KathikiiiWer bin ich – und wenn ja, wie viele?

 

Jener Tag, der mein Leben so veränderte, begann wie beinahe jeder Tag meines Lebens. Bevor mein Unterricht startete, unternahm ich einen ausgiebigen Spaziergang mit meinem Hund „Wester“. Wir liefen ein paar Waldwege entlang und gelangten nach einer Weile zu durch einen geheimen Weg zu einem kleinen Bach, in dem sich Wester gerne abkühlte. Wester war ein ziemlich großer Mischlingsrüde mit wuscheligem Fell, das allerdings seidenweich war. Während er über Steine balancierte, vorbeischwimmende Zweige jagte und mit gebührenden Abstand, schief gelegtem Kopf und skeptischem Blick die Kröten beobachtete, die sich am Ufer sonnten, setzte ich mich auf einen Stein und genoss die Ruhe. Ich ahnte nicht, dass es für eine Weile das letzte Mal war, einen solchen Frieden zu empfinden. Ohne, dass mir dieses Privileg tatsächlich bewusst war, streckte ich meine Beine aus, hielt das Gesicht den ersten Sonnenstrahlen des Tages entgegen, die durch das Blätterdach des Waldes ihren Weg fanden und lauschte dem Vogelgezwitscher. Diese friedliche Melodie wurde plötzlich durch einen schrillen, mir nicht vertrauten Piepton unterbrochen. Das Geräusch schien aus einem Gebüsch hinter mir zu kommen. Erschreckt blickte ich mich um, schob Äste und Blätter auseinander und entdeckte nur wenige Meter hinter mir, auf moosigem Untergrund ein blinkendes Telefon. Ich war zwar immer der Meinung gewesen, dass dieses Plätzchen ausschließlich von mir und Wester besucht wird, doch es war in der Nähe des Waldweges und somit nicht ausgeschlossen, dass sich der ein oder andere Spaziergänger hierher verirrt hatte. Noch während ich mich zwischen das Geäst hindurch zwängte um an das Telefon zu gelangen, beschlich mich eine ganz schreckliche Vorahnung. Ein Gefühl als würde ich beobachtet werden, ein Gefühl der aufsteigenden Panik. Als würde er es spüren, war Wester, innerhalb dem Bruchteil einer Sekunde, an meiner Seite und wedelte aufgeregt. Ich streckte mich nach dem Telefon, griff das Gerät und hatte es plötzlich schrecklich eilig, weg von diesem Platz zu kommen. Mein sicheres kleines Geheimversteck im Wald, war nicht mehr sicher und nicht mehr geheim. Jemand anders hatte es entdeckt. Ich kann im Nachhinein schlecht beschrieben woran es lag, doch in diesem Moment war es, als wäre jemand in meine Wohnung eingebrochen. Ich fühlte mich in der Privatsphäre verletzt und deshalb nicht mehr sicher. Vielleicht war es eine Vorahnung. Eine düstere Vorahnung.

Mit dem Handy in der Hand und Wester an der Seite kletterte ich die Böschung hinauf und lief eilig zu dem Waldweg zurück, der zu jeder Tageszeit von einigen Joggern und Spaziergängern besucht wurde. Kalter Schweiß lief mir über den Rücken, als ich endlich den Weg erreicht hatte und mich auf eine Parkbank fallen ließ. Ich kraulte meinen Hund hinter den Ohren – etwas, dass mich selbst mehr beruhigt als ihn und wartete darauf, dass sich mein Puls verlangsamte. Ich kannte solche Attacken. Sie waren nichts Seltenes, deshalb aber nicht weniger schlimm zu ertragen. Meine Gedanken kreisten automatisch um die Trauerfeier meine Großmutter. So ist das immer, wenn ich eine Panikattacke bekomme. Es kostete mich alle Energie, die ich aufbringen konnte an etwas anderes zu denken. 

Als mein Atem langsamer und ruhiger wurde, stand ich vorsichtig und mit noch wackeligen Knien auf. Ich musste mich beeilen um rechtzeitig zu Hause zu sein. In Zeiten von Pandemien, sind wir Lehrer nämlich nicht weniger gefordert und so begann mein Onlineseminar in knapp 20 Minuten. Das Telefon würde ich nach meinem Unterricht zur Polizeistation bringen. Ich beeilte mich, in meine kleine aber gemütliche Wohnung zu kommen. Ich stellte Wester seinen vollen Napf auf den Boden und er sah mich an, als wäre ich die tollste Person die es auf der ganzen Welt gab – war ich für ihn vermutlich tatsächlich. Wedelnd und schmatzend machte er sich über sein Frühstück her. Ich verschwand ins Badezimmer, putzte meine Zähne, bürstete mir das widerspenstige Haar und setzte mich mit einem Glas und einer Flasche Mineralwasser vor meinen Laptop. Das Gerät hatte ich so platziert, dass man hinter mir das volle Bücherregal erkennen konnte und nicht die verspielte Tapete voller Blumen und Schmetterlinge. Ich loggte mich ein und begrüßte die ersten Schüler. Und dann, war es fast, als wäre ich in der Schule. Ich war so in meinem Element, ich dachte keine Sekunde lang an das Gefühl, dass ich im Wald bekommen hatte. Begeistert erzählte ich von Darvins Evolutionstheorie. Ich brachte Beispiele, zeigte einen kurzen Youtubefilm und diskutierte mit den Schülerinnen darüber, dass auch der Nationalsozialismus auf diese Theorie zurückgegriffen hätte und dass dies gravierende Folgen für Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen mit sich gebracht hatte. An jenem Vormittag hatte ich meine Lieblingsklasse im Unterricht und ich hatte das Gefühl, sie wirklich für die Biologie begeistern zu können. Ich war so in meinem Element, dass ich bei dem Klingelgeräusch, dass plötzlich ertönte, richtiggehend zusammenfuhr. Die Haare in meinem Nacken standen zu Berge und plötzlich fröstelte mir. Ich blickte mich um und, dieses Verhalten blieb nicht unkommentiert von Seiten der Schüler. „Frau Professor, wie war das, mit keinem Handy während dem Unterricht“ las ich in mehr als drei Kommentaren und das brachte mich ein wenig zum Schmunzeln. Mein eigens Telefon hatte ich ausgeschaltet, denn es lag mit schwarzem Display neben mir. Es war also das Telefon, dass ich gefunden hatte und noch in meiner Jackentasche steckte. Ich fingerte das Gerät heraus und versuchte den Anrufer wegzudrücken. Glücklicherweise war mein Seminar schon fast vorbei. Ich versorgte meine Schüler noch mit ein paar Aufgaben, in denen sie das erworbene Wissen festigen konnten und verabschiedete mich von Ihnen. Danach klappte ich meinen Laptop zu, stellte ihn wieder gerade auf den Schreibtisch und schnappte mir nochmal das fremde Telefon. Ich überlegte ob ich die Nummer zurückrufen sollte um es so dem rechtmäßigen Besitzer zukommen zu lassen, entschied mich dann allerdings dagegen. Erst wollte ich wissen, mit wem ich es da zu tun hatte. Wer war die Person, die meinen geheimen Platz im Wald kannte und sich nicht an das Ufer des Baches setzte, sondern im Gebüsch verschanzte? Ich scrollte durch das Menü und öffnete die Galerie. Und dann bekam ich wirklich eine Panikattacke im ausgewachsenen Ausmaß. Die Galerie war voll mit Bildern von mir. Sie zeigten mich mit Wester am Bach, beim Lesen in meinem Ohrensessel, mit einem Bademantel und einer Tasse Kaffee vor dem Kleiderschrank stehend. Die Galerie zeigte detailliert mein Leben der letzten zehn Tage. Ich bekam fast keine Luft und mit jedem neuen Foto beschleunigte sich mein Puls noch stärker bis ich kurz vor der Ohnmacht stand. Das letzte Bild war die Fotografie eines Fotos von mir. Es zeigte mich, vor sechs Jahren auf der Beerdigung meiner Großmutter. Ich erinnerte mich so genau an diesen Tag, als wäre es erst gestern gewesen. Jener Tag war der schrecklichste meines gesamten Lebens. Zumindest bisher.

Allein die Tatsache, dass meine Großmutter starb, war für mich schon schlimmer als für die meisten anderen Menschen, behaupte ich, ohne dabei arrogant klingen zu wollen. Der Umstand wie meine Oma starb, machte die Situation allerdings schier unerträglich für mich. Sie war die Frau die mich großgezogen hatte und meine ganze Familie. Meine Mutter hatte mich vor ihrer Türe abgelegt und wir haben sie nie wiedergesehen oder gehört. Von meinem Vater habe ich noch weniger Ahnung. Meine Großmutter hat mich also durch meine Kindheit und Jugend begleitet. Sie hat Pflaster auf Wunden geklebt, Schulbücher gekauft, mir bei den Hausaufgaben geholfen, mich aus dem Badezimmer gelockt als ich, aufgrund einiger roter Flecken im Gesicht, bedingt durch hormonelle Schübe in der Pubertät, beschlossen hatte, es nie wieder zu verlassen. Sie hatte mich in den Arm genommen, als ein bestimmter Junge plötzlich ein anderes Mädchen im Arm hatte, gab mir Ratschläge und Motivation. Sie war alles für mich und ich war alles für sie. Ich kann mich (bis auf das eine Mal – das hatte es dafür in sich) nicht daran erinnern, jemals mit ihr gestritten zu haben. Sie hat mich immer verstanden und wusste mit meinen Launen umzugehen. Doch eines Tages hatten wir einen riesigen Streit. Es war, als hätten sich alle Konflikte die Töchter mit ihren Müttern im Laufe ihres Lebens ausfochten zusammengesammelt und wären in einem einzigen, unglaublich riesigen Streit eskaliert. Der Streit endete damit, dass ich wutentbrannt das Haus verließ und die Tür donnernd hinter mir zuwarf. Das war einen Tag, bevor sie starb. Das letzte was ich zu ihr gesagt habe, war „Fahr zur Hölle“. Das waren meine letzten Worte an den wichtigsten Menschen meines Lebens. Die Nachricht über ihren Tod riss mir den Boden unter den Füßen weg. Ich war traurig, enttäuscht und unfassbar zornig. Und als die Trauer langsam Überhand gewann, erfolgte die Testamentsverkündung. Und danach war ich noch trauriger, erneut sauer und zusätzlich auch noch verbittert sowie verwirrt.

Meine geliebte Großmutter, hatte tatsächlich das Haus in dem ich aufgewachsen bin und mit dem ich unzählige Erinnerungen verband, meinem verbitterten, um nicht zu sagen, charakterschwachem Cousin vererbt. Das weiß getünchte Haus mit dem roten Ziegeldach wurde von einem gepflegten Garten umrahmt und stand ziemlich verlassen am Rande eines Waldes und immer wenn ich die Kiesfahrt entlang fuhr und die Steine knirschen hörte, kurz bevor der Schornstein noch vor allem anderen zu sehen war, wusste ich, ich war nach Hause gekommen. Ich hätte nie vermutet, dass Oma dieses Haus jemandem anderen, als mir überschreiben würde, und doch hatte sie es getan. Als der Jurist das Testament verkündet hatte, drehte sich mein Cousin zu meinem Onkel, lachte ihm schelmisch zu und macht eine Geste, die wohl bedeuten sollte, dass er mein Haus abreißen lassen würde. Mein Herz zog sich eng zusammen und danach nahm ich alles wie durch Watte wahr. Ich konnte es einfach nicht glauben.

Nach diesem Termin, fuhr ich in das Haus, dass meine Großmutter mir genommen hatte. Ich packte meine Sachen und lud mein Auto, einen Opel Corsa, der wie ich wieder einmal feststellte, ein regelrechtes Platzwunder war bis obenhin voll mit Dingen die mir gehörten. Mit Tränen in den Augen und einem Kloß im Hals durchsuchte ich Lade für Lade und Schrank für Schrank nach Dingen die mir gehörten. Ich verstaute alles in Kartons und quetschte obendrein auch noch eine alte Holzkiste – alles was mir meine Großmutter neben ihrem Ersparten vererbt hatte – zu meiner Handtasche und meiner Palme auf den Beifahrersitz. Danach warf ich den Hausschlüssel in den Briefkasten und fuhr das letzte Mal den Kiesweg herab..

Einige Tage danach, fand ich mich in dem kleinen österreichischen Städtchen Graz wieder, wo ich mich auf der Universität inskribiert hatte. Ich fand eine kleine, leistbare Wohnung und richtete mich ein. Die Holzkiste schob ich unter das Bett und es sollte Monate dauern, bis ich die Kraft hatte sie endlich zu öffnen. Als ich es endlich getan hatte, kehrte die ganz Wut die ich verspürt hatte, mit einem Schlag zurück. Wie konnte sie nur? Ich knallte den Deckel zurück auf die Kiste und es mussten erneut Monate vergehen, bis ich einen weiteren Versuch wagte. Und erst an jenem Tag, mehr als ein Jahr nach dem Tod meiner Großmutter wusste ich, was mir diese Frau tatsächlich vermacht hatte.

Als ich den Deckel das erst Mal hob, sah ich eine Violine und fühlte mich schlicht weg auf den Arm genommen. Ich hatte in meinem ganzen Leben niemals ein Instrument gespielt – mit Ausnahme eines dreimonatigen Versuchs im Kindergartenalter Blockflöte zu lernen – und ich konnte auch keinen besonderen Bezug zwischen meiner Großmutter und dem, mit Rosshaar bespanntem, Stück Holz herstellen. Und erst als ich das zweite Mal einen Blick in mein Vermächtnis warf, verstand ich den Zusammenhang. Neben der Violine, lagen noch einige Stapel Papiere in der Kiste. Einige Zeitungsausschnitte, die schon vergilbt waren lagen neben einigen handgeschriebenen Notizen und einem Brief der an mich adressiert war. „An meine geliebte Enkeltochter-meinem Nordstern“ stand in der unverkennbaren Schrift meiner Großmutter da. „Mein Nordstern“ so hatte sie mich immer genannt und diese Worte auf dem dicken Kuvert zu sehen, trieben mir die Tränen in die Augen. Ich las den Brief, der über viele Seiten lang war immer und immer wieder und studierte auch die beiliegenden Notizen und Zeitungsartikel. Ich saß die ganze Nacht über der Kiste und langsam, nach und nach fügten sich die Puzzleteile zusammen. Die Unterlagen ließen mich erkennen, wer ich war und dass ich alles andere als gewöhnlich sein konnte. Meine Großmutter erklärte mir in dem Brief, dass meine Mutter, Christine, eine Meisterdiebin wäre. So wie ich den Inhalt der Briefe allerdings verstand, war sie nicht einfach jemand, der wohlhabende Leute bestahl um sich selbst zu bereichern. Sie konnte Ungerechtigkeit nicht ausstehen und suchte ihre Opfer sorgsam aus. Niemals wurde jemand durch ihr Verschulden verletzt und das Diebesgut wurde offensichtlich so eingesetzt, dass es wirklich bedürftigen Menschen zu Gute kam. Die Artikel handelten von den Einbrüchen und Diebstählen meiner Mutter und umso mehr ich las, desto mehr wurde mir über mich selbst bewusst. Schon als kleines Mädchen war mein liebstes Märchen, jenes von Robin Hood und nicht, wie bei anderen Mädchen Cinderella, Schneewittchen oder Rapunzel. Ungerechtigkeiten verabscheute ich zutiefst und letztlich wurde ich schon etliche Mal darauf hingewiesen, dass ich ein ganz gutes Gefühl für Menschen und eine spezielle Beobachtungsgabe zu haben schien. Nun wusste ich woher ich diese Eigenschaften hatte. Von meiner Mutter. Ich hatte sie nie kennengelernt und ich wusste nicht ob sie noch am Leben war oder nicht. Aber ich wusste, dass viel von ihr, in mir steckte und dieses Wissen alleine, war unheimlich tröstlich. Doch in der Kiste befanden sich nicht nur Informationen über meine Mutter. Ich erfuhr auch einiges über meinen Vater Thomas und war umso überraschter.

Bisher war ich davon überzeugt gewesen, dass mein Vater gar nichts über meine Existenz wusste. Und davon, dass meine Mutter eine Egoistin gewesen sei, die nur ihr eigenes Wohl im Sinne hatte. Langsam beschlich mich das Gefühl, dass meine Mutter alles andere als egoistisch war – sie war eine Heldin. Wenn auch nicht im herkömmlichen Sinne. Ja, sie hat ihr Kind in die Obhut einer anderen Frau gesteckt – doch war diese andere Frau ihre eigene Mutter, von der sie wusste, dass es dem Mädchen an Nichts fehlen würde. Sie tat dies mit Sicherheit nicht leichtfertig, allerdings war dies der einfachste Weg um weiterhin das zu tun, was nötig war um ein wenig Gerechtigkeit in einer Welt aus Macht, Schein und Intrigen herzustellen – und diese Welt ist jene in der wir leben auch wenn wir das schon gar nicht mehr merken. In meiner Phantasie war meine Mutter die Böse und mein Vater ein unschuldiger Mann, der gar keine Chance bekommen hatte, mich überhaupt kennen zu lernen. Doch was ich in der Kiste fand, bezeugte das Gegenteil. Mein Vater, scheinbar ein Genetiker aus gutem Hause, hatte wohl von der Schwangerschaft meiner Mutter erfahren und versuchte sie davon zu überzeugen, regelmäßig ein bestimmtes Serum zu schlucken, welches den Fötus so veränderte, dass das Kind nicht nur über ein überaus gutes Immunsystem sondern auch einen immens hohen IQ verfügen sollte. Die Testung des Serums ist aus ethischen Gründen nicht gestattet worden und ging mit erheblichen Risiken einher. Meine Mutter wehrte sich und als mein Vater sie dazu zwingen wollte, verschwand sie. Sie war klug genug gewesen, niemandem ihren richtigen Namen zu verraten und so hatte er keine Chance sie zu finden. Sie verschwand mit mir und um meine Sicherheit gewährleisten zu können, legte sie mein Leben, meine Zukunft und mein Schicksal in die sanftesten, verständnisvollsten und besten Hände die sie kannte. In die Hände ihrer Mutter. Doch meine Mutter nahm meinem Vater nicht nur sein Kind. Sie nahm ihm auch etwas, an dessen Wohl ihm offensichtlich mehr lag, als an dem seiner ungeborenen Tochter. Sie stahl ihm eine Geige. Eine echte Stradivari. Ein kleiner Zeitungsausschnitt, in dem sehr ironisch von einem bekannten Genetiker berichtet wurde, der ohne jeglichen Beweis zu haben behauptete, eine Stradivari besessen zu haben, die ihm gestohlen worden sei, bezeugte dies. Der Sache wurde nicht weiter nachgegangen, vor allem, weil er seine Behauptungen nicht belegen konnte. In einem weiteren Zeitungsbericht las ich von einem Biologen, der aufgrund illegaler Tierversuche von „abscheulicher Grausamkeit“ zu einer lächerlich geringen Haftstrafe verurteilt wurde.

So viel dazu. Meine Mutter war eine gewissenhafte Diebin und mein Vater ein gewissenloser Genetiker. Zumindest wusste ich nun, woher ich einige Eigenschaften und Interessen hatte. Mehr aber auch nicht. Über den Verbleib meiner Mutter hatte ich nach wie vor kein Wissen aber den Verdacht, dass sie nicht mehr am Leben war. Anfangs hatte ich die Zeitungen regelrecht nach „Robin Hood ähnlichen Diebstählen durchforstet, doch irgendwann gab ich es auf. Und meinen Vater googelte ich vor geraumer Zeit. Er lebte scheinbar in Wiesbaden, hatte das Vermögen seiner Familie verloren (wodurch wusste ich nicht) und konnte nach seinem Aufenthalt im Gefängnis nie wieder eine Anstellung finden. So hielt er sich mit kleinen Aushilfsjobs über Wasser. Ich hatte kein Interesse daran ihn aufzusuchen – ich hatte sogar Angst davor was passieren würde, wenn er von mir und meiner Identität erfahren würde.

Die Violine war also alles was ich von meinen Eltern und meiner Großmutter hatte, und so hing ich emotional an ihr. Ich zweifelte keine Sekunde lang an der Echtheit des Instrumentes und beschloss, sie in einem Schließfach auf der Bank zu verstauen.

Dies alles war nun einige Jahre her und ich hatte mein Leben ganz gut im Griff. Mein Lehramtsstudium hatte ich problemlos abgeschlossen und kurz darauf hatte ich auch eine Anstellung in einem Grazer Gymnasium bekommen. Ich hatte Wester gefunden – wobei eigentlich hatte er mich gefunden und beschlossen mir nicht mehr von der Seite zu weichen. Er war mein schönstes Souvenir aus einem unbekümmerten Urlaub in Griechenland. So weit so ruhig. Und plötzlich wurde ich offensichtlich beschattet. Tausend Gedanken blitzten in meinem Kopf auf. War es mein charakterloser Cousin, der Wind von der Geige bekommen hatte und nun seinen rechtmäßigen Anteil davon haben wollte? Oder war es mein Vater, der herausgefunden hatte wer ich war? Oder war es vielleicht sogar das Handy meiner Mutter, die sich einfach nur nach meinem Verbleib erkundigen wollte? Nein, das hielt ich für ausgeschlossen – wenn eine so gewiefte Diebin es sogar schaffte in weltbekannte Galerien einzubrechen, und trotz den ausgeklügelten Alarmsystemen einzigartige Kunstwerke in Höhe mehrerer Millionen Euro entwenden konnte, ohne dabei den Hauch einer Spur zu hinterlassen, dann war sie bestimmt nicht so tollpatschig und verlor ein Handy.

Nachdenklich setzte ich mich zu Wester in sein Körbchen, der bereitwillig zur Seite rutschte und sich auf den Rücken drehte damit ich seinen Bauch kraulen konnte. Ich lies das seidenweiche Fell durch meine Finger gleiten und sah ihm dabei zu, wie er einschlief und leise schnarchte. Ich nahm das Handy vorsichtig aus meiner Jackentasche und schaute es erneut durch. Ein paar Nachrichten waren im Eingang und ich öffnete sie mit zitternden Fingern. Offensichtlich war der Besitzer des Handys eine Besitzerin, die den Namen Marie trug. Ansonsten waren die Nachrichten allerdings eher nichtssagend. Ich konnte dadurch nicht herausfinden, was diese Marie beruflich machte, wer sie beauftragt hatte, was sie von mir wollte etc. Die meisten Nachrichten bekam Marie von einem Oliver und er war es auch, der immer wieder versuchte sie zu erreichen. Ich war mir nicht sicher in welchem Verhältnis die beiden zueinanderstanden, aber ich vermutete er war ihr Mann. Wenngleich ich aus den Nachrichten entnehmen konnte, dass es sich nicht unbedingt um eine glückliche Ehe handelte. Als ich das Handy auf die Seite legen wollte läutetet es erneut. Vor lauter Schreck ließ ich es fallen und das Gerät fiel so, dass der Anruf angenommen wurde. Ich verharrte stocksteif neben meinem Hund, der den Kopf gehoben hatte und mit gespitzten Ohren das Telefon beäugte. „Marie? Hallo?“ hörte ich es aus dem Telefon und ohne darüber nachzudenken, hob ich es auf. Mich traf fast der Schlag, als ich auf das Gerät starrte und begriff, dass es sich um einen Videoanruf handelte. Der junge Mann der mich anblickte war Oliver – das verriet mir der Name, welcher unterhalb des Bildes eingeblendet wurde. Ich schätzte ihn auf Ende 20 und er hatte ein offenes, ebenmäßiges Gesicht mit großen grünen Augen und lockigem Haar, dass ihm in die Stirn fiel. Oliver seufzte und sagte mit deutschem (wahrscheinlich berlinerischem) Akzent dann „Oh Gott sei Dank! Du lebst! Ich dachte schon dir wäre etwas passiert“. Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Konnte er mich nicht sehen? Konnte nur ich ihn sehen? Wester beschloss in diesem Moment wohl eine andere Position zu suchen, stand auf und sein großer Kopf tauchte einen Moment lang neben meinem auf. Da zog der Mann in dem Telefon die Augenbrauen hoch und sagte „Wo bist du und was ist das für ein Hund?“. Jetzt war mir klar, dass er mich sehen konnte. Er konnte mich sogar genau sehen aber er hielt mich trotzdem für Marie? Das konnte ich nicht richtig zusammenbringen. Ich runzelte die Stirn und hatte noch immer nicht ein Wort gesagt. Da legte Oliver den Kopf schief und fragte vorsichtig „Bist du noch sauer wegen unserem Streit?“ Ich sah in seinen Augen aufrichtige Sorge und beneidete Marie plötzlich sehr. Langsam schüttelte ich den Kopf und er atmete erleichtert aus. In meinem Kopf waren so viele Fragen, aber ich brachte nicht einen Satz zustande und plötzlich war das Display schwarz. Offenbar, war der Akku aufgebraucht. Ich schüttelte das Telefon als würde es etwas ändern, doch es blieb schwarz.

War es zu früh für ein Glas Wein? „It´s four o´clock somewhere“ dachte ich, stand auf und goss mir ein großzügiges Glas Suavignon blanc ein. Damit setzte ich mich zu meinem Schreibtisch und schrieb mir eine Liste um ein wenig Ordnung in meinem Kopf und die sehr verwirrenden Erlebnisse der letzten Stunden zu bekommen. Auf meiner Liste stand:

Ich werde von einer Marie verfolgt und beschattet.

Marie sieht mir ziemlich ähnlich.

Oliver und Marie sind ein Paar und kommen wahrscheinlich aus Deutschland. Eventuell aus Berlin.

Ich habe eine Geige, die nicht rechtmäßig in meinem Besitz gelandet ist, aber alles ist, was ich von meiner Familie habe.

Wer bin ich eigentlich??

Vor allem die letzte Frage stellte ich mir immer und immer wieder. Alles was ich über meine Herkunft wusste, waren Bruchstücke und lückenhafte Ausschnitte. Ich wusste in Wirklichkeit gar nichts. Immer wieder hatte ich versucht mich an etwas festzuhalten doch nicht einmal meine Großmutter hatte mir jemals reinen Wein eingeschenkt. Dieser Gedanke brachte mich trotz all der Gefühle, die gerade in mir hochkochten irgendwie zum Lachen, als ich das Glas Wein in meiner Hand betrachtete. Ich nahm einen großen Schluck und dachte: gut, ich werde es schon herausfinden. Egal welche Fähigkeiten ich von meinen Eltern erhalten habe! Ich krieg das hin und werde das Rätsel lösen. Zur Polizei zu gehen schloss ich aus. Ich konnte ihnen schlecht nur die halbe Wahrheit sagen, denn wenn sie mich nach einem möglichen Motiv der Verfolgerin fragen würden, konnte ich ihnen nichts über mein Vermächtnis sagen. Und ich habe definitiv niemandem etwas so Schlimmes angetan, dass sich diese Person nicht einfach bei mir melden konnte. Außerdem waren die Beamten, meiner Meinung nach, gerade zu sehr damit beschäftigt Personen abzustrafen, die ohne Gesichtsschutz ein Geschäft betraten. Sie würden mir kaum Personenschutz gewährleisten, sondern höchstens einen Bericht schreiben, mich als paranoide Verrückte abstempeln und meine Akte würde verstauben. Ich wusste auch nicht wo ich nach dieser Marie suchen sollte.

Wester war aufgestanden und stupste mich an. Ich faltete die Liste zusammen, schob sie in die hintere Hosentasche und ging mit meinem Hund in das Wohnzimmer um ihm die Terassentür zu öffnen, damit er durch den Garten laufen konnte. Da läutete es an der Tür und ich fuhr erschrocken zusammen. Schnell schloss ich die Terassentür, denn Wester neigte dazu, Postboten, Pizzalieferanten und sonstige Besucher minutenlang anzubellen, ehe sie sich trauten mir etwas zu übergeben. Und dafür fehlte mir grade die Geduld. Der Wein hatte mich wohl leichtsinnig gemacht, denn ich ging schnell zur Tür und öffnete sie ohne einen Blick durch den Spion zu werfen oder die Sicherheitskette anzulegen. Kaum hatte ich den Schlüssel gedreht und die Türklinke betätigt, flog mir die schwere Holztüre auch schon ins Gesicht. Ich taumelte zurück und glaubte schon zu halluzinieren. Vor mir stand…. Ich! Eine junge Frau mit schulterlangen blonden Haaren und großen blauen Augen. Dasselbe Grübchen am Kinn und das gleiche runde Gesicht, wie ich es hatte. Sie war schlank und hatte eine sportliche Figur. Es war, als hätte ich mein Spiegelbild vor mir. Doch während ich sie verwirrt und etwas fassungslos anstarrte, war in ihren Augen lodernder Zorn zu erkennen. Ich blinzelte benommen, doch das gab meinem Gegenüber genug Zeit weit auszuholen und mir mit einem harten Gegenstand gegen die Schläfe zu schlagen. Da wurde es schwarz um mich herum und ich sackte zusammen.

Als ich wieder zu mir kam, fühlte ich einen stechenden Schmerz der durch meinen kompletten Körper zuckte. Meine linke Schläfe pochte und ich fühlte eine klebrige Flüssigkeit auf meiner Wange. Meine Handgelenke schmerzten und ich merkte, dass meine Hände hinter meinem Rücken gefesselt worden waren. Ich lag darauf und als ich versuchte mich anders hinzulegen, schnitt das Seil nur noch tiefer in die Haut an meinen Armen. Langsam öffnete ich die Augen und stellte fest, dass ich in einer Badewanne lag. In meiner Badewanne. Ich erkannte die altmodischen rosa Fließen, und den grün gestreiften Duschvorhang, der zur Seite geschoben worden war. Mein Blick streifte zu meinen Beinen und ich sah, dass auch um meine Fußgelenke ein Kabel geschlungen worden war, weshalb sie schmerzlich aufeinanderdrückten. In weiter Ferne hörte ich ein Bellen. Westers Bellen. Eindeutig. Ich überlegte wo mein Hund war, und warum er so aufgeregt bellte. Ich schaffte es noch nicht einen klaren Gedanken zu fassen, da schlug die Badezimmertür auf. Ich sah auf Beine, die mir seltsam vertraut vorkamen, mein Blick glitt weiter nach oben und der ganze Körper schien mir bekannt. Und dann erblickte ich das Gesicht. Die eiskalten blauen Augen in dem Gesicht, dass meines zu sein schien, aber nicht war. Langsam erinnerte ich mich daran was passiert war, bevor ich das Bewusstsein verloren hatte. Ich sah die junge Frau an und sagte mit trockenem Mund „Marie?“. Sie lächelte süffisant, hockte sich zu mir und strich mir mit der Hand über den Kopf. „Ja meine Liebe. Genau die bin ich. Hast du mich vermisst?“ Vermisst? Wie sollte ich jemanden vermissen, von dem ich gar nicht wusste, dass es ihn gab, dachte ich. Wagte aber nicht diese Frage auszusprechen. Ich runzelte allerdings die Stirn, was für Marie offenbar so ärgerlich war, dass sie mir eine schallende Ohrfeige verpasste. „Anna, sag jetzt nicht du wusstest nichts von mir“ flüsterte sie mir in das Ohr und schnalzte leise mit der Zunge. Ich schüttelte zaghaft den Kopf, was mir noch eine Ohrfeige einbrachte. Mein Kopf schmerzte unglaublich und in meinem Ohr hallte es. Marie packte mein Gesicht am Kinn und zwang mich auf diese Weise, ihr direkt in die Augen zu schauen. „Wo ist sie?“ zischte sie, und noch bevor ich fragen konnte was sie meinte, fügte Marie „die Geige“ hinzu. Ich zuckte die Schultern, so weit das möglich war und flüsterte fast „Wovon sprichst du?“. Sie verengte die Augen zu zwei Schlitzen und zischte „Deine Mutter hat mich beraubt. Ich hoffe ihr zwei hattet ein schönes Leben. Und jetzt: Fahrt zur Hölle.“ Die letzten Worte brüllte sie und ich erschrak. Schnell kniff ich die Augen zusammen. Ich bemerkte, wie mir ein großes Handtuch über den Kopf gelegt und die Dusche betätigte wurde. Sie zielte mit dem Duschkopf genau auf meinen Kopf und nach dem ich gefesselt in der Badewanne lag, konnte ich ihm kaum ausweichen. Innerhalb weniger Sekunden hatte ich das Gefühl ertrinken zu müssen. Ich schnappte nach Luft, versuchte panisch das Handtuch von meinem Kopf zu zerren und wehrte mich so gut ich konnte. Ich versuchte zu schreien, doch mein Mund füllte sich mit Wasser und es drang nur ein gedämpfter Laut an meine Ohren. Ich war chancenlos und nach einer gefühlten Ewigkeit verlor ich erneut das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, stellte ich fest, dass ich alleine im Badezimmer war. Ich hörte Türen und Laden zuschlagen, und das Geräusch unzähliger Gegenstände, die auf dem Boden landeten und da war noch was. Westers Bellen. Noch immer rief mein Hund nach mir. Er wusste, dass etwas nicht in Ordnung war und ich wollte ihn so gerne beruhigen – konnte aber nicht. Ich versuchte mit meinen Händen an die Gesäßtasche zu gelangen um zu sehen ob der Zettel, den ich vorhin hinein geschoben hatte, noch da war. Ich fühlte das Blatt zwischen meinen Fingerspitzen und war beruhigt. Offensichtlich hatte sie nicht meine Taschen geleert und abgesehen von der Liste hatte ich nichts, was darauf hinwies, dass ich von der Geige wusste. Großmutters Brief war mit der Geige und allen Nachweisen im Schließfach der Bank verstaut. Doch dieses Mädchen, das meine Wohnung auf den Kopf stellte, konnte doch unmöglich so dumm sein und tatsächlich glauben, ich würde eine Stradivari bei mir zu Haus aufheben. Hund hin oder her. Gerade hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, da flog die Tür erneut auf und eine hochrote Marie kam mit wütenden Schritten herein. Sie packte mich am Kragen und schleuderte meinen Kopf gegen den Badewannenrand. „Wo ist sie“ brüllte sie und als ich mit letzter Kraft und sehr langsam den Kopf schüttelte schrie sie „Du hast noch nicht genug? Na gut“. Damit warf sie mir erneut das Handtuch über den Kopf und drehte den Wasserhahn auf. Es war ein schreckliches Gefühl. Ich bekam keine Luft und kämpfte wie eine Wahnsinnige um das Überleben. Und dann sah ich wieder schwarz und ließ mich fallen, in diese tiefe Schwärze.

Ich weiß nicht was passiert war aber als ich erwachte, saß ein Polizist am Badewannenrand und versuchte mich herauszuheben. Als ich die Augen aufschlug und ihn sah murmelte ich „Sie tragen ja gar keine Maske“. Und kurz darauf glitt ich wieder in das Reich der Schwärze.

Es sollten viele Tage vergehen, bis ich endlich alle Puzzleteile erhielt um zusammensetzen zu können, was geschehen war. Ich wurde nach Maries brutalen Folterspielen ins Krankenhaus gebracht und dort besuchte mich schon am zweiten Tag nicht nur der Polizist – diesmal sogar mit Mundschutz, sondern auch Oliver, Maries Freund. Der Polizist erzählte mir, dass mein Hund unaufhörlich gebellt hätte und die Nachbarn deswegen die Polizei gerufen hätten. Als die Rettungskräfte eintrafen, hörten sie einen unsäglichen Lärm aus der Wohnung und als niemand auf ihr Läuten und Rufen hin öffnete, traten sie die Türe einfach ein. Sie fanden ein aufgebrachtes Mädchen, das im Schlafzimmer wütete und ein bewusstloses Mädchen, welches im Badezimmer um ihr Leben kämpfte. Die eine nahmen sie fest, die andere brachten sie ins Krankenhaus. Wester hatte mir also das Leben gerettet. Der Polizist erklärte mir, er sei bei einem Nachbarn untergekommen und wartete auf meine Rückkehr. Damit fiel mir ein riesiger Stein vom Herzen. Meinem Hund ging es gut und bald, würde ich wieder meine Finger in seinem seidenweichen Fell vergraben können und an seinen Pfoten schnuppern dürfen. Ich liebte den Geruch seiner Pfoten. Sich rochen nach Stroh und Honig und ich sehnte mich schon danach. 

Was Oliver zu erzählen hatte, war allerdings wesentlich interessanter. Er war seit vielen Jahren mit Marie zusammen. Marie war ein knappes Jahr jünger als ich und sie hatte ihre Mutter nie kennengelernt. Nachdem sie mir aber glich, wie ein Ei dem anderen, war ich aber fest davon überzeugt, dass mein Vater sie geklont hatte. Ich beschloss, dieser Theorie nachzugehen. Vor einigen Monaten, war unser Vater, nach schwerer Krankheit verstorben und am Sterbebett dürfte er Marie von mir und meiner Mutter erzählt haben. Er hatte sie davon überzeugt, dass wir sie um ihr Erbe betrogen hatten. Genau wusste Oliver nicht was geschehen war – er wusste nur, dass sich Marie sehr schnell, sehr stark verändert hatte und wie besessen von etwas war, woran sie ihn nicht teilhaben ließ. Mittlerweile wussten wir beide wovon sie so besessen war. Von mir und der Stradivari. Als auch er mich nach dem Verbleib der Violine fragte, sagte ich erneut, ich hätte keine Ahnung davon gehabt. Ich hatte weder meine Mutter, noch diese Geige jemals zu Gesicht bekommen. In seinen Augen konnte ich sehen, dass er mir glaubte. Als er mein Krankenzimmer verlassen hatte, ging ich mit wackeligen Beinen zu dem Schrank in dem meine Kleidung hing. Ich fingerte die Liste aus der Hosentasche, zerriss ihn in winzige Stückchen und spülte diese im Klo runter. Ich wollte jetzt nicht übereilt handeln. Ich nahm mir vor, Marie, die in U-Haft war, zu besuchen. Ob ich die Geige, und somit alles, was mir von meiner Familie geblieben war loswerden wollte, wusste ich allerdings noch nicht.

Eine Sache sollte mich aber noch lange Zeit bis in meine Träume verfolgen: die Ärztin, die am ersten Tag nach mir sah – und die laut dem Krankenhauspersonal gar nicht existierte – erinnerte mich an jemanden. Und auf wundersame Weise stand ein Strauß Nelken in meinem Krankenzimmer in dem eine Karte steckte. Auf der Karte stand „M-C.“. Diese Tatsache war aufgrund mehrerer Dinge äußerst eigenartig: Erstens erinnerte mich die Ärztin sehr an eine Fotografien meiner Mutter. Zweitens, weil Nelken angeblich Friedhofsblumen wären, und kein Mensch diese Blumen einem Patienten schenken sollten – doch für mich waren sie die absolut schönsten und elegantes Blumen der Welt. Und Drittens, weil meine Mutter Christine hieß. So könnte das M-C. für Mama-Christine stehen.

 

 

 

24 thoughts on “Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?

    1. Hi,sehr gute Idee deine Story. Das ist ja auch was zählt , wie S.Fitzek gesagt hat. Fand es sehr spannend und witzig Parallelen zu meiner zu entdecken. Ich hab in meiner auch so ein tollen Hund und meine komplette Geschichte heißt Anna.😂Bekommst ein dickes Like.
      LG Sonja Schadt-Di Matteo

  1. Mir hat die Geschichte auch sehr gefallen.
    Allerdings hat mich der Schluss/die Auflösung etwas enttäuscht. Du hast dir sehr viel Mühe gegeben, einen Spannungsbogen aufzubauen, was dir auch sehr gut gelungen ist. Ab dem Zeitpunkt, an dem sie im Krankenhaus aufwachte, hatte ich aber das Gefühl, dass dir ein wenig “das Pulver ausging”. Ich hatte mir ein dramatischeres Ende gewünscht. Das ist aber rein subjektiv.
    Aber alles in allem eine tolle Story.

    P.S. vielleicht hast du ja auch Lust, meine Geschichte zu lesen. Über ein Feedback würde ich mich freuen…
    >>Glasauge

    1. Vielleicht noch eine kleine Anmerkung ( mir hat die Geschichte tatsächlich keine Ruhe gelassen und ich musste sie nochmal lesen…):
      Ich denke, die Geschichte gibt genug her, um daraus eher ein ganzes Buch zu machen. Vater, Mutter, Großmutter und evtl. noch ein paar weitere überraschende Doppelgänger gäben meiner Meinung nach genug her, sie näher zu betrachten. Vielleicht hast du ja Lust,weiter daran zu arbeiten. Einen Leser hättest du auf jeden Fall…

  2. Vorab erst einmal ein großes Lob von mir, dass du in der Kürze der Zeit diese Geschichte fertig bekommen hast 🙂
    An sich ist dies eine ganz gute Geschichte. Leider sind doch einige Fehler drin. Sowohl Rechtschreib-, als auch Zeitfehler (Du springst öfter zwischen Gegenwart und Vergangenheit).
    Außerdem sind deine Sätze zwischendurch sehr lang, dass bringt mich als Leser schnell ins Stocken. Ich musste einige Sätze sehr oft lesen, um sie überhaupt zu verstehen.
    Dein Schreibstil an sich gefällt mir aber gut. Du hast einige schöne Beschreibungen drin.
    Und der Titel der Geschichte kam mir doch arg bekannt vor, da es ja bereits ein Buch mit eben diesem gibt. Ich denke da kann man noch einen passenderen finden.

    Auf ein paar Dinge möchte ich im speziellen eingehen:

    1. Die Galerie zeigte detailliert mein Leben der letzten zehn Tage.
    Woher weiß die Protagonistin denn, dass es sich genau um die letzten zehn Tage handelt?

    2. Und dann bekam ich wirklich eine Panikattacke im ausgewachsenen Ausmaß.

    Du schreibst hier, dass die Person nun wirklich eine Panikattacke bekommt, wobei sie vorher ja auch schon wirklich eine hatte. Wahrscheinlich war das anders gemeint aber ich habe das gleich so gelesen. Außerdem wäre es vielleicht gut, wenn du erklären könntest, wie sich eine solche Attacke anfühlt. Nicht jeder weiß gleich was das ist.

    Beim Lesen kamen mir auch einige Fragen:
    1. Warum hat die Großmutter nie etwas von ihrer Mutter erzählt? Es ist doch furchtbar, wenn die Tochter denkt sie wäre ein schlechter Mensch. Das kann ich nicht recht nachvollziehen.

    2. Woran ist die Großmutter gestorben? Da es für sie so schlimm war wäre es gut das zu erwähnen.

    3. Wie hat Marie sie überhaupt finden können? Nicht mal der Vater hat das geschafft.

    4. Wie soll sie geklont worden sein, wenn es kein genetisches Material von ihr gab?

    Ich persönlich denke die Geschichte hätte noch um einiges Länger sein können. Dann könntest du besser auf einige Punkte eingehen und die Spannung erhöhen. Außerdem kann man sich dann in den Charakter mehr einfühlen.
    Trotzdem muss ich sagen hat die Geschichte viel Potenzial. Die Idee lässt mich gleich an Jugendbücher denken.
    Ich hoffe auf jeden Fall du machst weiter 🙂

    1. Ich fande deine Geschichte sehr spannend, sie lies sich sehr gut lesen. Aber ich fand den Schluss persönlich nicht so gelungen, ich hätte mir persönlich nicht so ein abruptes Ende gewünscht, plötzlich war die Polizei da und alles war gut.. Aber das mag ja auch wieder jeder anders. Bei einem Kommentar weiter oben, meinte jemand, dass die Geschichte Potential für ein Buch hat. Dem schließe ich mich an, du könntest sehr viel ausbauen, besonders auch mit dem verrückten Genetiker und der Mutter.
      Eine wirklich schöne Kurzgeschichte hast du da geschrieben. 🙂

  3. Hallo Kathi,
    deine Geschichte hat mir wirklich sehr gut gefallen. Das Thema gibt, wie auch schon die Anderen erwähnt haben, Stoff für mehr her. Da solltest du auf jeden Fall dran bleiben. Einzig die Satzlängen würde ich etwas kürzen, dann käme mehr Tempo rein, aber das ist natürlich auch Geschmackssache. Hoffe du schreibst weiter und wir können noch mehr von dir lesen.

    Vielleicht hast du auch noch ein paar Tipps für mich, würde mich sehr freuen. LG, Viktoria
    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/fesseln

  4. Hallo Kathi,
    ich muss gestehen, dass ich den Titel Deiner Geschichte gerne im “normalen Leben” als Zeichen meiner Verwirrtheit des Öfteren von mir geben. Deshalb habe ich mich zu Dir hineingeklickt und Deine Kurzgeschichte gelesen. Im Großen und Ganzen kann ich mich meinen “Vor-Kommentatoren” nur anschließen, ein bisschen mehr “Liebe zum Detail”, und die Geschichte wäre super rund – wenn Deine Geschichte ein Buch wird, bin ich als Leserin gleich wieder dabei 🙂
    Ich hab Dir in jedem Fall ein Herz dagelassen, liebe Grüße, Anna

    P.S.: Natürlich würde ich mich auf über Dein Feedback zu meiner Geschichte “Die Nachtschicht” freuen 🙂

  5. Moin,

    eine wirklich tolle Kurzgeschichte die du dir da ausgedacht hast. Klasse! Der Plot ist gut durchdacht und dein Schreibstil wirkt sehr flüssig. Taugt auf alle Fälle für mehr. Hat mir gut gefallen!

    Mein Like lass ich dir gerne da und wünsche dir alles Gute für‘s Voting!

    LG Frank aka leonjoestick ( Geschichte: Der Ponyjäger)

  6. Hallo Kathi,
    Du hast eine wirklich interessante Kurzgeschichte geschrieben, die sich in einem Zug gut lesen lässt 🙂. Allerdings fehlt tatsächlich am Ende, aber nur am Ende, ein wenig die Dramatik. Und natürlich könntest du hier und da deine Charaktere noch ein wenig ausbauen oder einfach deine Geschichte weiterspinnen. Du kannst dennoch sehr stolz auf dich sein. Bravo 👏!
    Mein Like 👍 hast du, Viel Glück 🍀 für das Voting,
    liebe Grüße aus Düsseldorf,
    Martina (Happy birthday) 🎈
    https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/happy-birthday

  7. Hallo Kathi,
    was für eine tolle Geschichte! Du hast einen so angenehmen Schreibstil, ich hätte noch ewig weiterlesen können 😊 Irgendwo war ein Schreibfehler und ich dachte “sie ist doch Lehrerin, müsste sowas doch wissen 😂 – so sehr hat mich die Geschichte in ihren Bann gezogen…
    Die Umsetzung der Parameter finde ich echt interessant und gut durchdacht, es bleiben ein paar Fragen offen aber das ist absolut in Ordnung und am Ende hatte ich eine kleine Gänsehaut 😊
    Auch toll, dass zwar die Pandemie aufgegriffen wurde aber nicht dominiert.
    Toll gemacht 👍 viel Glück beim Voting,
    LG Yvonne / voll.kreativ (Der goldene Pokal)

  8. Hallo,

    eine wirklich sehr interessante Idee und ich denke, dass wenn es keine Kurzgeschichte hätte werden müssen, dir bestimmt noch viele spannende Stränge und Verbindungen eingefallen wären. Ich schließ mich da den anderen an und denke, dass man dies gut als ganzen Buch ausbauen könnte. Ich weiß nicht ob du dich von der Serie “Orphan Black” hast inspirieren lassen hast, falls nicht und du die Serie nicht kennst, schaue sie dir mal an, ich denke sie könnte dir gefallen:) ich musste auf jeden Fall direkt daran denken.
    Ich wünsche dir viel Erfolg für das Voting
    Ich würde mich über ein Feedback von dir freuen

    Liebe Grüße
    Jana (Reminisci)

  9. Liebe Kathi, ich bin froh, daß ich Deine Geschichte noch gelesen habe. Sie gefällt mir sehr, vielleicht weil ich aufgrund von Emotionen bewerte. Sätze wie “Ich stellte Wester seinen vollen Napf auf den Boden und er sah mich an, als wäre ich die tollste Person die es auf der ganzen Welt gab – war ich für ihn vermutlich tatsächlich.” lassen mein Herz als zweifacher Hundebesitzer höher schlagen. Auch das Thema mit der Oma ging mir sehr nah, meine eigene Oma ist zum Glück noch sehr fit und das mit 92 Jahren. Mein Like hast du und ich wünsche Dir alles Gute für das Voting. Lg Melanie https://wirschreibenzuhause.de/geschichten/blaues-mondlicht

  10. Hallo Kathi,
    tolle Geschichte die du dir ausgedacht hast und war mal, wie ich finde, etwas ganz anderes. Sie hat mir insgesamt sehr gut gefallen und ich mag deinen Schreibstil- finde ich toll das Wester der insgeheime Retter deiner Protagonistin ist 🐶🐕😊 für meinen Geschmack, hätte es im Krankenhaus noch eine “Eskalation” – vielleicht ist der Klon Marie aus der U-Haft ausgebrochen und steht plötzlich im Zimmer von Anna (möglich wäre es bei einer Meisterdiebin als Mutter 😉) wo diese von der “gemeinsamen” Mutter überwältigt wird, weil diese trotz allem aus dem Hintergrund die Hand schützend über ihre Tochter hält..also das ist zumindest, meine Idee 😉 und es hätte mir sehr gut gefallen wenn es nicht ganz so “abrupt” geendet hätte- obwohl mir die Idee das ihre Mutter ihr die Blumen hingestellt hat auch sehr gut gefallen hat 😊
    Die Geschichte könntest du mit dieser Grundidee, wie ich finde, durchaus ausbauen.
    Meinen like hast du auf jeden Fall und ich wünsche dir weiterhin viel Spaß beim schreiben 😉
    Lg Juliane Frewert

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