mariusgugelbergerEin Mörder für eine Stadt

 

Ein Mörder für eine Stadt

Die Trommel der Waschmaschine beginnt zu rotieren, als Will die vermoderte Jeanshose begutachtet, die sich darin dreht. Lediglich seine struppige Haarpracht hält ihn davon ab, die Umdrehungen zu zählen. „Verdammt.“, flucht er, als er bemerkt, dass er seine letzte Dose Pomade aus der Lederjacke verloren haben muss. Nur die angefangene Zigarettenschachtel ist in der Innentasche versteckt.

Wo bist du Nichtsnutz?“, schreit eine raue weibliche Stimme in Aufruhr, doch Will bleibt unbeeindruckt. Vermutlich weil er dieses Brüllen seit Jahren gewohnt ist.

Er läuft in die Küche, um das seelische Wrack, gezeichnet durch den Alkohol, zu begutachten und prompt ist ihre Absicht erkennbar.

Leih deiner Mutter ein wenig Geld. Sei ein lieber Sohn.“, bittet Silvia, die ihre kurz rasierten Haare an Will´s Unterarm reibt, als wäre sie eine Katze, die Aufmerksamkeit benötigt.

Damit du wieder alles versaufen kannst?“, fragt er spöttisch, doch nur einen Moment später, zieht er seinen Kopf ein, als er das Zerschellen, der letzten Müsli Schale wahrnimmt.

Er verschwindet im dunklen Jugendzimmer, dessen Jalousie nur einen einzelnen Lichtstrahl hineinfallen lässt. Die matschigen Schuhe ziehen eine immense Dreckspur durch den muffigen Raum. Ein verklebter zwanzig Euro Schein, der pappt, als hätte man ihn mit Bastelkleber bestrichen, sticht ihm ins Auge. Zittrig presst er den Schein in die Faust ein, denn die Erinnerung steigt auf, dass die Narbe am Hinterkopf, bereits von einer herumfliegenden Vase stammt. Er ist das Kind, das seine Mutter einst wollte und dann Verachtete, als der Vater sich aus dem Staub gemacht hat. Will bekommt das täglich zu spüren, doch mit zunehmendem Alter stellt er sich seiner Mutter entgegen.

Kehr wenigstens die Scherben zusammen.“, befiehlt Will, als er den Geldschein auf den Tisch wirft. Ihr abgemagertes Kinn räkelt sich ihm entgegen, als sie vorsichtig nickt, obwohl sie ihm für diese Missachtung liebend gerne ins Gesicht spucken würde.

Die Gelegenheit entfällt ihr, weil Will die Softshell Jacke überwirft und aus dem Wohneingang heraus spaziert. Seine Schicht an der Tankstelle beginnt bald. Der coole Typ der Schule ist Will lang nicht mehr, sondern viel mehr, der Versager, der einst durch den schrecklichen Zeitungsartikel auf seine Vergangenheit aufmerksam gemacht worden ist.

Was für eine Scheiße“, bemängelt er, als er sich die Fluppe in den Mund steckt. Die Schachtel seiner Lieblingsmarke ist bald leer und außerdem benötigt er noch Pomade, was er bemerkt, als er durch seine zerzauste Haarpracht fährt. Er streift sich über die enge Jeans, die haargenau, wie die aussieht, die in der Waschmaschine gelandet ist. Will spielt mit dem Feuerzeug zwischen seinen Fingern, als wäre es ein Pokerchip, den er auf den riesigen Haufen wirft, um selbstsicher den Jackpot zu gewinnen, doch in Wirklichkeit wartet er nur darauf, dass er den Eingangsbereich verlässt, um vor der Haustüre die Zigarette zu entzünden.

Weil ein einzelner Umschlag aus ihrem Postfach ragt, öffnet er neugierig den Briefkasten von innen. Es fühlt sich an, als würde er Bargeld in sich tragen, weshalb Will, der den Reißverschluss seiner Jacke bis zum Kinn hochgezogen hat, Grinsen muss. Wer sollte ihnen schon Geld schicken?

Bei dem ganzen Grübeln fällt ihm gar nicht auf, dass der Brief keinen Absender enthält, selbst als er seinen Namen in Mitten des weißen Umschlags erfasst, kann er es nicht glauben.

Für mich?“, fragt er.

Mit den Fingernägeln ritzt er den Brief auf, doch alles was sich darin befindet, ist ein Smartphone. Ein einziges großes Rätsel und das Raten beginnt, als er den Anschaltknopf betätigt.

Der Bildschirm besitzt keine Code-Sperre, keine Gesichtserkennung, kein Muster. Rein Gar nichts schützt den Zugang, weshalb er mit dem Fingerwisch den Startbildschirm entsperrt. Alle Tools entfernt, lediglich die Kamera, Galerie, sowie das SMS-Postfach angebracht. Vertieft starrt er das Handy an, als wäre es ein verstrickter Irrgarten, der ihn nimmer rauslässt und dann…

…vibriert es so heftig, das es vor Schreck, beinahe aus Will´s Händen fällt. Kein Anruf zum Glück, nur eine SMS, die ihn in Mark und Knochen erschüttert. Und wer würde es ahnen, das diese Nachricht ihn noch mehr schockieren würde.

Na, Will? Hast du endlich ausgeschlafen?“

Erschaudert blickt er mit offenstehendem Mund umher. Keiner weit und breit, trotzdem läuft ihm der Schweiß von der Stirn.

Wer bist du?“, tippt er und sendet die Nachricht.

Nicht wichtig. Warte einfach auf weitere Anweisungen. Ach ja, du solltest deine Galerie dringend überprüfen.“

Schwer atmend steht er versteinert vor der Eingangstür. Vermutlich nur ein schlechter Scherz, doch die Galerie behauptet das Gegenteil.

Verdammt.“, gleitet es ihm über die Lippen und schlagartig hält er sich das Handy an die Brust und verdeckt den Bildschirm, als eine ältere Dame mit Gehstock über die Backsteinschwelle hinabsteigt und Will einen schönen Tag wünscht.

Vielen Dank, das hoffe ich auch für sie.“, überspielt er seine unsichere Seele, die sich anfühlt, als hätte man ihn beobachtet, wie ein Scharfschütze seinen Feind beobachtet, bevor er abdrückt und aus dem Nichts seinen Gegner trifft. Es ist ein einziges Foto. Man erkennt nur ein bewusstloses Mädchen, das mit ihren blonden Haaren regungslos über einer Brücke hängt. Hinter ihr steht ein Teenager, der sie umarmt, als wäre er der Liebhaber. Es ist genau jener Junge, der nun Angsterfüllt auf die Bilddatei starrt.

Währenddessen befinden sich die meisten Einheimischen schon bei der Arbeit. Ebenfalls der Polizist Scott, der an seinem Schnauzbart zieht und den Korridor entlang schreitet, bevor er in der letzten Türe verschwindet und die Arme fragend von sich spreizt.

Riley? Seit wann bist du so motiviert?“ Die Akten liegen quer auf ihrem Eichen braunen Schreibtisch. Der Monitor zur Türe gedreht, als wäre es ein offenes Buch, ohne geheime Informationen zu abschließenden Polizeifällen.

Das fragst du nur, weil du so ein Morgenmuffel bist.“

Die Leiste am Ende ihres Schreibtisches ist mit Scrabble Steinen bedeckt. Eine nette Notiz steht darauf. „Freundlich.“ Es ist die tägliche Nachricht, die Scott zum Entschlüsseln bekommt. Das wären ganze Achtzehn Punkte in einem regulären Spiel, doch der grimmige Polizist mit dem auffälligen Schnauzer wandert beobachtend auf seine Seite des Schreibtisches. Der aufleuchtende blaue Knopf bestätigt das der Computer langsam hochfährt, wie das Betriebssystem Scott 2.0 selbst. Er reibt sich das Falten bedeckte Gesicht, als er ungehalten fragt, „Und wie bekomme ich dich motivierte Polizistin endlich dazu, mir einen Kaffee zu holen?“

Unsensibel, wie er ist, deutet sie seinen abwertenden Blick, als Macho-Aktion, obwohl Scott es eigentlich nicht so meint. Es raschelt in dem braunen Samtbeutel, als Riley lautstark in ihm kramt. Scott bemerkt das seltsame Getue, weswegen er seinen Kopf über den Computermonitor streckt und abwartend beobachtet, bis Riley ein neues Wort formiert.

Arschloch.“, sagt sie laut, während sie die Leiste mit dem Wort, das nun Neunzehn Punkte in einem regulären Spiel bringen würde, zu dem griesgrämigen Polizisten dreht. Belustigt, entscheidet er sich nun für seinen eigentlichen Gedanken.

Na gut, dann hole ich ihn mir selbst.“, doch am Türrahmen vom Büro wird er aufgehalten. Der Einsatz von gestern Abend scheint für Riley noch nicht hundert Prozent abgeschlossen zu sein. Ihre braunen Haare geflochten zu einem Zopf, wirft sie hinter sich, als sie ihren Kopf schräg zur Türe schraubt.

Scott?“, sagt sie, als er stehen bleibt. „Bist du dir sicher, das es gestern nur ein Tier war? Es hat sich viel größer angehört.“

Lachend gibt er ihr eine Erkenntnis. „Wärst du nicht mit Sirene und Blaulicht auf den Parkplatz abgebogen, hätten wir das eventuell herausgefunden.“

Es ist wieder der knirschende Unterton von Verachtung den sie nicht leiden kann.

Das war ein Versehen. Ich bin auf diese dummen Knöpfe gekommen.“ Deprimiert senkt sie ihr flaches Kinn, das eine doppelte Fettfalte bekommt, obwohl sie letztes Jahr bereits Zehn Kilogramm abgespeckt hat. Mit ihrer Körpergröße von hundertsiebzig Zentimeter wiegt sie nur noch Achtundsiebzig Kilo und bald noch weniger. Sie wirkt nicht sonderlich sportlich, doch eine bessere Ausdauer als Scott hat sie allemal, was sie ihm nur zu Gerne unter die Nase reibt, die er dann gedemütigt rümpft.

Mach dir nichts draus, wir werden es nie herausfinden. Vielleicht ein paar Teenager, die heimlich geraucht haben. Möglicherweise hast du sie nach Hause vertrieben.“ Freundlich zuckt er mit den Schultern, als er seine Unterlippe hervor drückt. „Job erledigt“, sagt er dabei. Mit dem Klopfen am Rahmen verabschiedet er sich, um sich den Kaffee zu holen. Die alte Kaffeemaschine, die mindestens einmal pro Woche spinnt, wird nicht erneuert, da das Budget gestrichen wurde. Offenbar ist das Revier zu klein, für einen neuen Anstrich, neue PC´s, oder eben eine neue Kaffeemaschine. Zu wenig Aufträge, keine wirklichen Verbrechen. Nur jugendliche Kleinganoven, die versuchen Bier einzukaufen, in der Hoffnung, dass der Verkäufer sie für alt genug hält.

Das Rattern, der Kaffeemaschine, die das Kaffeepad auswirft stoppt, als der Polizist, mit dem harten Kern, die doppelte Menge Zucker in den Becher wirft. Einen kleinen Schuss Milch hinein und plötzlich ist der Morgen gerettet, als das Koffein seine Müdigkeit vertreibt. Die Konzentration kommt langsam zurück und der wenige Schlaf, den er hatte, weil er mit seinem Nachbarn, nach der Schicht zwei Bier getrunken hat, vergessen.

Scott. Komm schnell. Riley braucht dich für ein Verhör!“ Die nette Dame der Rezeption tritt in den Raum. Sie trägt eine weiße Bluse, mit der sie seit Jahren, stilsicher das Revier betritt.

Ein Verhör?“, fragt der Polizist. Schwenkend genießt er den Kaffee, während seine Füße samt Lederschuhe auf dem Pausentisch liegen.

Du weißt doch, für Befragungen benötigt es immer zwei Personen.“, erklärt ihm Dolores, als wäre sie die Polizistin und Scott nur der Besucher.

Worum geht es?“

Ein Mädchen. Sie will nicht sprechen. Man hat sie in der Nähe eines Flusses im Wald gefunden. Frau Ringel aus der Waldmattenstraße ist ihre tägliche Route gelaufen. Der Hund sträubt sich anscheinend gegen eine andere Waldstrecke. Das Mädchen lag am Boden, ihre Identität noch ungeklärt. Frau Ringel meint sie erkannt zu haben. Es könnte sich um Louisa Trümmer handeln, die in der selben Straße wohnt.“

Scott kratzt sich den Schnurrbart, der Gedanken ihn zu stutzen, bleibt dabei nicht aus. Die Informationen nimmt er nur mit einem Ohr wahr und die Hälfte bereits vergessen.

Ich komme sofort.“, seufzt er.

Den letzten Schluck des Koffein Getränkes flößt er sich genüsslich ein, bevor er Dolores folgt. Im Vorbeigehen schleudert er den Kaffeebecher zum Mülleimer. Die Flüssigkeit, die sich am Becherboden angesammelt hat, fliegt als Spritzer durch den Raum, weshalb die Rezeptionistin ihn bittet.

Scott Belish. Nach so vielen Jahren brauche ich ihnen eigentlich nicht mehr erklären, dass man den Becher nicht herumwerfen soll!“

Entschuldige Dolores.“, sagt er.

Riley beobachtet das Mädchen bereits durch den Einwegspiegel, als Scott hereinstürmt. Sie schauen dem eingeschüchterten Mädchen, in dessen Haarsträhnen Dreck und Blätter schlummern, ins Gesicht. Die Blutflecken auf der Stirn fest getrocknet, die Wunde sichtbar, doch eine leichte dunkelrote Kruste zieht sich über die Verletzung. Eine Polizistin wirft eine Decke um das zittrige Mädchen, das seit zwanzig Minuten nicht reden will.

Sollen wir rein?“, fragt Scott nachdenklich, als er das Mädchen wahrnimmt. Ihre verletzte Seele und wie sie Ängstlich in dem Verhörraum wartet, erinnert ihn an ein anderes Verbrechen. Damals kam in Rochdale City ein Mädchen auf sein Revier. Blutüberströmt hat man sie empfangen. Tagelang hat sie nicht geredet, oder gegessen, nur etwas Wasser hat sie getrunken, damit ihr Körper nicht gänzlich austrocknet. Erst nach einer Woche bekam man die Identität heraus. Die Eltern wohl vor Jahren gestorben. Das Mädchen seit Monaten in einer Pflegefamilie. Man hat ihre Hilferufe nicht ernst genommen und abgewiesen, doch sie wurde täglich vergewaltigt. Ihr neuer Ziehvater, sowie die Pflegemutter genossen es, die Qualen des Mädchens zu sehen, bis sie an eine Waffe kam und beiden Elternteilen eine Kugel in den Kopf schoss. Monate schwieg sie, bis sie die Chance bekam. Wahrscheinlich hätte sie sogar versucht mit ihren bloßen Fingern die Patrone in den Kopf zu rammen. Sie hätte das goldene Rettungsstück mit seinen Neun Millimetern, wie ein Nagel angesetzt und so hart zugeschlagen, dass die Patrone die Haut durchbohrt und das Gehirngewebe verletzt, doch zu ihrem Glück fand sie einen Straßendealer, der ihr nach mehrmaligen Prostituieren die Waffe gab. Dann landete sie auf dem Polizeirevier, nur um erneut zu Schweigen, bis sie nach Jahren im Gefängnis die Kraft hatte zu reden. Womöglich vergisst Scott bis Heute nicht, wie sie mit einem Lächeln verhaftet wurde.

Ihre Zellenstäbe haben sich geschlossen, doch nun ist es eine andere Tür, die aufgeht, zu einem Mädchen, das vermutlich ebenso verängstigt ist, wie sie es war.

Warte.“, spricht Riley sorgenvoll. „Ich kenne das Mädchen.“

Dann solltest du nicht mit ihr reden. Das könnte sie verunsichern.“, mahnt der erfahrene Polizist. Er wendet sich von seiner Kollegin ab, als Riley erklärt. „In der Grundschule waren wir in der selben Klasse. Vielleicht redet sie mit mir.“, doch der harte Schnauzbart-Polizist schüttelt eisern seinen Kopf, weshalb Riley lieber seinem Wunsch folgt und das Geschehen über den Einwegspiegel betrachtet.

In der braunen Akte steht nichts geschrieben, trotz dessen hat man sie auf den Tisch gelegt. Zusammen mit zwei Fotos vom Tatort wartet das leblose Material, auf Denjenigen, der sie zu lebenden Beweisen formt. Officer Scott Belish braucht einige Sekunden um sich zu berappeln, als er das niedergeschlagene Gesicht sieht. Er streift sich über den kantigen Unterkiefer. Einen Moment benötigt er, bis er weiß, wie er das Gespräch beginnen soll. Behutsam greift er ihre Hand, doch erschrocken zieht sie ihre Finger davon und klemmt sie versteckend unter die Achseln.

Kleines. Ganz ruhig. Ich mache dir Nichts. Scott Belish ist mein Name, ich bin Polizist. Du musst nichts sagen, wenn du das nicht willst. Aber gib mir zumindest, mit einem Kopfnicken, oder Schwenken, ein Zeichen. Schaffst du das?“

Das Mikrophon angestellt, doch keiner der Gesprächspartner beachtet es, oder die Tatsache, das weitere Beamte mithören. Vermutlich wird einer, wie es in diesem kleinen Dorf so üblich ist, plappern und damit das Verhör wie ein Lauffeuer verbreiten. Währenddessen nickt das Mädchen mit ihrem zerkratzten Kinn vorsichtig, bevor sie ihren Blick senkt.

Wir haben Anhaltspunkte auf deine Identität. Es ist wichtig, das wir wissen, wer du bist, damit wir deine Eltern anrufen können. Sie können dich abholen und nach Hause bringen, deswegen musst du mir sagen, ob du Louisa Trümmer bist?“

Zwischen ihren verklebten Haaren schaut sie zu dem Polizisten, der behutsam auf sie einredet und wieder lässt sie sich ein Nicken entlocken, bevor sie ihren Blick senkt. Scott erwidert das Nicken, doch seine Augen schauen dabei zu dem Einwegspiegel, um Riley zu zeigen, das sie die Eltern informieren soll.

Die buschigen Augenbrauen und der eigentlich generell grimmige Gesichtsausdruck des Polizisten, wirkt nicht auf das Mädchen, das sich ihm anvertraut, auch wenn sie dabei nicht redet. Scott schiebt die Bilder vor sich. Auf einem erkennt man ihre vermoderte Jeansjacke, sowie ein zusätzliches Foto, eines blutigen Geländers.

Hat dir das jemand angetan?“, fragt der Polizist, als er den Zeigefinger auf seine eigene fragende Stirn deutet. Kurz schaut sie Scott in die Augen, doch keine Reaktion.

Du brauchst keine Angst haben. Keiner kann dir mehr Schaden, du bist in Sicherheit. Ich will dir Helfen, dazu muss ich wissen, ob dir etwas angetan wurde. Wenn du weißt, wer das war, dann schnappe ich ihn mir.“

Niemand.“, quiekst sie heraus.

Hör mir zu. Versuch mir zu erklären, was passiert…“, da reißt eine sorgenvolle Mutter die Türe auf. Sie rennt sofort zu Louisa, die verzweifelt ihr Gesicht versteckt. Die Schultern umschließen sie und bieten ihr emotionalen Halt, hingegen wendet sich ihr Vater sofort an den Polizisten, während er seine verrutschte runde Brille richtet, die ihn wirken lässt, wie ein Laborprofessor.

Was fällt ihnen ein? Meine Tochter zu verhören, ohne Einwilligung eines Erwachsenen.“

Der zeigende Finger kommt der Brust von Scott gefährlich nahe, wahrscheinlich würde er ihn am Liebsten umdrehen und brechen. Anmaßend reagiert der Vater wütend auf den Polizisten, der locker auf die Beschuldigung eingeht.

Ist sie Volljährig?“, fragt Scott.

Ja.“

Dann darf ich das.“ Es schraubt die Wut, des Familienvaters nicht hinunter, doch es rechtfertigt den Polizisten. Riley platzt zur Türe rein und erklärt der Familie. „Sie dürfen ihre Tochter mitnehmen.“ Verständnisvoll lassen sie Tochter, samt Eltern weichen, doch als diese das Revier verlassen haben, bleibt Scott nachdenklich.

Da steckt mehr dahinter.“ Er wirft die Bilder, die er begutachtet hat, zurück auf den Tisch mit dem abgestellten Mikrophon.

Die Strecke läuft in der Nähe eines Spielplatzes vorbei. Kleiner Kiesweg, bis zu einem Fluss mit einer Brücke. Das passt alles.“

Störrisch wartet er auf die Reaktion seiner Kollegin, während er unter seiner Handfläche, die den Kopf hält, hervorschaut.

Du meinst es war kein Tier und ich hatte Recht?“, erkundigt sich die Polizistin erwartungsvoll.

Ein „Vielleicht.“, würgt er heraus, bevor es ihn nicht mehr auf dem Drehstuhl hält. Selbst diese sind so alt, das sie Knarren, als Scott sich erhebt. „Ich schaue mir das Gelände genauer an.“

Ich komme mit.“, prahlt Riley, doch wird sofort zurückgewiesen.

Du bleibst hier.“

Seine fordernde Stimme unterdrückt die Freude der schwerlich eingelernten Polizistin. „Wenn es mein Fehler war und eine Gefahr besteht, ziehe ich da niemanden mit rein, also bleibst du, als unerfahrene Kollegin auf dem Revier.“

Der Hals-über-Kopf agierende Polizist pirscht nach draußen, doch Riley hat keine Chance ihm nachzukommen, weil er bereits das Polizeiauto startet und mit einem Quietschen vom Parkplatz fährt.

Scott rauscht mit leuchtender Sirene an der neuen Limousine von Familie Trümmer vorbei, als der fahrende Vater nur beschuldigend feststellt. „Ist das nicht dieser verrückte Polizist.“, doch eine Sekunde später ist das Blaulicht bereits abgebogen.

Im Auto herrscht Ruhe. Louisa schweigt, obwohl sie sonst voller Freude durch das Leben läuft. Sie entgegnet denen Leuten Respekt, die ihr ebenfalls Respekt zollen und vermutlich hat sie sich deswegen mit Will getroffen. Alle Reden über den Versager, doch er hat sie liebevoll behandelt, als ihr ein Karton mit Stapel von Blättern vor der Tankstelle auf den Boden fiel.

Als ihre Mutter nach vorne sieht und Louisa sich unbeachtet fühlt, kann sie endlich ihr Smartphone hervorholen. Sie starrt den Bildschirm belanglos an, doch erneut blitzt eine Nachricht auf. Direkt unter, „Wenn du der Polizei nur ein Wort erzählst, sende ich dieses Foto an die komplette Schule.“, steht nun. „Im Briefkasten ist ein Paket für dich, komm mit ihm zum Spielplatz.“

Die Dämmerung setzt ein, da steckt Louisa das braune Paket, das sie heimlich aus dem Briefkasten abgefangen hat, in die Handtasche. Den ganzen Tag hat sie sich wortlos im Zimmer verkrochen und jedes Klopfen abgewiesen. Sogar die Tür ist verschlossen, vor allem, damit keiner bemerkt, dass sie aus dem offenen Fenster verschwindet.

Louisa macht sich auf in den Park und läuft den beleuchteten Weg zu dem Spielplatz, mit der quietschenden Schaukel. Auf den Hackschnitzel bemerkt sie, dass ihr Date bereits wartet und mit sorgenvollen Augen zittert sie erneut, als hätte sie Todesqualen, bevor sie zusammenbricht.

Was macht du hier?“, würgt sie heraus, da hebt er sein Smartphone zu ihr, damit sie die Nachricht lesen kann.

Komm um Neunzehn Uhr an den Spielplatz.“ Will spricht behutsam, sorgenvoll und doch begreift er langsam, was er ihr angetan hat. „Ich dachte, die Nachricht wäre von dir.“, erklärt er leise, da vibriert aus heiterem Himmel, das Smartphone von Louisa, die es, wie ein Blitz, der zur Erde schießt, aus der Handtasche zieht. „Öffne das Paket und töte ihn.“ Ihre Hand verkrampft, da fällt das Smartphone auf den Spielplatzboden. Will bückt sich, doch kaum hält er das Handy in der Hand und liest, „töte ihn“, da blickt er längst in den Lauf der silbernen Pistole. Der Colt geladen mit einer einzigen Kugel. Einer wird gehen müssen, damit die andere Person vergessen kann.

Der Pistolenschuss ertönt mit einem lauten Knall, der sich als Schall durch das ganze Dorf zieht, als die Männerstimme. „NEIN.“ schreit, doch es ist nicht Will. Scott hat die Situation beobachtet und wollte das Attentat verhindern, da war es zu spät, denn Will liegt Blut übergossen am Boden, während die rauchende Pistole aus den Händen des zierlichen Mädchen´s fällt. „Oh Gott.“, klagt Louisa, als der Polizist, die Hände über dem Kopf zusammen schlägt.

Die Tränen strömen als Fluss über ihre Wangen, doch der Polizist kann sie nicht trösten, nicht nachdem sie einen alten Mitschüler erschossen hat. Scott hat im Park gewartet, weil ihm die Sache komisch vorkam. Sein Instinkt hat ihn nicht getäuscht, denn das Verbrechen liegt, wie ein offenes Buch vor ihm. Der Vergewaltiger wird erschossen. Ihm zerreißt es die Seele, weil er weiß, dass er gleich ein eigentliches Opfer verhaften muss und doch zieht er seine Handschellen hervor.

Unterbrochen wird er von einem schrillen Damenschrei, der ihn erstarren lässt. „Verdammt Scott. Leg die Handschellen bei Seite.“ Selbst der kaltblütige Cop wird ganz weich. „Riley?“, bringt er über die Lippen, bevor er sich perplex umdreht. Entschlossen hält die üppige Polizistin die Waffe auf ihren Kollegen.

Was ist hier los?“, fragt Scott überrascht, doch selbst seine schlimmsten Befürchtungen werden übertroffen.

Nachdem du gestern nach Hause bist, bin ich nochmal zurückgefahren. Ich habe gesehen, wie Louisa vergewaltigt wurde. Du Sturkopf wolltest es nicht wahrhaben, wenn deine unerfahrene Kollegin etwas vermutet. Dir ist alles egal, doch mir nicht, deswegen habe ich Beide hergelockt, um dieses Dilemma zu beenden, doch du Arschloch musstest unbedingt nach Beweisen suchen. Ich wusste, du würdest sie stoppen, deswegen stoppe ich dich.“

Riley, hör mir zu…“, klagt Scott, da zieht er seine Dienstwaffe abrupt aus der Gürtelfassung, doch zu langsam, die junge Polizistin hat längst ihren Abzug betätigt. Der nächste Schall, der durch das Dorf fliegt.

Scott drückt die Faust auf das Herz, doch da wo seine Knöchel liegen, ist nur noch eine riesige Wunde, die das Blut über die Uniform laufen lässt. Um Luft ringend geht er zu Boden, bevor er gewaltsam seinen letzten verzweifelten Atemzug tätigt.

Geh nach Hause.“, bittet die junge Polizistin, Louisa, deren zerrissene Seele, nicht nur eine Vergewaltigung, sondern nun auch zwei Morde miterleben musste und obwohl eine Straftat von ihr begangen wurde, fühlt es sich so an, als hätte nicht sie den Abzug gedrückt, sondern das verletzte kleine Mädchen, das gestern Abend gestorben ist.

Louisa schwankt davon, mit dem betrübten Blick, den nur Menschen besitzen, dessen innere Schockiertheit man von den Augen ablesen kann.

Lass das Handy immer an, Louisa. Warte auf deinen nächsten Auftrag. Hast du verstanden?“, ruft ihr Riley hinterher, mit dem diabolischen Grinsen einer Psychopathin, denn in Wirklichkeit war es Riley, die in der Grundschule gemobbt wurde. Wegen ihrem Übergewicht wurde sie fertig gemacht, beleidigt, bespuckt und geschlagen. Der jahrelange Zorn hat sich allmählich aufgestaut, weshalb sie sich am Leid der anderen ergötzt. Lange musste sie warten bis zu dem heutigen Tag, an dem sie ihren ersten Schachzug spielen konnte…

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