DeniseYokoBerndtKill My Past

Sie drehte das Smartphone in den Händen, so als könne es ihr irgendwie Auskunft geben, wie es in ihren Briefkasten gelangt war, wenn sie es sich nur von allen Seiten ansah.

Das war natürlich nicht der Fall.

Aufs Geratewohl fuhr sie mit dem Zeigefinger über das Display, erwartete eine PIN-Eingabeaufforderung oder eine andere Sicherheitsabfrage. Fingerabdruck, Iris-Scan, irgendetwas. Stattdessen leuchtete das Display auf.

Die Batteriestandsanzeige zeigte 100 %, das Netzwerksignal hatte fünf volle Balken, die Uhrzeit behauptete, es sei 00:00 Uhr. Was nicht stimmte.

Unter diesen Angaben befand sich nur ein einziges Icon auf dem Display des fremden Smartphones.

Fotos.

»Was zum Teufel?«, sagte Floriane leise. Sie sah sich um, legte den Kopf schräg und lauschte. Alles ruhig. Sie stand vor den Briefkästen im Erdgeschoss des Mietshauses, in dem sie zurzeit lebte.

Naja, was hieß leben. Verstecken traf es eher.

Floriane hatte für eine Weile untertauchen müssen. Doch bald würde das langweilige Spießerdasein ein Ende haben, der nächste Auftrag stand an und musste vorbereitet werden.

Hatte dieses seltsame Smartphone etwas mit ihrem Auftrag zu tun?

Nein, das konnte nicht sein. Ihre Auftraggeber wussten natürlich nicht, wo Floriane sich aufhielt.

Ihr Blick wanderte zu dem noch offenstehenden Briefkasten. Sie drückte die kleine Metalltür zu, drehte den Schlüssel. Auf dem Namensschild stand G. Breede. Schwarz auf weiß. Der Name, unter dem sie seit knapp drei Monaten hier wohnte.

Was, wenn die mich irgendwie ausfindig gemacht haben und über dieses Handy mit mir kommunizieren wollen?

Sie zögerte.

Unwahrscheinlich.

Aber warum sollte ein so seltsames Handy, das nicht gesichert war und auf dem sich außer einem Ordner mit der Beschriftung Fotos nichts befand, ausgerechnet in ihrem Briefkasten landen? Bei einem normalen Handy hätte sie sich gedacht, dass es jemand verloren und der Finder es in den nächstbesten Briefkasten geworfen hatte.

Aber selbst das macht nicht wirklich Sinn.

Sie ließ ihren Blick über die Briefkästen gleiten. Fünfzehn Parteien wohnten in diesem Haus, der Briefkasten von G. Breede war der dritte von rechts in der unteren Reihe.

Es kann einfach kein Zufall sein. Dieses Handy ist für mich bestimmt.

Floriane leckte sich über die Lippen. So schnell machte sie nichts nervös, doch sie musste sich eingestehen, dass ihr dieses mysteriöse Handy ein wenig unheimlich war.

Sie holte tief Luft und tippte auf den Foto-Ordner.

Der Bildschirm füllte sich mit winzigen Thumbnails.

Floriane erstarrte.

Auf allen Fotos waren Personen zu sehen. Darunter immer eine Frau mit dunklen Haaren.

Noch bevor sie das erste Foto antippte, um es in Vollansicht zu sehen, wusste sie, wer diese Frau war.

Die Frau sah nicht in die Kamera, sondern zur Seite. Sie trug ein schulterfreies Abendkleid, schien jemandem zuzuhören, der nicht im Bild war.

Floriane hatte das Foto noch nie gesehen. Wusste nicht, wer es aufgenommen hatte.

Doch die Frau war sie selbst.

Ihr Pulsschlag beschleunigte sich. Sie schob das Handy in die Jackentasche, zog den Schlüssel vom Briefkasten ab und rannte die Treppe hinauf, zwei Stufen auf einmal nehmend.

Im dritten Stock angekommen traf sie erst beim zweiten Versuch mit dem Schlüssel das Schloss. Sie warf die Wohnungstür hinter sich zu und lehnte sich dagegen.

Ganz ruhig. Bleib ganz ruhig.

Sie lauschte. In der Wohnung rührte sich nichts. Es fühlte sich auch nicht so an, als sei während ihrer kurzen Abwesenheit jemand hier gewesen. Für so etwas hatte Floriane einen siebten Sinn.

Einen siebten Sinn, auf den sie sich nicht verlassen wollte. Sie schob die rechte Hand unter die Jacke und zog ihre Glock 17 aus dem Holster. Sie verließ ihre Wohnung nie unbewaffnet, nicht einmal, wenn sie nur schnell zum Briefkasten ging. Man konnte ja nie wissen.

Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass in ihrer kurzen Abwesenheit niemand in die Wohnung eingedrungen war, setzte sie sich an den Küchentisch und nahm sich das seltsame Smartphone vor.

Achtzehn Fotos insgesamt. Auf allen war Floriane zu sehen, in den verschiedensten Outfits, mit unterschiedlichen Frisuren, tagsüber, abends. Manchmal allein, meistens zusammen mit einem Mann.

Einem Mann, an den sie sich noch sehr gut erinnern konnte.

Das Smartphone in ihrer Hand vibrierte kurz und gab ein lautes, aggressives Brummen von sich.

Fast hätte Floriane es fallen gelassen.

Ein Nachrichtenfenster hatte sich geöffnet, verdeckte die Fotos.

Na, gefallen dir die Bilder? Ich hab noch mehr davon.

Floriane starrte auf die Nachricht. Wer war der Absender? Das war die drängendste Frage, das musste sie zuallererst herausfinden, noch bevor sie eine Antwort auf die Fragen fand, wie diese Person an die Fotos gekommen war und warum sie ihr diese auf eine so seltsame Weise hatte zukommen lassen.

Einfach zurückschreiben und fragen Wer bist du? Das erschien Floriane nicht sehr erfolgversprechend. Stattdessen sah sie sich die Nummer an, von der die Nachricht gekommen war. Deutsche Vorwahl. Der Absender hatte seine Nummer nicht unterdrückt, wollte offensichtlich, dass Floriane antwortete. Also hatte er sich sicher die Mühe gemacht, ein Wegwerfhandy zu verwenden. Im Telefonbuch stünde diese Nummer garantiert nicht.

Trotzdem wollte Floriane ganz sicher sein. Sie holte ihr eigenes Smartphone und gab die Nummer in eine Suchmaschine ein.

Kein Ergebnis, wie erwartet.

Wieder das brummende Vibrieren.

Ob dir die Fotos gefallen, hab ich gefragt.

Floriane starrte auf das neue Nachrichtenfenster. Dann stand sie auf, drehte den Kaltwasserhahn auf, füllte ein Glas, trank. Überlegte.

Ging zurück zum Küchentisch, tippte.

Ja, sehr schön. Du hast noch mehr? Schickst du die mir bitte?

Sekunden später erschienen zwei neue Thumbnails. Floriane vergrößerte das erste Foto.

Derselbe Mann, der bereits auf etlichen der anderen Fotos abgebildet war, und sie selbst. In die Kamera lachend. Ein Selfie, von ihm aufgenommen.

An den Abend, an dem dieses Foto aufgenommen worden war, konnte Floriane sich nur zu gut erinnern.

Das zweite neue Foto war direkt nach dem ersten aufgenommen worden. Wieder ein Selfie, doch dieses Mal hatte der Mann den Kopf zu Floriane gedreht und küsste sie auf die Wange.

Sie ließ das Handy sinken. Wo zum Teufel kamen diese Fotos her? Sie hatte sie doch wenige Stunden, nachdem sie aufgenommen worden waren, eigenhändig vom Smartphone des Mannes gelöscht.

Und ich habe mich vergewissert, dass seine Fotos nicht automatisch in einen Cloud-Speicher hochgeladen werden. Diese Fotos dürften nicht mehr existieren.

Sie nahm noch einen Schluck aus ihrem Wasserglas, dachte zurück an den Abend vor etwas über drei Monaten.

Ihr letzter Auftrag.

Benjamin Peters, Unternehmer aus Hamburg. Millionenschwer. Auftragswert: achthunderttausend Euro. Die Hälfte vorab bei Auftragserteilung, der Rest nach erfolgreich erledigter Durchführung. Zu begleichen per Onlineüberweisung auf Florianes Konto auf den Cayman Islands, von wo aus jeder eingehende Betrag sofort automatisch weiterüberwiesen wurde. Über mehrere Konten hinweg, bis sowohl Ursprung als auch Verbleib der Zahlung nicht mehr nachvollziehbar waren.

Bei diesem Auftrag hatte es eine Besonderheit gegeben. Florianes Auftraggeber hatte darauf bestanden, zusehen zu können. Nicht persönlich vor Ort, soweit war ihr Auftraggeber nicht gegangen, schließlich musste ja auch die Anonymität gewahrt werden, sondern per Live-Videostream.

Floriane betrachtete das Foto erneut. Dachte daran zurück, dass sie in der hübschen kleinen, mit Pailletten besetzten Handtasche, die so gut zu ihrem eleganten Abendkleid gepasst hatte, eine winzige Videokamera verstaut gehabt hatte.

Als sie nach dem Dinner in einem von Hamburgs nobelsten Restaurants in der Hotelsuite die Kamera ausgepackt hatte, hatte sie dies ganz offen getan. Benjamin, angetrunken wie er war, hatte gedacht, sie wolle einfach nur ein kleines Sexvideo drehen.

Willst mich wohl in guter Erinnerung behalten, was?, hatte er gescherzt.

Als Floriane wenige Minuten später das Messer auspackte, waren ihm die Scherze vergangen.

Und vierhunderttausend Euro waren auf Florianes Konto geflossen.

Die Kamera hatte Floriane nach Verlassen des Hotels in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs in einem Mülleimer entsorgt. Dann war sie in den Nachtzug nach Köln gestiegen und hatte die Hansestadt verlassen.

Zurück blieben die Identität, unter der sie fast ein halbes Jahr in Hamburg gelebt hatte, und Benjamin Peters’ erkaltende Leiche.

Ein bis heute nicht aufgeklärter Vermisstenfall und ein ebenso unaufgeklärter Mord.

Hat mein Auftraggeber mir die Fotos geschickt? Aber warum? Ich habe den Auftrag exakt wie gewünscht ausgeführt.

Ihre Bezahlung hatte sie auch erhalten, um eine seltsame Form der späten Reklamation konnte es sich also nicht handeln.

Kurz entschlossen griff sie zu dem fremden Smartphone und tippte eine Antwort auf die letzte Nachricht.

Was willst du?

Das Vibrieren, das eine neue Nachricht meldete, ließ nur Sekunden auf sich warten.

Mein Geld zurück.

Floriane runzelte die Stirn. Kamen die Fotos tatsächlich von ihrem Auftraggeber? Aber warum wollte der jetzt plötzlich sein Geld zurück? Wenn er nicht zufrieden gewesen war, warum hatte er dann die zweite Hälfte gezahlt?

Und wieso sollte er denn auch nicht zufrieden gewesen sein? Peters ist tot, Auftrag erledigt. Will mich hier jemand reinlegen?

Sie trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte, beschloss, ihre Antwort kurz zu halten.

Wieso?

Es gibt gewisse Ungereimtheiten.

Floriane starrte die Worte auf dem Display an. Ungereimtheiten? Was denn für Ungereimtheiten?

Sie atmete tief durch, bevor sie ihre nächste Nachricht schrieb.

Könnten Sie mir das näher erklären?

Gebannt sah sie auf das Display, erwartete jeden Augenblick, wieder den Vibrationston zu hören.

Eine Minute verging, zwei.

Floriane stand auf, ging in der Küche hin und her.

Das Handy blieb stumm, das Display dunkel.

Sie schaltete die Kaffeemaschine ein. Wenn ihr mysteriöser Gesprächspartner so lange über seine Antwort nachdenken musste, könnte sie in der Zwischenzeit endlich frühstücken.

Memo an mich selbst: in Zukunft erst nach dem Frühstück zum Briefkasten gehen. Man weiß nie, was einem den Appetit verderben könnte.

Während der Kaffee durchlief, toastete sie Brot und holte Butter, Käse und Marmelade aus dem Kühlschrank.

Benjamin Peters. Natürlich war sie überrascht gewesen, als sie den Auftrag erhalten hatte, ausgerechnet den Mann zu beseitigen, mit dem sie seit einigen Wochen eine Affäre hatte.

Wobei Affäre eigentlich ein viel zu großes Wort ist. Die paar Mal, die wir uns getroffen haben.

Gefühle waren auf jeden Fall keine im Spiel gewesen. Sex, ein netter Zeitvertreib, nichts weiter.

Überrascht, ja, alarmiert, nein. Das war wohl ein Fehler.

Sie warf einen Blick auf das weiterhin stumme Smartphone, bevor sie sich eine Tasse Kaffee einschenkte.

Ich hätte den Auftrag nicht annehmen dürfen, hätte merken müssen, dass es einfach ein zu großer Zufall war.

Jetzt sah es also so aus, als hätte ihr jemand eine Falle gestellt. Doch was für eine Falle? Sie war wie vereinbart bezahlt worden, hatte Hamburg verlassen und war in einer Kleinstadt im Grenzgebiet zu den Niederlanden untergetaucht.

Ihre neue Identität als Gabriela Breede war einwandfrei, täuschend echt. Niemand würde ohne ausführliche Nachforschungen dahinter kommen, dass es Frau Breede erst seit einigen Monaten gab.

Und warum jetzt? Fast drei Monate nach dem Mord.

Vielleicht war der Auftrag doch keine Falle gewesen?

Aber was dann?

Tief in Gedanken versunken bestrich Floriane eine Scheibe Toast mit Butter. Sie erinnerte sich daran zurück, wie sie Benjamin Peters kennengelernt hatte. Sie war in Hamburg gewesen, um sich eine kleine Auszeit zu gönnen.

Das war einer der ganz großen Vorteile in ihrem Job: keine langweilige, immer gleiche Vierzigstundenwoche. Zwischen ihren einzelnen Aufträgen konnte sie tun und lassen, was sie wollte.

Wenn sie Lust darauf hatte, ein paar Monate in einer bestimmten Stadt zu leben, war dies problemlos möglich. Geld hatte sie mehr als genug, ihre Aufträge konnte sie sich aussuchen. Wenn sie ein Angebot bekam, das ihr nicht zusagte, lehnte sie es ab.

Warum nur habe ich diesen Auftrag nicht abgelehnt? Waren die achthunderttausend so verlockend? Oder hat es mich gereizt, dass es so unglaublich leicht sein würde?

Keine langwierigen Observierungen, kein Ausforschen des Lebenswandels, einfach ein Date mit Peters ausmachen und statt Sex …

Sie kniff die Augen zusammen. Dass sie Peters mit einem Messer töten sollte, war vom Auftraggeber ausdrücklich gewünscht worden. Auch dass es möglichst lange dauern sollte. Und dann war da natürlich noch die Sache mit der Kamera.

Dem Auftraggeber war es immens wichtig gewesen, die Auftragsausführung beobachten zu können. Floriane hatte strikte Anweisungen erhalten, was für eine Kamera sie zu verwenden hatte, welche Mindestauflösung der Stream haben müsste und dass sie peinlich genau darauf zu achten habe, so zu agieren, dass stets freie Sicht auf Peters’ Körper gewährleistet war.

Floriane biss von ihrem Toast ab. Wer könnte ihr Auftraggeber gewesen sein? Ganz eindeutig jemand, der einen persönlichen Groll gegen Peters gehegt hatte. Jemand, der ihn leiden sehen wollte.

Ich tippe auf die Ehefrau.

Dass Peters verheiratet war, hatte Floriane schnell gemerkt. Kennengelernt hatten sie sich in einem Museumscafé, wo er sie ziemlich unverblümt angeflirtet hatte. Floriane hatte sich geschmeichelt gefühlt und war einer Affäre mit dem smarten, gutaussehenden Geschäftsmann nicht abgeneigt gewesen. Schließlich wusste sie, dass diese Beziehung nicht lange andauern würde, denn Ilona Werner – der Name, unter dem sie in Hamburg lebte – würde nicht mehr lange existieren.

Also war es ihr egal gewesen, dass Peters offenbar verheiratet war. Dass sie sich nur selten sahen, oft kurzfristig, oft tagsüber, war für sie kein Problem gewesen. Sie hatte ihren Spaß mit ihm gehabt, hatte genossen, dass er sie in teure Restaurants ausführte, mit ihr in exklusiven Boutiquen shoppen ging und der Sex in den nobelsten Hotelsuiten der Stadt war auch nicht schlecht gewesen.

Warum hätte sie sich denn auch nicht eine Weile entspannen sollen? Ihr Beruf war schließlich anstrengend genug.

Trotzdem hatte Peters ihr natürlich nichts bedeutet. Da hatte es keine Gefühle gegeben. Darum hatte sie auch keine Sekunde mit ihrer Zusage gezögert, als der Auftrag reinkam. Hatte sich insgeheim sogar gefreut, dass er so leicht zu erledigen sein würde.

Noch nie habe ich so einfach achthunderttausend Euro verdient.

Rächte sich das jetzt?

Sie legte den angebissenen Toast auf den Teller zurück. Zurückgeben wollte sie ihr Honorar auf keinen Fall. Sie musste einen Weg finden, wie sie das Geld behalten könnte.

Ich gehe zum Schein darauf ein, tue so, als würde ich den Betrag zurücküberweisen und dann …

Ja, was dann?

Sie nahm einen großen Schluck Kaffee, dann schob sie ihren Frühstücksteller von sich und stand auf. Ging ihren Laptop holen.

Gerade als sie den letzten Rest Toast verzehrte, während sie darauf wartete, dass der Computer hochfuhr, klingelte das gefundene Smartphone.

Floriane ließ sich Zeit, kaute gründlich, spülte mit Kaffee nach, bevor sie den Anruf entgegennahm.

Eine blechern klingende Stimme, verzerrt durch ein Computerprogramm, unmöglich den Sprecher zu identifizieren. Der Sprecher behauptete, den Mord an Peters in Auftrag gegeben zu haben.

»Gut, gehen wir davon aus, dass ich Ihnen einfach so, ohne weitere Beweise glaube, dass Sie mein Auftraggeber sind: Worin bestehen denn diese Ungereimtheiten, die Sie jetzt so plötzlich Ihr Geld zurückfordern lassen?«

»Die Fotos.«

»Fotos von mir alleine und Fotos mit dem Zielobjekt. Abgesehen davon, dass ich keine Ahnung habe, wie Sie an diese Fotos gekommen sind, was soll daran ungereimt sein?« Floriane tippte einige Befehle in ihren Laptop.

»Die Fotos wurden aufgenommen, bevor ich den Auftrag erteilt habe.«

Floriane zog die Mundwinkel nach oben. Wusste ich es doch, die Ehefrau.

Ihrem Gesprächspartner gegenüber stellte sie sich weiterhin ahnungslos.

»Woher wollen Sie das so genau wissen? Woher haben Sie denn diese Fotos?«

»Ich habe die SD-Karte aus seinem Handy wiederherstellen lassen.«

Floriane unterdrückte einen Fluch. Ja, sie hatte die Speicherkarte in Peters’ Handy einfach nur gelöscht, sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie physisch zu zerstören. Sie war davon ausgegangen, dass die meisten Menschen nicht wussten, dass die Inhalte von SD-Karten in der Regel wiederhergestellt werden konnten.

Wieder was gelernt, nächstes Mal besser machen.

Floriane bemühte sich, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen, als sie weitersprach. Sie war sich jetzt ganz sicher, dass sich hinter der elektronisch verzerrten Stimme am anderen Ende der Leitung die Ehefrau von Benjamin Peters verbarg.

»Wie haben Sie mich gefunden?«

»Mit Geld kann man alles kaufen, auch Informationen.«

Floriane zog eine Augenbraue hoch. Die Frau hatte ihr Gesicht im Livevideo gesehen, später dann die Fotos von der SD-Karte, festgestellt, dass die Auftragsmörderin, die sie engagiert hatte, bereits vor Auftragserteilung engen Kontakt zu ihrem Ehemann gehabt hatte, und beschlossen, eben diese Auftragsmörderin ausfindig zu machen, um ihr Geld zurückzuverlangen.

Ich an ihrer Stelle hätte diese Sache lieber auf sich beruhen lassen. Ums Geld kann es ihr ja nicht wirklich gehen, Benjamin dürfte ihr mehr als genug hinterlassen haben. Und wenn sie sich rächen will, dann hat sie sich mit der Falschen angelegt.

»Heißt das, Sie haben einen Hacker engagiert, um mich aufzuspüren? Und das alles nur, um achthunderttausend Euro erstattet zu bekommen?« Floriane schnalzte mit der Zunge. »Kommen Sie schon, da steckt doch mehr dahinter als Ihre gekränkte Eitelkeit.«

Während sie sprach, ließ sie die Finger über die Tastatur ihres Laptops gleiten.

Schweigen am anderen Ende der Leitung.

»Wollten Sie Ihren Mann aus dem Weg schaffen, um an sein Geld zu kommen? Oder haben Sie herausbekommen, dass er sie betrügt und er musste deswegen sterben?« Floriane tippte ungerührt weiter. »Waren Sie so verletzt und wütend, dass Sie sich für seinen Betrug rächen mussten? Diese Möglichkeit erscheint mir wahrscheinlicher, wenn es Ihnen nur ums Geld gegangen wäre, hätten Sie nicht explizit beauftragt, dass er leiden muss. Dann hätten Sie auch keinen Livestream gewollt. Wahrscheinlich hätten Sie mich dann sogar angewiesen, es wie einen Unfall aussehen zu lassen.« Sie lachte leise auf. »Ich war übrigens sicher nicht die Einzige, mit der er ein Verhältnis hatte. Er schien mir nicht gerade der monogame Typ zu sein.«

»Wie können Sie es wagen.« So verzerrt die Stimme auch war, der Hass in ihr war unüberhörbar.

»Und dann haben Sie anhand der Fotos gemerkt, dass Sie ausgerechnet die aktuelle Affäre Ihres Göttergatten damit beauftragt hatten, ihn zu eliminieren.« Floriane lachte, als das, was sie die letzten Minuten in den Tiefen des Darknets gesucht hatte, auf ihrem Bildschirm erschien.

»Wie hätten Sie denn Ihre Erstattung am liebsten, Frau Peters. Oder darf ich Beate sagen? Auf Ihr Konto bei der Hamburger Stadtbank mit der IBAN DE99 2005 0550 0073 9138 71 oder soll ich es bar vorbeibringen? In die Harvestehuder Chaussee 191? Ganz entzückende Villa haben Sie da. Darf ich fragen, wie viele Zimmer?«

Keine Antwort.

Hätte mich auch gewundert.

Floriane schob den Laptop von sich. »Ich glaube, ich behalte mein Geld, oder?«

Ein Klicken und die Leitung war tot.

 

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