Isabell.StichDie falsche Identität

Die laute Musik schallte ihr in die Ohren und sie genoss dieses Gefühl. Mit dröhnender Musik konnte sie konzentriert ihre morgendliche Runde im Park joggen. Durch die Musik war ihr es möglich, alles um sie herum auszublenden. Sie musste kein Stimmen oder Unterhaltungsfetzen von den anderen Leuten in ihrem Umfeld wahrnehmen. Sie konnte sich komplett auf ihren Sport konzentrieren. Sie hatte hier nur Zeit für sich und ihre Gedanken freien Lauf nehmen lassen.

Jeden Morgen um sieben Uhr drehte sie ihre Runde, die genau eine Stunde dauerte. Manche Menschen benötigten Kaffee, sie dagegen ihren Sport. Sie konnte sich gar nicht vorstellen darauf zu verzichten.

Sie hatte das Glück von daheim aus arbeiten, nur dies ermöglichte ihr das morgendliche Joggen. Sie war ihr eigener Chef und sie wollte nie wieder abhängig von jemanden sein. Sie liebte es, selbstständig zu sein und alles selbst zu entscheiden. So war sie nicht gezwungen Anweisungen entgegenzunehmen oder sich mit nervigen Kollegen herumzuärgern.

Sie blieb wie immer an der Bank stehen, um sich zu dehnen. Sie stellte ihren rechten Fuß auf die Bank und dehnte sich nach vorne. Genau in diesen Moment ging ihre Musik aus. Sie schnaufte genervt und holte ihr Handy aus der kleinen Hosentasche heraus. Akku leer! Super, so hatte sie sich ihren Start in den Tag nicht vorgestellt.

Ein plötzliches und lautes Klingeln lies sie zusammenzucken und sie drehte ihren Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Sie erblickte es. Es lag genau auf der Bank, neben ihren Fuß, denn sie sich gerade dehnen wollte. Verwundert sah sie sich um, doch sie entdeckte keinen Menschen, der das Handy hier verloren hatte. Sie stellte ihren Fuß wieder auf den Boden und nahm das Handy in ihre Hand. Der Anruf war mittlerweile verstummt. Sie überlegte, ob sie es einfach wieder hinlegen sollte oder mitnehmen und es im Fundbüro abgeben. Sie starrte das Handy einen Moment einfach an, unschlüssig was sie damit machen sollte. Dann hatte sie sich entschieden es mitzunehmen. Sie steckte es, gemeinsam mit ihrem Eigenen ein und setzte ihre Runde fort. Leider ohne Musik.

Daheim angekommen stellte sie sich schnell unter die Dusche und machte sich fertig für die Arbeit.

Ihre noch blonden feuchten Haare ließ sie heute offen, was eine Seltenheit war. Normalerweise störte sie es, wenn sie ihr ins Gesicht hingen, doch heute wollte sie es genau so haben.

Ihre Wohnung befand sich im ersten Stock und ihr kleines Büro war unten im Erdgeschoss. Ihr Büro war nicht gerade groß, doch es reichte ihr vollkommend aus. Es bestand aus einen kleinen Eingangsbereich und zwei Zimmer. Eins davon nutzte sie als ihr Büro, das andere war der Warteraum für ihre Kunden. Ein Gäste WC und eine kleine Kaffeeecke war vorhanden. Sie persönlich trank keinen Kaffee, doch sie wollte ihren Klienten einen anbieten können.

Nachdem sie ihre Tür aufgeschlossen hatte, setzte sie sich hinter den Laptop und begann, die ersten Emails zu bearbeiten. Es waren einen ein paar Anfragen da, die sie schnell und einfach beantworten konnte. Aktuell hatte sie keinen Auftrag, den sie dringend bearbeiten muste. Dies störte sie nicht, denn erst vor ein paar Tagen hatte sie einen wirklich großen und guten Auftrag abgeschlossen. Der Auftraggeber war sehr zufrieden und eine ordentliche Summe gezahlt.

Erst als sie alle Emails beantworte, wollte sie auf ihr Handy schauen. Doch da viel ihr ein, dass dies noch in der Hosentasche ihrer Sporthose war. Schnell ging sie nach oben, um es zu holen. Sie nahm das Ladekabel und das gefunden Handy mit nach unten in ihr Büro. Sie legte beide Handys neben ihren Laptop, doch schließ nur ihres an den Strom an. Es dauerte kurz, bis es wieder anging. Sie nahm ihre Tasse mit Tee und trank einen Schluck und schon begann eins der Handys zu klingen. Sie sah hin und erkannte schnell, dass es sich nicht um ihres handelte. Neugierig nahm sie es in die Hand. Unbekannter Anrufer, stand dort. Kurz überlegte sie hinzugehen, doch verwarf den Gedanken schnell wieder. Sie drückte den Anruf auch nicht weg, sondern ließ es einfach klingeln. Irgendwann wird es schon wieder aufhören. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis es verstummte.

Sie konnte sehen, dass es zehn verpasste Anrufe von der unbekannten Nummer hatte. Aus irgendeinen Grund war sie neugierig auf das Handy und sie nahm es in die Hand. Sie erkannte, dass es keinen Code hatte zum Entsperren. Sie konnte also ohne Probleme auf die Daten zugreifen.

Ihre Neugierde verstärkte sich und sie begann die Nachrichten zu lesen. Es war nichts Besonderes dabei, hauptsächlich Smalltalk und irgendein belangloses Zeug. Sie ging auf die Bilder und sah diese durch. Sofort gefror ihr das Blut ihren Adern. Sie war nicht in der Lage sich zu bewegen oder zu atmen. Alle Farbe wich ihr aus dem Gesicht und sie brauchte eine Weile, bis sie sich wieder fing. Die Bilder zeigten sie, in verscheiden Situationen. Sie sah sie sich genauer an. Es waren Aufnahmen dabei, während sie im Park joggte, sich im Café mit Freunden unterhielt. Es zeigte sie sogar beim Einkaufen. Sie sah die Fotos genauer an und erkannte, dass das erste Bild schon vor einen Monat aufgenommen worden sein muss, denn da hatte sie noch länger Haare. Ihre Hände schwitzten und ihr Puls beschleunigte sich. Sie ließ das Handy auf den Tisch fallen und stand ruckartig auf. Dabei passierte es, dass sie den Stuhl umschmiss.

„Entschuldigen Sie bitte die Störung“, ertönte eine Stimme.

Sie zuckte zusammen und ließ einen kleinen Schrei frei. Mit großen Augen starrte sie den Fremden an.

„Ich wollte Sie wirklich nicht erschrecken. Wenn es gerade ungünstig für sie ist, kann ich später wieder kommen“, sagte der Fremde.

Sie sah ihn an. Er trug einen Anzug und hatte einen kleinen Aktenkoffer dabei. Er war groß. Sie schätzte ihn auf ein Meter neunzig. Sie versuchte, ihre Atmung und ihren Puls zu beruhigen, denn der Mann der vor ihr stand, war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein neuer Kunde von ihr.

„Ich bin gleich bei Ihnen. Setzt Sie sich doch schon einmal.“, verstellte sie ihre Stimme und zeigte auf den Stuhl vor ihren Schreibtisch.

Der Mann nickte und schenkte ihr ein kleines Lächeln. Sie ging schnell auf die Toilette und lehnte sich gegen die Tür. Sie schloss ihre Augen und versuchte zu verarbeiten, was sie gerade gesehen hatte. Sie hatte das Handy doch nur durchsucht um vielleicht etwas lustiges zu finden. Mit solchen Sachen hatte sie nicht einmal in ihren schlimmsten Träumen gerechnet. Sie öffnete die Augen und trat vor den Spiegel. Langsam kehrte die Farbe wieder zurück, doch ihr Herz schlug immer noch wie wild.

Sie drehte den Wasserhahn auf und spritzte sich kaltes Wasser auf die Backen. Dann konzentrierte sie sich auf ihren Puls und atmete ruhig ein und aus. Sie setzte ein Lächeln auf und erlies das Bad und ging zurück zu ihren Kunden.

„Entschuldigen Sie bitte, normalerweise bin ich nicht so schreckhaft.“, begrüßte sie ihn.

„Ist schon okay. Ich bin auch einfach hereingeplatzt. Ich bin Tim Gelbero“, stellte er sich vor und reichte ihr die Hand.

„Ella McAdams“, erwiderte sie seinen Händedruck. „Kann ich Ihnen etwas zum Trinken anbieten?“

„Nein, danke“, lehnte er höfflich ab.

„Was kann ich dann für Sie tun?“, fragte sie nach und setzte sich wieder hin.

Dabei fiel ihr Blick auf das Handy. Mittlerweile war das Display schwarz geworden. Ihre Hände begannen kurz zu zittern, doch sie schaffte es, dass Handy in ihrer Schublade zu verstecken. Die Gedanken daran verdrängte sie und lächelte ihren Kunden an.

„Ich bin hier, weil ich Sie gerne beauftragen möchte.“, begann er.

„Das freut mich zu hören, doch dafür brauche ich schon ein paar nähere Informationen, um was es den eigentlich geht“, lächelte sie ihn an.

„Selbstverständlich“, sagte er und lehnte sich in seinen Stuhl zurück. „Ich bin Geschäftsmann und leite ein großes Unternehmen, hier in der Stadt. Mein Beruf verlangt es, dass ich öfters Geschäftsreisen unternehmen muss.“, erzählte er ihr und sie musterte ihn.

Sie erblickte einen Ring an seinen Finger. Er war also verheiratet. Sie konnte sich also denken, um was es hier gehen wird. Eigentlich hasste sie solche Aufträge, doch heute kam er ihr wirklich gelegen, denn so hatte sie die Möglichkeit das Handy zu verdrängen.

„Ich habe also nicht viel Zeit für meine Frau und meine kleine Tochter. Daher hat sich in der letzten Zeit der Gedanke bei mir breitgemacht, dass meine Frau eine Affäre hat. Ich habe selbst nach Beweisen gesucht, doch nichts gefunden. Da ich sehr oft auch lange arbeiten muss, fehlt mir einfach die Zeit meine Frau zu überwachen. Ich möchte sie bitten, sie für mich zu beschatten und die Affäre meiner Frau aufzudecken“, stellte er die Forderung.

„Also sind sie sicher, dass sie eine hat?“, fragte sie nach.

„Ja, ziemlich“

„Was veranlasst Sie, so zu denken? Was hat den Verdacht in ihnen geweckt?“, fragte sie nach, da sie mehr Infos benötigte.

Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile und er gab ihr auch noch mehr Infos. Sie besprachen den Preis und andere wichtige Sachen, denn sie nahm den Auftrag an.

Nach zwei Stunden war sie endlich wieder alleine und sie legte ihren Block mit ihren Notizen auf Seite. Dieser Auftrag wird nicht lange dauern, doch es war eine Abwechslung. Sie wollte gerade aufstehen, als ein Klingeln sie davon abhielt. Es war wieder das Handy mit den Bildern von ihr. Angst breitet sich in ihr aus. Doch trotzdem öffnete sie die Schublade und nahm es heraus. Aus irgendeinen Grund ging sie dieses Mal hin und nahm den Anruf entgegen.

„Hallo Ella. Hast du mich vermisst?“, ertönte eine männliche Stimme.

Sie brauchte nicht lange, um zu wissen, mit wem sie da redete. Es handelte sich um Cedrik, ihren Ex Freund.

„Was willst du?“, fragte sie und automatisch begann sie am ganzen Körper zu zittern.

Sie war froh, dass sie saß, denn sie war sich nicht überzeugt, ob ihre Beine stark genug waren, um nicht nachzugeben.

„Hast du mein Geschenk bekommen? Ich hoffe, dir gefallen die Bilder?“, fragte er freundlich nach.

Es klang bei ihn gerade so, als ob sie einen netten Plausch hatten. Doch die Wahrheit war, dass er ihr eine schreckliche große Angst einjagte.

„Was willst du von mir?“, fragte sie und hoffte, dass er das Zittern in ihrer Stimme nicht hörte.

„Ich wollte dich wissen lassen, dass es mich immer noch gibt. Du lebst dein Leben weiter, als ob nichts passiert wäre. Das werde ich verhindern. Du wirst leiden für das was du getan hast.“

„Von was redest du da?“, fragte sie und ihre Angst verstärkte sich. Sie wusste genau, was er ihr vorwarf.

„Wir hören wieder von einander“, verabschiedete er sich, dabei konnte sie ein Lachen hören. Dann brach die Verbindung ab.

Bleich und voller Angst ließ sie das Handy auf den Tisch gleiten. Sie hatte die Zeit mit Cedric komplett verdrängt. Diese Zeit war sehr schlimm für ihn und sie gewesen. Damals als sie ihn verlassen hatte, hatte sie sich geschworen nach vorne zu blicken und nie wieder zurück. Die Trennung war nun schon drei Jahre her und sie hatte gelernt mit der Zeit, diesen Abschnitt ihres Lebens zu vergessen. Sie hatte seit Jahren nicht mehr an ihn gedacht und dies war gut so. Doch jetzt tauchte er wieder auf. Sie hatte damals ihr Heimatland Irland verlassen und hatte sich in Amerika ein neues Leben aufgebaut. Sie dachte nicht, dass jemand aus ihren alten Leben sie je wieder kontaktieren wird, dafür hatte sie eigentlich gesorgt. Sie hatte sich eine neue Identität besorgt und ein komplettes Leben neu aufgebaut. Sie hatte einige Zeugnisse und Referenzen gefälscht um jede Spur von sich zu verwischen. Sie wollte nicht mehr an ihre Vergangenheit erinnert werden. Ella McAdams war ihre neue Identität und so soll es auch bleiben. Sie schwor sich, dass Cedrik dies nicht kaputt machen wird, dafür wird sie sorgen. Sie beschützte ihre Identität, dafür wird sie alles tun. Das Cedrik sie Ella genannt hat, zeigte ihr, dass er sie, schon seit längere Zeit beobachtet, denn dies war nicht ihr richtiger Name. Er kannte sie unter Lilly.

Sie beruhigte sich wieder und nahm dann das Handy erneut in die Hand.

Es fiel ihr nicht leicht, doch sie schaffte es, dass Zittern in ihren Händen und am Körper zu unterdrücken. Sie hielt das Handy  und gleichzeitig nahm sie ihre Tasse und trank einen Schluck, als ob es das Normalste der Welt war.

Sie öffnete die Galerie und sah sich die Bilder an. Sie sah sie genau an und erkannte, dass die Fotos schlechte Qualität hatten. Cedrik hat sie bestimmt selbst gemacht, denn er besaß weder ruhige Hände noch Geduld. Die Bilder sind Schnappschüsse und teilweise wirklich unscharf. Erst als sie die Qualität begutachtete, machte sie sich an die Aufnahmen heran. Es waren keine besonderen Fotos. Es waren viele Fotos. Er hatte sie also beobachtet. Okay, sollte er doch. Sie redete sich ein, dass von ihn keine Gefahr ausging, doch in Wahrheit wusste sie nicht, zu was er fähig war. Sie hatte ihn sehr verletzt und etwas wirklich dummes getan. Sie bereute es heute noch. Sie hatte ihn versucht die Situation zu erklären, doch er sah sie nur als Monster. Sie scrollte weiter, bis sie auf ein Bild stieß, dass sie bleich werden ließ. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Es war ein altes Bild. Es musste vor vier Jahren aufgenommen sein. Es zeigte sie mit Cedriks Schwester Paula. Sie hatte braune Haare und strahlte in die Kamera, genau so wie sie. Sie wusste noch, dass das Bild ein Fremder aufgenommen hatte.

Paula und sie wollten ein Mädels Abend machen und besuchten irgendeinen Club. Sie hatten wirklich Spaß gehabt. Beide lachten auf dem Bild und sahen glücklich aus. Ella konnte sich noch gut erinnern, an den Augenblick und es tat ihr weh, das Bild anzusehen. Ihr zeigt es, dass sie damals glücklich war und alles zerstört hatte. Sie hatte einen dummen Fehler gemacht. Dieser hatte Paula das Leben gekostet. Sie wischte sich schnell die Tränen weg und verdrängte die Gedanken, so wie sie es die letzten paar Jahre auch getan hat.

Es vergingen zwei weiter Tage und sie hatte den Auftrag von Tim Gelbero abgeschlossen. Sie konnte seine Vermutung leider nicht bestätigen. Seine Frau war ihm treu, doch dies hieß nicht, dass sie keine Geheimnisse vor ihren Mann hatte. Sie hatte in den zwei Tagen schnell einen Einblick in das Leben seiner Frau bekommen. Sie tat alles um ihren Mann zu gefallen. Sie konnte erkennen, dass sie ihn wirklich liebte und alles für ihn tat, damit er keine Sorgen hatte. Sie kümmerte sich um alles und Ella merkte schnell, dass es ihr an den Kräften zerrte. Sie verschwand abends immer wieder einmal, doch nicht um sich mit einen anderen Mann zu treffen. Sie besorgte sich Drogen. Sie konnte sogar herausfinden, das sie Aufputschmittel nahm, um den ganzen Alltag zu bewältigen. Ella empfand Mitleid mit ihr. Sie überlegte, ob sie es ihren Mann erzählten sollte. Es war ihr Job dies zu tun, denn immerhin hat er sie damit beauftragt, doch aus irgendeinen Grund fühlte es sich falsch an, ihn die Wahrheit zu sagen. Tim Gelberos Frau tat alles, damit er glücklich war und dies kostete sie einiges an Energie und sie half sich damit. Doch es schadet ihr. Sie erzählte Tim Gelbero von allen. Als Erstes war er erleichtert, dass seine Frau treu war und dann gescheckt, dass sie zu solchen Mitteln griff. Er verließ geschockt ihr Büro. Sie hatte Mitleid mit ihn und auch mit seiner Frau und fragte sich, was er wohl daheim mit ihr tun wird. Wie es wohl zwischen ihnen weiter ging?

Mittlerweile war es schon abends und sie beschloss sich noch schnell etwas von ihren Lieblings Italiener mitzunehmen. Sie bestellte wie immer das Gleiche.

Sie nahm ihren Pizzakarton entgegen. Sie zahlte ihre Pizza und machte sich dann auf den Weg zu ihrer Wohnung. Sie ging noch einmal schnell in ihr Büro und bemerkte, dass vor der Tür eine kleine Schachtel lag. Sie hob sie auf und wollte sie öffnen, doch dann merkte sie, wie die Pizza Wärme verlor und beschloss, sie oben in ihrer Wohnung zu öffnen. Sie legte die Box auf den Pizzakarton und ging die Treppen nach oben. Dabei stieg ihr der Geruch von Alkohol in die Nase. Sie wunderte sich, denn niemand in diesen Haus trank viel.

Vor ihrer Tür blieb sie kurz stehen. Cedrik stand davor. Sie starrte ihn mit großen Augen an, doch er hatte sie noch nicht bemerkt. Er lehnte an der Tür und hatte seine Hände in der Hosentasche versteckt. Er hatte sich verändert. Seine braunen Haare waren länger und auch hatte er einiges an Gewicht abgenommen. Als sie mit ihm zusammen war, war er sehr sportlich und besaß viele Muskeln, von den heute nicht mehr viel zu sehen war. Er hatte sein Blick immer noch auf den Boden geheftet. Sie trat näher an ihn heran und erst jetzt hob er sein Kopf und starrte sie direkt an. Er roch total nach Alkohol und sie erkannte schnell, dass er zu tief ins Glas geschaut hatte.

„Wie ich sehe, hast du mein Geschenk bekommen“, sagte er kalt.

„Ja“, meinte sie und wusste einfach nicht, was sie sagen sollte. Drei Jahre hatte sie ihn nicht gesehen und jetzt tauchte er einfach vor ihrer Tür auf. Sie fragte sich, was er wollte, doch ein Blick in seine Augen verriet ihr die Antwort.

Er wollte Rache und dies konnte sie ihn nicht einmal verübeln.

Sie blieb einfach stehen und blickte ihn an.

„Wie bist du hierrein gekommen?“, fragte sie verwundert.

„Die Tür unten war offen, wie immer, da die Kunden ja ohne Probleme zu dir gelangen sollen.“, antwortete er nur und blickte sie mit leeren Augen an.

Sie wohnte in einem kleinen Haus, dass drei Wohnung besaß. Eine war ihre, die Zweite war ihr Büro und in der Dritten lebte ein netter ältere Mann. Damals hatte sie sich geeinigt mit ihm, dass die Haustür unten offenblieb, während sie ihr Büro geöffnete hatte.

„Haben dir die Bilder angst gemacht?“, fragte er mit rauer Stimme.

Sie wusste nicht, was seine Frage sollte, doch sie antworte ihn mit einem Nicken.

„Gut, du bist eine Mörderin und ich verstehe dich nicht, wie du noch mit dir leben kannst“, spuckte er ihr entgegen.

Als sie ihn ansah, erkannte sie in seinen Blick nur Verachtung und Wut.

„Was willst du jetzt von mir hören?“, fragte sie ihn und sah ihn fragend an.

„Nichts, du hast genug gesagt und vor allem getan.“, brüllte er.

„Wir können gerne in meine Wohnung gehen und über alles Reden.“, schlug sie vor.

„Denkst du wirklich, reden macht es wieder gut? Du hast meine Schwester getötet. Du hast mir die einzige Familie genommen, die ich noch hatte.“, schrie er sie an. „Sie war einfach alles für mich“

Da er ziemlich laut war, machte dies ihren Nachbarn aufmerksam, der die Haustür öffnete und den Kopf herausstreckte.

„Ist alles okay bei euch?“, fragte er und sah zwischen ihr und Cedrik hin und her.

„Ja, tut mir leid für die Störung“, entschuldigte sie sich und die Situation war ihr mehr als unangenehm.

Der Mann sah unglaublich zu ihr.

„Wir haben nur einen kleinen Streit, den wir aber in meiner Wohnung fortsetzten werden“, meinte sie und ging an ihre Tür und sperrte sie auf.

Cedrik starrte sie nur finster an. Sie trat ein und machte Platz so, dass er ihr folgen konnte. Der Nachbar blickte verwundert, schloss aber auch wieder seine Tür. Cedrik folgte ihr in die Wohnung und auch sie schloss die Tür.

„Es tut mir wirklich leid, was damals passiert ist. Du musst mir glauben, ich wollte nie, dass es so endet. Sie war immerhin auch meine beste Freundin“, rechtfertigte sie sich.

„Ach wirklich. Ich und sie haben dir doch nie etwas bedeutet“, meinte er und holte nun eine Waffe hervor. Ihre Augen vergrößerten sich und Panik machte sich in ihr breit.

„Du hast Angst. Gut, dass solltest du auch haben. Hatte sie Angst vor ihrem Tod?“, brüllt er ihr entgegen.

„Cedrik leg die Waffe weg, dass willst du nicht tun“, meinte sie und hob die Hände.

„Oh doch dass will ich. Du hast meine Schwester getötet, dafür sollst du leiden.“

„Ich wollte ihr doch nie weh tun. Es war ein Unfall“, rechtfertigte sie sich und merkte, wie auch ihre Stimme immer lauter wurde.

„Ein Unfall also? Du hast Alkohol getrunken und hast dich hinter das Steuer gesetzt. Du hast die Kontrolle verloren und sie damit getötet. Doch du hast das unbeschadet überlebt. Du hast sie auf den Gewissen.“, sagte er und lud die Waffe und richtete sie auf sie.

„Ja ich habe einen Fehler gemacht. Ich bin betrunken Auto gefahren und habe es gegen den Baum gesteuert, weil ich nicht mehr die Kontrolle über alles habe. Doch dies wollte ich nicht. Ich bereue es zu Tiefst und wünschte, ich könnte es rückgängig machen, doch kann ich leider nicht. Paula hätte nicht gewollt, dass du das hier tust“, sagte sie und hoffte, dass er die Waffe runter nahm.

„Halt die Klappe, du weißt gar nichts. Du bist aus dieser Sache einfach so davon gekommen. Du hast ein schönes Leben und tust so, als ob nie etwas gewesen wäre. Doch damit kommst du nicht durch.“

„Cedrik, sei vernünftig! Du willst mich nicht töten. So bist du nicht“, meinte sie und sie merkte, wie ihr der Schweiß den Rücken hinunter rannte.

Sie sah in seine Augen und erkannte, dass sie den Mann nicht mehr kannte. Er hatte sich zu sehr verändert und in diesem Moment wird ihr bewusst, dass er abdrücken wird und sie töten wird.

Sie ging ganz langsam ein paar Schritte zurück, bis sie nah genug an der Tür war. Dann riss sie sie auf und rannte hinaus. Bevor er ihr folgen konnte, schlug sie die Tür zu.

Der Nachbar war im Flur und sah sie fragend an, doch bevor sie antworten konnte, fiel der erste Schuss. Beide duckten sich und Ella sah zu ihren Nachbarn, der unverletzt war. Dann öffnete sich die Tür und Cedrik trat mit der Waffe hinaus. Schnell richtete sich Ella wieder auf und begann zu rennen. Sie rannte und hörte, wie Cedrik ihr folgte.

Jetzt war sie froh, dass sie jeden Morgen joggen ging, denn so hatte sie genug Ausdauer. Es fiel noch ein Schuss und sie schloss die Augen, doch hielt nicht an. Getrieben von der Angst, rannte sie blind durch die Gegend. Sie bemerkte nicht einmal, dass sie über eine Straße rannte, bis sie die hupenden Autos hörte. Doch auch dies ließ sie nicht anhalten. Dann hörte sie Polizeisirenen. Dann fiel noch einmal ein Schuss und im nächsten Moment spürte sie einen brennenden Schmerz in ihren Arm. Ihr blieb der Atem für einen Moment weg und sie verlor das Gleichgewicht. Sie fiel zu Boden und merkte, wie sie sich ihre Hände aufschürfte. Adrenalin brachte sie dazu schnell wieder aufzustehen.

„Legen Sie die Waffe weg“, hörte sie eine fremde Stimme und sie blickte über ihre Schulter nach hinten.

Cedrik war nahe bei ihr und richtet immer noch die Waffe auf sie. Hinter ihm standen Polizisten, die eine Waffe auf ihn hielten. Sie sah geschockt zu ihn, dann erst auf ihren Arm. Sie blutete. Sie schluckte schwer und merkte, wie sich alles um sie drehte. Sie hörte zwei Schüsse und sie ging zu Boden. Sie schlug hart mit ihren Kopf auf und sie hatte nicht mehr die Kraft sich zu wehren. Sie ließ sich treiben.

„Mrs?“, ertönte eine Stimme über ihr und nur schwer öffnete sie die Augen.

Es dauerte ein bisschen, bis sie ein klares Bild hatte. Über ihr standen zwei Polizisten. Sie atmete durch und versuchte sich aufzurichten. Die Beamten halfen ihr dabei.

„Ein Arzt ist unterwegs“, informierte er sie.

Sie sah ihn an und dann sah sie Cedrik. Er lag blutend auf der Straße und starrte sie mit offenen und leblosen Augen an. Sie konnte nicht glauben, was sie da sah. Das konnte einfach nicht wahr sein. Er durfte nicht Tod sein.

„Ist er Tod?“, fragte sie und hoffte, dass der Polizist ihr widersprach. Er sah sie an und nickte. In ihren Augen sammelte sich Tränen und nahm ihre Umgebung nicht mehr wahr.

Ein Arzt kam zu ihr und untersuchte sie, doch sie hörte nicht, was er sagte, sie nahm alles nicht mehr wahr. Alles was sie sah war, wie Cedrik tot vor ihr lag. Sie war Schuld an ihren Tod. Sie schloss die Augen und wollte, das alles endete. Sie ließ sich fallen und verlor das Bewusstsein.

Es verging ein kompletter Tag und dann durfte sie endlich das Krankenhaus verlassen, da ihre Verletzungen nicht weiter schlimm waren. Sie hatte eine leichte Gehirnerschütterung, ein paar Schürfungen und einen Streifschuss abgekommen.

Sie ging zu ihrer Wohnung und sperrte sie auf. Sie wusste nicht, wie sie mit den Geschehenen leben sollte.

Sie wusste nur, dass es so nicht weiter gehen konnte. Sie packte schnell ihre Sachen, buchte einen Flug und setzte sich in ein Taxi.

Nach einer langen Autofahrt und eine Flug war sie an ihrem Ziel angekommen. Sie stand vor einer Tür und klopfte.

„Mensch, es ist mitten in der Nacht“, brüllte derjenige und automatisch zeigte sich ein Lächeln auf ihren Lippen.

Endlich öffnete sich die Tür, und ein Mann mit braunen Augen starrte sie an.

„Lilly?“, fragte er und blickte sie fassungslos an.

„Zeit nach Hause zu kommen“, antworte sie ihn.

Lilly war ihr richtiger Name und sie hatte beschlossen, sich nicht länger unter der Identität Ella McAdams zu verstecken. Sie wollte wieder sie selbst sein.

Lilly Lister, das war ihr richtiger Name und die Person, die sie sein wollte. Sie war lange genug davon gelaufen.

One thought on “Die falsche Identität

  1. Hi,
    ich glaube, ich liege nicht ganz falsch, wenn ich meine dass du noch nicht so lange schreibst?
    Ich finde die Idee gut, an der Umsetzung kann man vielleicht noch etwas arbeiten.
    Hier und da hast Du, finde ich, etwas Zuviel ausgeschmückt ( den Leser interessiert, glaube ich, nicht wirklich, wie der Auftrag des Ehemanns letztlich ausging, das ist mir zu viel… ), bei einer Überarbeitung solltest Du versuchen, auf Wiederholungen zu verzichten. Als Tipp : Lass Deine Geschichten von ein paar “Fremdlesern” lesen, die sehen oft mehr als man selbst beim Schreiben.
    Bleib dran, dann wird es noch besser!

    P:S. Vielleicht hast Du ja Zeit und Lust, auch meine Geschichte zu lesen und ein Feedback da zu lassen (“Glasauge”)

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