Tessa WeitemeierMordfotos ohne Erinnerungen

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Eine Pfütze links, eine Pfütze rechts, Theo wählt seinen Weg zwischen ihnen hindurch und versucht keine nassen Füße zu bekommen. Mit eingezogenem Kopf huscht er durch die dämmernde Dunkelheit, um schnell nach Hause zu kommen. Aus dem Augenwinkel nimmt er ein metallisches Glitzern wahr und stockt. Er dreht sich um und sucht nach der Ursache dieses Glitzerns. Im Licht der Straßenlaterne sieht er einen kleinen viereckigen Gegenstand am Boden liegen und geht mit schnellen Schritten darauf zu. Schon aus einiger Entfernung erkennt er, dass es sich um ein Handy handelt, dessen Display silbern umrandet ist und so das Licht reflektiert. Ohne lange darüber nachzudenken, hebt er das Handy auf und schiebt es in seine Hosentasche, ehe er zügig weitergeht und wenige Minuten später die tropfende Jacke auszieht und im Flur an den Haken hängt. „Ich bin Zuhause!“, ruft Theo mit lauter Stimme und streift sich die Schuhe ab um sie achtlos in der Ecke liegen zu lassen. Seine Frau zögert einen Moment bevor sie aufsteht und ihn im Flur kurz begrüßt. „Scheißwetter.“, sagt Theo mit dunkler Stimme und sieht Marie in die Augen. Sie nickt mechanisch. „Hast du das Essen fertig?“, fragt er als er schon an ihr vorbei gegangen ist und auf dem Weg ins Wohnzimmer ist. Bevor sie die einzige richtige Antwort über die Lippen bringt atmet Marie tief durch: „Natürlich, steht auf dem Tisch.“ Als Theo sich auf seinen Stammplatz, am Fenster, gesetzt hat nimmt sie ihm gegenüber Platz und betrachtet den gefüllten Teller noch einmal prüfend. Er greift unter den Tisch und holt mit jeder Hand ein Handy aus seinen Hosentaschen. Sein eigenes und das, was er auf dem Heimweg eingesteckt hatte. „Wem gehört das?“, fragt Marie leise und deutet mit einem Kopfnicken auf das unbekannte Handy. Theo stopft sich eine volle Gabel mit Fleisch in den Mund und zuckt mit den Schultern. „Hab ich gefunden.“, nuschelt er mit vollem Mund. Marie zeigt fragend auf das Telefon und als Theo nickt greift sie danach. Sie betrachtet es von allen Seiten und drückt dann seitlich auf eine Taste um zu sehen ob es an ist. Einige Sekunden starrt sie auf das Display während sich ihre Augen weiten und ihre Pupillen sich vergrößern. Theo hält mit der vollen Gabel vor dem Mund inne und sieht sie an. Maries Finger, die das Handy umschließen werden weiß und ihr Mund klappt auf als wäre er fremdgesteuert. „Was ist denn?“, fragt Theo ungeduldig, legt seine Gabel auf dem Teller ab und reißt ihr das Handy aus der Hand. Theos Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen als er einen Blick auf das werfen kann, was Marie schon gesehen hat. Das Hintergrundbild auf dem fremden Handy zeigt eine blutüberströmte männliche Leiche mit offensichtlichen Stichwunden am Oberkörper. Über der Leiche und mit Blick in die Kamera, steht Theo selbst mit einem Messer in der Hand, dessen Klinge blutrot ist. „Was hast du getan?“, bringt Marie mit zitternder Stimme hervor. Theo kann den Blick kaum von dem Foto lösen, tut es aber doch als er Maries Stimme hört. „Ich habe, nein ich weiß nicht, nein ich habe gar nichts getan.“, stammelt er und sieht wieder auf das Foto. Marie klammert sich an die Tischplatte: „Das sieht aber ganz anders aus! Wer ist dieser Mann?!“ Ihre Stimme ist beinahe hysterisch und unnatürlich hoch. Theo stemmt sich von seinem Stuhl hoch und fixiert Marie mit seinem Blick. „Ich habe keine Ahnung verdammt! Aber ich habe nichts getan!“, seine Augen funkeln vor Wut. „Was hast du jetzt vor?“, Marie klingt eher verängstigt während sie ebenfalls aufsteht und sich ihm gegenüber stellt. „Ich finde raus wem dieses Scheißteil gehört.“, sagt er mit kühler Stimme. Marie stellt sich ihm in den Weg: „Wie willst du das machen?“ Er schubst sie unsanft zur Seite und gegen den Kühlschrank, in dem es kurz scheppert. „Ich gehe zur Polizei natürlich.“, ruft er aus dem Flur. Marie folgt ihm und lehnt sich in den Türrahmen als sie bemerkt, wie sehr ihre Beine zittern. „Du kannst nicht zur Polizei, auf dem Foto bist du ganz ohne Zweifel der Täter. Willst du dich selbst anzeigen ohne zu wissen was du getan hast?“, noch immer ist ihre Stimme viel höher als sonst. Theo pausiert seine Bewegungen, als wäre er plötzlich eingefroren. „Dann muss ich die Leiche finden.“, sagt er nach einer Weile und klingt überzeugter als noch von seiner vorigen Idee. „Wie willst du das machen?“, Maries Herz schlägt so laut, dass es ihr selbst in den Ohren dröhnt. Theo reißt seine, noch immer nasse, Jacke vom Haken, so, dass dabei der Aufhänger der Jacke abreißt. „Auf dem Foto sieht man doch, dass es in einer Turnhalle aufgenommen wurde…viele haben wir hier nicht. Ich finde die Halle und da dann die Leiche. Und da auch den Typen, der mir das anhängen will.“, er hat die Hand schon an der Türklinke als Marie ihn am Arm festhält. „Du musst das in Ruhe durchdenken Theo. Das ist viel zu gefährlich.“, sie sieht ihn flehend an. „Willst du mitkommen?“, lacht er und öffnet die Tür, nachdem er sich aus ihrem Griff befreit hat. Marie öffnet den Mund um noch etwas zu sagen, aber Theo ist schon aus dem Haus gestürmt und hat die Tür hinter sich zugeschlagen. Er macht sich gar nicht erst die Mühe auf den Regen oder die immer größer werdenden Pfützen zu achten als er die Straße hinunter läuft. Die Dunkelheit hat sich inzwischen schwer über der Stadt abgelegt und alles schwarz gefärbt. Ohne auf seine Umgebung zu achten steuert er die Turnhalle neben den Tennisplätzen an und rennt dabei so schnell, dass ihm die Luft wegbleibt. Das Bild auf dem fremden Handy hat sich so sehr in seine Netzhaut eingebrannt, dass er kaum etwas anderes sehen kann. In wenigen Minuten hat er die große Halle erreicht, die wie ein großes dunkles Schiff vor ihm liegt. Er rüttelt an der Tür, zerrt an ihr, tritt gegen sie und hämmert mit den Fäusten dagegen. Im inneren der Turnhalle bleibt es still, was Theo nur noch wütender macht. Er lässt von der verschlossenen Tür ab, dreht sich um und umrundet die Turnhalle. Auf der Rückseite drückt er sich so nah ans Fenster, dass die Scheiben von seinem Atem beschlagen. Er versucht irgendwie einen Blick auf das Innere der Halle zu erhaschen, aber sie liegt so still und normal vor ihm, wie sie es immer tut. „Das ist doch alles ein schlechter Scherz!“, schreit er die Scheibe an und widersteht nur knapp dem Impuls auf sie einzuschlagen. Er atmet tief durch und lehnt sich mit dem Rücken an die dunkle Scheibe. Wahrscheinlich war es einfach nur die falsche Halle, denkt er und blinzelt die Regentropfen aus seinen Wimpern. Er stößt sich von dem dunklen Gebäude ab und rennt in die Nacht. Seine Beine fliegen unter seinem Oberkörper über den nass glänzenden Asphalt während er versucht die Orientierung zu behalten. Er spürt das Wasser an seinen Hosenbeinen hochspritzen während er durch die Pfützen läuft, aber er hat keine Zeit darauf zu achten. Er biegt in eine kleine Seitenstraße ein, die er als Abkürzung benutzen will und rast so schnell er kann die gerade Straße entlang. Die kleine Halle, in der er als Kind immer Fußball gespielt hat wirkt vertraut und beinahe beruhigend. Er verlangsamt seine Schritte, presst die Hände auf seinen Brustkorb als könnte er dadurch seiner Lunge helfen schneller wieder zu Atem zu kommen und betrachtet die Halle aus kurzer Distanz. Ein kalter Schauer läuft seinen Rücken hinab als sein Blick auf die Eingangstür fällt. Am Boden steht ein alter und verbeulter blecherner Mülleimer, der die Tür offen hält und Theo damit nahezu magisch anzieht. Er nähert sich langsam der offenen Tür, sieht sich einmal über die Schulter um und bleibt dann stehen. Vielleicht sollte er doch wieder umdrehen und zur Polizei gehen. Oder einfach wieder nach Hause und so tun, als wäre nie etwas gewesen. Als hätte er nie dieses Handy gefunden. Ein Flackern aus dem Inneren der Halle reißt ihn aus seinen Gedanken und lässt ihn aufblicken. Egal was es ist, es ist nur ein schlechter Witz, sagt er sich in Gedanken und setzt einen Fuß vor den anderen. Als seine Hand die Tür berührt um sie aufzudrücken kommt sie ihm kälter vor als alles andere, was er jemals angefasst hat. Er drückt die Tür auf, schlüpft durch den Spalt und versucht die Tür so leise wie möglich wieder gegen den Mülleimer fallen zu lassen. Theo bemüht sich so leise wie möglich zu atmen, aber sein Herz poltert so laut in seiner Brust, dass er das Gefühl hat es müsste in einem kilometerweiten Umkreis zu hören sein. Im Flur, der zu dem Umkleiden führt, bleibt er stehen und sieht sich um. Die Vertrautheit, die diese Halle eben noch ausgestrahlt hatte ist mit einem Schlag verschwunden als er am Ende des Ganges den kleinen Lichtstrahl entdeckt, der aus einer offenen Tür fällt. Er könnte einfach umdrehen und gehen. Er könnte so tun als wäre nie etwas gewesen. Aber das Licht am Ende des Flures zieht ihn an wie das Licht eine Motte. Seine nassen Schuhe quietschen als er sie wieder vom Boden löst und langsam den Gang entlang geht. Immer wieder sieht er sich hektisch um, als würde er jeden Moment mit allem rechnen. Die Schritte, die er so langsam macht als wäre er ein Raubtier, das sich seiner Beute nähert, hallen unnatürlich laut von den Wänden wieder. Falls hier jemand ist, hat er ihn auf jeden Fall schon gehört. Er zuckt zusammen und bleibt stocksteif stehen als er ein unterdrücktes Geräusch hört. Als würde die Ursache des Geräusches unter Wasser liegen und nur gedämpft an die Oberfläche kommen. Vielleicht kann er aber auch nicht mehr richtig hören, weil das Blut so laut durch seine Ohren pulsiert, dass es sich so anhört, als wäre es Meeresrauschen. So sehr Theo sich auch anstrengt und lauscht, das Geräusch ist weg oder vielleicht war es auch nie da und er hat es sich nur eingebildet. Er setzt den rechten Fuß ein Stück nach vorne und hat schlagartig das Gefühl als würde er den Boden unter den Füßen verlieren. Sein Magen zieht sich zusammen und die Welt um ihn herum beginnt sich zu drehen. Er war hier. Als würde ein schwarzer Nebel durch seinen Kopf ziehen und ihm die klare Sicht verweigern sieht er verzerrt und vernebelt den Raum vor sich, aus dem der Lichtstrahl fällt. Er war schon einmal hier. Er stützt sich mit der linken Hand an der Wand ab um die Welt davon abzuhalten sich schneller und schneller um ihn herum zu drehen. Der Nebel verdichtet sich langsam wieder zu absoluter Schwärze und der Boden unter seinen Füßen kommt zum Stillstand. Er blinzelt hektisch bevor er seinem Gleichgewicht wieder vertraut und die Hand von der Wand löst. Eine unerwartete Welle der Angst durchschwappt seinen Körper und schüttelt alle seine Organe unsanft durch. Jeder Muskel spannt sich unweigerlich an und seine Nerven spannen sich, bis sie beinahe zerreißen. Er schnappt nach Luft, verschluckt sich beinahe an ihr und atmet dann leise aus. Jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher, er war schon einmal hier und jetzt muss er wissen wieso. Und vor allem, wieso er sich nicht mehr daran erinnern kann. Mit neuer Entschlossenheit schiebt er seine Füße über den dunklen Boden und nähert sich der Tür. Das Blut rauscht in seinen Ohren und macht ihn taub während die Angst ihn beinahe lähmt. „Wir kriegen Besuch.“, lacht eine höhnische Frauenstimme. Theo bleibt wie angewurzelt stehen und hört seinem Herz dabei zu, wie es sich überschlägt und dann schneller weiterschlägt als vorher. Der Nebel durchflutet wieder seinen Kopf, diese Stimme kennt er. Er hört sie nicht zum ersten Mal, aber beim besten Willen findet er kein dazugehöriges Gesicht in seinem Kopf. „Nun komm schon Theo, komm, komm.“, wieder lacht sie und ihr Lachen hallt in den Fluren so laut wieder, dass es nie aufzuhören scheint. Als würde es mit den Wänden Ping Pong spielen. Langsam und mit angehaltenem Atem nähert er sich der offenen Tür und schreckt dann mit einem tiefen Grunzen zurück als die Tür von innen aufgerissen wird. „Da bist du ja endlich, ich dachte du würdest früher kommen.“, eine blonde zierliche Frau steht vor ihm und lächelt ihn an. „Warum?“, bringt er mit trockenem Mund heraus. Die Frau tritt mit einem eleganten Schritt zur Seite und deutet ihm einzutreten. Theo sieht sich zögernd um und unweigerlich kreist der Gedanke durch seinen Kopf, dass er einfach losrennen könnte, den Mülleimer aus der angelehnten Tür treten könnte und in die kühle Nachtluft rennen könnte. Entgegen seiner Gedanken bewegt er sich nach vorne und betritt den Raum, den er als Umkleide erkennt. Am anderen Ende des Raumes findet Theo auch sofort die Ursache des unterdrückten Geräusches, dass er sich offenbar nicht eingebildet hat. Dort steht ein Mann mit dunklen Haaren, dunklem Bart und einem schwarzen Anzug. Stehend an eine Heizung gefesselt, mit einem Knebel im Mund. Er reißt an seinen festgebundenen Händen und zuckt wild mit dem Kopf. Es ist nicht schwer zu deuten, dass er Theo damit signalisieren will, dass er verschwinden soll solange er noch kann. Seine Augen sind rot unterlaufen und scheinen stumm zu schreien. Bevor er irgendwie reagieren kann hört er hinter sich die Tür zufallen. „Dann sind ja alle hier, die heute wichtig sind.“, die Frau setzt sich entspannt auf eine der Bänke und überschlägt die Beine. Theo sieht zwischen dem gefesselten Mann und der Frau hin und her, unschlüssig was er tun soll. „Was ist das hier?“, fragt er mit zitternder Stimme. „Das, mein Lieber, ist eine Turnhalle.“, säuselt sie mit piepsiger Stimme. Theo steht verloren in der Mitte der Umkleidekabine und starrt immer wieder zu dem sich windenden Mann. Sollte er ihn nicht einfach losbinden? „Das sehe ich verdammt!“, fährt er sie an, aber sie ändert weder ihre Mimik noch zuckt sie unter seine lauten plötzlichen Worten zusammen. „Warum fragst du denn dann?“, sie sieht ihn irritiert an und lächelt dann den anderen Mann an. Dieser hält ihrem Blick allerdings nicht stand und sieht vor sich auf den gefliesten Boden. „Du erinnerst dich nicht mehr oder?“, sie dreht ruckartig ihren Kopf und sieht wieder zu Theo. Er versucht ein weiteres Mal seinen schwarzen Nebel im Kopf zu durchschauen, aber umso mehr er sich anstrengt desto mehr verdichtet er sich. „Nein! Ich weiß, dass ich schon einmal hier war, aber mehr nicht.“, gibt er resigniert von sich, im vollen Bewusstsein, dass es wahrscheinlich genau das ist, was sie hören wollte. „Sehr gut, sehr gut, das ist alles sehr gut.“, säuselt sie wieder. Theo sieht hilfesuchend zu dem anderen Mann, der nur noch hilfesuchender zurück guckt. „Vielleicht solltest du dich hinsetzen, mein Lieber, du bist ganz blass.“, sie deutet auf die Bank ihr gegenüber. Theo zögert, lässt sich dann aber doch langsam nieder, als er merkt wie sehr seine Beine zittern. Er tastet in seiner Hosentasche nach dem fremden Handy und versucht es mit zwei Fingern rauszufischen. „Oh du hast das Handy mitgebracht? Sehr schön, sehr schön.“, sie steht auf, schreitet mit wenigen Schritten durch den Raum und streckt ihre Hand aus. Theo sieht sie verwirrt an, legt dann aber langsam das Handy in ihre Hand. „Wer ist der Mann auf dem Foto?“, fragt Theo und bemüht sich seine Stimme unter Kontrolle zu halten. Sie will ausbrechen, schreien und eigentlich ist sie voller Angst und Unsicherheit. Die Frau wirft kurz einen prüfenden Blick auf das Handy und lächelt wieder: „Das war Martin.“ Der zufriedene Ausdruck auf ihrem Gesicht beschert Theo eine Gänsehaut am ganzen Körper. Sie zuckt zusammen als hätte sie ein Blitz durchzuckt. „Oh, wie unhöflich von mir euch einander nicht vorzustellen! Entschuldigt bitte. Das ist Theo.“, sie deutet mit ihrer Hand auf ihn. Der Mann sieht ihn verzweifelt an. „Und das, mein lieber Theo, ist Hannes.“, sie lächelt erst Theo und dann Hannes breit an. Theo bemüht sich so ruhig wie möglich zu bleiben, weil es sich anfühlt als würde er ihr nur so beweisen können, dass ihr Spiel nicht aufgeht. Was auch immer sie für ein Spiel spielt. Seine Beine zittern allerdings unaufhörlich auf und ab, egal wie sehr er sich zwingt sie still zu halten, was ihr natürlich nicht entgeht. „Du kannst dich entspannen. Es geht ganz schnell.“, sie sieht ihn flüchtig an bevor sie eine große Sporttasche unter der Bank, auf der sie sitzt, hervorzieht und beginnt mit einer Seelenruhe darin nach etwas zu suchen. Hannes sucht Theos Blick, der allerdings wie gebannt auf die blonde Frau starrt. „Hast du geplant, dass ich heute hier her komme?“, fragt Theo langsam. „Oh ja, oh ja. Du bist doch heute die Hauptperson!“, sie sieht kurz von ihrer Tasche auf und schenkt ihm einen aufmunternden Blick. Hannes gibt undefinierbare Laute von sich und rüttelt abermals an seinen gefesselten Händen. „Warum ist er gefesselt?“, Theo steht langsam auf, als müsste er testen ob seine zitternden Beine ihn tragen. Hannes beobachtet ihn skeptisch dabei, während die Frau es gar nicht zu bemerken scheint. Sie hat gefunden, was sie gesucht hat und umklammert das kühle Stück Holz mit der rechten Hand. Hannes erhascht vor Theo einen Blick darauf und gibt ein dumpfes Grunzen von sich ehe das längliche Stück glänzendes Holz Theo mit einem lauten Aufschlag am Kopf trifft. Theo sieht sie einen Moment völlig perplex an, verdreht dann langsam die Augen und sackt wie in Zeitlupe auf die Knie. Hannes rüttelt an seinen Fesseln und reißt die Augen weit auf. Mit einem zufriedenen Lächeln steht die Frau über Theo, der nun mit seltsam verdrehten Beinen auf dem Boden liegt und aussieht als würde er friedlich schlafen.

 

Als Theo mit flatternden Lidern die Augen wieder öffnet, scheint ihm das grelle Deckenlicht direkt in die Augen. Als würde er einen weiteren Schlag versetzt bekommen kehrt sein Gedächtnis schlagartig zurück und er versucht sich aufzubäumen. Sein Körper lässt sich nicht bewegen und er reißt an seinen Armen und Beinen, aber es ist hoffnungslos. Er ist gefesselt und festgebunden, genau wie Hannes. Ein tiefer Schrei entweicht seinem Mund und er stellt fest, dass er immerhin sprechen kann und sein Mund nicht zugeklebt wurde. „Was soll das hier?“, schreit er panisch und reißt an seinen Händen, wobei die dünnen Seile nur in seine Haut einschneiden. Seine Hände und seine Füße wurden an die Bänke gebunden und so liegt er lang ausgestreckt auf dem kalten Boden. Ein unterdrücktes Geräusch zeigt ihm, dass zumindest Hannes noch da zu sein scheint, von der blonden Frau ist allerdings nichts zu sehen oder zu hören. Wieder zerrt Theo an seinen Armen und Beinen bis die Bänke, an denen er festgebunden ist, an ihren Wandhalterungen wackeln und scheppern. Auch aus Hannes‘ Richtung hört er wieder das Klackern der Heizung. Keiner der beiden Männer schafft es sich zu befreien und nach einem kurzen Aufbäumen geben beide auf. Zu gerne würde Theo mit Hannes sprechen können, ihn fragen wie er hier gelandet ist und ob er weiß auf was das Ganze hinauslaufen wird. Ob er vielleicht sogar weiß, wer der tote Mann auf dem Handy war, das er gefunden hatte. „Bist du wach mein lieber?“, hört er die hohe Stimme der Frau hinter sich. Er windet sich und verdreht sich den Hals um sie zu sehen. Sie war die ganze Zeit da und hat ihn beobachtet wie er verzweifelt versucht hat sich zu befreien. „Was soll das?“, schreit er so laut, dass es ihm im Hals weh tut. Sie schreitet entspannt um ihn herum und beugt sich über ihn. „Du bist das nächste Foto.“, sie kräuselt die Lippen und dreht sich dann zu Hannes um. „Und du mein Lieber wirst bald ein Handy finden…dieses hier.“, sie wedelt mit dem Handy vor seiner Nase rum, das Theo hier her geführt hatte. Seine Gedanken rasen durch den Kopf, überholen sich selbst, verlaufen sich und prallen schmerzhaft gegen sein Gehirn. Wieder gibt Hannes ein lautes Grunzen von sich und Theo kann sich nur vorstellen wie schlimm es sein muss seiner Stimme beraubt worden zu sein. „Was soll das heißen? Ich bin das nächste Foto?! Dreh dich zu mir um verdammt!“, faucht er wütend und hebt den Kopf an. Sie dreht sich langsam um, sieht ihn kurz genervt an und setzt sich dann auf eine der Bänke, an der er festgebunden ist. Sie sitzt so nah an ihm, dass ihre Füße ihn am Bauch berühren. Er windet sich wie ein Aal, gibt dann aber auf und bleibt still liegen. „Weißt du Theo, du kannst jetzt so viele Fragen stellen wie du willst, es ändert nichts mehr für dich.“, wieder greift sie in ihre große Sporttasche und wendet damit den Blick von ihm ab. „Was heißt das?“, seine Stimme ist nur noch ein Flüstern als sich langsam ein paar neblige Puzzleteile in seinem Kopf zusammenfügen. „Hannes wird dich töten.“, sagt sie mit einer Ruhe, die Theo das Blut in den Adern gefrieren lässt. Es ist als würden sich alle seine Adern zu kleinen Eisbächen verwandeln. Hannes rüttelt an seine Fesseln und versucht zu schreien, aber alles was zu hören ist sind dumpfe Vokale. „Er ist gefesselt, er kann mich nicht töten!“, schreit Theo panisch. Abgesehen davon, dass Hannes gefesselt ist, hat er bisher nicht den Eindruck gemacht als würde er auf derselben Seite stehen wie die Frau. Theo hatte eher bisher das Gefühl es wäre die beiden gegen die Frau. Sie holt ein langes, silbern glänzendes Messer aus ihrer Sporttasche und dreht es prüfend in den Händen bevor sie Theo wieder ansieht, der mit hochrotem Kopf auf dem Boden liegt. „Oh nein, er wird dich nicht töten, das werde ich selber tun, aber er wird denken, dass er es getan hat.“, sie hält das Messer ganz ruhig in ihrer Hand. „Wieso sollte er das denken?“, Theos Stimme ist so hoch, dass er sie selbst kaum erkennt. „Du hast gedacht, du hättest Martin getötet richtig? Das Foto war doch wohl eindeutig.“, sie funkelt Theo aus dunklen Augen an. Die Gedanken rasen durch seinen Kopf, aber verwirren sich so sehr, dass keiner mehr Sinn ergibt. Das Messer reflektiert das Licht und glitzert immer mal wieder in Theos Augen während sie es stetig hin und her dreht. „Ich sterbe also jetzt?“, fragt er resigniert und spürt dabei Tränen in seine Augen steigen. Sie nickt lachend: „Das hast du jetzt aber schnell verstanden.“ Ein weiteres Mal reißt er an seinen Armen und Beinen, wird dann aber wieder ganz ruhig. „Warum?“, bringt er heiser hervor. Sie legt das Messer ganz nah neben seinen Kopf, dass es sich unwahrscheinlich laut anhört, dann setzt sie sich wieder auf die Bank und sieht auf ihn herab. „Das fragst du dich erst jetzt? Du bist spät mit dieser Frage mein Lieber.“, sie reibt sich die Hände. Theo dreht den Kopf nach links und sieht das Messer so nah an seinem Kopf liegen, dass es ihn beinahe wahnsinnig macht. Das, womit er offensichtlich gleich getötet werden soll, liegt so an ihm dran, aber er ist unfähig sich zu bewegen und sich zu retten. „Also gut, ich will dich ja schließlich nicht unwissend sterben lassen. Dann macht es ja nur halb so viel Spaß.“, sie beobachtet ihn dabei, wie er immer wieder zu dem Messer sieht. „Weißt du wer, der erste Mensch war, der mit diesem Messer getötet wurde?“, fragt sie, wohlwissend, dass Theo die Antwort natürlich nicht kennt. Er schüttelt den Kopf und rutscht dabei mit dem Hinterkopf auf den Fliesen hin und her. „Dachte ich mir, dachte ich mir. Das war mein Mann. Und weißt du warum, mein lieber Theo?“, sie sieht ihm direkt in die Augen. Wieder schüttelt er den Kopf und rutscht auf den kalten Fliesen von rechts nach links. „Weil er mich nicht gut behandelt hat. Gar nicht gut. So wie du deine Frau nicht gut behandelst.“, ihr Blick durchbohrt seine Netzhaut, aber er kann den Blick trotzdem nicht abwenden. Ein wütender Blutschwall schwappt durch Theos Körper, er beißt die Zähne zusammen und sieht die Frau aus schmalen Schlitzen an. „Ich soll sterben, weil dein Mann scheiße zu dir war?!“, faucht er böse. Sie schüttelt entspannt den Kopf: „Aber nein, nein. Du musst sterben, weil du scheiße zu deiner Frau bist. Um es in deinen Worten auszudrücken. Ich erledige nur die Arbeit für sie.“ Theo ballt beide Hände zu Fäusten und gräbt sich seine eigenen Fingernägel so tief ins Fleisch wie es ihm möglich ist. „Hat sie dich beauftragt das zu tun?“, fragt er völlig überfordert und erinnert sich an Marie, die vorhin völlig irritiert von der Situation war und die definitiv nicht damit gerechnet hatte, dass er irgendwann mit einem Handy nach Hause kommt auf dem zu sehen ist, dass er jemanden umgebracht hat. „Ich brauche doch keinen Auftrag dafür.“, sie sieht ihn perplex an, „Ich räume einfach ein bisschen auf.“ Jeglicher Ausdruck verschwindet gemeinsam mit jeglichem Blut aus seinem Gesicht. „So Hannes, aber erstmal musst du jetzt etwas schlafen, das muss ja alles seine Ordnung haben.“, sagt sie ohne eine weitere Antwort von Theo abzuwarten und steht auf. Sie verschwindet aus Theos Blickfeld und nachdem Hannes ein ersticktes Heulen von sich gegeben hat ist es plötzlich ganz still. Abgesehen von Theos rauschendem Blut und seinem rasenden Herzschlag. Aus dem Augenwinkel sieht er die Frau um ihn herum gehen und hinter seinem Kopf stehen bleiben. Er verdreht den Kopf und versucht sie im Auge zu behalten. Sie bückt sich, hebt das Messer wieder auf und hält es einen Augenblick über sein Gesicht als würde sie wollen, dass er es sich genau ansieht. Er ist wie gelähmt und festgefroren. Alles um ihn herum passiert einfach und er kann nur hilflos verfolgen wie sein Schicksal seinen Lauf nimmt. „Also die anderen Männer haben immer das Bedürfnis um Gnade zu winseln. Hast du das nicht?“, fragt sie nachdenklich und sieht fragend auf ihn herab. Ihr Blick hat plötzlich etwas so eiskaltes und unberechenbares, dass er ihn zu durchbohren scheint. Es ist als würde er in einem dunklen Tunnel stehen und nur sie am anderen Ende sehen. Als würde nichts anderes mehr existieren. Es scheint als würde sich ein unsichtbares Seil um seinen Hals schnüren und ihm die Luft zum Atmen nehmen. Er würde gerne schreien, um Hilfe betteln und wenn es sein muss auch um Gnade winseln, aber er bringt keinen Ton raus. Er starrt die Frau nur an, die so selbstverständlich mit dem Messer in der Hand über ihm steht als würde sie das jeden Tag tun. „Hast du jetzt noch was zu sagen oder nicht?“, fragt sie nach ein paar Sekunden genervt und dreht das Messer ungeduldig in den Händen. Theo öffnet den Mund und schließt ihn wieder. Er reißt an seinen Händen und sieht sie aus weit aufgerissenen Augen an. Die Fesseln schneiden in seine Hand- und Fußgelenke, aber er bemerkt es kaum. Sein Hals tut so weh als würde er mit Leibeskräften schreien, aber er hört keinen Ton. Sie funkelt ihn ein letztes Mal aus dunklen, wütenden Augen an und dann trifft ihn das Messer. Er spürt wie es sich zwischen seine Rippen bohrt und sich die Welt um ihn herum zu drehen beginnt. Das Licht über ihm dreht sich rasend schnell und er verliert den kalten Boden unter dem Körper. Der dunkle Tunnel hat ihn verschluckt bevor er realisieren kann was passiert ist. Bevor er vor Schmerz aufschreien kann und sich krümmen kann. Sie lächelt ihn stetig an während ihre Hände bereits voller Blut sind. Ein paar Stiche noch, nur um sicher zu gehen.

 

Im Briefkasten von Familie Gumbach liegt ein Handy. Es wartet darauf von Hannes gefunden zu werden. Er ist der neue Mörder. Er ist die nächste Leiche.

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