SabrinaVertauscht

Jeder ist sich selbst der Nächste und ist sich doch so fern.
Peter E. Schumacher


Tage zuvor

Es klopfte und die Tür zum Büro wurde geöffnet  „Sir, es ist alles in die Wege geleitet.“
„Das wurde auch Zeit!“
Der Mann der angesprochen worden war legte die Zeitung, die er bis eben in den Händen hielt auf den Tisch vor ihm. Er drehte sich nicht zu dem Mann um der in der Tür stand.
„Ihr wisst was zu tun ist?“
„Ja, Sir, natürlich.“
„Vermasselt es nicht!“
Er hörte wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel und steckte sich eine Zigarette an.  „Jetzt haben wir dich, dein Spiel ist aus“, sprach die dunkle Stimme in den leeren Raum, dabei zog sich ein Lachen über den Mund was die Augen nicht erreichte.


Freitag

Christian Heylo, ein erfolgreicher Immobilienmakler, verabschiedete sich von seiner Frau und den beiden Söhnen und fuhr zur Arbeit. Er würde sie alle erst am Dienstag wiedersehen, da die Familie über das verlängerte Wochenende die Großeltern in der Schweiz besuchen wollte.
Eigentlich wäre Christian mitgefahren, doch die für heute Nachmittag und auch Montag vereinbarten Besichtigungstermine waren ihm zu wichtig als das er sie abgesagt hätte. Im Büro war es den Vormittag ruhig, das Telefon klingelte nur selten was ihm Gelegenheit gab sich um den liegengebliebenen Papierkram der letzten Tage zu kümmern. Gegen 14.15 Uhr steckte seine Kollegin den Kopf zur Tür herein und verabschiedete sich ins Wochenende.
Als sie sein Büro verließ, sah ihr noch einen Moment nach, konzentrierte sich dann aber wieder auf seine Arbeit.
Erst später, als die Uhr auf seinem Schreibtisch bereits Viertel vor drei ankündigte, hob er den Kopf aus seinen Unterlagen. Er holte das Handy, welches er während der Arbeit immer in seiner Schreibtischschublade verwahrte nun hervor. Auf dem Display waren zahlreiche Nachrichten, um die würde er sich später in Ruhe kümmern, nur die seiner Frau las er sofort.
Hi Schatz, wir sind gut durchgekommen, die Straßen waren überraschend leer. Ich soll dich ganz lieb von den Kindern und auch von meinen Eltern grüßen. Wenn etwas ist, dann ruf bitte auf Festnetz an, du weißt ja, der Empfang hier oben ist furchtbar. Ich melde mich Dienstag wieder und schreibe dir wenn wir zurückfahren. Ich liebe dich!
Sie hatte der Nachricht ein Bild beigefügt, was die Kinder vor dem Haus mit Oma und Opa zeigte. Alle lachten freudig in die Kamera. Er sah den strahlend blauen Himmel und bemitleidete sich einen kurzen Moment selbst, schob dann aber alle Gedanken beiseite.
Er tippte, Habt viel Spaß. Ich freue mich wenn ihr wieder zurück seid. Liebe dich! in das Textfeld, schickte die Nachricht ab und wartete auf die zwei Häkchen, doch es blieb bei einem. Irgendwann würde sie die Nachricht schon bekommen, im besten Fall erst Dienstag auf dem Heimweg.
Er ließ das Handy in die Tasche seines Jacketts gleiten, fuhr dann den Laptop herunter und räumte, bis auf eine, alle Akten in die Schublade. Die für den Besichtigungstermin steckte er sorgfältig in seine Tasche.
Als er das Rollo am Fenster runter ließ sah er schwere Gewitterwolken aufziehen, die Baumkronen vollführten, unter dem zunehmend stärker werdenden Wind, bereits ihren Tanz.

Christian beeilte sich aus dem Büro zu kommen und trat ins Freie, als die ersten dicken Regentropfen auf den Asphalt platschten. „Klar, immer dann wenn ich keinen Regenschirm dabei habe“, sprach er mit sich selbst und sputete los um nicht vollständig nass zu werden.
Er rannte um die Ecke, und lief geradewegs in einen Mann hinein der ihm, mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze entgegen gekommen war. Durch die Wucht des Zusammenstoßes hielt der sich an Christian fest um den Sturz abzufangen. „Verzeihen Sie, ich habe Sie nicht gesehen“, entschuldigte er sich und half dem Mann wieder auf die Beine.  „Nichts passiert“, nuschelte dieser. Dabei kämpfte seine rechte Hand offenbar mit dem Innenfutter seiner verrutschten Jacke.
„Sind sie in Ordnung?“
„Ja, es geht schon”, antwortete er eine Spur pampig.
Ohne ein weiteres Wort ging der Mann weiter und ließ Christian stehen.
Komischer Kauz, dachte er sich und setzte seinen Weg zum Auto fort.

Das Haus lag auswärtig in einem kleinen Waldgebiet, weshalb er fast vierzig Minuten lang durch das Gewitter und den Starkregen fahren musste. Zeitweise schüttete es so kräftig, dass er am Straßenrand anhielt, weil er trotz Scheinwerfer keine Handbreit mehr gucken konnte. Der Regen ließ zum Glück bald etwas nach und so reihte er sich wieder in den Verkehr ein und kam, ohne größere Zwischenfälle, schließlich eine Viertelstunde vor dem vereinbarten Termin an.
Als er auf den Hof fuhr, sah er noch recht frische Reifenspuren in denen nun das Wasser stand. Er wunderte sich nur kurz, denn obwohl das Haus fernab der normalen Verkehrsrouten lag, verirrte sich hin und wieder doch mal jemand hier rauf. Er wollte sich unbedingt noch einmal im Inneren umsehen, bevor das Pärchen gleich zur Besichtigung kommen würde, daher ließ er sein Jackett, sowie die Tasche, mitsamt der Akte auf dem Beifahrersitz.
Christian lief zum Hauseingang, schloss die Wohnungstür auf und trat ein.
Licht gab es nicht, da er den Strom bei den Stadtwerken abgemeldet hatte, und so ging er durch den dunklen Flur in das angrenzende Wohnzimmer.
Die Sonne, die eben kurz den Weg aus den Wolken gefunden hatte, war längst wieder verschwunden, stattdessen klatschten bereits die ersten dicken Tropfen an die Scheiben.

Es war ihm nicht leicht gefallen das Haus zu inserieren, immerhin hatte es einst seinen Eltern gehört, nach deren Tod vor elf Jahren war es als Erbstück in seinen Besitz übergegangen. Zunächst hatten er und seine Frau es noch als Ferienhaus genutzt, als Rückzugsort von dem Leben in der Stadt. Irgendwann mussten sie sich allerdings eingestehen, dass es zu teuer war, um es nur zweimal im Jahr für wenige Wochen zu nutzen. Christian hatte damals darauf gedrängt mit der Familie hierher zu ziehen, doch seine Frau hatte sich strikt geweigert.
Sie wollte deren Haus in der Stadt nicht gegen dieses tauschen. Zudem waren sie durch Freunde und Arbeit inzwischen viel zu verwurzelt, und überhaupt kam ein Leben fernab jeglicher Zivilisation, überhaupt nicht in Frage.
Und so hatte Christian letztlich nachgegeben und das Haus zum Verkauf angeboten.

Er riss sich aus seinen Erinnerungen und lief in die Küche um sich, mit einem Blick in den Hof, zu vergewissern ob die Interessenten bereits da waren. Da dort nach wie vor nur sein Auto stand und bis zum vereinbarten Termin noch zehn Minuten blieben, stieg er die Stufen ins obere Stockwerk.
Von draußen hörte er den Wind in den Bäumen peitschen. Das Gewitter was er vor zwanzig Minuten hinter sich gelassen hatte, zog nun wieder auf, während Christian sich noch einmal in den oberen Räumen umsah.
Inzwischen war es fünf vor vier,  da er nicht unhöflich sein und die Leute bei dem Wetter draußen warten lassen wollte, ließ er das kleine Badezimmer aus, stieg die Stufen wieder hinab und ging zur Wohnungstür. Ein Windstoß hatte sie wohl zugeschlagen, wegen des Gewitters hatte er das nicht einmal gehört. Er drückte die Klinke und wollte öffnen, doch die Tür blieb wo sie war, fest im Rahmen.
Er rüttelte noch einmal, diesmal kräftiger, irgendetwas musste sie im Schloss oder von außen blockiert haben, sie rührte sich keinen Zentimeter. Er tastete seine Hosentaschen nach dem Schlüssel ab, doch sie waren leer.
„Verfluchter Mist!“
Mit Schreck erinnerte er sich, dass er den Schlüssel von außen hatte stecken lassen,  das hatte er nun von seiner Achtlosigkeit.
Ihm blieb nur, auf das Pärchen zu warten, denn durch die Fenster gab es keinen Ausstieg, weil diese, zum Schutz vor Einbrechern, Jahre zuvor mit Gittern versehen wurden. Er schüttelte den Kopf über seine eigene Dummheit und ging in die Küche um erneut aus dem Fenster zu sehen.
Von den beiden war noch immer weit und breit keine Spur, vermutlich verspäteten sie sich wegen des Unwetters. Er versuchte einen Blick auf die Haustür zu bekommen, um zu sehen was ihm den Weg versperrte, doch er konnte keinen umgefallenen Baum oder ähnliches auf der Treppe ausmachen. Der Regen war inzwischen wieder so stark, dass er wie ein Bach an der Fensterscheibe herunter lief. Im Wald meinte Christian plötzlich etwas zu sehen. Er blinzelte kurz und versuchte durch den Regen hindurch etwas zu erkennen, doch vermutlich hatten seine Augen ihm nur einen Streich gespielt, denn dort war nichts.
Nach einer ganzen Weile ging er ins Wohnzimmer und hätte sich vor Erleichterung am liebsten mit der flachen Hand vor die Stirn geschlagen. Wie konnte er denn nur sein Handy vergessen? Da lag es nun zwischen vergessenen Blumentöpfen und Schrauben auf der Fensterbank. Er war der festen Überzeugung gewesen es im Auto gelassen zu haben, doch ganz offensichtlich hatte er es bei seinem ersten Rundgang gedankenlos dort abgelegt. Innerlich lachte er kurz auf, denn obwohl das Haus mitten im Wald stand, hatte er in der Vergangenheit doch immer Empfang gehabt.
Ihn überkam ein Gefühl der Erleichterung, er konnte selbst Hilfe holen und musste nicht erst auf das Pärchen warten was vielleicht gar nicht mehr kommen würde. Er griff er nach dem  Smartphone, seine Finger hatten schon die ersten zwei Zahlen des Entsperrcodes eingetippt, der Vorgang war ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er nicht einmal wirklich hingucken musste, doch mitten in der Bewegung verharrte er irritiert. Er wischte noch einmal zurück und sah sich selbst an.
Einen kurzen Moment dachte er, er hätte versehentlich die Kamera aktiviert, aber das konnte nicht sein, der Raum in dem er sich befand lag im Halbdunkeln und war ein ganz anderer als der auf dem Bild, zudem, wie er bei näherer Betrachtung feststellte, war es schon ein paar Jahre alt. Er konnte sich überhaupt nicht daran erinnern, wann und wo es aufgenommen worden war. Vermutlich irgendein Schnappschuss, ging es ihm durch den Kopf. Seine Frau, oder die Jungs mussten das Hintergrundbild heute Morgen heimlich geändert haben, um ihn zu ärgern. Seltsam, dass ihm das vorhin nicht schon aufgefallen war, überlegte er kurz. Aber er hatte jetzt keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen, er wollte aus diesem Haus kommen.
Er gab den Code ein, vertippte sich und versuchte es ein zweites Mal, doch das Handy entsperrte sich wieder nicht. Er war doch nicht zu doof acht Zahlen einzugeben. Noch einmal, diesmal sehr langsam tippte er die Zahlenfolge 01012010 ein und bestätigte. Wieder falsch.
Er dachte scharf nach, hatte er denn jetzt völlig den Verstand verloren? Er hätte den Code im Schlaf aufsagen können, immerhin war dieses Datum ein sehr einschneidendes für ihn gewesen, niemals hätte er es vergessen können.
Jetzt wurde er allmählich ungehalten, am liebsten hätte er das Scheißding an die Wand geworfen, so sauer war er über sich und die vertrackte Lage in der er gerade steckte. Er wiederholte was er zuvor versucht hatte, diesmal so fest, dass bei jedem drücken des Bildschirms die Farbplatine litt und dort wo er gedrückt hatte einen Moment ein kunterbunter Kreis entstand. Doch der Bildschirm zeigte noch immer dasselbe Bild.
„Verdammt!“ Christian boxte gegen den Türrahmen, und bereute diese kurzzeitige Entgleisung, er hatte impulsiven Handlungen eigentlich vor langer Zeit abgeschworen. „Reiß dich zusammen!“ ermahnte er sich selbst und strich sich über den rechten Mundwinkel, als wolle er sich damit beruhigen. Plötzlich fiel ihm ein, dass er mit dem letzten Update eine Funktion aktiviert hatte, die es ihm ermöglichte einen Notruf abzusetzen ohne dafür das Handy entsperren zu müssen. Wie schon zuvor ärgerte er sich, nun halb belustigt, dass er nicht längst darauf gekommen war. Wieder erweckte er also den Bildschirm zum Leben und wieder erschien das Feld zur Codeeingabe. Sein Daumen war bereits in der unteren linken Ecke angekommen und wollte das kleine Feld „Notruf“ antippen, bloß war da kein Feld mehr.
Entgeistert starrte er auf den Bildschirm. Das konnte überhaupt nicht sein.
„Ich habe doch heute Mittag noch das Handy entsperrt und eine Nachricht verschickt“, sprach er zornig und verzweifelt zugleich mit sich selbst.
Er setzte sich auf den staubigen Boden und betrachtete das Smartphone in seinen Händen. In der oberen rechten Ecke hatte es einen deutlichen Kratzer, der war ihm neu. Er drehte es und sah sich die Rückseite an, dort wo der Schriftzug stand, hätte eine kleine Kerbe sein müssen, doch sie fehlte. Es gab nur eine einzige Erklärung, das Handy welches er in seinen Händen hielt war nicht sein eigenes.
Aber das bedeutete, dass jemand im Haus gewesen sein musste. An der Tür hatte er keine Einbruchsspuren bemerkt, zumindest keine offensichtlichen.
Bei der Vorstellung, dass jemand ohne seine Erlaubnis unbefugt im Haus gewesen sein musste, loderte Wut ihn ihm hoch.
Er aktivierte den Bildschirm erneut und sah nun auch, dass gar keine SIM eingelegt war. Selbst wenn er es irgendwie geschafft hätte das Handy zu entsperren, ohne SIM war kein Notruf mehr möglich, es hatte zu viel Missbrauch gegeben, weswegen die Funktion irgendwann eingestellt worden war.
Christian hätte am liebsten laut geschrien  um seinem Ärger Luft zu machen, aber damit hätte er höchstens ein paar Vögel aufgeschreckt. Er konnte jetzt nur hoffen, dass das Pärchen noch kommen würde, inzwischen war es nämlich kurz nach halb fünf.

Während er wartete, überlegte er wer Bilder von ihm auf dem Handy haben könnte. Möglicherweise jemand, eine sie, vielleicht eine verflossene Liebe, die ihm nachstellte oder nie über ihn hinweg gekommen war. Insgeheim schmeichelte ihm die Vorstellung sogar, aber all das half nicht weiter.
„Denk nach“, schärfte er sich das x-te Mal ein und warf das Handy nun tatsächlich wütend in die Ecke.
Sein Blick fiel auf das vergitterte Fenster. Da es im gesamten Haus kein Werkzeug mehr gab, sah er keine Chance die Gitter zu zerstören.
Vielleicht durch die Kellertür, überlegte Christian, dann müsse er zwar später die kaputte Tür ersetzten, aber das war angesichts seiner Lage wohl das geringere Übel. Er zog sich an der Fensterbank hoch und lief zur Kellertreppe.
Vorsichtig stieg er die dunklen Stufen hinab, er dufte auf keinen Fall ausrutschen oder über vergessene Gegenstände stolpern, mit einem gebrochenen Bein oder aufgeplatztem Schädel am Fuße der Treppe, wäre seine Lage noch aussichtsloser als ohnehin schon.
Er tastete sich im Dunkeln die Wand entlang und kam tatsächlich heile unten an. Trotz dessen, dass er die Räumlichkeiten in- und auswendig kannte, stieß er nur wenige Sekunden später unsanft mit der Hüfte gegen den Werkzeugschrank in der Waschküche und fluchte laut.
Vorsichtig ging er weiter, dabei glitt er mit der rechten Hand über den Schrank um sein Ende zu ertasten. Von dort wären es nur noch höchstens drei Schritte und er würde die Tür zum ehemaligen Lagerraum erreichen, der die einzige Außentür im Keller beherbergte.
Plötzlich stieß er gegen irgendetwas auf dem Schrank. Er hob die Hand ein Stück und schob sie wenige Zentimeter nach vorne, wo er den Gegenstand vermutete, den er durch die Bewegung beiseite geschoben hatte. Seine Finger fanden etwas, er nahm es in beide Hände und betastete das längliche Teil.
Christian schätzte es auf ca. 15cm, es war mit Gummi überzogen und fühlte sich an wie eine Taschenlampe. Tatsächlich fand er am vorderen Ende Glas.
Er hatte eigentlich keine Hoffnung, dennoch drückte er den Knopf und wie durch ein Wunder erhellte ein schmaler Lichtkegel den Raum.
Ihm war merkwürdig wie die Taschenlampe dorthin gekommen war, er selbst hatte den Keller vor nicht einmal einem halben Jahr, bis auf die Schränke, vollständig leer geräumt, zudem war ihm die Lampe in seiner Hand völlig fremd.
Definitiv war jemand im Haus gewesen. Er würde sich darum kümmern sobald er frei war, doch vorerst schob er den Gedanken beiseite und widmete sich seinem akuten Problem.
Dank des Lichtes konnte er den Raum nun schell und sicher durchqueren.

Als er die Tür zum Vorratsraum öffnete hätte Licht von draußen in den Raum einfallen müssen, doch dort wo bis vor einem halben Jahr noch die Holztür mit einer Einfassung aus Glas im Rahmen war, befand sich nun eine ziemlich massiv aussehende Tür.
Christian zog scharf den Atem ein als er etwas Rotes auf dem weißen Lack sah. Es war nicht bloß irgendein Geschmier, dort stand in großen Buchstaben etwas geschrieben. Erst als er den Lichtkegel der Taschenlampe so auf die Tür richten konnte, dass sie alles erhellte konnte er die Worte deutlich erkennen: Willkommen in der Hölle!! Darunter stand eine Zahl: 2009
Er stolperte drei Schritte rückwärts und konnte sich gerade so noch fangen. Sein Gesicht hatte jegliche Farbe verloren, zweifellos war er in einen Albtraum geschlittert, anders konnte er sich das nicht erklären. Noch bevor er an der Tür war wusste er, dass er sie nicht würde öffnen können. Aber er musste sich überzeugen, um ganz sicher zu sein.
Die Tür gab nicht nach, er saß in der Falle.
„Verfluchte Scheiße, was läuft hier?“ Angst und Entsetzen überschwemmten ihn gleichermaßen, erst verschaffte sich jemand Zutritt, dann sperrte man ihn ein und nun die Botschaft an der Tür, das war ganz und gar kein Zufall, dessen war er sich absolut sicher. Schnell musste er irgendeinen Weg finden um hier raus zu kommen, aber wie?
Er rannte die Treppe hoch und lief von der untersten Etage bis unters Dach alle Fenster im Haus ab und rüttelte mit aller Kraft an den Gittern, doch er hätte sich die Mühe sparen können. Mit der Taschenlampe in der Hand ging er noch einmal in den Keller, vielleicht hatte er ja doch irgendetwas Nützliches in den Schränken gelassen. Er fand nichts.

Niemand würde ihn vermissen, das ganze Wochenende nicht. Frühestens Dienstag wenn seine Frau mit den Kindern nach Hause käme, das Haus leer und den Familienkater halb verhungert vorfinden würde.
Er war so in Gedanken, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie er wieder ins obere Stockwerk gelaufen war und nun vor dem Badezimmer stand, was er zuvor beide Male ausgelassen hatte. Er öffnete die Tür und fand in der gleichen Farbe wie bereits an der Kellertür Zahlen an der Wand: 13.09.
Christian traute sich nicht zu überprüfen, ob das Rot wirklich Farbe, oder doch etwas anderes war. Er schlug die Tür hinter sich zu und eilte völlig verstört zurück in die Küche. Ihm musste schnell etwas einfallen. Er kramte in den Schränken und Schubladen, aber bis auf Obstmesser und eine Nagelschere fand er auch hier nichts was ihm geholfen hätte. Er ging ans Fenster und lehnte den Kopf gegen die kühle Scheibe, um die aufflackernden Kopfschmerzen zu unterdrücken. Draußen war es inzwischen dunkel geworden, seine Uhr sagte ihm, dass er nun schon seit drei Stunden in diesem gottverdammten Haus eingesperrt war. Und mindestens 90 lagen noch vor ihm, im besten Fall. Er musste durchhalten. Wenn es nur die geringste Chance gab, dass man ihn Dienstag finden würde, so müsste er bis dahin durchhalten. Und hoffen, dass man ihm in der Zwischenzeit keinen Besuch abstatten würde. Er setzte sich in die Ecke und löschte das Licht seiner Taschenlampe, um die Batterien zu schonen.


Samstag

Christian hatte noch lange nach einer Möglichkeit gesucht aus dem Haus zu entkommen, aber alle Überlegungen verliefen im Sande und führten letztlich nur dazu, dass seine Kopfschmerzen unerträglich wurden. Er war noch einmal aufgestanden und hatte in einer der Schubladen gekramt, in die seine Frau früher gerne angebrochene Blister mit Medikamenten gesteckt hatte. Tatsächlich fand er drei abgelaufene Schmerztabletten, er quetschte eine aus der Folie und schluckte sie trocken herunter. Der bittere Geschmack hatte ihm noch lange im Rachen gehangen, da es im ganzen Haus kein Wasser gab. Auch das war vor zwei Jahren abgestellt worden.
Obwohl er sich lange dagegen gewehrt hatte war er irgendwann in der Nacht eingeschlafen.

Er hatte die Augen noch geschlossen, wollte die Realität so lange wie möglich von sich fernhalten. Insgeheim hoffte er, dass er nur einen bösen Albtraum hatte, doch sein schmerzender Rücken an der Wand versicherte ihm, dass es sich hierbei ganz und gar nicht um einen Traum handelte. Christian war  noch schlaftrunken und doch spürte er, dass sich etwas verändert hatte. In der Luft lag ein seltsamer Geruch, er brauchte einen Moment bis er ihn deuten konnte.
Jemand musste, während er geschlafen hatte, im Haus gewesen sein. Er roch eine Mischung aus abgestandenem Tabak und billigem Deo.
Mit noch immer geschlossenen Augen lauschte er in die Stille des Hauses. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er hatte das Gefühl, dass es jeden Moment in seiner Brust zerbersten würde. Er versuchte ruhig zu atmen um die Panik in den Griff zu bekommen. Da er nichts und niemanden hören konnte öffnete er die Augen. Vor ihm auf dem Fußboden lagen etliche Zeitungen, die am Abend zuvor nicht da gewesen waren. Er sah sich im Raum um, ihm gegenüber auf dem Schrank lag ebenfalls etwas. Mit holprigen Beinen stand er auf, stieg über die Zeitungen und sah auf dem Küchenschrank eine Brötchentüte.
Bei dem Anblick kroch das bislang unterdrückte Hungergefühl mit aller Gewalt durch jede noch so kleine Windung seines Magens. Er hatte seit Stunden nichts mehr gegessen oder getrunken. Obwohl die Tüte so verlockend dort lag, fragte sich Christian was für ein makaberes Spiel man hier mit ihm spielte.
Er haderte noch kurz, griff dann aber doch nach der Tüte. Sie war ungewöhnlich leicht, viel zu leicht.
Er öffnete sie und schrie vor, Zorn und Enttäuschung, laut auf.
In der Tüte lagen ein Zettel und ein Taschenspiegel. Christian zerknüllte die Tüte und schmiss sie wütend in den Flur. Er rutschte am Schrank herunter und ließ sich auf den Boden fallen. Wenn sich jemand Zutritt verschafft hatte, noch dazu während er geschlafen hatte und absolut wehrlos war, warum hatte man ihn am Leben gelassen, sich nicht bemerkbar gemacht?
Stattdessen platzierte man nur ein paar nichtssagende Dinge direkt vor seiner Nase. Das ergab doch alles keinen Sinn.
Er hielt es im sitzen nicht mehr aus, stand auf und tigerte durch das Haus.
Unablässig fragte er sich wie lange der Täter ihn wohl noch ungeschoren davon kommen lassen würde, ihm musste ein Weg einfallen zu fliehen, bevor der oder die Täter ihm gegenüberstanden.
Da ihm nichts Besseres einfiel lief er irgendwann resigniert zurück in den Flur und hob die Tüte vom Boden auf. Er griff nach dem Spiegel und betrachtete sich einen Moment selbst, dabei blieb sein Blick an der Narbe im Gesicht hängen.
Er riss sich von seinem Anblick los, warf den Spiegel aufgebracht in die Ecke, wo er zerbrach, und fischte nun auch den Zettel aus der Tüte, auf dem nur vier Ziffern standen: 13.09.
Das waren nicht bloß Zahlen, sie stellten ein Datum dar. Er erinnerte sich an die Tür im Keller. Wenn er alles zusammensetzte ergab sich der 13.09.2009
Der Schweiß lief ihm kalt den Rücken herunter, wozu hatte man sie gleich zweimal so platziert, dass er sie zwingend finden musste?
Plötzlich kam ihm eine Idee. Er holte das Smartphone wieder aus der Ecke im Wohnzimmer, in die er es vor Stunden geworfen hatte. Das Display war an der unteren Ecke gesprungen, doch das tat der Bedienung keinen Abbruch.
Er aktivierte das Gerät und tippte nun den Code 13092009 in das Feld, bestätigte und beobachtete wie der Bildschirm sich veränderte. Das neue Hintergrundbild zeigte wieder ihn, diesmal aber ein anderes Bild. Er wischte über den Bildschirm, viel war nicht auf dem Gerät zu finden, lediglich die üblichen Apps, Kamera, Nachrichten, Einstellungen und Bilder. Er öffnete den letzten Ordner und hätte vor Schreck fast das Handy fallen lassen, es waren nicht viele, aber die allermeisten der Bilder zeigten ihn. Wie konnte das sein? Er sank zu  Boden und scrollte durch die Bilderflut. Eine der Aufnahmen zeigte ein junges Mädchen, das Bild war ziemlich verwackelt. Sie war sehr hübsch, hatte goldenes Haar und freundliche Augen, soweit er das erkennen konnte. Christian überlegte kurz, dunkel flackerte etwas in seiner Erinnerung auf. Er guckte weiter und entdeckte einen abfotografierten Zeitungsartikel, der allerdings fast unmöglich zu lesen war. Die Buchstaben waren zu klein und wurden beim heran zoomen nur unscharf und damit unleserlich.
Ihm fiel der Packen Zeitungen in der Küche wieder ein und so ging er nach nebenan um nachzusehen was es damit auf sich hatte.
Er überflog die ersten paar Ausgaben nur sehr oberflächig. Was ihn wunderte war das Datum der Zeitungen, sie alle waren inzwischen fast 10 Jahre alt.
Er wollte gerade wieder aufstehen, doch sein Blick hatte etwas gestreift was er wiederzuerkennen glaubte. Er hob die halb verdeckte Zeitung auf und sah in die Augen des hübschen jungen Mädchens. Ihr Bild nahm fast das gesamte Titelblatt ein, darunter stand in dicken Buchstaben: Wo ist Miriam?
Christian, dem es durch Mark und Bein gegangen war, dass ihm die Hände zitterten, las sich den Artikel im Inneren der Zeitung durch.
Er erinnerte sich an den Fall, er war in allen Medien rauf und runter gegangen, wochenlang. Miriam B., 21 Jahre alt, war damals von einem Besuch bei der Freundin nicht nach Hause zurückgekommen. Monatelang hatte man nach ihr gesucht, erst sehr viel später wurde sie von Spaziergängern fern ab der elterlichen Wohnung gefunden. Sämtliche Ermittlungen waren damals im Sande zerlaufen weil es keine verwertbaren Beweise und auch keine Zeugenaussagen gab. Er sah sich jetzt auch die anderen Zeitungen genauer an, sie alle handelten von diesem Mädchen.
Christian, überprüfte das Datum ihres Verschwinden, dafür zog er nochmal die erste Zeitung aus dem Packen und las Miriam B., seit dem 13.09.2009 vermisst, noch immer…

Unter dem Artikel stand ein Fünfzeiler, man hatte ein weiteres junges Mädchen tot aufgefunden, bislang hatte man aber ihre Identität nicht ermitteln können.

Christian riss sich von der Zeitung los, er brauchte gar nicht weiter lesen. Morgen würde sich der Todestag zum zehnten Mal jähren, den Täter hatte man bis heute nicht gefasst. Entsetzt sprang er auf.
Derjenige der ihn hier gefangen hielt war der felsenfesten Überzeugung er sei der Mörder dieses Mädchens. Panisch rannte er ins Wohnzimmer und griff sich das Handy. Er musste sich die Bilder noch einmal ansehen, diesmal genauer.
„Aber das ist doch überhaupt nicht möglich“, flüsterte er entsetzt und sank auf den Boden.


Sonntag

Wie ein in die Enge getriebenes Tier hatte Christian nach diesem Schock eine Weile verharrt, untätig irgendetwas zu tun oder zu denken. Er hätte darauf gewettet noch an Ort und Stelle tot umzufallen, so sehr hämmerte sein Herz im Brustkorb. Er versuchte sich zu beruhigen und einen Ausweg aus diesem grauenvollen Martyrium zu finden. In seiner Verzweiflung war er in die Küche gelaufen und hatte sämtliche in der Schublade verbliebenen Küchenmesser geholt, war damit zurück ins Wohnzimmer geeilt und hatte sich daran gemacht die Gitter vor dem Fenster zu bearbeiten. Es war aussichtslos, aber es war besser als untätig herumzusitzen und auf den sicheren Tod zu warten, so viel war sicher.
Erst spät in der Nacht, das Licht der Taschenlampe schwächelte bereits, hatte er aufgegeben. Irgendwann war er total erschöpft eingeschlafen.

Christian träumte ihm würde etwas Schweres auf den Kopf fallen. Gott, lass diese Schmerzen aufhören, dachte er. Doch zu dem Gefühl ihm würde gleich der Kopf platzen, vernahm er nun auch noch ein unerträgliches Ziehen unterhalb seines Rippenbogens. Der Traum, in dem er bis eben noch gesteckt hatte, verschwamm vor seinem inneren Auge.
„Hey, Aufwachen habe ich gesagt!“
Schlagartig war er wach und öffnete die Augen.
Vor ihm standen drei Männer. Er hatte zwar die ganze Zeit gewusst, dass er irgendwann auf jemanden treffen würde und sich schon gewundert, dass man ihm nicht längst einen Besuch abgestattet hatte, dennoch war es etwas anderes sie nun vor sich stehen zu sehen. Die Gefahr lauerte nicht mehr, sie stand ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Er hatte es in den letzten 48 Stunden nicht geschafft aus diesem Haus zu flüchten und nun war es zu spät.

Er versuchte auf die Beine zu kommen, aber seine Hände hingen an irgendetwas fest. Er blickte an sich herunter und sah, dass man ihn im Schlaf an das Heizrohr gefesselt hatte. „Schön, dass wir uns endlich kennen lernen Mr. Heylo.“
Der Mann rechts von ihm hatte gesprochen und klang dabei als wäre dies ein geschäftliches Meeting. Der Fremde hatte ein gepflegtes Äußeres, er trug eine Bluejeans, braune Lederschuhe und ein cremefarbenes Hemd, er hätte auf der Straße als Banker durchgehen können. In der Hand hielt er, wie einer der beiden anderen Männer eine Pistole. Christian schätzte ihn auf Mitte fünfzig.
Er brauchte, angesichts dieser plötzlichen Überraschung einen Moment, fand dann aber seine Sprache wieder. „Hören Sie, das ist ein grauenvoller Irrtum. Sie haben den Falschen!“ Er versuchte die Stimme ruhig zu halten, konnte die Panik aber nicht komplett unterdrücken. Der Mann guckte ihm ungerührt in die Augen. „Wissen Sie…“ sprach er gelangweilt  „Nicht schlimm genug, dass Sie sich an meinem einzigen Kind vergangen haben. Nein, Sie besitzen auch noch die schamlose Dreistigkeit mir frech ins Gesicht zu lügen.“
Christian setzte zum Reden an, doch einer der beiden Handlanger knallte ihm die Pistole auf den Kopf, dass seine Augen vor Schmerz tränten und er das Gefühl hatte Ohnmächtig zu werden. „Halts Maul und sprich nur dann wenn du gefragt wirst.“
„Sachte, sachte. Bring ihn doch nicht gleich um, wir brauchen ihn noch ein bisschen“, dabei klang die Stimme des Mannes so amüsiert, dass es Christian die Nackenhaare aufstellte. Der Schläger zog sich zurück, hielt ihn aber scharf im Blick und die Pistole in der Hand. Nur um etwas zu sagen, fragte Christian „Wer sind Sie?“
„Oh, aber das wissen Sie doch längst, immerhin haben Sie Bekanntschaft mit meiner Tochter gemacht.“  Er lachte, doch seine Augen blieben kalt.
Christians Blick fiel auf den dritten Mann, der sich im Hintergrund hielt, es machte den Anschein, als wäre er nur dabei weil man ihn gezwungen hatte. Christian beschlich das ungute Gefühl den Mann schon einmal gesehen zu haben, aber ihm wollten nicht einfallen wo. Er wandte sich wieder dem Banker zu.
„Sollte das hier ein lustiger Gack sein? fragte er provozierend und nickte auf das Handy was neben ihm lag. Der Mann vor ihm sah ihn einen Moment fragend an. „Es ist das gleiche Handy wie mein eigenes“, half Christian ihm auf die Sprünge.
Der Banker schien ehrlich überrascht. Er zuckte die Achseln und meinte nur „Interessanter Zufall, aber was spielt das schon für eine Rolle.“
„Es gab nie eine Besichtigung, richtig?“
„Oh doch, natürlich“, antwortete der Banker spöttisch. „Andernfalls stünden, Verzeihung, säßen wir heute nicht hier. Sie selbst hatten in den letzten zwei Tagen viel zu besichtigen, immerhin haben wir dafür gesorgt.“
Der Mann spielte auf die Schmierereien, das Handy und die Zeitungen an.
Christian überkam unbändige Wut, er wäre am liebsten auf ihn losgegangen, hätte ihm zu gerne das spöttische Lachen aus dem Gesicht geschlagen, aber saß gefesselt am Boden und hatte keine Chance.
„Wie lange glauben Sie, können Sie mich hier gefangen halten? Meine Frau wird mich längst vermissen.“ Es klang total albern und würde die Männer kaum beeindrucken, das wusste er selbst. „Mr. Heylo, vor Dienstag wird ihre Frau sich nicht allzu viele Sorgen um Sie machen. Das wissen Sie genauso gut wie ich.“
Christian fiel vor Überraschung über diese Worte fast die Kinnlade herunter. „Woher wollen Sie das wissen?“ stammelte er. „Oh, Sie selbst haben es uns erzählt“, lachte der Mann hämisch. Christian dachte scharf nach und dann fiel es ihm plötzlich ein. Der Mann sprach die Wahrheit. Als sie vor Wochen den ersten Termin zur Besichtigung ausgemacht hatten, waren sie kurzzeitig in einen Smalltalk über Urlaubsreisen verfallen, dabei hatte er es erwähnt. Nur eine Woche später riefen sie wieder an und verschoben den Termin, mit der Bitte, dass sie an dem Haus sehr interessiert wären, ihnen zeitnah aber nur dieser Termin möglich sei, weil sie erst anreisen müssten.
Christian hatte zwar noch versucht einen anderen Termin auszumachen, dem Mann spaßig erklärt, dass er Frau und Kinder andernfalls alleine in die Schweiz fahren lassen müsse, aber der Mann am Telefon bestand auf diesen Termin und Christian, der das Haus unbedingt schnell verkauft bekommen wollte, hatte den Wurm geschluckt.
Er ärgerte sich jetzt maßlos über sich selbst, da er normalerweise keine privaten Details von sich preis gab, aber woher hätte er denn wissen sollen, dass er mit dieser banalen Information das letzte Puzzleteil an den richtigen Platz gebracht hatte.
„So, und nun sagen Sie mir, wie fanden Sie unsere kleine Inszenierung?“ unterbrach der Mann seine Grübelei, dabei machte er eine ausladende Geste in Richtung Küche. Die Zeit des Geplänkels war vorbei.

„Ich habe nichts mit alledem zu tun“, beteuerte Christian, doch der Mann glaubte ihm kein Wort. „Herrgott, ich kenne Ihre Tochter doch überhaupt nicht!“ Fast schrie er diese Worte, als müsse er sich selbst davon überzeugen, doch er musste sich zügeln. Er saß in einer ziemlich verzwickten Lage und seine Chancen standen gänzlich schlecht. Ein Ausbruch dieser Art würde vermutlich nur dafür sorgen, dass man ihm ein schnelles Ende bereiten würde. Er musste auf Zeit spielen, bis ihm irgendeine Möglichkeit eingefallen war, wenngleich er nicht wusste wie er es mit gleich drei Männern auf einmal aufnehmen sollte.
Erst einmal musste er sich aus diesen Fesseln befreien, irgendwie.
Unauffällig winkelte er sein rechtes Bein an um nach dem Messer zu tasten, welches er sich gestern Abend zur Sicherheit in seine Socke gesteckt hatte. Ein Stich ins Fleisch bestätigte seine Hoffnung, es war noch da. Offenbar hatten sich die Männer gar nicht erst die Mühe gemacht ihn zu durchsuchen, andernfalls wäre das Messer kaum unentdeckt geblieben. Die anderen Messer, die er gestern Abend benutzt hatte, lagen, so vermutete er, noch draußen auf der Fensterbank, die Männer konnten sie nicht sehen. Er verbuchte es als Pluspunkt für sich, eine kleine, aber immerhin eine Hoffnung. Und im Moment war alles besser als nichts.
„Was wollen Sie von mir?“
Die Frage war überflüssig und sogar ziemlich bescheuert, das wusste er selbst, aber er musste irgendetwas tun um Zeit zu gewinnen. Der Banker lief im Raum auf und ab. „Wissen Sie, ich bin der Polizei unendlich dankbar, dass sie den Mörder meiner Tochter nie geschnappt hat. Ich habe mir immer gewünscht Sie zuerst in die Finger zu bekommen.” Dabei lächelte er sein kaltes Lachen. „Heute ist wohl mein Glückstag.“
Hinter seinem Rücken versuchte Christian sich so unauffällig wie möglich aus den Fesseln zu befreien. Man hatte ihm die Hände mit Schnüren verbunden, die ihm nun ins Fleisch schnitten.
Um den Mann abzulenken fragte er „Wie haben Sie es herausgefunden?“
Ein Schatten huschte über Christians Gesicht, doch er fing sich sofort wieder. Was er da gesagt hatte klang zweifelsfrei wie ein Eingeständnis, aber nun war es zu spät die Worte zurückzunehmen. Der Blick des Mannes hatte sich verändert, während Christian sprach, trotzdem antwortete er. „Sie waren nicht ganz so schlau wie Sie vielleicht dachten. Am Tatort fand man keine verwertbaren Spuren, vermutlich war es nicht einmal der Tatort, aber das wissen Sie ja selbst. Es hat lange gedauert und ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, aber dann spielte mir das Glück in die Hände.“ Er genoss sichtlich die herbeigeführte Spannung, durch seine Ankündigung eine sensationelle Neuigkeit zu haben.
Christian hielt den Atem an, während er weiter an seinen Fesseln arbeitete und zuhörte. „Soziale Netzwerke sind etwas tolles, nicht wahr?! Die Polizei hat keinen Zugriff auf private Accounts, ohnehin ging sie ja von einem zufälligen Opfer aus, zur falschen Zeit am falschen Ort. Das war nicht sehr hilfreich.“ Er war unablässig im Raum auf- und abgelaufen, nun blieb er stehen „Glück für dich, Pech für mich, wie man so schön sagt.“ Der Mann sah Christian jetzt direkt in die Augen. „Als wir ihr Zimmer leer räumten, fand ich allerdings einen Zettel mit all ihren Passwörtern.“ Der Mann hatte zwar ruhig gesprochen, aber in seiner Art zu reden, lag etwas Lauerndes. Er zog die Pistole, die er zwischenzeitlich wieder in den Hosenbund gesteckt hatte, und ging direkt auf Christian zu. Nur einen halben Meter vor ihm blieb er stehen.
„Zwischen all den Nachrichten fand ich Ihre hässliche Fratze. Sie haben sie bedrängt, regelrecht angebettelt, weil sie es nicht ertragen haben, dass ihre Avancen im Sande zerlaufen sind. Hat wohl mächtig an ihrem Stolz genagt, was?“ Er pausierte und wartete scheinbar auf eine Reaktion, doch Christian wusste nicht was er sagen sollte, ohne die Sache schlimmer zu machen. Er sah den Zeigefinger des Mannes am Auslöser und wusste, dass er bald tun würde was er tun musste.
Der Mann sprach weiter. „Zufällig, ja, rein zufällig waren es auch Sie, der sich am 13.09.2009 mit ihr getroffen hat.”
„Verdammt ich war´s nicht“, flüsterte Christian halb verzweifelt halb resigniert.
„Beinahe wären Sie entkommen. Aber eben nur beinahe.“
Der Mann entsicherte die Waffe und richtete sie auf ihn. „Sie hätten es damals besser dabei bewenden lassen sollen.“ Mit einer Handbewegung forderte er die zwei Männer, die die ganze Zeit im Hintergrund gestanden hatten auf näher zu kommen. „Das Internet vergisst nicht. Und ich auch nicht!“
„Hören Sie, ich war es nicht!“ Christian sah nur eine Chance den Mann vielleicht noch vom Gegenteil zu überzeugen. „Sehen Sie sich die Bilder an, verdammt. Gucken Sie doch mal genauer hin.“ Er war wütend und verzweifelt zugleich, so blind konnte man doch unmöglich sein. Mit dem Fuß kickte er das Handy in seine Richtung, wollte ihn zwingen das Gerät zu entsperren und sich die Aufnahmen anzusehen. Tatsächlich hob der Mann das Handy auf, drehte es in seiner Hand und ließ es dann achtlos vor Christians Füße auf den Boden fallen. „Das ist ja eine nette kleine Fantasterei die Sie sich da erschaffen haben. Überzeugt mich bloß nicht.“
Er nickte seinem Gehilfen zu „Holt ihn auf die Beine.“
„Bitte, ich schwöre Ihnen, ich habe nichts damit zu tun!“ schrie Christian hysterisch. Die beiden Männer taten wie geheißen und kamen hinter dem Banker hervor auf ihn zu. Christian trat dem, der ihm am nächsten war, mit aller Kraft die er aufbringen konnte gegen das Knie, dass es den Mann von den Füßen riss. Der stürzte zu Boden und hielt sich vor Schmerzen das Bein. Der zweite war ausgewichen, kam aber nun mit wutentbranntem Gesicht auf ihn zu und trat ihm in den Magen.
Christian blieb die Luft weg, einen Moment dachte er ihm würde schlecht. Mit seinem rechten Fuß versuchte er den Mann abzuwehren und spürte plötzlich einen stechenden Schmerz oberhalb seines Knöchels. Das Messer was er noch immer in der Socke hatte, musste ihm tief ins Fleisch geschnitten haben, denn Christian sah gerade noch rechtzeitig, dass sich die Jeans rot verfärbte. Schnell versteckte er den Fuß, in dem er sich unter qualvollen Schmerzen, weil das Messer dadurch noch tiefer in die Wunde stach, auf sein Bein setzte.
„Es reicht!“ brüllte der Banker. „Es reicht!“ Der letzte Satz war fast ein Flüstern und trotzdem unmissverständlich. Seine kalten Augen ruhten auf Christian. Er setzte gerade an, hatte den Mund aber noch nicht ganz geöffnet, da durchbrach das Klingeln eines Handys die Stille des Raumes. Der Mann zögerte einen Moment, zog es dann aber doch aus der Tasche. Er gebot den beiden Männern mit einer Handbewegung zu warten und verließ den Raum.
Christian überlegte zu schreien, irgendetwas zu tun, so dass, wer auch immer am anderen Ende des Handys war, ihn hören möge. Als hätte der Mann, den er eben zu Fall gebracht hatte, seine Gedanken gelesen sprach er „Wag es nicht, oder ich töte dich noch auf der Stelle.“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen entsicherte er die Waffe und richtete sie auf ihn.
„Lassen Sie…“ weiter kam Christian nicht, da trat ihm der zweite Mann gegen den Oberarm. „Halt die Schnauze, verdammt“, zischte er wütend.
Fast im selben Augenblick kam der Banker zurück, seine Augen ruhten einem Moment auf der Szene, dann verkündete er „Das hier muss warten, wir haben eine dringendere Aufgabe.“ Der Mann, der während des Telefonats die Pistole auf Christian gerichtet hatte, drehte sich um. „Sir, was ist mit dem hier?“
„Der läuft uns nicht weg, wir kümmern uns später darum. Los, beeilt euch!“
Der Mann sicherte die Waffe, steckte sie in den Bund seiner Jeans und humpelte mühsam aus dem Raum, die anderen beiden folgten ihm.
Im Türrahmen drehte der Banker sich noch einmal um und verkündete, „Muss wohl Ihr Glückstag sein.“

Christian hörte wie die Wohnungstür abgeschlossen wurde und ein Auto vom Hof fuhr. Er wartete gar nicht erst ab, sondern begann augenblicklich an seinen Fesseln zu arbeiten.
Er hatte keine Ahnung wie lange die Männer fort sein würden, sicher war nur, dass sie irgendwann wiederkommen und ihn töten würden.
Mit dem linken Fuß versuchte er das rechte Hosenbein hoch zuschieben, um an das Messer in der Socke zu gelangen. Nach einer gefühlten Ewigkeit fiel es endlich klappernd zu Boden, er musste es jetzt nur noch in die Nähe seiner Hände bekommen. Sein ganzer Körper schrie vor Schmerzen, aber schließlich schaffte er das Messer so zu positionieren, dass er es greifen konnte. Vorsichtig schob er er zwischen seine Handgelenke und begann den Strick damit zu bearbeiten. Die Prozedur war äußerst mühselig, doch irgendwann riss das Band um seine rechte Hand. Die linke Hand schaffte er jetzt schneller frei zu schneiden, der Strick fiel zu Boden und Christian war frei.
Er sprang auf die Beine und wäre fast wieder zu Boden gesunken, weil ihm schwarz vor Augen wurde. Mit den Händen stützte er sich an die Wand und wartete bis die Welt um ihn herum allmählich wieder Gestalt annahm.
In der Küche sind noch zwei Schmerztabletten, schoss es ihm durch den Kopf.  Er eilte rüber, fischte sie aus der Schublade und nahm gleich beide auf einmal. Sein Hals war inzwischen so trocken, dass sie im Rachen kleben blieben und er sie kaum runter schlucken konnte. Er sah auf seine gesprungene Armbanduhr, es war fast halb sechs, mit Glück blieb ihm zwei Stunden, vielleicht mehr, er konnte es nicht abschätzen. Noch einmal lief er im Haus durch alle Räume und sah in die verbliebenen Schränke. „Es muss doch irgendetwas geben, verdammt“, fluchte er verzweifelt.
“Herrgott was würdest du tun?” sprach er zu sich selbst und fuhr sich mit den Fingern über den Mund.
Er sprintete die Stufen nach oben ins elterliche Schlafzimmer, öffnete gerade die Tür des Wandschranks, als er mitten in der Bewegung stockte. Es gab vielleicht noch eine Möglichkeit, eine einzige. Er musste es versuchen.
So schnell er konnte rannte er in den Flur, von dort die Treppe hinunter. Auf der vorletzten Stufe rutschte er aus und schlug, mit dem Kopf voran, auf den Fliesen im Flur auf.

„Mr. Blade, wir sind fertig. War das alles?“
„Ja Thilo.“
Der Mann hatte gerade telefoniert und steckte nun das Handy in die Tasche seiner Jeans. „Was ist mit dem Typen im Haus?“ fragte Thilo.
„Um den kümmere ich mich jetzt. Sag Dan Bescheid, wir machen uns direkt wieder auf den Weg.“
„Sir, ich glaube er fällt heute Abend aus. Sein Bein“, fügte er entschuldigend hinzu. Dan kam gerade um die Ecke gehumpelt.
„Bist du einsatzbereit?“
Glaub nicht, Sir.“ Schwer atmend stützte er sich am Wagen ab um das Gleichgewicht zu halten. „Kümmere dich darum!“ befahl er Thilo. „Und dann kommst du hierher zurück. Ich bin im Büro. Und beeil dich!“
„Ja Sir!“
Mr. Blade schritt davon.

 

Christian kam langsam wieder zu sich. Er brauchte einen Moment um zu registrieren wo und wer er war. Vorsichtig setzte er sich auf und betastete seinen Kopf. An der Stirn fühlte er getrocknetes Blut und wischte es verärgert mit dem Ärmel weg. Ihm war furchtbar schlecht, am liebsten wäre er einfach sitzen geblieben, aber er musste es schaffen aus dem Haus zu kommen.
Er rappelte er sich auf und ging ins Wohnzimmer, wo er die am Boden liegende Taschenlampe und auch das Handy aufsammelte, er würde beides brauchen. Mit zwei Schritten war er am Fenster, die Messer lagen noch immer draußen auf dem Fensterbrett. Er nahm sie an sich und schob sie in die hintere Hosentasche, während er dagegen ankämpfte das Bewusstsein zu verlieren. Irgendwie schaffte er es bis an die Kellertür. Weil er Angst hatte zu stürzen, setzte er sich und rutschte Stufe für Stufe nach unten. Erst im Keller schaltete er die Taschenlampe am Handy an.
So schnell sein Zustand es erlaubte lief er in die Waschküche. Dort angekommen positionierte er das Handy an der gegenüberliegenden Wand, dass es den gesamten Raum erhellte. Dann machte er sich daran den massiven Werkzeugschrank von der Wand abzurücken. Trotz dessen, dass er leer war, war er unglaublich schwer. Nur Zentimeter um Zentimeter kam er voran, er musste sich beeilen.
Plötzlich hielt er inne, von oben meinte er ein Geräusch gehört zu haben. Er lauschte, doch im Erdgeschoss rührte sich nichts. Mit rasendem Puls machte er sich wieder an die Arbeit. Nach über einer halben Stunde sank er erschöpft auf den Schrank, der erste Teil war geschafft.
Unter dem Schrank waren in den Steinboden, auf einer Länge von 40x40cm, Holzlatten eingelassen worden. Christian versuchte sie anzuheben, aber sie waren verkeilt und auch nach mehrmaligem rütteln und ziehen wollten sie sich nicht lösen. Er versuchte das Brett zu zertreten, aber es war zu kurz und zu dick, weshalb es nicht nachgab.
Der Weg nach draußen lag zu seinen Füßen und war doch versperrt.

Das Handy klingelte, Mr. Blade sah, dass es Thilo war, der ihn anrief. „Ja?“
„Wir können Sir. Ich stehe draußen am Auto“, kam es vom anderen Ende der Leitung. „Ich komme“, er legte auf und sah auf die Uhr auf seinem Schreibtisch, halb acht. In nicht einmal einer Stunde würde es keinen Mr. Heylo mehr geben.
Er stand auf, löschte das Licht im Raum und verließ das Gebäude.

Christian war gerade wieder am Treppenabsatz angekommen, in der Küche hatte er ein Brettchen im Schrank gefunden. Er wollte versuchen es als Hebel zu benutzen um wenigstens eine der Latten lösen zu können. Doch schon beim ersten Versuch brach es entzwei.
„Verdammte Scheiße ich will hier raus“, schrie er wütend. Dabei trat er gegen den Schrank und schmiss die Hälfte des Brettchens, die er noch in der Hand hatte, durch den Raum. Sie knallte an die gegenüberliegende Wand und fiel zu Boden. Er musste sich beherrschen nicht völlig auszuflippen.
Die abgebrochene Hälfte, die nur wenige Zentimeter von ihm entfernt lag, hob er auf und versuchte es erneut. Tatsächlich ließ sich diesmal eine der Holzlatten einen Spalt anheben. Schnell griff er mit den Fingern in die Mulde und zog mit aller Kraft an dem Brett. Endlich löste es sich.
Christian griff nach den anderen Brettern um sie aus der Vertiefung zu heben und nun lag das Loch unter ihm frei.
Ein Kanalrohr, das aus alten Zeiten stammte und ihn auf direktem Wege nach draußen führen würde. Es war gerade breit genug einen schmalen Mann hindurch zu lassen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass die Männer seit über zwei Stunden weg waren. Er spürte, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb und so holte er das Handy von der Wand und steckte es zu den Messern in die Hosentasche. Die Taschenlampe schaltete er wieder ein, klemmte sie in den Mund und kroch, mit dem Kopf voran in die Dunkelheit.

Der schwarze Wagen fuhr gerade um die Kurve, die Scheinwerfer berührten schon das Schild welches den Abzweig zur Zufahrtsstraße in fünf Kilometer ankündigte. In wenigen Minuten würden sie da sein und dann konnte er endlich mit dem Mann abrechnen, für all seine Lügen und das Vergehen an seiner Tochter.

Christian nahm noch einmal alle Kraft zusammen um die Steinplatte über sich anzuheben. Er schaffte es sie beiseite zu schieben und konnte sich an die Oberfläche ziehen. Er war jetzt gut 200m vom Haus entfernt. Die Lampe in seiner Hand spendete hier draußen nicht genügend Licht, zumal die Batterien immer schwächer wurden, weshalb er sie ausschaltete und stattdessen die Taschenlampe des Handys anmachte. Der Akkustand war auf 38% gefallen, lange würde er gewiss nicht mehr reichen. So schnell er konnte rannte er zu seinem Auto. Er musste unbedingt sein Handy vom Beifahrersitz bekommen um Hilfe zu rufen.
Er kam auf dem Hof an und stellte mit Erleichterung fest, dass sein Auto noch immer dort geparkt stand, wo er selbst es vor zwei Tagen abgestellt hatte. Da er den Autoschlüssel, zusammen mit dem Haustürschlüssel bei den drei Männern wusste, bückte er sich und hob einen der dicken Begrenzungssteine auf. Das Handy musste er jetzt mit seinen Lippen halten, da der Stein zu schwer war, als dass er ihn mit einer Hand hätte tragen können.
Am Auto angekommen, warf er die Seitenscheibe ein, nahm das Handy aus dem Mund und leuchtete ins Innere des Wagens. Zu seiner Verwunderung lagen all seine Sachen vollständig auf dem Beifahrersitz.
Dass die Männer so leichtfertig alles an Ort und Stelle gelassen hatten was ihm helfen könnte, sogar die Messer in der Küche, erstaunte ihn kurz.
Er griff durch das Fenster nach seinem Jackett und durchsuchte beide Taschen nach seinem Handy, doch er fand es nicht. Es musste da sein, er hatte es schließlich eingesteckt. Er leuchtete in den Fußraum, womöglich war es runter gefallen, aber auch dort fand er nicht was er suchte. Da all seine Sachen da waren, und er sicher war es mitgenommen zu haben, kam er zu dem Entschluss, dass die Männer sein Handy haben mussten, doch wann sollten sie es ihm abgenommen haben?
„Du verfluchter Mistkerl“, zischte er leise. Er wusste jetzt warum sich niemand die Mühe gemacht und ihn kontrolliert hatte und auch warum einer der Männer ihm so bekannt vorgekommen war. Er hatte ihn Freitag auf dem Parkplatz getroffen, der Mann hatte ihm das Handy gestohlen, nur so hatten sie sichergehen können, dass er niemanden zu Hilfe holen konnte.
Christian überlegte nicht lange. Eilig zog er die Hand aus dem Fenster, dabei schnitt ihm das zerbrochene Glas in seinen Unterarm, was mit einem warmen Rinnsal, der ihm nun über die Hand lief, quittiert wurde. Er wischte das Blut an seiner Jeans ab und rannte zur Zufahrtsstraße.
In nicht einmal zwei Kilometern mündete sie an der Hauptstraße, von dort würde er hoffentlich Hilfe holen können.
Er hatte erst wenige Meter geschafft, als er aus der Ferne Scheinwerfer herannahen sah, sofort verdeckte er das Licht des Handys und schaltete es aus. Er hastete ein Stück in den Wald, lief von dort dem Auto entgegen. Erst als es ihn fast erreicht hatte, versteckte er sich gebückt hinter einem dicken Baum und betete, man möge ihn nicht gesehen haben und vorbei fahren.
Der Wagen passierte die Stelle an der er stand. Christian wartete nur einen kurzen Augenblick, dann rannte er los. Dabei musste er aufpassen, nicht über das Unterholz oder herum liegende Äste zu stolpern, was ohne Licht schier unmöglich war. Er
vertrat sich auf einem der Äste und konnte den Sturz nur dank des Baumes neben ihm in letzter Sekunde abfangen.
Hinter sich hörte er eine Autotür zuschlagen und blieb stehen um sich nicht zu verraten. Er konnte sehen wie keine 300m von ihm entfernt das Licht anging und zwei Männer zur Haustür schritten. Sie schlossen die Tür auf und traten ein.
Ihm blieben nur Sekunden, jeden Moment würden sie sein Fehlen bemerken. Er zog das Handy aus der Tasche, ungeachtet des Risikos schaltete er die Lampe wieder ein und rannte um sein Leben.

Mr. Blade warf die Zigarette achtlos in den Flur und trat sie aus.
Mit der Taschenlampe in der Hand lief er Thilo hinterher, der war kaum an der Wohnzimmertür angekommen als er sich verwundert zu Mr. Blade umdrehte, „Sir, er ist weg!“
„Was? Aus dem Weg“, herrschte er ihn an, schob ihn grob beiseite und sah selbst in den leeren Raum.
Nur, die in der Ecke liegenden Überreste der einstigen Fesseln gaben Aufschluss darüber, dass dort bis vor kurzem jemand gesessen haben musste.
„Er kann nicht weit gekommen sein. Such ihn!“
Er hörte wie Thilo, während er die Treppe hoch rannte, rief „Komm raus du Scheißkerl, jetzt bist du fällig.“  Mr. Blade suchte derweil die unteren Räume ab, der Mann musste im Haus sein und lange würde er sich nicht verstecken können. Er zog die Pistole und hielt sie bereit. Er war im Türrahmen zum angrenzenden Flur angekommen, als der Lichtschein seiner Taschenlampe etwas Dunkles am Boden streifte. Als er auf die Stelle leuchtete fand er Blutspuren, sie zogen sich vom Wohnzimmer durch den Flur, und von dort ins Obergeschoss.
Vor dem Treppenabsatz war eine kreisrunde Lache.
„Mr. Blade“, rief Thilo gerade von oben „Hier ist er nicht.“
„Such im Keller nach ihm verdammt.“ Der Mann eilte die Stufen an ihm vorbei in den Keller und kaum, dass er unten angekommen war rief er entsetzt, „Sir! Mr. Blade, er ist abgehauen. Durch ein verstecktes Kanalrohr.“
„Verfluchte Scheiße“, brüllte Mr. Blade und trat mit einer Wucht gegen die Wohnungstür, dass Putz von der Decke herab rieselte.
Thilo der gerade wieder oben angekommen war öffnete die Wohnungstür und sprang ins Freie.
„Finde ihn“, brüllte Mr. Blade ihn an und trat selbst ins Freie.

Christian hatte es noch keine 500m weit geschafft als er hinter sich die Haustür aufschlagen hörte. Schnell verdeckte er das Licht des Handys um nicht seinen Standort preiszugeben. Der Mann brüllte gerade „Finde ihn“, während Christian versuchte so schnell und leise wie es irgendwie möglich war voran zu kommen. Er musste nur etwas Abstand zwischen sich und die Männer bringen, dann könnte er auf die Straße und von dort schneller rennen.
Hinter ihm hörte er einen Ast knacken, den einer der Männer zertreten haben musste.

Mr. Blade war in den Wald gelaufen, garantiert würde der Mistkerl versuchen sich dort zu verstecken. Er hatte die Taschenlampe ausgemacht, damit er ihn nicht sehen und aus dem Hinterhalt überraschen konnte. Er sah nun selbst auch nichts mehr, aber nur etwa 50m links von sich hörte er plötzlich etwas knacken. Er blieb stehen und lauschte. Im Unterholz hörte er eindeutig ein rascheln. „Jetzt hab ich dich“, flüsterte er, zog die Waffe und richtete sie in die dunkle Nacht. Er lauschte noch einmal, versuchte die Richtung genauer auszumachen. Da war es wieder.
Er schoss zweimal in die Richtung und hörte einen schmerzerfüllten Schrei, dann schlug etwas hart auf den Waldboden auf.

Christian war lang hin geflogen. Er hatte ungeheure Schmerzen und fühlte etwas Warmes an seinem Bauch. Er brauchte sich nicht erst vergewissern, er wusste auch so, dass er stark blutete.
Einer der Männer hatte geschossen und Christian, der vor Schreck nicht mehr auf den Weg geachtet hatte, war mit dem Fuß in einer Baumwurzel hängen geblieben, gestürzt und dabei auf abgebrochenen Ästen gelandet, die sich durch sein Hemd in den Bauch gebohrt hatten. Etwa 200m hinter sich hörte er den Banker triumphierend rufen, „Thilo, komm her, ich hab ihn!“
Keine Antwort.
Das rascheln des Laubes sagte Christian, dass der Mann näher kam. Er blickte über die Schulter und sah einen Lichtkegel rechts von sich, suchend über den Waldboden hüpfen.
Er musste sofort hier weg. Wenn der Mann feststellen würde, dass nicht er, Christian, dort am Waldboden lag, er wollte sich den Rest gar nicht ausmalen. So leise er konnte stand er auf. Im Wald würde er keine zehn Schritte mehr weit kommen, der Mann war ihm inzwischen zu dicht auf den Fersen und würde ihn sofort hören.
Auf die Straße, ich muss auf die Straße, wie bei einer Schallplatte kreisten diese Worte immer und immer wieder in seinem Kopf.
„Thilo?” Der Mann rief nach seinem Gehilfen „Verflucht, wo bist du?“
Christian nutze seine Chance und hechtete los, bis zur Straße waren es vielleicht 10m, tiefer war er nicht in den Wald hineingegangen. Er fühlte gerade den Asphalt unter den Füßen, als der Banker hinter ihm wütend aufschrie.

Mr. Blade hatte sich der Stelle genähert wo er den Mann niedergeschossen hatte. Mit der Taschenlampe leuchtete er den Boden ab und fand nur 5m vor sich ein paar Füße. Er trat heran um zu gucken ob der Mann noch lebte, eigentlich hatte er ihm kein so schnelles Ende bereiten wollen, er hätte ihm noch viel zu sagen gehabt, aber vielleicht war es besser so.
Er leuchtete am Körper des Mannes entlang und schrie wutentbrannt auf. Dort lag nicht der Mörder seiner Tochter, sondern Thilo. Er hatte jetzt keine Zeit sich zu vergewissern, ob dieser noch lebte, stattdessen leuchtete er mit seiner Taschenlampe die Umgebung ab, konnte aber nicht viel erkennen.
Doch dann sah er in der Ferne eine Silhouette im Mondschein, die davon lief. Freudige Erregung brannte in ihm auf, jetzt würde er mit dem Mann abrechnen.
Er rannte los und hatte die ersten 100m schnell hinter sich gebracht.

Christian kam kaum vorwärts, sein Körper hatte in den letzten Stunden so viel durchmachen müssen, dass er jetzt kaum noch zu Leistungen fähig war, da half auch all das Adrenalin nichts, was durch ihn hindurch strömte.
Er hörte wie hinter ihm Schritte sehr schnell näher kamen. Zugleich sah er durch die Bäume hindurch auf der Landstraße Blaulichter.
Gott mögen sie hierher kommen, bitte, flehte er.
Der Mann hatte ihn fast erreicht, Christian wusste, dass er ihm nicht mehr entkommen konnte. Er zog das Handy aus der Hose, aktivierte die Taschenlampe und leuchtete den Waldrand ab. Sofort fand er wonach er suchte und beeilte sich einen großen Ast aufzuheben, der Mann war jetzt höchstens noch 15m von ihm entfernt. Christian drehte sich um, lief dem Mann entgegen und bevor der wirklich realisiert hatte wie ihm geschah, schlug er ihm den Ast entgegen. Die Hand die der Mann gerade mit der Pistole erhoben hatte, wehrte den Schlag ab. Dabei feuerte er einen Schuss ab und traf Christian an der linken Schulter. Durch die Wucht des Schlags fiel ihm die Pistole aus der Hand und er selbst sank zu Boden.
Auch Christian war in die Knie gegangen, stand aber sofort wieder auf, als er sah, dass die Finger des Mannes nach der Pistole oberhalb seines Kopfes suchten.
Mit zwei Schritten war er da und trat die Pistole in den Wald.
In der Ferne sah er das Blaulicht über die Zufahrtsstraße näher kommen, nur Augenblicke später kam ein Polizeiwagen vor ihm zum stehen.
Ohnmächtig sank er zu Boden.


Im Krankenhaus

Melanie, Christians Frau, kam zur Tür herein und stürmte auf ihn zu.
„Schatz, dem Himmel sein Dank!“
Sie küsste ihn auf die Stirn und sah besorgt in sein Gesicht.
„Ich bin dir so unendlich dankbar“, flüsterte Christian, „Wärst du nicht früher nach Hause gekommen…“ er brach ab, unfähig weiter zu sprechen. Der Polizeibeamte hatte ihm gestern Abend, kurz nachdem Christian wieder zu sich gekommen war, erzählt, dass seine Frau wegen des kranken Sohnes bereits Sonntagmorgen zurückgekehrt sei. Zu Hause fand sie den Kater, der seit Tagen nicht versorgt war, zudem habe Christian weder auf ihre Nachrichten, noch auf ihre Anrufe reagiert. Nachdem er auch bis zum Abend nicht nach Hause gekommen war, habe sie über Handy den Standort von Christians Handy im Wald am Elternhaus ausgemacht, woraufhin sie die Polizei alarmiert hatte. Tatsächlich hatten die Beamten wenig später Christians Handy im Wald gefunden, die Männer müssen sich dessen dort entledigt haben. Es lag nun, zusammen mit den gestohlenen Schlüsseln auf dem Schränkchen neben seinem Bett.
„Was wollten diese Männer von dir, Christian?“
Er erzählte ihr von dem Mädchen und alles was sich in den letzten Stunden abgespielt hatte, auch dass er selbst dafür gesorgt hatte, dass die Männer ihren Plan letztlich problemlos umsetzen konnten.
Sie sah in zutiefst erschrocken an, in ihren Augen lagen Unsicherheit und Angst, sie verstand nicht, aber wie konnte sie auch. Christian haderte einen Moment, gedankenverloren strich er sich über den rechten Mundwinkel, dann entschied er sich, sein Schweigen zu brechen.
Er öffnete die Schublade des Nachtschranks und holte das fremde Handy hervor.
Als Beweismittel hätte er es längst der Polizei übergeben müssen, doch es war gut, dass er es noch hatte. Er gab den Code ein, öffnete den Ordner mit den Bildern, wählte eines aus und hielt das Handy seiner Frau hin. „Hier sieh selbst.“ forderte er sie auf.
Sie nahm es ihm aus der Hand und betrachtete einen Moment überrascht das Bild. Dann blickte sie auf und ließ ihre Augen über sein Gesicht wandern, an den Lippen blieb ihr Blick schließlich hängen. Noch einmal sah sie auf das Handy, bevor sie zögernd sagte, „Das bist nicht du.“
Erleichtert atmete Christian auf. „Nein, das ist Cedric, mein Zwillingsbruder. Und nur das Muttermal im Mundwinkel unterscheidet uns.“
„Aber, wie…“ sie betrachtete das Bild eingehend und suchte die richtigen Worte, fand sie jedoch nicht.  „Mein Bruder war immer schon besonders.“ Seine Gesichtszüge verzerrten sich einen Moment und etwas Dunkles flackerte in seinen Augen auf, Melanie nahm es nur kurz wahr, da war es schon wieder verschwunden.
„Er wuchs in einer Pflegefamilie auf, hat sich später von der eigenen Familie losgesagt. Niemand hat je wieder von ihm gehört.“
„Warum hast du den Männern das nicht gesagt?“ fragte sie verblüfft. Er ließ ihre Frage offen im Raum stehen und strich sich stattdessen unentwegt über die Narbe im Gesicht.
Melanie setzte erneut an: „Schatz ich verstehe nicht? Warum du?“
„Weißt du, Cedric wäre ein guter Schauspieler geworden, irgendwann muss aus dem Spiel wohl Realität geworden sein“, antwortete er nachdenklich und nahm ihr das Handy aus der Hand. Er hatte es gerade in die Schublade zurückgelegt, da wurde die Tür zum Krankenzimmer schwungvoll aufgestoßen, herein kamen vier Polizeibeamte.

„Mr. Heylo, Sie sind verhaftet, wegen Mordes an Miriam Blade und Amy Siltex.“
„Herrgott, nicht auch noch Sie“, entgegnete Christian überrascht und herablassend zugleich. „Ich bin nicht der Mann den Sie suchen. Machen Sie ihre Arbeit gefälligst richtig.“ Melanie war aufgesprungen, hatte sich schützend vor das Bett ihres Mannes gestellt. „Hören Sie, es war sein Zwillingsbruder, nicht er.“
„Das hätten wir auch zu gerne geglaubt Mrs. Heylo, aber sein Zwillingsbruder, Christian Heylo, ist bereits vor über 10 Jahren verstorben wie uns Mr. Blade, sein ehemaliger Firmenpartner mitteilte. Wir haben es in den Akten überprüft. Der Mann dort ist Cedric Heylo.“
Cedric war leichenblass geworden. „Wie?“ fragte er fast mechanisch.
„Mr. Blade hat über alte Bekannte von Ihnen Bilder im Netz gefunden, auf denen Sie eindeutig zu erkennen sind.“
Cedric fielen die ihm unbekannten Bilder auf dem Handy ein, die mit dem Muttermal über die er so entsetzt war.
„Sie haben sauber gearbeitet, aber Fingerabdrücke und DNA-Spuren hinterlässt man fast immer unbemerkt. Wir hatten Sie aufbewahrt und konnten Sie mithilfe moderner Technik nun analysieren. Dank der Fingerabdrücke, die wir gestern Abend von Ihnen genommen haben sind Sie zweifelsfrei identifiziert. Festnehmen“, ordnete er an.

Cedric gab sich nicht mehr die Mühe sich  zu wehren, am 01.01.2010 hatte er mit seiner alten Vergangenheit endgültig abgeschlossen und nun war er aufgeflogen. Seine sichere Fassade, sein Ideal, seit Jahren erfolgreich gelebt war endgültig zerstört, es gab keinen Christian Heylo mehr und damit keinen Cedric dem man die Vergehen in die Schuhe schieben konnte.
Da war er wieder, der schwache, unfähige Cedric aus der Vergangenheit, nichts wert, von niemandem, außer seinen Pflegeeltern verstanden und geliebt.
Bis ins kleinste Detail hatte er sich alles überlegt, gefälschte Urkunden und Pässe, eine sichere Existenz die nur Christian gelebt hätte. Sogar an das verfluchte Muttermal hatte er gedacht, heute zog sich nur noch eine feine Narbe über den rechten Mundwinkel, die zunehmend verblasste. Ohne dieses Muttermal hatte man die Brüder nicht auseinander halten können und nun überführten ihn die eigene Unwissenheit über den Tod des Bruders und Fingerabdrücke.

22 thoughts on “Vertauscht

  1. Mensch! Da hast du mir aber eine spannende Geschichte geliefert! Toll! Du hast sehr detailreich geschrieben und formuliert, wie das Christian sich immer wieder über seine Lippen strich.. das hat mir wirklich gut gefallen! Leider hat sich hin und wieder ein Rechtschreibfehler eingeschlichen, dass mir das Lesen dann etwas erschwert hat. Aber deine Zusammenhänge sind dafür super fließend und mein Puls deutlich erhöht! Danke dafür 🙂

    1. Vielen lieben Dank Lotte,

      freut mich, dass du Spaß beim lesen hattest 😉
      In meiner ersten Version war er tatsächlich unschuldig, aber wegen der Spannung und weil ich plötzliche Wendungen mag, habe ich das Ende dann doch noch abgeändert 🙂

      Ich habe gestern deine Geschichte gelesen und kann dir auch nur mein Lob aussprechen, ich fand sie wirklich sehr gut.
      Mir fällt gerade auch auf, dass ich in meinem Kommentar, unter deiner Geschichte darum bat, dass du doch auch meine liest…tut mir leid, ich hatte, als ich das schrieb, total vergessen, dass du das längst getan hast 😉

      Liebe Grüße

  2. Hallo Sabrina,

    ich habe ein wenig gebraucht, aber jetzt hab ich deine Geschichte durch.
    Den Plot finde ich gut, genauso die Auflösung. Dass der Text an so manchen Stellen noch geschliffen werden musst, glaub ich, weißt du ja selbst. Ein paar Sachen die mir aufgefallen sind, hab ich unten aufgeschrieben, damit du sie änden kannst, wenn du willst.

    Ich muss dir schon alleine wegen deinem Plot ein Like da lassen, weil wir, zwar nicht im Ablauf oder Inhalt, jedoch in der Grundidee sehr nah beeinanderliegen 😉

    Vielleicht hast du ja Zeit und Lust, auch meine Geschichte zu lesen, dann wirst du sehen, was ich meine.

    Ok, nun zu den oben erwähnten Punkten:

    Die Situation in dem Haus im Wald verstand ich nicht ganz. Ich habe mich lange gefragt, wieso dieser Christian einen solchen Stress mit der verschlossenen/blockierten Haustür hat? Hat das Haus keine Fenster, durch die er hinaus hätte klettern können?
    Bis ich dann viel weiter unten zu der Erklärung kam. Vielleicht sollte diese Erklärung früher kommen. Zumal, wenn ich nichts übersehen habe, es für den Plot an sich keine Rolle spielt.

    Hier
    – Noch holprig auf den Beinen stand er auf, …
    hätte ich eher geschrieben
    – Mit wackeligen Beinen ODER Mit zitternden Knien…

    – Er sperrte man ihn ein und dann sorgte man für Nahrung?
    Erst sperrte…

    – Er hielt es im sitzen nicht mehr aus,
    im Sitzen …

    – …den Falschen!“ er versuchte…
    Er versuchte…

    – „Sollte das hier ein lustiger Gack sein? fragte er…
    „Sollte das hier ein lustiger Gag sein?”, fragte er…

    Als grundsätzlichen Hinweis möchte ich noch auf eine andere Sache hinweisen.
    Bei Konstruktionen wie: „Verzeihen Sie, ich habe Sie nicht gesehen.“ entschuldigte er sich…
    werden Sätze anders abgeschlossen.
    – gesehen“, entschuldigte…
    Der Punkt wäre zu setzen, wenn es z.B. so lauten würde: … gesehen.“ Er entschuldigte sich für…
    Oder hier:
    – Er öffnete sie und schrie vor Zorn und Enttäuschung, „Fick dich!“
    Anstatt des Kommas einen Doppelpunkt:
    – Er öffnete sie und schrie vor Zorn und Enttäuschung: „Fick dich!“

    Und auf umgangssprachliche Wörter würde ich verzichten, außer sie stehen innerhalb einer wörtlichen Rede (sprich, zwischen zwei Anführungszeichen) oder wenn sie essenziell für den Text sind (z.B. weil der Erzähler so spricht).
    Ein Beispiel:
    weil er trotz Scheinwerfer keine Handbreit mehr gucken konnte.
    “gucken” ist so ein Wort. Wenn du in der Richtung bleiben willst, könntest du “kucken” verwenden (was ich aber an dieser Stelle ebenso unpassend fände) oder eben gleich auf “sehen, blicken, schauen” etc. gehen. Die würden immer passen.

    Liebe Grüße
    J. D.
    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/das-leben-eines-toten-mannes

    1. Hallo J.D.,

      ich wollte dir schon lange lange geantwortet haben und mich vor allem bedanken, dass du dir so viel Zeit genommen und meine Geschichte quasi auf Herz und Nieren geprüft hast!
      Natürlich ist sie längst nicht perfekt, aber aus Fehlern lernt man ja bekanntlich. Das ein oder andere habe ich, mithilfe deiner Tipps, inzwischen sogar verbessert 😉

      Ich habe gestern dann auch endlich geschafft deine Geschichte zu lesen und finde sie wirklich super.
      Witzig vor allem, dass wir eine sehr ähnliche Idee und letztlich doch so verschiedene Geschichten haben 😉

      Vielen Dank nochmal für deine zahlreichen Tipps und ich freue mich, dass dir meine Geschichte gefallen hat.

  3. Danke für deine Geschichte, zu der ich dir gerne mein Feedback da lasse.

    Titel:
    Den fand ich von Anfang an toll… Während dem Lesen dachte ich “wie offensichtlich, dass sie den falschen haben” und dann kam der Plot – hat mir wirklich gefallen.

    Struktur & Aufbau:
    Die Story ist wirklich spannend und eine richtig gute Idee, aber ich fand es an manchen Stellen etwas zu langatmig. Gerade der Einstieg fiel mir schwer, der hat sich für mich zu sehr gezogen. Wenn du etwas später einsteigst, dann nimmt es gleich mehr Fahrt auf und man ist mehr in der Geschichte gefangen. Z. B. Der Dialog mit der Kollegin – den könnte man für mich weglassen.

    Ich habe mich anfangs auch schwer getan, zu verstehen, warum er in dem Haus gefangen ist.

    Ein paar Absätze würden den Lesefluss vereinfachen 😊

    Ich glaube, wenn du das ganze noch etwas einstampfst, dann ist das eine richtig spannende Geschichte und daraus kann ein ganz tolles Katz- und Maus-Spiel werden. Dass er da in dem Haus fest sitzt und wie er sich selbst entwickelt und das langsam aufgelöst wird, gefällt mir nämlich richtig gut.

    Ich hoffe, das Feedback ist dir nicht zu direkt.

    Liebe Grüße,
    Jenny /madame_papilio (Nur ein kleiner Schlüssel)

    1. Hallo Jenny,

      vielen Dank für dein Feedback und nein, es ist ganz und gar nicht zu direkt.
      Ich finde es super, wenn ich Rückmeldungen bekomme, denn nur so kann ich Fehler ausbessern, oder insgesamt an meinem Schreibstil feilen.
      Es freut mich wirklich, dass dir meine Geschichte gefallen hat und ich freue mich schon deine zu lesen 🙂

      Liebe Grüße Ina

  4. Moin Ina,

    da hast du dir aber ne tolle Kurzgeschichte ausgedacht.

    Starker Plot und der Twist war wirklich klasse.

    Dein Schreibstil ist sehr detailliert und du hast eine tolle Art das Kopfkino einzuschalten.

    Ich hätte mir auch ein etwas anderes Ende gewünscht, aber es ist ja deine Geschichte, nicht meine…😉

    Bzgl Rechtschreibung bin ich der falsche Ansprechpartner, dass dürfen gerne andere übernehmen.
    Ich beurteile eine Geschichte nur danach ob sie mich packt, fesselt und ich der Erzählung folgen kann. Und all diese Punkte sind bei dir gegeben…

    Mein Like lass ich dir gerne da und wünsche dir alles Gute für‘s Voting.

    LG Frank aka leonjoestick ( Geschichte: Der Ponyjäger)

    1. Hi Frank,
      vielen lieben Dank für dein Feedback, es freut mich wirklich, dass dir meine Geschichte gefällt 😉
      Jedes positive Feedback ist unglaublich toll, weil es einfach das größte Lob ist, wenn anderen gefällt was man da aufs Papier gezaubert hat.
      Ich hoffe wirklich, dass ich irgendwann mehr daraus machen kann.

      Rein aus Interesse, was hättest du denn für ein Ende im Kopf gehabt? 😉

      Liebe Grüße Ina

  5. Hallo Ina

    Dir ist eine wirklich gute Geschichte gelungen.
    Meine Gratulation.
    Du kannst sehr stolz auf dich sein.

    Zum Thema Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung ist alles gesagt.
    Achte einfach nur in der Zukunft darauf, deine Geschichten immer von einer weiteren Personen gegenlesen zu lassen.
    Dann ist dieses Problem vom Tisch.
    🙂

    Insgesamt fand ich deine Geschichte wirklich toll, und ich habe sie gerne gelesen.

    Ich wünsche dir und deiner Geschichte alles Gute und viel Erfolg.
    Ich lasse dir sehr gerne ein Like da.

    Viel Spaß und Freude bei deinen weiteren schriftstellerischen Tätigkeiten.

    Liebe Grüße, Swen Artmann
    (Artsneurosia)
    “Die silberne Katze”

  6. Hallo Sabrina,

    ich reihe mich bei meinen Vorkommentierern nahtlos mit ein: Mein Herzchen hast Du! Hab mich gut unterhalten gefühlt.

    Ich wünsche Dir noch viel Erfolg und Herzen hier bei wirschreibenzuhause.

    Wenn Du Zeit und Lust hast, würde ich mich sehr freuen, wenn Du bei mir auch mal vorbeischaust und meine Geschichte liest: https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/und-der-tod-fragte-sich-wer-er-eigentlich-ist

    Liebe Grüße von der Charlie

  7. Hallo Sabrina,

    Erst einmal danke für dein nettes Feedback zu meiner Geschichte „Ende gut?“ , es hat mich sehr gefreut.

    Deine Geschichte hat mir auch sehr gefallen, ich kann mich im Grossen und Ganzen den anderen hier anschließen. Wenn du sie noch ein wenig kürzen würdest, dabei die ein oder andere Szene weglassen, dann wäre es eine tolle Geschichte. Z. B. fand ich den Einstieg etwas irritierend und der hätte für mich weg bleiben können. Aber das ist meine subjektive Meinung.
    Natürlich habe ich ein Like da gelassen und wünsche dir noch viel Erfolg.
    Gruß Monika (monskub)

  8. Liebe Ina,

    wow, du hast wirklich eine lange Geschichte geschrieben, die mir in ihrer Idee sehr gut gefallen hat.
    Allerdings muss ich auch zu ein paar Kritikpunkten kommen (ich werde jetzt nicht nochmal alles wiederholen, sondern nur das, was mir noch zusätzlich aufgefallen ist, sagen).

    Der wichtigste Punkt ist, dass es mir an einigen Stellen etwas zu “konstruiert” gewirkt hat. Oft wirkte es so, dass du die Geschichte gerne in einem abgelegenen Haus schreiben wolltest, dann beim Schreiben gedacht hast “Hey, aber warum klettert er nicht einfach aus einem Fenster?” und genau an der Stelle, wo du es dir gedacht hast, dann eine schnelle Erklärung (Gitter vor dem Fenster) gefunden hast. Das kommt für mich recht unnatürlich daher. Genauso die Stellen, dass das Licht und Wasser abgestellt sind und kein Notruf ohne SIM möglich ist. Du hast versucht, eine aussichtslose Situation darzustellen, aber die hätte noch natürlicher daherkommen können (Kein Empfang durch die abgelegene Lage z.B.). Gerade als erfolgreicher Immobilienmakler hätte er doch sicher dafür gesorgt, dass bei einem Besichtigungstermin zumindest das Licht funktioniert, um sich alle Räume auch bei schlechtem Wetter gut genug anschauen zu können.

    Die Infos, warum, was, wie passiert, hättest du auch ein bisschen nebenbei in die Geschichte einweben können (z.B. mit einem Satz, als er am Haus ankommt “Die Gitter vor den Fenstern hatten Christian noch nie gefallen, allerdings schien der vorherige Besitzer durch die abgelegene Lage große Angst vor Dieben zu haben, die er durch überzogene Sicherheitsmaßnahmen ausgeglichen hatte.”)

    Was ich auch nicht verstehe, ist, warum sie ihn so lange einsperren? Warum warten sie nicht nur 2 Stunden, bis er alle Hinweise gefunden hat, und gehen dann auf ihn los?

    Auch muss ich sagen, dass sie mir persönlich jetzt beim Lesen etwas zu lang war. Ich würde, wie gesagt, einfach die Unterteilung in verschiedene Tage rausstreichen, alles an einem Tag passieren lassen und es so einfach ein bisschen einkürzen. Aber das ist ja deine Geschichte, damit kannst du machen, was du willst 🙂

    Ansonsten muss ich sagen, dass ich deinen Schreibstil in den letzten Teilen wesentlich stärker finde als in den ersten. Du scheinst dich richtig hineingeschrieben zu haben und zeigst in den am Ende dein Talent, eine besondere Stimmung aufzubauen und die Gefühle deines Protagonisten zu vermitteln. Auch der Plottwist am Ende kam überraschend. Bei der Erklärung mit dem Zwilling dachte ich noch “Naja, ist jetzt nichts besonders Ausgefallenes, hätte man mit rechnen können”, bis dann klar wurde, dass es gar nicht der Zwilling war. Wirklich super!

    Dementsprechend würde ich das Ganze noch ein bisschen überarbeiten, straffen und vielleicht am Anfang noch einmal ein paar Formulierungen überdenken, sodass sie vom Stil er noch ein kleines bisschen besser werden 🙂

    Ich hoffe, du kannst mit meinen Tipps etwas anfangen.

    Liebe Grüße,
    Leandra (Versteckspiel)

    1. Hi Leandra,

      es tut mir leid, dass ich jetzt erst dazu komme dir für deinen Kommentar, und vor allem für die Verbesserungsvorschläge zu danken!
      In einem Punkt hast du mich tatsächlich ertappt, ich hatte Christian im Haus eingesperrt, bis mir einfiel, dass er einfach aus dem Fenster kann, und so musste, wie du so schön sagst, eine Erklärung her, weshalb genau dieser Weg keine Option ist 🙂
      Vielen lieben Dank, für deine Anregung und auch für dein Lob.
      Ich werde die Punkte auf jeden Fall noch überarbeiten.

  9. Moin, Ina! Also, zunächst mal: Eine im Grunde sehr gute Geschichte, keine Frage und deswegen gabs auch ein Like von mir. 🙂

    Aaaaber: Jennifer und Leandra haben das schon ausgeführt: Sie hat Längen. Die haben bei mir dazu geführt, dass ich im Mittelteil ein bisschen “quergelesen” habe. Das müsstest Du wirklich straffen. Was ich mich auch die ganze Zeit fragte: Wieso geht der nicht zur Terrassentür raus? Ich mein – die werden ja nicht auch vergittert sein, oder doch? Oder wäre das für den Verlauf einfach zu einfach gewesen 😉 ? Wäre verständlich, aber dann erschiene es sinnvoll, darüber ein Wort zu verlieren.

    Sonst hab ich nichts!
    Kollegiale Grüße!
    Kathrin aka Scripturine / https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/die-nacht-in-der-das-fuerchten-wohnt
    … freu mich über einen Gegenbesuch 🙂

    1. Hi Kathrin,

      da merkt man erst, über was man sich selbst beim schreiben keine Gedanken macht.
      In meinem Kopf war nämlich total klar, dass das Haus keine Terrasse oder einen Balkon hat 🙂

      Vielen Dank für dein ehrliches Feedback!
      Da ich überlege die Geschichte auszuarbeiten werde ich mir deinen, und natürlich auch all die anderen Tipps, zu Herzen nehmen.

      Deine Geschichte habe ich gestern sehr gerne gelesen und fand sie unglaublich stark!

  10. Hey hey, über den letzten Insta-Post von Swen bin ich auf Dich und Deine Geschichte gestoßen und dachte, da lese ich doch noch vorbei 😀 Dein Plot ist tatsächlich sehr fesselnd, ansonsten schließe ich mit Scipturine vor mir an – aber Kee On Writing, das kann echt ne hammergute Geschichte sein 😉

    Anna

    P.S.: Vielleicht willst Du ja auch noch bei mir vorbeilesen? Meine Geschichte ist Die Nachtschicht;-)

    1. Hi Anna,

      vielen lieben Dank für dein Feedback, freut mich wirklich, dass sie dich gefesselt hat.
      Ich überlege tatsächlich sie auszuarbeiten und all die Tipps einfließen zu lassen, die ich hier sammeln konnte 🙂

      Deine Geschichte habe ich kürzlich auch gelesen, und fand sie ebenfalls richtig klasse, ich glaube der Platz im ebook ist dir sicher 🙂

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