TomCradyMcCooper – Fotofinish alternatives Ende

„Ich sag dir was: 

Schon damals in der Schule wusste ich, was aus mir werden würde.

Das ist paar Jahre her, ich weiß.

Ich hatte mir die üblichen Feinde gemacht, die man so hat, wenn man ein Gespür für die Wahrheit hat. Ein Gespür Dinge zu finden, die versteckt werden. Nicht das Gespür Mathelösungen zu finden. Sondern Geheimnisse aufzudecken. Und das noch in der Schülerzeitung zu veröffentlichen.

Der Direktor und die Geschichtslehrerin erwischt. Was für eine Geschichte. Naja, selbst schuld. 

Drum auch nur einen mündlichen Verweis. Ich hätte Journalist werden sollen. Doch ich kam auf die Polizeischule. Ich bestand die Praxis, die Theorie bereitete mir Kopfzerbrechen, wegen dem ganzen Regelwerk. Aber was gelernt werden musste, musste gelernt werden.

Meine Eltern dachten, aus mir würde ein Forensiker in einem Labor, weil ich entsprechende Kurse belegte, doch was sie nicht wussten war, dass ich mich auf der Straße die Praxis lernte. 

Denn meinen Lehrmeister lernte ich in einen der Spelunken kennen, in denen ich mit meinen Kumpels hin und wieder bisschen Rock´n´Roll und Blues spielten. 

Ich färbte meine Haare schwarz, meine Lederjacke war schwarz und die Flecken auf meiner Jeans waren auch schwarz und rochen stark nach Motorenöl. 

Tagsüber war ich in den Kursen für Forensik -übermüdet, aber in theoretischer Topform – und so bestand ich nach drei Jahren meine Polizeischule. 

Meine Karriere ging steil nach oben und schon bald war ich beim Scotland Yard gelandet.

Ich hatte einige brisante Fälle, nichts mit Büro.

Ich kam viel rum und es war immer knifflig und es gab keine digitalen Algorithmen oder vorgefertigte Layer -wie ihr heute sagt. Man musste alles in…Echtzeit…machen. So heißt das. Richtige Echtzeit: Telefone mit Schüre, zu Leuten hinfahren, mit echten Menschen.“

„Warum erzählst du mir das alles schon wieder, Papa! Ich weiß, dass du in den Neunzigern Detektiv warst.“ schmollte er und wollte mir das Handy aus der Hand reißen. Doch ich war schneller. 

„Sag doch, wenn du nicht mit mir Escape-Room spielen willst!“ 

„Das hab ich doch mein Sohn. Ich weiß, es ist ein Tournament und es geht um was, bei diesem Online-ding. Ich danke dir auch, dass du als Partner an mich denkst.“ lächelte ich ihn verschmitzt an und dachte dabei an meinen übereifrigen Partner von damals. „Aber versteh doch, es war meine Berufung echte Fälle zu lösen. Diese App ist eine Beleidigung für…“ 

Ich wurde von einem Klingelton aus meinem Redefluss gestoppt.

Selbst Junior erschrak. Es kam aus dem Schrank. Eric, mein Junior, verzog ganz kurz die Mine und ich konnte erkennen, dass er zumindest wusste, wo das Klingeln herkam und dass er wusste, dass er sich gar nicht zu verstellen brauchte. „Ja, du hast Recht, dad. Bevor wir hier rumsuchen: Du kriegst zu deinem Geburtstag ein Handy von mir.  Ich kann mir kein neues leisten, so hab ich eines ersteigert. Aber anscheinend wurde es nicht freigeschaltet.“ 

Er holte es aus dem Schrank und öffnete das Paket. Das Klingeln war schon verstummt, aber es kam mir bekannt vor. 

Ich entschied, die Nummer zurückzurufen, bevor Eric sich um die technischen Details kümmern würde. Doch kurz vor dem Drücken der Anruftaste erreichte mich eine MMS. 

Oder was das war. Eric sagte ´Whatsapp´ dazu. Aus Reflex drückte er auf die Nachrichtenzeile und das Foto ging auf. Es war ein Originalfoto von einem alten Zeitungsartikel, an den ich sofort erinnerte. Es war der erste über mich als junger Polizist und meinem ersten gelösten Fall. 

Damit hatte ich es auf die zweite Seite geschafft, noch vor das nackte Girl.

Ich fand diese Nachricht dubios. Auch Eric konnte sich das nicht erklären. Er wischte das Bild weg und es kam ein weiteres von mir als junger Polizist, wie ich in der Bar saß, mit meinen Kumpels. 

Es war kein offizielles Foto, soviel war klar. Eric nahm mir das Handy aus der Hand und öffnete eine Galerie. Es waren sieben Fotos.

Obwohl mich ja Fotos über alte Zeiten sonst in einen Zustand zwischen Stolz und Melancholie versetzten, kam ich hier, wie auch Eric, eher in einen Zustand von Fremdartigkeit und Angst. 

Die Fotos waren in verschiedenen Formaten gemacht worden, selbst Eric kannte sich mit analoger Fotografie aus, um zu erkennen, dass sie eingescannt wurden.

Nach und nach erkannte ich auch Personen auf den Bildern.

Das zweite Foto war von mir und einem WG-Kumpel zuhause.

Das dritte zeigte meine Band und mich in dem Pub, wo wir damals spielten.

Das war in der Lokalpresse, in einem Artikel über einen Stadt-Pubs-Marathon mit Livemusik.

Ich war schon oft in der Zeitung damals.

Das vierte zeigte mich und Natalie, meine jahrelange Partnerin und großen Liebe -vor Erics Mutter- bei unserem ersten Einsatz. Sie starb leider bei unserem letzten gemeinsamen Einsatz. Interessanterweise beim Versuch den einen Serienkiller zu beschützen, den wir zusammen bei unserem zweiten Fall dingfest machen.

Der machte auch Schlagzeilen. Ich redete laut, damit Eric mitbekam, was in meinem Kopf vorging.

Das fünfte Foto zeigte mich in einer Bar mit einem Cowboyhut.  Eric schockte gar nichts mehr. 

Er wusste, dass ich in Bars spiele und Cowboyhüte liebe. Es war auch hier ein privates Foto und nicht der Zeitungsartikel, der über mich und mein Privatleben geschrieben wurde.

„Zwei und fünf.“ murmelte ich, noch bevor wir das letzte Foto näher anschauten.

„Meinst du, dass jemand mit Zahlen spielt? Dann wäre auf dem fünften Foto wieder zwei…“

Eric wischte weiter und waren wieder zwei. Wir starrten auf das Bild.

„Onkel Maverick.“ sagte Eric zuerst und zerdrückte sich ein Tränchen. Ich tat dem gleich, immerhin war Maverick jahrelang mein Partner und Patenonkel meines Sohnes.

Er wurde zum Chief des Scotland Yard befördert und wurde bei einem Sondereinsatz, bei dem ich ihn um Hilfe bat, erschossen. Sein Tod hatte, genau wie der von Natalie keine Relevanz zum Fall, was das Ganze noch trauriger machte.

Beim letzten Foto ließ Eric das Handy vor Schreck auf den Tisch fallen. Es war von Erics Konfirmation vor 5 Jahren. Ich erkannte sofort den Winkel, es wurde von der Straße aus geschossen.

Auch da waren hauptsächlich langjährige Freunde drauf zu sehen, so wie ich und meine Frau Kiki.

Eric erkannte am Dateinamen, dass es sich um das erste echte Foto handelte, was mit diesem Handy gemacht wurde. „Das macht das ganze eindeutig mein Sohn. Wir haben es hier mit einem Stalker zu tun. Ruf mit deinem Handy Ruben an, er soll im Scotland Yard bleiben, wir kommen dort vorbei.“

„Ja, Papa.“ Eric ging in den Flur, um sich die Jacke anzuziehen und telefonierte währenddessen.

Da klingelte das Telefon wieder. Diese simple Melodie war so eindringlich. Ich kannte sie. Ich kam noch nicht drauf. Ich nahm ab. „Wo bin ich?“ sagte eine verzerrte Stimme. „Was wie meinen sie das, wer sind sie?“ „Du weist immer noch nicht wer ich bin?“ „Nein, tut mir leid? Woran sollte ich das denn erkennen?“ „Undankbarer, verlogener Kerl!“ Das Telefonat war beendet. Eric stand vor mir.

Ich erklärte ihm kurz den Inhalt des Gesprächs, er meinte Ruben könne das im Handumdrehen zurückverfolgen heutzutage. Da vibrierte das Handy und ein weiteres Foto kam in diesen Whatsapp-Chat mit Teilnehmername ´unbekannt´. 

Es war ein Foto von mir und Eric bei einer Fotoausstellung. Es war das zweite echte Handyfoto und wieder aus einer sicheren Entfernung. Höchste Vorsicht war geboten, das wusste auch Eric.

Während ich fuhr, checkte er mit den Mitteln seiner Technik heutzutage die Nummer.

Seine Online-Recherche ergab nichts, keine Rückverfolgung möglich. Auch eine Rückwärtssuche der Bilddateien in verschiedenen Apps -nichts. Auf der einen Seite schade, dass meine Ideen keine Ergebnisse brachten, auf der anderen schüttelte ich nur den Kopf. Jemand, der dir wirklich an den Kragen will, lässt sich doch nicht durch so billige Handytricks einfangen.

„Aber, Sohn, du hast doch so eine Musikerkennung. Lass diesen Midi-loop von diesem Klingelton mal durchlaufen.“ „Midi-loop.“ stöhnte er nur. Er tat es. Das Ergebnis war Johnny Cash ´Man in Black´.

„Ja, das ergibt Sinn. Zwei und Fünf. Ich wohnte in einer WG. Da konnte ich viel über Musik erfahren. Johnny Cash, der Mann in schwarz trug so lange schwarz, bis die Ungerechtigkeit der Welt beendet war.“ erklärte ich Eric, der nur mit den Augen rollen konnte über seinen alten Herrn. 

„Es war das fünfte Lied seines Albums ´Man in Black´ von 1970 oder 71. Check mal die zweite Strophe. Aber nur den zweiten Teil“ Er las: “I wear it fort he prisoner, who has long paid for his crime, but is there because he´s a victim oft he times.“ 

Es dämmerte mir. Als ich Scotland Yard Ruben den Fall erklärte, lies ich mir eine Akte bringen. Meine.

Eric hatte die Aufgabe die Fotos auszudrucken, was er widerwillig tat und die Personen abzustreichen, die ich aus meinem Lebenslauf vorlas. 

Während ich im Keller durch jahrealte modrige Akten stöberte und meinen Verdacht zu bestätigen versuchte, den ich hatte, telefonierte Ruben mit Behörden. Eric schaute dem Forensiker über die Schulter, der das Handy auf verwertbare Spuren untersuchte und gab ihm die Adressen, wo er es ersteigerte und wo wir bei der Fotoausstellung waren. 

Es freute mich, dass er sichtlich Spaß an der ganzen Sache hatte. Er war sehr eifrig dabei, weil er natürlich auch wusste, dass er als Opfer galt und man hier einen Verrückten dingfest machen musste, der seinem Vater und ihn schaden wollte.  

Plötzlich hatten wir eine Verbindung: Die Adresse des Handyverkäufers und des Ausstellers der Fotostrecke, bei dem Eric und ich waren. Es war dieselbe. Die Namen waren unterschiedlich, aber das war klar. Es war auch nicht der Name, den ich verdächtigte, aber es war klar, dass es sich um die gleiche Person handeln müsse. Ruben vertraute mir alten Hasen wie immer und zitierte ein Squad Team und seinen Wagen vor die Tür. Er fuhr mit uns hinter dem Squad her.

Als wir durch die Stadt rauschten, erklärte ich die Situation.

„Eric, ich muss dir was beichten. Ich hab dir ja schon oft von meiner unorthodoxen Weise erzählt, wie ich die Praxis des Polizeidienst erlernte. Der Kerl, den ich in dem Pub kennenlernte, war Gene Combemayer, zu jener Zeit einer der angesagtesten Leutnants des Police Department hier in London. 

Damals, Ende der Siebziger -nicht, dass das eine Entschuldigung dafür wäre- bog man sich die Gesetze manchmal zurecht, dealte selbst und war bei anderen Straftaten dabei, nur um den Verbrecher nahe zu sein. Combemayer war einer davon. Und ich war sein Lehrling. Wir schlugen uns durch den Untergrund der Stadt, ich war verrückt danach.

Als meine Abschlussnote wackelte, wusste ich, ich bräuchte eine Glanzleistung, um zu bestehen.

Ich verriet Combemayer und all seine Deals flogen auf. Er kam glaube zwanzig Jahre etwa hinter Gitter für alles. Das war mein erster Fall. Vorhin im Präsidium checkte ich, was Johnny Cash mir schon sagen wollte: Er starb kurz vor Ende seiner Haft. 

Seine Frau trennte sich schon in den Siebzigern, weswegen sein Sohn den Mädchennamen der Mutter annahm. Drum hab ich nicht gewusst wer er war. Der WG-Kumpel auf dem Foto? 

Er war wie vom Erdboden verschluckt nach Combemayer´s Verhaftung. Frank kannte ich von meinen Schuljahren und später zog er mit mir in die WG und studierte Journalistik. Wie wir sehen wurde er Fotograf.“ Ich lächelte, um die düstere Stimmung der Geschichte etwas aufzuheitern.

Wir hielten vor Franks Apartment. Das Squad Team wartete auf mein Zeichen. 

„Also, bin ich nicht das Opfer, Papa, sondern du.“ kombinierte mein Sohn. 

„Ich bin jetzt so alt, wie ihr damals, als er seinen Vater verlor.“

„Dein Sohn hat recht. Wer weis mit was wir es da oben zu tun haben, du bleibst hier.“

„Niemals. Dieser Typ ist meine Nemesis, wie es aussieht. Gib mir deine Zweitwaffe da.“

Er gab sich recht schnell geschlagen. Ich gab dem Squad ein Zeichen und wir stürmten die Wohnung.

Da alle hinter mir waren, kam ich auch als erster in das Zimmer, in dem Frank stand, als ob er auf mich wartete. Das Fenster war verdunkelt, davor eine Station zum entwickeln analoger Fotos. Die Wände waren voll mit Zeitungsartikeln und privaten Fotos von mir und meinen Freunden und meiner Familie. Gerade noch konnte ich hinter Frank ein Foto meines Sohnes erkennen, wie es aus seinem Jahrbuch geschnitten war, als er mich mit einer düsteren, tiefen Stimme ansprach: “Willkommen mein Freund. Willkommen zum Fotofinish.” Über dieses Wortspiel musste er so lachen, dass er sich nicht mehr auf alles konzentrieren konnte. So drückte er zwar den Auslöser seiner Kamera, die im Stativ vor ihm stand, aber zielte mit seiner Waffe in der anderen Hand knapp an mir vorbei. Ich rollte mich auf dem Boden zur Seite und schoss in seine Richtung. Ich traf die Kamera, die Funken schlugen aus und trafen ihn nicht nur im Gesicht, sondern auch die Wand, an der die Zeitungsartikel Feuer fingen. Ein Schuss kam von der Tür und traf Frank direkt ins Herz, dass er zu Boden sank. “Jack!” ächzte er vom Boden aus. Ich kam ganz nah an ihn heran. “Du hast mir meinen Vater genommen, meine Jugend zerstört und mich fallen gelassen, wie eine heiße Kartoffel. Wir waren Freunde. Absteigender Ast, Kriminalität, Drogen, nichts blieb mir erspart. Als ich wieder auf den Beinen war, habe ich mir Rache geschworen und dich gesucht. Als ich dich fand vor ein paar Jahren, schwor ich mir, dein Leben zur Hölle zu machen. Und als ich sah, dass du einen Sohn hast, war der Gedanke perfekt. Ich mache sein Leben zur Hölle, indem ich dich hinter Gitter bringe, wie du meinen Vater! All diese Beweise, die ich hatte. Verbrannt! Alles umsonst… ” stöhnte er.

Seine Augen flimmerten, sein Körper sackte  zusammen. Er war tot. Und mit ihm gingen die Beweise eines moralischen Twists, den ich schon seit Jahren mit mir herumschleppte. Aber ich wusste, es war das richtige, was ich tat. Das macht es für mich etwas leichter.

Trotzdem trage ich, wie Johnny Cash es schrieb, immer “a little darkness on my back.”

 

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