Cornelia SchrammWer ist Milan?

                                            Wer ist Milan?

Es gibt einen Schmerz, der die Seele zerstört, und in nur einem Augenblick, hast du meine Seele zerstört! Und deshalb werde ich Dich töten. Ich habe es versprochen! Ich musste lange darauf warten und jetzt ist es endlich soweit!

Es war noch früh an diesem Samstagvormittag, die Sonne war hinter ein paar Wolken versteckt. An dem warmen Wind konnte man spüren, dass heute ein heißer Tag wird. In dem verschlafenen Dorf, in der Nähe von Hamburg, war es noch ruhig. Man hörte entfernt ein paar Hühner gackern und das Brummen eines Treckers. Hier und da wurde ein Fenster geöffnet, um die nach Gräsern duftende Morgenluft hereinzulassen.

Das hellblau gestrichene Bauernhaus, das Tom und Lisa vor ca. drei Monaten gemietet hatten, lag am Dorfrand und grenzte an einen kleinen Wald, von Feldern umgeben.

Drinnen roch es nach frischen Brötchen und Kaffee. Lisa deckte gerade den Frühstückstisch. Tom zog seine Turnschuhe an, um eine Runde mit Elly zu laufen. Die kleine braune Mischlingshündin lief schon freudig zappelnd zur Tür. Gleich konnte sie herumtoben.

Es war gemütlich bei ihnen. Mit viel Liebe, hatten sie das Haus, im modernen Landhausstil eingerichtet. Es war ihr erstes gemeinsames Heim. Beide waren erst vor ein paar Jahren hier in die Gegend gezogen, aus beruflichen Gründen. Sie hatten sich vor ein paar Monaten, bei einem Fest kennengelernt. Ihre grünen Augen waren ihm sofort aufgefallen und als Lisa neben ihm stand, traute Tom sich, sie anzusprechen. Seitdem waren sie unzertrennlich.

Lisa hatte das Radio angemacht. Sie mochte Schlager und summte leise mit. Tom hätte nie gedacht, dass er mal so eine Frau abbekommt. Lisa Handtke war eine Schönheit, nach der man sich nochmal umdreht, wenn sie vorbei geht. Tom war eher ein Durchschnittstyp, nicht sehr groß und auch nicht muskulös. Er wirkte ein bisschen, wie der typisch langweilige Versicherungskaufmann und das war er auch. Sein Geld konnte auch nicht der Grund sein, denn er hatte keins. Liebe kann man ja nicht erklären, meinte Lisa immer.

Die langen schwarze Locken hingen noch ungekämmt in ihrem Gesicht. Sie pustete eine Strähne weg > Wenn Ihr zurück seid, können wir frühstücken. Die Brötchen sind noch warm, also trödelt nicht so! < Tom nahm den Hausschlüssel und gab Lisa einen Kuss auf den Nacken. Ihre Haut schmeckte immer ein wenig nach Vanille. > Machen wir, bis gleich. Sollen wir heute mal über unsere Urlaubsplanung reden. Griechenland oder Spanien? Langsam müssen wir uns entscheiden, Schatz! <, Lisa nickte abwesend und verschüttete ein paar Tropfen Kaffee auf die Tischdecke, ohne dass sie es merkte.

Tom ging mit Elly zur Tür hinaus und als er die Tür schloss, wusste er noch nicht, das sein Leben, so wie er es bisher gelebt hatte, vorbei war.

Die Wolken hatten sich verzogen und die Sonne strahlte, als Tom in den schattigen Wald lief. Elly rannte vorweg. Sie kannte den Weg und freute auf das kurze Abenteuer, das freie Herumschnüffeln ohne Leine. Vielleicht könnte man ein paar Vögel jagen, die laut zwitschernd hin und her flogen. Tom lief langsam, schneller ging es noch nicht, er lief erst seit ein paar Wochen. Sein Puls pochte in den Ohren und er fing an zu schwitzen. Noch ein Stückchen auf dem Schotterweg, dann war er an der Lichtung. Dort machte Tom immer eine Pause und setzte sich auf die Bank. Man hatte man einen schönen Blick über die Felder. Heute war es, als dauerte es ewig bis es soweit war.

Du hast dein Leben einfach weitergelebt. Hast einfach getan als wäre es nie geschehen. Als könntest du es abstreifen, verschwinden und vergessen. Aber ich werde dich erinnern. An das Leid, dass du gebracht hast. Du wirst das Gleiche spüren, bevor du stirbst, Tom!

Da war die Lichtung und seine Pausenbank. Na endlich, dachte Tom. Er hätte lieber nur eine kurze Runde laufen sollen, aber irgendwas trieb ihn an. Elly war es nicht. Sie trabte inzwischen lustlos hinterher. Sie würde lieber mehr in die Felder laufen, aber sie wusste, dass ist nicht erlaubt. Als Tom näher zur Bank kam, wurde er geblendet von einem Gegenstand, der in der Sonne glänzte. Er kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. Da lag ein Handy auf der Sitzfläche. Ein wenig wie liegen gelassen, aber auch ein wenig, wie extra hingelegt. Es lag in der Mitte, nicht zu übersehen. Die Hülle war aus Glitzersteinen. Bestimmt hatte es ein Teenie beim Herumknutschen verloren, dachte Tom. Er schaute nach hinten, aber da war niemand. Natürlich nicht, um diese Zeit. Tom setzte sich pustend auf die Bank und nahm das Handy. Das liegt bestimmt schon seit gestern Abend da, dachte er. Obwohl es sich gar nicht feucht anfühlte. Tom drückte seitlich auf den On Knopf und das Display wurde hell. Mal sehen, ob man etwas über den Besitzer herausfindet. Er wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn und dachte sich, wie unvorsichtig, kein Pin oder Passwort!

Es war außer der Bildergalerie nichts gespeichert und Tom drückte auf öffnen.

Er sah ein Foto, ein Haus mit schönem Vorgarten. Kommt mir bekannt vor, dachte Tom… ist aber nicht hier im Ort! Er wischte seitlich auf dem Display, um das nächste Bild anzusehen. Es war ein Zettel fotografiert, darauf stand …Milan!

Tom überlegte, ob er einen Milan kannte, aber es fiel ihm niemand ein, mit diesem Namen. Er wischte wieder zur Seite und erstarrte. Ihm wurde schlagartig eiskalt und um ihn herum war plötzlich Totenstille. >Was zur Hölle? Was soll das? <, Tom starrte entgeistert das Foto an und das Foto starrte zurück…!

Es war ein schwarz-weiß Bild, scheinbar von einer Überwachungskamera. Darauf war ein Paketwagen zu sehen. Die Einfahrt sah aus wie die auf dem ersten Foto, nur Richtung Straße. Deutlich war der Fahrer zu erkennen. Es war Tom!

Tom wurde schlagartig klar, das Handy lag hier nicht nur so …es war hier abgelegt worden, damit er es findet. Plötzlich hatte die Umgebung etwas Unheimliches an sich. Tom sprang auf, pfiff nach Elly und rannte impulsiv Richtung Dorf, das Handy fest umklammert. Die kleine Hündin kam sofort angelaufen, obwohl sie gerne noch in dem Loch gebuddelt hätte, in das gerade eine Feldmaus verschwunden war, zu schade! Nach ungefähr zweihundert Metern blieb Tom stehen. Er atmete schnell und die weichen Knie kamen nicht vom Laufen. Was sollte das? Er auf diesem Foto! Aber wo und wann? Er konnte sich nicht erinnern, dass er jemals ein Paketwagenfahrer gewesen war! Und wenn doch, was war passiert? Warum legte man ihm ein Handy in den Wald mit seinem Foto. Jemand musste Tom beobachtet haben und kannte seine Waldrunde. Was sollte ihm das sagen? Woran erinnern? Und wer war Milan?

Tom wusste, dass er sich nicht an alles aus seiner Vergangenheit erinnerte, seit dem Unfall!

Hatte er in der Vergangenheit irgendwas mit diesem Milan zu tun? Es hatte keinen Sinn darüber nachzudenken, denn es würde ihm nicht einfallen. Nichts ist ihm je wieder eingefallen!  Tom ging schnell Richtung Waldausgang.

Aus einer seitlichen Abzweigung kam ihm seine Nachbarin Frau Linde entgegen. Die alte Dame, war noch sehr fit für ihr hohes Alter. Sie lief mit Walkingstöcken und grüßte freundlich. Tom nickte ihr nur kurz zu.>Ach, Herr Sanders, das ist wohl ein Spiel, diese moderne Schatzsuche, was? < Tom ging einfach weiter und antwortete nicht. Das ist eigentlich nicht seine Art, aber jetzt war ihm nicht nach Small Talk. Außerdem wusste er nicht, was sie meinte. Hätte er doch kurz angehalten und mit ihr gesprochen, dann wären vielleicht alles anders gekommen, anders als es jetzt kam.

Und vielleicht wäre niemand gestorben!

Lisa schaute erstaunt auf, als Tom mit Elly zurückkamen. >Oh, das ging ja wirklich schnell! <.

Tom hatte das Handy in seine Jogginghose gesteckt und überlegte kurz, ob er Lisa alles erzählen sollte. Über das Handy und über seine Krankheit. Es gab bis jetzt keinen Grund darüber zu reden. Er entschied sich dagegen. Ich muss erst mit Jojo reden, dachte Tom. Er setzte sich zu Lisa an den Tisch und goss sich Kaffee ein. Sie biss von ihrem Marmeladenbrötchen ab und erzählte von den Gardinen, die sie heute bei ihrem Vater aufhängen wollte > Du denkst doch daran heute Nachmittag nachzukommen. Mein Vater zählt auf deine Möbelaufbaukünste. < Sie kicherte, weil das nicht unbedingt der Wahrheit entsprach.

Lisas Vater war erst vor ein paar Tagen in den Nachbarort gezogen. Er wollte gern in ihrer Nähe wohnen und Lisa freute sich sehr darüber. Hoffentlich merkt sie nicht, wie meine Hände zittern, dachte Tom >Ja, klar denk ich dran, hab schon den Akkuschrauber aufgeladen. Aber ich muss mich noch mal kurz mit Jojo treffen. Dann gehöre ich ganz euch! <

 Lisa atmete tief ein >Was musst du denn mit Jojo besprechen? Ihr wart doch gestern erst zusammen Motorrad fahren? <. Tom suchte nach einer Ausrede > Männergeschichten! <, antwortete er einfallslos.

 > Ihr zwei könnt wohl nicht ohne einander, naja, dann grüß ihn mal und lass uns das mit dem Urlaub morgen besprechen. Nach dem Frühstück fahre ich gleich zu Papa und helfe ihm beim Kisten auspacken. < Tom nickte und schmierte sich Käse auf sein Brötchen. Aber in Gedanken war er bei Milan! Wer zur Hölle bist du?

Nach dem Frühstück ging er duschen und Lisa sammelte noch ein paar Sachen zusammen, die sie für den Nachmittag brauchte und rief Tom zu >Bis später! <

Tom schaute aus dem Badfenster und wartete bis Lisas Auto um die Ecke bog. Er zog sich schnell an und lief nach unten, um seinen Freund anzurufen.

Jojo und Tom lernten sich kennen, als Jojo, der eigentlich Johannes Jonas hieß, eine Lebensversicherung abschließen wollte. Sie waren im gleichen Alter und mochten sich sofort. Tom erzählte, dass er in der Gegend neu war und niemanden kannte. Jojo bot ihm an, mal zum Motorradclub mitzukommen. Tom war begeistert, denn davon hatte er immer geträumt. Kumpels, mit denen man sich zusammen die Zeit vertreibt. Sowas hatte er bis jetzt in seinem Leben noch nicht gehabt, echte Freunde. Jedenfalls nicht soweit er sich erinnerte.

Jojo, war einmalig. Immer da, wenn man ihn brauchte und für jeden Spaß zu haben. Er war Polizist, ein Dorfsheriff, wie seine Freunde ihn immer nannten. Er war mit roten Haaren und Sommersprossen gesegnet und hier in der Gegend, kannte ihn jeder. Tom war stolz sein Freund zu sein. Wenn jemand ihm jetzt einen Rat geben könnte, dann Jojo…!

 Sie verabredeten sich für 12:00 Uhr. Das Ausflugslokal Café Zeit lag ca. 15 Kilometer entfernt an einem kleinen See. Ein weißes Reetdachhaus mit einem Biergarten davor, überall blühten die Bauernhortensien. Drinnen im Café war es kühler als draußen in der Sonne, deshalb war es im Lokal leer, aber auf den Stühlen mit Blick auf den See, war fast alles besetzt, als Tom ankam. Er hatte Elly an der Leine, sie schaute sehnsüchtig in Richtung See, aber das bemerkte Tom nicht. Kies knirschte unter seinen Füßen, als er in das Lokal ging, er wollte ungestört mit Jojo reden.

Drinnen roch es nach Pommes Frites und Erdbeertorte. Staub tanzte in den Sonnenstrahlen, aber Tom achtete nicht darauf. Er setzte sich an den hintersten Tisch. So konnte keiner mithören, ohne dass Tom es bemerken würde. Er band den Hund an ein Tischbein, bestellte sich einen Kaffee und schaute aus dem Fenster. Warum konnte er jetzt nicht so sorglos da draußen sitzen und mit Lisa lachend auf den See schauen?

Jojo kam 5 Minuten später an, mit einem gut gelaunten lauten >Moin<, begrüßt er die Bedienung. Natürlich kannte er sie! Sie war eine Cousine seiner Freundin Melli. Sie hielten ein kurzes Schwätzchen. Tom wartete geduldig, plötzlich wurde er innerlich ganz ruhig, das Rattern in seinem Kopf hörte auf und als er Jojo beobachtete, hatte er dieses Gefühl von, alles wird gut!. Jojo kam auf ihn zu und Tom stand auf. Sie umarmten sich wie immer zur Begrüßung, aber Tom drückte dieses Mal etwas fester zu. Er war so froh, das Jojo gleich Zeit für ihn hatte. Elly war auch aufgesprungen und begrüßte Jojo leidenschaftlich, bevor sie sich für ein Nickerchen unter dem Tisch zusammenrollte.

>Mensch Tom, am Telefon dachte ich, du heulst gleich los. Deine Stimme klang ja, als wäre jemand gestorben. < Tom schaute ihn an >Keine Ahnung, ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht so genau. Ich brauche deinen Rat! < Jojo bekam seinen Kaffee, den er beim Reinkommen bestellt hatte >Ja, dann hau mal raus, was ist denn los? < Tom gab ihm das Handy und klärte ihn auf. Jojo schaute sich die Fotos an < Okay, Alter, das ist, ähm, verrückt! < Jojo hakte nach >Wieso erinnerst du dich nicht? Vielleicht ist es eine Fotomontage! Hast du eine Idee, wer das Handy in den Wald gelegt hat? <

Tom überlegte nicht, denn das hatte er schon den ganzen Vormittag getan > Mir fällt niemand ein. <

Er seufzte > Aber ich muss dir was sagen, Jojo! Ich kann mich wahrscheinlich nicht erinnern, weil, also ich leide seit meiner Jugend, an Amnesie. An Dissoziativer Amnesie! <

Und dann erzählte Tom seinem besten Freund das erste Mal von dem Unfall.

Jojo wusste, dass Tom keine Familie mehr hatte und dass sie bei einem Autounfall ums Leben kamen, als Tom 15 Jahre alt war. Aber das er mit im Auto saß, hatte Tom nie erwähnt.

Damals waren seine Eltern, sein Bruder und Tom auf der Rückfahrt aus dem Familienurlaub in Italien. Sein Vater war übermüdet und fuhr am Stauende in einen Autotransporter. Alle waren auf der Stelle tot, nur Tom hat schwer verletzt mit einem Schädel-Hirntrauma überlebt. Er lag lange in einer Spezialklinik. Niemand hat ihn dort besucht. Einmal kam jemand vom Jugendamt vorbei. Man fragte ihn, ob er es okay finden würde, bei der Tante seines Vaters zu wohnen. Da er sonst keine Verwandten mehr hatte, blieb ihm auch keine andere Wahl. Nach vielen Wochen im Krankenhaus voller Schmerzen und voller Trauer um seine Familie, wurde er zu seiner Tante nach Flensburg gebracht. Aber sie interessierte sich nicht sehr für ihn. Sie kassierte die Waisenrente und trank gern mit ihren Freundinnen Sektchen, beim Kartenspielen.

 Tom kümmerte sich also um sich selbst. Er spielte gern am Computer oder hörte stundenlang Musik. Er war ein guter Schüler, unauffällig. Ohne Probleme machte er seinen Schulabschluss.

Dann bemerkte er, dass er sich nicht mehr an wichtige Dinge erinnern konnte, die passiert waren. Irgendwann erzählte er seiner Ärztin davon. Nach eingehenden Tests stand die Diagnose fest. Dissoziative Amnesie, ausgelöst durch das Schädel-Hirntrauma. Das bedeutet, die Unfähigkeit sich an wichtige oder schlimme Lebenssituationen zu erinnern, so als wären sie nie passiert, nie erlebt worden. So war es bei Tom. Der Unfall war nur noch eine Erzählung der Anderen. Auch der Schulabschlusstag oder die komplette Zeit danach waren später wie ausgelöscht in seinem Kopf.

Irgendwann hat er eine Annonce in der Zeitung gelesen, dass eine Ausbildungsstelle zum Versicherungskaufmann frei war. Tom hat sich beworben und sie auch bekommen. Die Ausbildung hat er mit Auszeichnung abgeschlossen und bekam dann die Stelle hier vor ca. drei Jahren. Aber wann er bei seiner Tante auszog und ob im Streit oder nicht, das weiß Tom nicht mehr. Er hatte nie wieder von ihr gehört. Einmal hat Tom angerufen, aber die Nummer gab es nicht mehr. Er hat dann, da das alles schon hundert Jahre her zu sein schien, seine Vergangenheit abgehakt. Bis heute Morgen.

Jojo hatte fassungslos zugehört und ihm wurde mit jedem Wort klarer, wie schlimm Toms Leben früher gewesen sein muss. Jojo war froh, dass sie sich gefunden hatten.

Er überlegte kurz  > Lass uns mal das Bild ansehen. Kannst du vielleicht irgendwie erkennen, wann das war? < Tom schaute das Foto an > Naja, du stellst Fragen! Also, da sind meine Haare länger, als ich sie bei der Ausbildung trug.  Also muss es so ungefähr um die Zeit davor gewesen sein. Danach waren sie nie mehr schulterlang. <

 

Ich bin bereit, Tom. Bist du schon ein bisschen Irritiert…? Es ist ja auch für mich nicht leicht! Ich mache das ja auch zum ersten Mal, Es wird auch kein anderes Mal mehr geben. Man kann ja nicht jeden töten, den man hasst! Aber bei dir ist das anders. Ich habe es geschworen. Ich habe es Milan geschworen…

              

Jojo hatte eine Idee >Ich habe einen Exkollegen in Flensburg, der könnte mal im Computer nachsehen, ob es in der Zeit vor 6-8 Jahren irgendwelche Vorkommnisse mit diesem Paketdienst gab oder Einträge mit deinem Namen. Den ruf ich gleich mal an und dann werden wir sehen. < Tom war erleichtert >Das klingt nach einem guten Plan! < Sie beschlossen sich abends nochmal auf ein Bier zu treffen.

Jojo klopfte Tom auf die Schulter > Hey, Alter! Wir kriegen das raus…mach dir keinen Kopf. Du weißt doch, Inspektor Columbo ist bei dir.! < Tom lächelte dankbar. Aber irgendwie hatte er so eine Ahnung das etwas Schlimmes passieren würde und er sollte recht behalten.

Tom fuhr nach einem kurzen Seespaziergang mit Elly nach Hause, um seine Sachen zum Möbelaufbau zu holen. In der Zeitungsrolle am Postkasten lag ein Briefumschlag, ohne Anschrift. Tom öffnete ihn und erstarrte.

Darin war das Handyfoto, ausgedruckt und vergrößert. Der Fahrer im Paketauto. Dieser Tom aus einer anderen Zeit! Sein Herz raste. Verdammt, dachte er. Panik schnürte ihm den Hals zu. Hastig ging er ins Haus und schaute vorsichtig aus dem Fenster. Als ob derjenige noch da sein könnte, ihn noch beobachten würde. Aber, da war niemand. Ich muss mit Lisa und ihrem Vater darüber sprechen, ich kann jetzt nicht einfach so tun als wäre nichts.

 Tom versorgte Elly mit Wasser und versprach bald zurück zu sein. Als er losfuhr, vergaß er sein Handy.

Jojo hatte einen fleißigen Exkollegen, der sich ziemlich schnell zurückmeldete. Jojo wollte gerade mit seiner Freundin zu einer Motorradfahrt aufbrechen, als Simon Müller ihn erreichte > Hey, Sheriff, ich habe da was gefunden, das bestimmt interessant für Dich ist! Vor ungefähr 6 Jahren wurde mal ermittelt, in Sachen Fahrerflucht mit Todesfolge, dieser Paketdienst wurde am Tatort von einem Zeugen gesehen. Aber man konnte niemandem etwas nachweisen. Keins der Fahrzeuge war beschädigt. Also musste man die Sache ungeklärt lassen. Dein Kumpel Tom arbeitete damals dort, er war einer der Verdächtigen. Kurz darauf hat er gekündigt und ist umgezogen. Sorry, aber für mich, stinkt das ein bisschen! <

Jojo starrte vor sich hin, >Ja, hört sich nach Flucht an, aber es könnte auch Zufall sein, oder! Wer war das Opfer? <       Es raschelte, dann sagte Simon > Ein zweijähriges Kind, war früh am Morgen alleine aufgestanden und im Schlafanzug nach draußen gelaufen. Mehr weiß ich jetzt auch nicht! < Jojo bedankte sich bei ihm und versprach mal wieder auf ein Bier vorbei zu kommen.

Das konnte er Tom nicht am Telefon erzählen, es musste bis heute Abend warten, er wollte ihm dabei in die Augen sehen.

Tom war inzwischen bei seinem Schwiegervater angekommen und wunderte sich über den großen Transporter vor der Garage. Als er parkte, öffnete sein Schwiegervater in Spee, schon die Tür. Er war ein imposanter Mann, vor der Rente war er Apotheker gewesen. Er sah Lisa sehr ähnlich. >Hallo, Tom, schön dass du da bist. <, Sie gaben sich die Hände und Tom antwortete < Hallo, Martin. Ja gerne doch. Bin gespannt, was du noch so gekauft hast! < Sie gingen ins Haus.

Lisa kam gerade die Kellertreppe hoch. Sie sah müde aus, >Ach gut, da bist du ja, wir wollten jetzt einen Kaffee trinken. < Lisa schaute beim Sprechen auf den Boden, als Tom an ihr vorbeiging > Das trifft sich gut, ich muss etwas mit euch besprechen. < sagte Tom. Sie setzten sich ins Esszimmer, an den runden Tisch.

An mehr konnte sich Tom nicht erinnern, als er im Keller erwachte. Nicht, dass Martin ihm ein Tuch von hinten aufs Gesicht drückte, nicht wie Lisa ihn ansah, hasserfüllt und traurig zugleich.

Tom muss ein paar Stunden ohne Bewusstsein gewesen sein, als er wach wurde, angebunden mit Paketband am Heizungsrohr. Sein Mund war abgeklebt und es war so dunkel, dass er gerade noch sehen konnte, wo er war. Sein Schädel brummte und sein Hals tat weh beim Schlucken. Jemand muss uns überfallen haben, dachte Tom. Und wo sind Lisa und Martin? Tom wurde wieder ohnmächtig und als er das nächste Mal wach wurde, roch es nach Vanille und er schaute in grüne Augen.

Martin riss Tom das Klebeband vom Mund. Lisa saß vor ihm > Hallo, Tom! < Diesen Ausdruck in ihrem Gesicht, hatte Tom noch nie gesehen. Er war vollkommen durcheinander >Lisa, was soll das? <

>Ich habe dir so viel Zeit gegeben <, sagte Lisa kraftlos.

> Zeit um mir anzuvertrauen, was du getan hast. Reue hatte ich mir erhofft. Irgendein Zeichen des Bedauerns, aber nichts! < Tom sah sie fragend an > Wovon redest du, ich verstehe kein Wort? <, Lisa schluckte und sagte mit trauriger Stimme > Dann kläre ich dich jetzt mal auf! <

> Vor 8 Jahren, lebte ich mit meinem damaligen Mann Ole in Flensburg. Wir hatten ein kleines Haus und ich war schwanger mit unserem Sohn. Ole hatte damals einen Arbeitsunfall und starb, noch bevor unser Kind zur Welt kam. Der Kleine war alles was mir von meinem Glück geblieben war. Und du hast Milan umgebracht! <

Lisa fing an zu weinen, Tom schüttelte verzweifelt den Kopf, doch bevor er etwas sagen konnte, erzählte Lisa weiter, >Ich habe noch fest geschlafen an diesem Morgen. Ein paar Augenblicke nur zu lange, da wurde ich durch Schreie von der Straße wach. Ich rannte zum Fenster und sah einige meiner Nachbarn mitten auf der Straße stehen. Ich habe erst nicht gesehen warum, aber dann …<, Lisa wischte sich die Tränen ab  >Dann habe ich Milan da liegen sehen, alles war voller Blut. Sein Spongebob Schlafanzug und sein Teddy, der neben ihm lag. Milan wollte wohl seinem Flummi hinterherlaufen. Er war sofort tot. Man hatte gesehen, dass es ein Paketwagen war, der einfach weitergefahren ist.

Ich bin komplett durchgedreht. Dann, als die Polizei keinen Schuldigen fand und ich wieder klarer denken konnte, fiel mir ein, dass etwas auf unserer Überwachungskamera zu sehen sein könnte. Sie zeigte, verbotener Weise, ein Stück der Straße. Der Unfall war Gott sei Dank, nicht zu sehen. Aber der einzige Wagen um diese Zeit war deiner.

Ich habe das nicht der Polizei gemeldet. Nein, ich habe Milan versprochen, dass ich dich finde, dass du nicht davonkommst. Es war leicht, ein bisschen naives Fragen und schon hatte ich deinen Namen beim Paketdienst erhalten, deine neue Adresse, erhielt ich von deiner Tante. Sie hat sich sehr gefreut, dass eine alte Schulfreundin dich sucht. Ich soll dich schön von Tante Marie grüßen, sie ist umgezogen! <, Lisa lachte hysterisch <

> Meine ganze Kraft habe ich geopfert für diesen Moment, ich bin so froh, dass ich mein Versprechen halten kann. Das du genau den Schmerz spüren wirst, wie er in seiner letzten Minute! <

Tom hatte entsetzt zugehört und versuchte sich loszureißen >Hör mal, das ist doch verrückt, Lisa! Du kennst mich doch, ich bin doch niemand der ein Kind überfährt und liegen lässt! Wenn es wirklich so war, dann geh ich zur Polizei und stelle mich, bitte, lasst doch den Mist! < Lisa schaute ihn angewidert an > Nein, Tom es ist zu spät. Das hättest du dir früher überlegen können. <

Tom rief verzweifelt >Wie denn, Lisa? Ich wusste doch von gar nichts. Ich leide seit meiner Jugend an Amnesie! <

Martin unterbrach ihn unsanft mit einem Faustschlag. Blut spritzte aus Toms Nase. Martin schob Lisa bei Seite > Schluss jetzt mit diesem Gequatsche! Du hast meinen Enkel umgebracht, du Mistkerl! Jeden Tag seitdem male ich mir aus, wie ich das Gleiche mit dir mache. Wie ich mit einem Wagen über Dich drüber fahre und deine Knochen brechen, so wie kleine, trockene Äste! < ,er schrie es Tom ins Gesicht und Tom schaute ihn fassungslos an.

Sie hatten ihn die ganze Zeit belogen, um ihn am Ende umzubringen. Tom lief das Blut übers Gesicht in den Mund, es schmeckte nach Metall. Er fing an zu husten, aber das war ihm egal. Sein Leben war vorbei, so oder so. Seine Lisa gab es nicht und er hatte ein Kind getötet, dachte Tom mutlos. Wieder drückte Martin ihm voller Abscheu das Tuch mit dem Chloroform aufs Gesicht. Nur kurz, damit er zum Sterben wieder wach genug war und Tom sehnte die Bewusstlosigkeit herbei.

Jojo fuhr abends zu Toms Haus, nachdem er mehrmals vergeblich versuchte ihn anzurufen, weil er nicht zur Verabredung erschienen war. Es war Dunkel im Haus und Jojo hatte ein ungutes Gefühl. Er hatte einen Zweitschlüssel, da er manchmal auf Elly aufpasste und jetzt nutzte er ihn, um ins Haus zu kommen.

Elly freute sich und raste gleich an ihm vorbei, auf die Wiese, um sich zu erleichtern. Es war also schon länger niemand zu Hause. Jojo sah Toms Handy auf dem Tisch liegen und sagte zu sich selbst >Was zum Teufel ist hier los? < Er beschloss, den Hund zur Nachbarin zu bringen, dann würde er versuchen Lisa zu erreichen.

Und dann passierten 2 Dinge gleichzeitig.

Jojo klingelte bei Frau Linde, erklärte ihr, dass bei Tom und Lisa niemand da wäre und fragte, ob sie solange Elly nimmt. Das wollte sie gern und meinte dann, dass die beiden bestimmt dieses Spiel spielen, diese moderne Schnitzeljagt, mit dem Handy. Dieses Geocatching. Jojo schaute erstaunt und Frau Linde plapperte weiter, weil sie doch gesehen hat, wie Lisa mit dem Fahrrad und diesem glitzernden Handy in der Hand, in den Wald fuhr, bevor sie mit Brötchen wieder zurückkam. Und später kam Tom dann mit dem Handy wieder heraus.

Bevor Jojo begriff, was er gerade gehört hatte, klingelte sein Smartphone und sein Exkollege Simon war dran, > Hey, Jojo, hör mal! Ich habe jetzt noch den Namen von dem Kind, vielleicht hilft dir das ja weiter. Sein Name war Milan Handtke. Die Mutter hieß Lisa Handtke <

Jojo starrte auf Toms Haus und verstand jetzt, was los war. Er rief >Danke! <, ins Handy und in Richtung von Frau Linde. Dann rannte er zu seinem Wagen.

Er telefonierte mit seinen Kollegen und schickte eine Streife zu Lisas Vater. Jojo ließ sich die Adresse geben und raste ebenfalls los. Doch als sie ankamen, war niemand mehr da!

Tom wurde wach, als er auf den Boden aufschlug. Er war immer noch gefesselt und konnte sich nicht bewegen. Die Erde war feucht und es war kalt und dunkel. Er konnte sehen, dass er auf einem Waldweg lag und jemand von ihm wegging. Um ihn herum raschelten die Blätter, der Wind war jetzt nicht mehr warm und angenehm wie am Morgen, sondern kühl und unheimlich. Tom sah weit entfernt, Lichter von einem Wagen. Es waren große Lichter, wie von einem Transporter. Sie blendeten ihn. Nach einer gefühlten Ewigkeit, hörte er, wie der Motor startete und die Lichter kamen immer näher. Er konnte nichts tun. So fühlt man sich also, wenn man gleich stirbt, dachte er.

Der Wagen kam immer näher und als nur noch ein paar Sekunden fehlten, um bei ihm zu sein, kurz bevor er die Augen zum Sterben schließen wollte, konnte er die Gesichter erkennen. Konnte Tom sehen, dass Lisa ihrem Vater ins Lenkrad griff.

Der Transporter machte eine scharfe Linkskurve und geriet ins Schlingern. Immer noch mit hoher Geschwindigkeit knallte der Transporter gegen einen Baum.

 Zwei Tage später wurde Tom aus dem Krankenhaus entlassen. Jojo brachte ihn nach Hause. Er hatte nur ein paar Kratzer davongetragen, die auf der Seele, nicht mitgerechnet. Nachdem der Transporter sich um den Baum gewickelt hatte und kein Lebenszeichen von Lisa oder Martin zu hören war, hatte Tom versucht, auf Knien zur Hauptstraße zu robben, was ihm auch gelang. Im Krankenhaus erfuhr er, dass beide Insassen des Wagens, tot waren. Er schlief danach fast 24 Stunden.

Jojo sagte auf der Heimfahrt zu Tom > Du weißt, ich bin immer für dich da, Kumpel. Aber, ich kann es nicht verhindern, dass die Kollegen dich nochmal befragen müssen, wegen dem Unfall mit dem kleinen Milan! <

Tom schaute  Jojo  verwirrt an > Wer ist Milan? Ich weiß nicht wovon du redest! <

Einige Hundert Kilometer entfernt, stand Heinrich Brückner am Grill. Er hatte Freunde und Nachbarn zum Geburtstag eingeladen. Zwei Häuser weiter, war vor einigen Jahren ein nettes Ehepaar eingezogen. Sie waren jetzt befreundet. Gut das Lisa Handtke damals weggezogen ist. Jeden Tag diese Trauer zu sehen, hatte die Stimmung der ganzen Straße runtergezogen. Immer wurde Heinrich an diesen schrecklichen Morgen erinnert. Als er übermüdet von der Nachtschicht kam.

Am anderen Straßenende sah er noch, wie ein Paketwagen gerade abbog. Nur einen Augenblick später, rumste es unter seinem SUV. Toll, wieder ne Katze erwischt, dachte er und bog in seine Einfahrt. Er fuhr gleich in seine offene Garage und als er das Garagentor schloss und sich umdrehte, sah er das Kind und fing an zu schreien.

Als die Polizei ihn später befragte, zweifelte niemand an seiner Aussage, dass es ein Paketwagen war. An seinem Wagen war nichts zu sehen. Die Blutspritzer hatte er schon abgewischt. Ja, es war gut das Lisa weggezogen war, dachte Heinrich und drehte seine Steaks um. 

                      The End 😉

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