem Handy, um seine Freude mit Caro zu teilen. Sie war zwar ein verschlossener Typ, aber Lenny hatte das Gefühl, dass sie sich langsam öffnete. Man musste behutsam vorgehen – wie, wenn man einen Apfel an einer Reibe zerkleinert und sich nicht auch die Haut von den Fingern abschaben möchte. Langsam und vorsichtig und bereit, jeden Moment mit den Annäherungsversuchen aufzuhören… 

Lenny grinste, als er sah, dass Caro sich bereits bei ihm gemeldet hatte. Yes! Sie taute auf. Vielleicht hatte es auch etwas mit dem Handy zu tun, das er gefunden hatte. Wenn sie das Rätsel zusammen lösen könnten, würde sie sich vielleicht noch mehr öffnen und auch mal von ihrem Privatleben erzählen. Lenny hatte das Gefühl, sie wusste alles von ihm – jedes kleinste Detail, jede Tinderprofil-Beschreibung, die er je eingetippt (und direkt wieder gelöscht) hatte, aber er hatte keine Ahnung, was bei ihr abging.

„…bei Vodafone kaputt waren… Das, ehm, das war eine Lüge. Ich muss dir einiges erzählen und ich weiß echt nicht…“

Lenny war überrascht, dass Caro sich von sich aus gemeldet hatte. Er war überrascht, dass sie zweimalangerufen hatte. Dass sie eine Nachricht hinterlassen hatte und dass sie ihm etwas erzählen musste. Und noch überraschter war er darüber, dass sie nicht abhob, als er sie zurückrief. Es schien etwas Wichtiges zu sein – und jetzt ging sie nicht mehr ans Handy? Hatte sie es sich etwa doch anders überlegt und wollte es ihm nicht mehr erzählen? 

Lenny zögerte nicht lange und machte sich auf den Weg zum Neckar. Er wusste nicht viel über Caro. Aber er wusste genug, um zu spüren, dass etwas nicht stimmte. Und dass sie, wann immer sie etwas beschäftigte, mit Bobby am Neckar spazieren ging. 

 

Er war nicht groß. Vielleicht 1,75 Meter. Die Haare: blond, leicht rötlich. Er war schlaksig und an der Grenze zum Untergewicht. Er trug unauffällige Kleidung. Würde man Nick Kress so auf der Straße begegnen, würde man ihn nicht zweimal anschauen. 

„Gib mir das Handy. Wir müssen reden.“ 

Er hatte eine ruhige Stimme. Fast monoton. Caro warf einen Blick auf ihr Handy und überlegte. Sie gab es ihn. Sie war wie in Trance. 

„Ich habe deinen Liebling angelockt. Er hat eine schöne Portion Hackfleisch bekommen. Versetzt mit einem Sedativum aus der Apotheke meines Vertrauens“, Nick grinste, „er lebt noch, ist aber bewusstlos. Ich wollte nicht, dass er uns stört oder wegläuft. Ich mag ihn ja, aber konnte nicht wissen, ob das auf Gegenseitigkeit beruht.“ 

„Das hättest du nicht machen müssen, du hättest doch…“

„Doch, ich musste das machen. Hätte ich dich etwa dazu bringen können, mit mir zu sprechen, ohne irgendein Druckmittel zu haben? Wegrennen ist doch deine Spezialität, oder etwa nicht?“ 

„Nick, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich… ich…“ 

Caro hatte einen Kloß im Hals, der immer größer wurde. Sie atmete durch. 

„Es tut mir alles so unendlich leid. Ich kann mir nicht vorstellen, was du durchmachen musstest. Es tut mir so leid.“ 

Caro merkte im selben Moment, in dem sie die Worte aussprach, dass es nicht stimmte, was sie sagte. Sie wusste genau, was er durchmachen musste. 

„Du belügst nicht nur mich, du belügst auch dich selbst. Du hast mich wissentlich zurückgelassen. Du wusstest, dass Mama schwanger ist und bist gegangen. Wie konntest du das tun? Wie hast du das mit deinem Gewissen vereinbart? Wie konntest du die letzten Jahre leben, ohne auch nur auf den Gedanken zu kommen, mich da raus zu holen?“ 

„Ich wollte es doch! Ich wollte es wirklich, glaub mir! Ich konnte es nicht… Ich wusste nicht, ob Papa dir das auch antut, es hätte ja sein können, dass er sich geändert hat, oder…“ 

Nein, das hätte nicht sein können und das weißt du auch. Er hat sich nicht geändert und wird sich nie ändern. Du wusstest es damals schon. 

„…Ich war erst sechzehn. Ich wusste doch noch gar nicht, was ich tat!“ 

„Dafür, dass du so unerfahren warst, hast du aber schnell Fuß gefasst in deiner schönen neuen Welt.“ 

Caro zitterte. Er wusste es. Natürlich wusste er es. Er wusste alles über sie. 

„Ich habe dich die letzten paar Wochen beobachtet. Ich weiß, dass du immer gegen 2 Uhr nachmittags mit Bobby rausgehst und dass das, neben deiner Arbeit, deine einzige Freizeitbeschäftigung ist. Du scheinst sonst niemanden zu haben… Genau wie ich.

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Ich wollte dir eine letzte Chance geben. Ich war mir ziemlich sicher, dass du herausfinden würdest, wessen Handy das war. Ich dachte, wenn ich dir einen kleinen Arschtritt und einen Hinweis darauf gebe, dass es mich gibt, würdest du versuchen, Kontakt mit mir aufzunehmen. Es wäre so leicht gewesen. Drei Klicks auf Facebook und du hättest dich melden können. Ich war so optimistisch. Zu optimistisch.“

„Aber wieso hast du dich nicht gemeldet? Wenn du Kontakt mit mir wolltest, wieso hast du dich nicht gemeldet? Wieso musste es ausgerechnet über dieses Handy gehen? Ich hätte genau so gut denken können, das ist irgendein Stalker!“

„Ich wollte, dass es von dir kommt. Und ich wusste, dass du schnell herausfinden würdest, von wem das Handy ist. Und wieso zum Teufel hätte ich dir schreiben sollen? So tun, als wäre alles in Ordnung, als wolle ich einfach ein bisschen Smalltalk machen? Ich war naiv genug, zu glauben, dass du dich geändert hast und dich melden würdest. Ich war so naiv.“

Nick schaute auf Bobby. 

„Bitte… bitte tu ihm nichts. Was hast du vor? Er ist mein Ein und Alles, bitte!“ 

Caro wusste nicht mehr weiter. Sie konnte sich in Entschuldigungen verstricken, die sie sich selbst nicht abnehmen würde. Sie konnte betteln. Was blieb ihr sonst übrig? Hoffen, dass ein rebellischer Teenager zufällig jetzt in der Bucht eine verbotene Zigarette rauchen wollte?

„Wieso bist du nicht zur Polizei gegangen? Du hattest es geschafft – du hast es aus der Hölle rausgeschafft und nichts gesagt? Und mich dort verprügeln lassen?“ 

„Papa hat gesagt, wenn ich das je täte, würde er mich umbringen. Das muss er dir doch auch gesagt haben!“ 

„Verdammt, natürlich hat er mir das gesagt! Ich habe dasselbe durchgemacht wie du, wann checkst du das endlich? Aber Mama war nicht mit einem Baby schwanger, als ich abgehauen bin! Und glaubst du wirklich, die Polizei hätte nichts getan, um dich zu schützen? Ich versuche, dich zu verstehen, Caro, aber ich kann es einfach nicht. Es geht nicht. Das Handy war ein letzter Schrei nach Hilfe. Eine letzte Chance für dich, mir zu zeigen, dass ich dir nicht komplett scheißegal bin.“ 

Nick fuhr sich durch die Haare. 

„Ich hatte nie Freunde. Ich war ein absolutes Opfer an der Schule. Ich habe auch jetzt niemanden. Niemand hat sich auch nur einen Dreck um mich geschert, ich trug immer nur lange Klamotten, um die Wunden zu verdecken…“

„Ich auch! Ich…“

„Halts Maul! Lass mich ausreden und versuch ja nicht, dich mit mir zu vergleichen! Ich hätte ein ganz anderes Leben haben können, hättest du mich herausgeholt. Mama hätte ein ganz anderes Leben anfangen können. Siehst du das?“ 

Nick hielt Caro seine rechte Hand vors Gesicht. Ein Dreiviertel des Daumens fehlte. 

„Du weißt, wer das war. Ich bin einmal sonntags zu spät vom Fußballspiel heimgekommen. Meine Bahn ist ausgefallen. Es war nicht meine Schuld. Natürlich war es nicht meine Schuld.“ 

Er sagte das so, als wolle er sich selbst davon überzeugen. 

„Er hat währenddessen gegrinst. Und sich gefreut, dass sich das neue Messer-Set doch gelohnt hat. Wenn schon deine Mutter nichts Gescheites damit kocht, wenigstens dafür sind sie gut – oder sowas Ähnliches hatte er gesagt. Die Prügeleien fingen an, als ich vierzehn war. Zuerst dachte ich, es sei gerechtfertigt. Aber es war krank. Mit jedem Jahr dachte ich mir: Nur noch X Jahre – dann bin ich achtzehn und kann tun, was ich will. Ich konnte nicht abhauen, so wie du. Papa hat Alarmanlagen eingebaut, die angegangen wären, hätte jemand versucht, nachts das Haus zu verlassen. Ich bin zur Schule gegangen und zum Fußball. Ich trug Handschuhe im Sommer. Die Leute haben mich ausgelacht und sie mir abgezogen: Du Krüppelfinger, haben sie gesagt. Sie haben mich ausgelacht. Kinder können so grausam sein, so gemein.“ 

Er rieb sich über seinen Stummel.

„Was hätte ich denn tun sollen? Zurückkommen, dich schnell mal entführen und dann hätten wir zusammen in Mannheim unser schönes neues Leben zusammen angefangen? Ich hätte deine Windeln gewechselt, während ich darum kämpfte, die Miete aufzubringen und mein Fachabi nachzuholen? Das glaubst du doch wohl selbst nicht.“

Nick schien ihr nicht zuzuhören. Er rieb sich noch immer über seinen Stummel, diesmal schneller, und murmelte etwas von „Polizei“. Caro schaute ihn an, schaute Bobby an und dann brach es aus ihr heraus. Das, was sie selbst vor sich geheim gehalten hatte:

„Ich kannte dich doch gar nicht! Du warst ein Fremder! Ich hatte keine Bindung zu dir. Ich wusste nicht einmal, ob du ein Junge oder ein Mädchen wirst. Ich musste egoistisch sein! Ich war dem Ärger entflohen und habe diese Schublade geschlossen. Ich wollte sie nicht wieder öffnen, um keinen Preis. Ich war auch geschädigt, Nick! Ich verstehe, dass du mir Vorwürfe machst, aber versuche doch wenigstens, meinen Standpunkt nachzuvollziehen!“ 

„Ich habe es versucht, glaub mir. Ich hab‘s versucht, seit ich mir zusammenreimen konnte, dass du nicht einfach ungewöhnlich früh ausgezogen bist, wie Mama mir weismachen wollte, sondern wegen der Prügel abgehauen bist. Du hast mich verkorkst, Caro. Du hast mein Leben zu dem Scheißhaufen gemacht, der es jetzt ist.“ 

„Ich kann dir helfen…“

 „Jetzt? Jetzt, wo es deinem Bobby so schlecht geht? Klar, dass du mir ausgerechnet jetzt helfen willst. Mir geht es jetzt so gut wie noch nie – ich bin ausgezogen, hab dieses Zuhause hinter mir gelassen und will einen neuen Abschnitt beginnen. Aber ich kann nicht neu anfangen, wenn ich nicht alle Altlasten hinter mir gelassen habe. Ich will dir nichts tun.“

„Glaub mir, es tut mir leid… Ich wollte nicht, dass es so weit kommt. Ich hatte keine Ahnung…“ 

Caro konnte sich selbst nicht mehr zuhören. Wem wollte sie hier eigentlich etwas vormachen? Sie konnte sich nicht mehr rausreden. Sie hatte keine Bindung zu dem Ungeborenen gehabt – und sie wollte auch nie eine haben. 

„Zurück zu gehen hätte für mich bedeutet, dass die ganze Hölle von vorne beginnt. Ich hätte meine Eltern nochmal gesehen und hätte wieder die Kraft aufbringen müssen, vor ihnen wegzulaufen. Ich hätte ein Baby mitgenommen und wie hätte ich dich aufziehen sollen? Oder wäre dir ein Heim lieber gewesen? Ich wusste nicht weiter.“

Caro hatte den Eindruck, dass Nicks Augen für einen Moment Mitgefühl zeigten. Dann wurden sie kalt. Sie hatte sich noch nie so verabscheuungswürdig gefühlt. 

„Ich hatte keine Ahnung!“ äffte er sie nach, „ich will die ganze Scheiße nicht mehr hören.“ 

Nick warf einen Blick auf Bobby. Der regte sich immer noch nicht. 

„Ich habe nur ein schwaches Beruhigungsmittel in den Köder gegeben. Er ist ohne Bewusstsein, aber in ein paar Minuten dürfte er wieder aufwachen.“ 

Er griff in seine Jackentasche und holte ein Messer heraus. 

„Weißt du, was das ist? Damit wurde mir der Daumen abgetrennt. Ich hab‘s heimlich mitgenommen, als ich ausgezogen bin.“

„Oh mein Gott, Nick, was hast du vor?“ 

Caro wurde übel. Sie sah auf das Messer. Es war circa 20 Zentimeter lang. Sie schaute sich um. Außer ein paar Joggern in hunderten Metern Entfernung sah sie niemanden. 

„Bitte, bitte tu mir nichts!“

Sollte sie schreien? Würde sie jemand hören?

„Es wäre schlauer, wenn du jetzt ganz ruhig bleibst“, als hätte er ihre Gedanken gelesen, „ich bin nicht hier, um dir etwas zu tun, das hab‘ ich doch schon gesagt.“ 

So langsam dämmerte es Caro. 

„Oh Gott, nein, bitte nicht Bobby! Er kann doch nichts dafür, das war alles ich, es ist alles meine Schuld. Bobby ist der einzige, den ich habe. Bitte, bitte nicht!“

„Genau das ist der Punkt! Er ist der einzige. Aber du hast wenigstens jemanden. Sieh dir mich an – ich bin einsam. Ich habe nicht einmal einen Hund. Ich weiß, was Alleinsein bedeutet.“

Nick ging einen Schritt auf Bobby zu. 

„Ich will, dass du verstehst, wie ich mich all die Jahre gefühlt habe, ohne Freunde, ganz allein…“

„Ich hatte doch auch keine Freunde! Bei mir war es doch genauso!“ 

Caro wurde hysterisch. 

„Bobby kann nichts dafür, bitte lass ihn!“ 

„Ich fange harmlos an. Ich werde ihm erst ein Stück seiner Pfote abtrennen. Dann sind wir sowas wie Brüder… Daumenlose Brüder.“

Nick kicherte. Der ist verrückt. Aber: Kann man ihm das verdenken? Caro musste doch etwas tun können. Sie ging langsam auf Nick zu, der jetzt Bobbys rechte Pfote hielt und auf seinem Oberschenkel ablegte. 

„Bleib da stehen! Wehe, du rührst dich vom Fleck!“

Nick fuchtelte mit dem Messer vor ihr herum. Er rückte Bobbys Pfote nochmal zurecht. Setzte das Messer an. Und machte grinsend den ersten Schnitt. 

 

Lenny hatte drei weitere Male versucht, Caro anzurufen. Langsam wurde er nervös. Er hoffte, sie hier irgendwo zu finden. 

Jetzt stolperte er über die Wiesen am Neckar und betrachtete die fleißigen Jogger. Unglaublich, wie verschieden die aussahen: dünn, dick, groß, klein, Mann oder Frau. Joggen schien ein Sport für jeden zu sein – außer für Lenny. Er schaute zum Wasser. Heute waren ein paar Schwäne unterwegs. Als Kleinkind hatte er versucht, mit ihnen zu reden und sich eingebildet, sie hätten geantwortet. „Nein Lenny-Schatz, die reden nur mit sich“, hatte seine Mutter gesagt, Gott hab sie selig, „Menschen können nicht mit Tieren reden. Die haben ihre eigene Sprache und…“ 

Eine Bewegung riss Lenny aus seinen Gedanken. Eine Bewegung eines blonden Kopfes (mehr konnte er nicht sehen, da waren Büsche davor) nah am Wasser. Das könnte Caro sein. Sie hatte doch mal was von einem geheimen Platz am Neckar erzählt, als sie ausnahmsweise mal Dinge über sich preisgegeben hatte. Er bog nach links ab und lief geradewegs auf die Bucht zu, wo Bobby bereits um eine Klaue leichter war. 

 

„Er spürt nichts. Sei froh, dass er nichts spürt. Das Sedativum wirkt doch länger, als ich eigentlich geplant hatte.“ 

Bobbys Pfote blutete. Die Klinge des Messers war mehr rot als silberfarben. 

„Aber das war nur der Anfang. Zuerst hatte ich wirklich überlegt, nur die Klaue abzuschneiden. Aber wo wäre der Sinn? Er würde überleben und du hättest noch immer deinen Freund. Aber ich will, dass du dasselbe durchmachst wie ich. Ein Leben ohne Freunde, ohne Vertraute.“

„Wie kannst du ihm sowas antun? Du bist ein Monster, bitte, bitte hör auf!“ 

Caro weinte. Sie war kurz davor, wegzurennen. Und dann? Dann würde er Bobby auch umbringen, du wärst nur nicht da, um es zu sehen

Sollte sie Nick vielleicht doch lieber angreifen? Und riskieren, dass sie selbst noch verletzt oder getötet wurde? Sie ging einen Schritt auf Nick zu. Er drehte sich gerade Bobby zurecht. Damit er in seinen Bauch schneiden konnte. In seinen weichen, unschuldigen Bauch. 

Caro war kurz davor, sich auf Nick zu stürzen, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Eine humpelnde Bewegung. Das konnte nicht wahr sein. 

„Lenny?“ flüsterte sie.

„Was sagst du? Was?“ 

Nick schaute sich um. Da er auf dem Boden saß, sah er nicht so viel wie Caro. 

„Bitte. Ich habe bitte gesagt. Bitte hör auf.“ 

Dann ging es schnell. Nick führte das Messer an Bobbys Bauch. Im selben Moment trat Lenny hinter Nick durch die Büsche. 

„Caro, was zum Teufel…“ 

Nick drehte sich um und ließ das Messer fallen. 

Lenny sah Caro, wie sie weinte, er sah Bobby, der blutend und bewusstlos am Boden lag und Nick, der nicht mehr als ein Fremder war, der gerade seinen Lieblingshund verstümmelte. 

„Ach du scheiße, ach du scheiße!“

Intuitiv hob Lenny seinen Gehstock (der, den ihm die Kinder aus einer Grundschulklasse signiert hatten) und hieb Nick auf den Kopf. Mit einem dumpfen Geräusch fiel er hintenüber. 

„Oh Gott, oh Gott. Ich hab‘ ihn nicht umgebracht, oder? Caro, sag mir bitte, dass ich gerade keinen Menschen getötet habe!“ 

Lenny zitterte am ganzen Körper. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. 

„Was hab‘ ich getan? Wer ist das? Und was hat er mit Bobby angestellt, verdammt?“ 

Caro sackte in sich zusammen. Sie weinte und konnte nicht damit aufhören. 

 

Die Polizei hatte Nick in Gewahrsam genommen. Er war wieder bei Bewusstsein, aber noch immer ziemlich benommen. Ihm drohte eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Außerdem wurde Doktor Schweins angerufen. Zum Glück hatte er einen Wochenend-Notfalldienst und konnte sich um Bobby kümmern. „Der wird wieder“, sagte er, „Ich nähe die Wunde, vielleicht kann ich die Klaue sogar retten. Die Wirkung des Sedativums sollte bald nachlassen. Ich gebe ihm schon mal ein Schmerzmittel.“

Der Tierarzt nahm Bobby direkt mit in die Klinik und Nick wurde im Polizeiauto weggebracht. Er schluchzte. Caro hatte Mitleid mit ihm. Es war ihre Schuld. Es war doch alles ihre Schuld.  

So fühlte es sich also an, wenn die Wahrheit herauskam. Und? Ist es so schlimm, wie du dachtest?

Es war schlimm – aber es hätte schlimmer sein können. Lenny war der eigentliche Held dieser Geschichte. Sie selbst hatte kein Happy End verdient. 

„Ich bin ein grauenvoller Mensch, Lenny“, hatte sie gesagt, bevor sie angefangen hatte, ihre Story vor ihm auszubreiten. Sie wusste nicht, wie lange sie erzählte. Die beiden saßen noch immer am Neckar. Sie schauten aufs Wasser. Doktor Schweins hatte gesagt, er würde sich melden, sobald er Bobby versorgt hatte. Caro solle sich keine Sorgen machen. 

„Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast“, antwortete Lenny, als Caro mit ihren Erzählungen fertig war, „und, um das ein für alle Mal klarzustellen: Ich finde nicht, dass du ein schlechter Mensch bist. Niemand kann sich vorstellen, was du durchmachen musstest. Ich werde mich davor hüten, dein Handeln zu verurteilen und das sollte dein Bruder sich auch abschminken.“ 

Caro hatte aufgehört zu weinen und schaute Lenny an. 

„Danke, Lenny. Das tut echt gut zu hören. Weißt du, meine Therapeutin hatte doch Recht. Man muss wirklich aufpassen, dass einem das Verdrängen nicht zum Verhängnis wird, sonst kann das ganz böse enden.“

Lenny grinste.

„Was gibt’s denn da zu grinsen?“

„Genau, Caro. Du hast deine Lektion gelernt. Aus deinem ganz persönlichen ‚Verdrängnis‘ hast du jetzt deine Schlüsse gezogen.“ 

Vorsichtig linste Lenny zu ihr rüber: stolz auf seinen Neologismus und auf der Suche nach der Spur eines Lächelns. Er wurde fündig. Caro knuffte ihn in die Seite und grinste kurz.

„Wow, Kollege – was ein Neologismus. Der würde sich auch gut in unserem neuen Wörterbuch machen, oder?“

18 thoughts on “Verdrängnis

  1. Ich bin gerade ganz erleichtert, dass doch alles verhältnismäßig glimpflich ausgegangen ist. Flüssig geschrieben, zum Mitfiebern. Einzig bei der Sim-Karte glaube ich nicht, dass Mitarbeiter eines Providers so einfach Kundendaten herausgeben würden – da sind sie zu Datenschutz verpflichtet und können sich eine Menge Ärger einhandeln. Eher würden sie Handy oder SIM-Karte einbehalten und den Eigentümer direkt kontaktieren. Vielleicht kannst Du an der Stelle überlegen, wie Caro noch an den Namen gelangen könnte, oder mit welchem Trick sie den Callcenter Mitarbeiter dazu bringt, ihr den Namen zu verraten bzw sie einen Blick auf dessen Monitorausgabe erhaschen könnte. Aber das ist nur eine winzige Anmerkung in einer sonst rundum gelungenen Story.

    1. Oh danke dir für deinen Kommentar! Freut mich, dass du dir die Zeit zum Lesen und Bewerten genommen hast 🙂 Und ich bin gerade ganz geschockt, dass mir (und meinen Testlesern) das mit den Kundendaten nicht aufgefallen ist – vielen Dank für den Hinweis.

  2. Du hast sehr ausführlich sämtliche Details beschrieben, dadurch wurde die Geschichte doch sehr lang. Leider hat sie dadurch etwas an Spannung eingebüßt.
    Nichts desto trotz lässt sie sich gut lesen und es ist schön, dass doch noch alles glimpflich ausging.
    VG Yvonne / voll.kreativ (Der goldene Pokal)

  3. Sehr guter, durchdachter und spannender Plot! 🙂

    Super bildhafte Sprache und tolle Übergänge (wie z.B. als Caro auf der Couch einschläft und dies dann in den Traum übergeht.).

    Eine gute Idee finde ich es auch, dass Lenny das Handy findet, aber auf dem Bild nicht er selbst, sondern seine Caro ist. Das ist mal eine andere Ausgangssituation ist.
    Zudem finde ich den Blickwechsel gut (Erst Lenny, dann Caro).

    Wie schon in den Kommentaren erwähnt, war es leider zum Teil doch etwas zu lang, wie z.B. die Rückblicke, der Part mit der Therapeutin oder das Gespräch am Ende zwischen Nick und Caro – für einen Roman perfekt. Aber für eine Kurzgeschichte könnten diese Parts kürzer gehalten werden.

    Ansonsten alles super und mir hat die Geschichte sehr gefallen.

    Like ist gegeben 🙂

    LG, Ani
    http://www.wirschreibenzuhause.de/geschichten/der-schwur

    1. Liebe Ani,
      erstmal sorry, dass ich so lange zum Antworten gebraucht habe! Und vielen lieben Dank für dein Feedback.
      Freut mich auch, dass du Lenny und den damit zusammenhängenden Blickwechsel erfrischend fandest – mein Ziel war auch, dadurch eine etwas andere Ausgangssituation zu schaffen. Hat anscheinend geklappt 🙂

      Lieben Dank nochmal und viele Grüße,
      Jaqueline

  4. Hi :). Sehr spannende Story, flüssiger Schreibstil und sie hat mich richtig mitfiebern lassen.
    Mein einziger (kleiner) Kritikpunkt wurde schon mal angesprochen, dass wohl kein Vodafone-Mitarbeiter den Namen des Besitzers einer fremden SIM-Karte ausgeben würde (Datenschutz und so). Aber sonst klasse :).
    Ich habe auch mit mir gekämpft, was meine Gedanken und Gefühle Caro und auch Nick betreffend angeht. Caro hat schon einerseits “Schuld” auf sich geladen, weil sie ihr Elternhaus verlassen hat und gewusst hat, was auf ihren Bruder (oder Schwester) zukommt. Doch kann man ihr es wirklich verdenken? Noch zu warten, und DEN Moment verstreichen lassen, an dem anscheinend alles perfekt zum Abhauen war? Irgendwie kann man es schon nachvollziehen, bei dem was sie durchmachen musste.
    Auch Nicks Gedanken und Gefühle kann man bis zu einem gewissen Grad verstehen; allerdings merkt man dann auch, dass das Leben einen Psycho aus ihm hat werden lassen. Er wollte wohl seiner Schwester selbst nichts antun, aber das Liebste (und einzige) nehmen, was sie hat: ihren Hund. Wer weiß, wie weit er noch gegangen wäre, wenn Lenny nicht gewesen wäre…

    Sehr gute Story, regt zum Nachdenken an – mein Like hast du, und ich freue mich auch bei meinen beiden Stories über neue Leser (und natürlich über Feedback. Vielleicht auch über likes 🙂 ). Sie heißen: “verlorene Identität” und “Leos Geheimnis”

    1. Liebe Daniela,
      vielen Dank für dein ausführliches Feedback. Es freut mich sehr, dass du dir die Zeit genommen hast! Außerdem schön zu sehen, dass du die Gedanken meiner Figuren nachvollziehen kannst und sie dich zum Nachdenken anregen 🙂
      Das mit dem Datenschutz ärgert mich im Nachhinein auch wirklich selbst – aber manchmal übersieht man anscheinend echt die trivialsten Dinge 😀 Schön aber, dass hier so viele sorgfältige Leser unterwegs sind, das ist echt viel wert.

      Lieben Dank nochmal und viele Grüße,
      Jaqueline

  5. Liebe Schaggiknaggi,

    ich habe deine Geschichte sehr gerne gelesen. Du hast einen angenehmen, anschaulichen Schreibstil, der mich direkt in die Geschichte gezogen hat. Deine Figuren sind authentisch und die Dialoge sehr gut herausgearbeitet.

    Ich finde es sehr erfrischend, dass mit Lenny eine dritte Person das Handy findet, er aber trotzdem eine wichtige Rolle nicht nur in der Geschichte, sondern auch in Caros Leben spielt.

    Toll ist auch, dass man schon früh von Caros Geheimnis erfährt, man aber dennoch sehnsüchtig darauf wartet, wie die Sache für sie ausgeht. Es bleibt bis zum Schluss spannend.

    Du beschreibst anschaulich, wie sich aus ein und derselben Ausgangssituation zwei verschiedene Lebenswege entwickeln. Während Caro sich ein neues Leben aufbauen konnte und versucht, die Vergangenheit so gut es geht hinter sich zu lassen, schafft Nick das leider nicht. Ich konnte mich sehr gut in beide Figuren hineinversetzen. Und ich hab gebetet, dass Bobby nichts passiert 😊

    Dein Titel, die Wortschöpfung und die Bedeutung dahinter ist super. In meinem Freundeskreis sind auch einige Neologismen unterwegs, aber ich wusste nicht, dass es einen Fachbegriff dafür gibt (ich hab mir bisher aber auch keine Gedanken darüber gemacht 😎). Also hab ich zusätzlich noch etwas von dir gelernt. Danke schön 😃 Ist dir eigentlich schon aufgefallen, dass deine Geschichte auf der 1. Googleseite angezeigt wird, wenn man nach “Verdrängnis” sucht 😃

    Neben dem Datenschutz des Mobilfunkanbieters ist mir noch eine Winzigkeit aufgefallen:
    “Bis heute war es Caro ein Rätsel, wie ihre Mutter lächeln hatte lächeln können.” -> in dem Satz ist das 1. “lächeln” zu viel. Ist aber schnell zu beseitigen 😉

    Ich wünsche dir noch viele begeisterte Leser, die dir ein Herz schenken. Meins bekommst du sehr gerne.

    Liebe Grüße
    Sarah

    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/rache-ist-suess

    1. Liebste Sarah,
      vielen vielen Dank für dein ausführliches Feedback! Und direkt mal ein dickes ‘sorry’, dass meine Antwort soo lange gedauert hat.
      Ich freue mich wirklich sehr, wenn sich jemand so viel Zeit nimmt, um erstens die Geschichte zu lesen und zweitens so einen ausführlichen Kommentar zu schreiben 🙂

      Lenny ist tatsächlich auch mein Lieblingscharakter in der Story! Dein Lob bzgl. meines Schreibstils geht runter wie Butter und ich bin froh, dass du die Dialoge mochtest – da hat sich mein “Kreatives Schreiben”-Kurs, den ich an der Uni belegt habt, doch gelohnt.

      Und sehr witzig, dass meine Geschichte bei der Google-Suche direkt angezeigt wird. Da werden vielleicht einige Unwissende durch Zufall auf diese coole Seite geleitet 😀

      Nochmal vielen vielen Dank, ich habe mich sehr gefreut!
      Viele Grüße, Jaqueline

  6. Liebe Schaggiknaggi (den Namen hab ich mir kopiert!), ich mach´s kurz: Tolle Geschichte, toll geschrieben, hab nichts anzumerken, was nicht bereits angemerkt worden wäre. Ich bin froh, dass Lenny dazwischengegangen ist und Nick eins mit dem Krückerich gegeben hat – der arme Bobby! Wie fies kann man sein?!

    Es ist seltsam, dass Deine Geschichte nicht ins Buch gekommen ist.

    Kollegiale Grüße also!
    Kathrin aka Scripturine / Die Nacht, in der das Fürchten wohnt

  7. Hallo Schnaggiknaggi 😁,
    Ich fand deine Protagonisten authentisch dargestellt und die meisten Handlung auch realistisch. Die Story hat mir gut gefallen und deine Geschichte hat die Spannung gut gehalten. Hat Spaß gemacht zu lesen 🙂. Dafür gibt es ein 💛 von mir. Viel Erfolg 🍀.

    Beste Grüße

    Maddy

    P. S Vielleicht findest Du ja noch Zeit und Lust meine Geschichte zu lesen 😇🙈☺️…
    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/alte-bekannte Alte Bekannte.

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