Mette MenzelIdentität

Mein Mantel war total durchnässt vom Regen. Um halb 11 kam die letzte Bahn.
Schön, dann warte ich eben noch 20 Minuten.                                                                                                            

Es roch modrig und die Luft war feucht, was mich an unsere alte Wohnung erinnerte. Wir hatten nicht viel Geld und wohnten deshalb in einer schäbigen 4-Zimmer Wohnung. Ich wohnte in einer kleinen Pflegefamilie, also hatten wir eigentlich genug Platz. Wenn ich jetzt nur einen richtigen Job hätte, könnte ich in einem besseren Haus wohnen.                                                                                                          

Tja, hab ich aber nicht. Deswegen hocke ich immer noch in derselben scheiß Wohnung mit denselben Leuten…                                                                 

 

Die Bahn fuhr langsam an. Sie war so gut wie leer. Ehrlich gesagt war mir das um diese Uhrzeit auch lieber. Ich stieg über die rostigen Stufen und setzte mich. Der Platz ganz hinten war der beste. Ich wusste nicht wieso, aber ich fühlte mich beobachtet. Dann fiel mein Blick auf den Platz vor mir, wo ein Handy lag.

 

Natürlich griff ich nach dem Handy, unwissend dass es ein Fehler sein würde.     

Wow, natürlich nicht entsperrb…                                                                                

Mein Herz blieb stehen.                                                                                                                                      

Wieso konnte ich ein fremdes Handy mit MEINEM Gesicht entsperren?…

 

Ich hatte mich so erschrocken, dass ich das Handy auf den Platz neben mir fallen ließ. Aber ich wusste dass ich nochmal danach greifen muss, denn nichts ist schlimmer als die Ungewissheit.

 

Ich konnte es tatsächlich wieder mit meinem Gesicht entsperren. Eigentlich sollte ich erstmal nach der Nummer des Besitzers gucken, aber wer würde sowas in meiner Situation schon tun. Ich öffnete die Galerie und arbeitete mich durch die Bilder. Zunächst nichts Besonderes, ein paar Panoramas und anderes… Bis ich auf etwas andere Bilder stieß. Die Person auf den Bildern sah exakt so aus wie ich.                                                                                                              

Das konnte doch gar nicht sein!!!                                                                                                               

Aber es würde wenigstens erklären weshalb ich das Handy entsperren konnte.  Nur eines irritierte mich. Der Mann schien viel Geld zu haben. Auf den meisten Bildern sah man im Hintergrund  das Innere einer Villa. Um ihn herum waren leichtbekleidete Frauen. Womöglich Prostituierte.

 

Ich scrollte weiter. Immer dasselbe. Frauen. Geld. Doch dann entdeckte ich ein Video, mit einem Hintergrund, der Alles andere als einladend wirkte.

 

Meine Hände zitterten.                                                                                                                                 

Wollte ich das wirklich sehen?                                                                                                          

Ich tippte vorsichtig auf den Play-Button, als würde etwas Schlimmes passieren wenn man ihn zu schnell drückt.

 

Auf dem Video war wieder mein Zwilling zu sehen. Diesmal nicht von Frauen umgeben. Das ganze schien in einem Keller oder ähnlichem zu speilen. Der Mann saß auf einem Gartenstuhl und blickte direkt in die Kamera. Er hatte Latexhandschuhe an. Das schlimme daran war, dass er vor einem Tisch, der mit einem glänzenden weißen Laken überzogen war, stand. Auf dem Tisch lagen viele verschiedene metallene Geräte, die nicht gerade so aussahen als würde man sie für seinen Garten verwenden…  

 Der Mann fing an zu sprechen.

>Hallo, hast du dieses Handy gefunden, Mike? Gut, denn ich würde dir gerne Etwas zeigen<

Woher kannte dieser Irre meinen Namen?

>Also…wahrscheinlich habe ich dir bereits Angst eingejagt, oder? Gut so. Ich zeige dir jetzt Etwas, wovon du NIEMANDEN erzählen darfst. Und wenn ich sage NIEMANDEN, dann mein ich das auch so. Hast du mich verstanden? Gut so<

Der Mann nahm die Kamera und stellte sie an eine andere Stelle, bei der man noch jemanden sehen konnte. Dieser Jemand war eine Frau. Sie bewegte sich nicht und saß auf einem Stuhl. Nein, sie war gefesselt. Man konnte ihr Gesicht noch nicht richtig erkennen, da die Kamera Sie nicht fokussiert hatte.

Nein, das muss wohl ein Scherz sein. Das ist doch nicht etwa….

>Richtig. Deine Freundin Rebecca. Ganz hübsches Mädl muss ich sagen. Nur leider wir sie bald gar nichts mehr sein wenn du nicht tust was ich dir sage. Verstehst du was ich meine? Nicht? Gut, ich helfe dir auf die Sprünge, Ich werde sie sonst töten. Du sitzt gerade in der Bahn oder? Wieso frage ich denn, ich weiß ja schließlich wo du bist. Du brauchst jetzt gar nicht so aus dem Fenster schauen oder dich in der Bahn umgucken. Du wirst mich nicht finden. Allerdings solltest du mich finden. Sonst wird es deiner kleinen süßen Freundin bald nicht mehr so prächtig gehen. Noch dazu werden alle denken DU warst es. Viel Spaß bei der Suche. Ich bin mir sicher du wirst mich finden, allerdings weiß ich nicht ob du es rechtzeitig schaffen wirst. Hab dir trotzdem ein paar Hinweise da gelassen. Bis dann, Mike.<

            

Der ist doch nicht ganz dicht oder? Wo soll ich denn jetzt anfangen.

 

Ich beschloss, dass ich zuerst weiter in seinem Handy suche. Vielleicht war dort ja einen Hinweis.

Ich öffnete Whatsapp um seine Kontakte zu sehen.

Das konnte nicht sein! Weshalb hatte er genau dieselben Kontakte und dieselbe Nummer wie ich, wenn ich ihn überhaupt nicht kannte?

Wo könnte ein Hinweis sein?

Meine Haltestelle wurde erreicht und ich stieg mit einem komischen Gefühl wieder aus. Ich musste einen Hinweis finden. Nur wo?

 

Als ich zuhause ankam schlich ich sofort in mein Zimmer um meine Pflegefamilie nicht zu wecken. Ich verzweifelte förmlich. Wahrscheinlich sollte ich erst einmal schlafen, da ich dann am nächsten Tag  besser nachdenken konnte.

 

Als ich aufstand war es 12 Uhr, obwohl ich mir doch einen Wecker auf 7 gestellt hatte. Ich ärgerte mich wegen der verlorenen Zeit aber wunderte mich auch wieso mein Wecker nicht geklingelt hatte. Aber das sollte da noch meine wenigste Sorge sein. Denn kurz danach bemerkte ich dass ich weiße Latexhandschuhe anhatte. Sie sahen genauso aus wie die von meinem Zwilling.

 

Ich stieß einen heftigen Schrei aus und warf die Handschuhe zu Boden.

 

>Schatz? Was ist denn passiert? <

> Ach nichts, hatte nur einen Albtraum<

>Dann ist ja gut, aber wenn doch Etwas ist dann komm zu mir<

 

Meine Pflegemutter war zwar nett, aber sie neigte immer dazu, mich wie ein 8 jähriges Kind zu behandeln.

Wieso zum Teufel hatte ich …SEINE?…Handschuhe an?!

Ich schmiss die Handschuhe in den Müll, ich wollte mit dieser ganzen Sache doch gar nichts zu tun haben.

Ich zog mir irgendetwas an und rannte raus. Ich hatte vor zur Polizei zu gehen und ihnen das Handy zu zeigen aber dann erinnerte ich mich daran was er gesagt hatte.

NIEMANDEM!!

Und schließlich konnte ich das Leben meiner Freundin nicht gefährden und nahm direkt den Weg in die Autowerkstatt. Dort hatte ich einen Job, wenn man das so nennen konnte. Ich musste dort nur Autos waschen, aber es kam nie Jemand zur Handwäsche. Also dachte ich mir, dass ja heute auch Niemand kommen wird und ich ja somit nicht hingehen musste. So lief ich wieder nachhause um dort meinen Tag zu verbringen. Vielleicht war ja doch noch irgendetwas auf dem Handy.

 

 

Eine neue Nachricht

 

 

>Ich kenne dich besser als du denkst. Du musst unkomplizierter denken. Die Antwort liegt dir förmlich zu Füßen<

Na super, in welcher Hinsicht bringt mich das jetzt weiter?

Ich nahm mein eigenes Handy um zu sehen ob ich dort eine Nachricht bekommen habe. Als auch schon ein Anruf einging.

>Hallo?<

>Sag mal, was denkst du dir denn wer du bist? Schwänzt einfach Arbeit, obwohl ich dir doch gesagt hab, dass du mir heute in der Werkstatt helfen musst!<

>Was? Das war heute schon? <

>Jaa, und nun musste ich die ganze Drecksarbeit alleine machen. <

>Es tut mir lei…<

>Ne, gar nichts tut dir leid, wieso bist du nicht gekommen? Ich wollte dich sogar befördern aber das kannst du jetzt garantiert vergessen!<

aufgelegt

Wieso hab ich nur dieses Handy genommen. Ich hab Scheiße gebaut.

 

Mir kam plötzlich eine Idee.

Wenn dieser Mann mir keine Antworten liefert, dann hole ich mir sie eben selber.

Ich rief mit meinem Handy meine eigene Nummer an. Ergab zwar keinen Sinn, aber das tat diese ganze Sache hier schon seit Anfang an nicht.

Nichts

Ich hätte  es ahnen müssen. Natürlich geht Niemand ran wenn ich meine eigene Nummer anrufe.

 

Aber dieser Fremde hatte nun mal MEINE Nummer. Was hätte ich sonst tun sollen. Es ist so als wäre dieser Fremde ICH selbst gewesen. Aber das konnte eben gar nicht sein. Jedenfalls brachten mich diese ganzen Fragen auch nicht weiter. Ich musste schnell was unternehmen.

 

Es war 19 Uhr und ich war noch kein Stück weitergekommen.

 

Wo sollte bitte ein Hinweis sein. Ich konnte  ja auch nicht immer warten bis eine neue Nachricht ankam. Aber es gab keine andere Möglichkeit. Oder doch?

Wenn niemand an meine Nummer geht, dann geht vielleicht jemand ran wenn ich meine Freundin anrufe, denn schließlich hielt der Fremde sie gefangen.

 

>Hallo? Bist du da, Nicole? <

> Hol mich hier wieder raus! Wieso sperrst du mich einfach im Keller ein?!<

>Hör zu, ich war das nicht! Das war bloß ein Mann der genauso aussieht wie ich, es ist kompliziert. <

>Gar nichts ist kompliziert. Du warst das! … Hole mich hier raus bevor du wieder kommst! <

>Ja, aber wo bist du denn!? Ich kann dir sonst nicht helfen! <

> Ich weiß es doch selbst nicht, es ist dunkel. Ich kann mich zwar bewegen, deswegen konnte ich auch rangehen, aber dieser Raum hier ist ziemlich klein. Es riecht nach Staub und ich kann mit der Handy Taschenlampe ein Tor erkennen. Ich glaube es ist ein Keller. Hör zu, ich hab nur noch 3 Prozent und ich weiß nicht wann du wieder hier aufkreuzt, aber du solltest dich beeilen, denn ich glaube du hast nichts Gutes mit mir vor. <

> Wovon redest du? Ich bin das nicht gewesen! Der sieht nur so aus wie i…<

Aufgelegt

Wieso behauptete sie immer, dass ich ihr Entführer bin obwohl ich ihr genau gesagt habe, dass dieser nur so aussieht wie ich. Könnte der Keller vielleicht von unserer Wohnung stammen?

 

Dazu brauchte ich nur den Schlüssel vom Hausmeister.

 

Ich lief die alte Betontreppe herunter, in der Hoffnung dass der Hausmeister zuhause war.

 

>Wie oft wollen sie noch kommen? <

 

>Was reden Sie, Ich komme grad das erste mal. Also, ich komme weil..<

 

>Jaja, sie wollen den Schlüssel? Wie immer für die Garage? Ich hab ihnen schon mal gesagt dass mir der Schlüssel geklaut wurde, und ich habe die Vermutung dass Sie ihn haben. <

 

>Ich hab nicht viel Zeit zu quatschen, gut ich sehe nach ob er ein meinen Taschen ist. <

Ich griff in die Taschen von meiner Jacke.

War ja nicht anders zu erwarten, natürlich hab ich den Schlüssel nic…

Nein, irgendjemand muss ihn mir rein getan haben. Ich habe noch nie Etwas geklaut!

 

>Na, wer sagt’s denn. Die Schlüssel<

 

>Nein, das kann gar nicht sein. Jemand MUSS ihn mir zugeschoben haben, ich klaue nicht. <

 

>Ja, natürlich. Der heilige Geist hat sie da hinein getan. Los. Gehen sie schon in den Keller. Aber nur wenn sie danach nie wieder kommen. Dann erzähle ich das mit dem Schlüssel auch niemanden. Beeil dich aber! <

 

Diesmal war ich mir sicher, dass ich richtig lag. Ich steckte die Schlüssel in das Schloss und drehte ihn.

Klack

Das Schloss wurde geöffnet und ich konnte den Türknauf  umdrehen. Mir kam sofort ein eigenartiger Geruch entgegen. Es roch nach Staub, Angst…sogar nach Blut. Der Hausmeister war bereits zurück in seine Wohnung gegangen.

Dort saß sie. Auf einem Stuhl. Sie wollte anfangen etwas zu rufen aber ich befahl ihr leise zu sein, nicht dass der Hausmeister noch etwas mitbekam. Ich schloss von innen ab.

>Oh Gott, Ich bin so froh dich zu sehen. Schnell, wir müssen verschwinden! <

Der Keller war wirklich klein. Ich sah auch den Tisch, mit den vielen Foltergeräten. Wir mussten hier wirklich schnell rausgehen.

>Komm jetzt Nicole<

Mir fiel auf dass ihre Beine mit Kabelbindern am Stuhl festgemacht wurden. Nur ihre Arme konnte sie bewegen. Ich nahm eine große Schere vom Foltertisch um die Kabelbinder durchzuschneiden.

>Wir haben es gleich geschafft!<

>Nein, ich fürchte es ist zu spät, Mike….<

Sie blickte mir mit Tränen in den Augen ins Gesicht, während ich mit der Schere vor ihr stand.

An alles andere konnte ich mich nicht mehr erinnern.

Gestern Abend wurde ein Mann im Alter von 32 Jahren festgenommen. Dank dem Hausmeister der Wohnung konnte der Mann gefasst werden. Der Täter war vorbestraft. Er hat in seiner Vergangenheit oft Geld geraubt und Läden überfallen. Bis heute konnte der Mann immer entkommen. Er bestreitet immer noch seine Tat und behauptet er hätte nichts getan. Der Mann hat eine multiple Persönlichkeit und kann sich deshalb nicht an seine Taten erinnern. Bei seiner gestrigen Tat kam eine Frau ums Leben. Es heißt, sie hätte gewusst dass etwas nicht  mit ihm stimmt und sich ihrem Schicksal hingegeben. Der Mann schien einen Persönlichkeitswechsel gehabt zu haben und seine lange geplante Tat vollendet. Der Täter hat seinem richtigen Ich eine Botschaft auf einem Zettel hinterlassen. Jedoch konnte er es nicht mehr lesen. Auf dem Zettel stand folgendes: >Du hast immer danach gesucht wer ICH bin und dabei dich selbst vergessen<. Niemand weiß weshalb seine andere Persönlichkeit eine solche Botschaft hinterlassen hatte. Wir werden es wohl nicht mehr herausfinden. Momentan sitzt der Mann in U-Haft. Ihm droht lebenslängliche Haft mit Sicherheitsverwahrung

 

 

 

 

       

 

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