Bettina RiedlRache wirst du spüren

Noch zwei lange Stunden, und er konnte endlich Feierabend machen. Hoffentlich würde sein Kollege Peters ihm dann nicht wieder ein Gespräch ans Bein binden. Gedankenverloren starrte Pascal auf seinen Computer und dachte zurück an das letzte Wochenende. Für gewöhnlich verbrachte er seinen freien Tagen viel Zeit im Wald, und ging seinem Hobby als Jäger nach. So auch letzten Sonntag. Seine neueste Beute war erlegt und die Überreste entsorgt. Bei Erinnerung an die Angst in den Augen seines Fangs blitzen seine Augen vor Freude auf. Aber alles Winseln und Winden hatte nichts genutzt. So viel Spaß hatte er bei seinem ungewöhnlichen Hobby schon lange nicht mehr gehabt. Doch jagen ist nun wirklich nicht etwas für jedermann. Dazu bedarf es viel Geduld und einer ruhigen Hand. Bald wäre es wieder Zeit für die nächste Jagd, und die Vorfreude darauf machte Pascal ganz euphorisch, und seine Laune hob sich schlagartig. Ein Blick zur Uhr verriet ihm, dass seitdem lediglich fünf Minuten vergangen waren, und seufzend wendete er sich wieder seiner Arbeit zu.

Nachdem er endlich Feierabend machten konnte, packte Pascal seine Sachen zusammen und machte sich auf den Weg zu seinem Jeep. Beim Hinausgehen lief er direkt seinem Kollegen Peters in die Arme.

Schlecht gelaunt, Pascal? Siehst aus, als wäre dir heute eine Laus über die Leber gelaufen. Gehst du am Wochenende wieder jagen? Du musst mich endlich mal mitnehmen!“, eröffnete ihm sein Kollege. „Ja, es geht wieder zum Jagen, direkt nach der Arbeit“, entgegnete Pascal. „Wieder das gesamte Wochenende? Na, da wird sich deine Frau bedanken. Dann lass uns doch wenigstens zusammen Jagen gehen“, versuchte es Peters erneut. Pascal wiederum brummte etwas Unverständliches und lief weiter Richtung Auto.

Die Sonne schien noch hell am Himmel, und ein leichter, warmer Wind streifte seine Haut. Am Auto angekommen entdeckte Pascal, dass etwas unter dem linken Scheibenwischer eingeklemmt war. Er beugte sich ein wenig vor, hob den Scheibenwischer an und griff danach. Perplex starrte Pascal auf das Handy in seiner Hand. Warum hatte es jemand hier abgelegt? Neugierig drückte er den Homebutton des Smartphones und landete direkt auf dem Startbildschirm. Es gab keinen Code, der die Privatsphäre des Besitzers schützte. Pascal blickte sich um, doch er konnte keinen Verdächtigen entdecken. Der Parkplatz war menschenleer, lediglich einige Autos standen vereinzelt herum. Etwas unentschlossen öffnete er sein Auto, setzte sich hinein und zog die Tür leise hinter sich zu. Dann warf er einen näheren Blick auf das Smartphone. Das Gerät sah wie neu aus, und eine genauere Analyse bewies ihm, dass es keinerlei Apps oder sonstige Symbole auf dem Smartphone gab, wie seltsam. Kontakte waren ebenfalls keine eingespeichert. Na gut, noch einen Blick auf die Bilder und dann packst du es weg…, überlegte Pascal. Mit seinem rechten Daumen drückte er auf das Icon für die Galerie und daraufhin öffnete sich die App, und gab ihren Inhalt frei. Ein Ruck durchfuhr Pascal, als er die Fotos sah. Was zum…?, dachte er überrascht. Hektisch wischte er mehrmals nach rechts und danach wiederum nach links um alle Bilder anzusehen. Das konnte nicht sein. Das…das durfte einfach nicht wahr sein! Gehetzt fuhr sich Pascal durch die Haare und biss sich auf die Lippen. Was passierte hier? Erneut ein panischer Rundumblick auf den Parkplatz, der jedoch immer noch verwaist war. Einen Schrei unterdrückend schlug er mit der Faust auf sein Lenkrad. Ohne groß Nachzudenken startete er seinen Wagen und fuhr direkt Richtung Wald.

Nach einigen Minuten verließ er den Wanderweg und folgte einem verwilderten Pfad mitten in den Wald hinein. Er verließ den Trampelpfad und suchte sich seinen Weg durch das Dickicht quer durch den Forst. Immer tiefer drang er in das Unterholz zwischen dicht gedrängte Bäume und Sträucher. Pascal hatte jedoch keine Zeit, die Ruhe des Waldes zu genießen, die lediglich durch einzelne Vogelstimmen unterbrochen wurde. Vielmehr hetzte er über den moosigen und mit Nadeln und Zapfen bedeckten Boden, in Richtung seiner Hütte.

Leicht außer Atem erreichte er sein Ziel schließlich. Zu seiner Erleichterung war die Hütte nach wie vor verschlossen, und alles sah aus wie immer. Schnell schloss Pascal auf und stolperte in die Hütte.

Durch die Tür fiel ein schmaler Lichtstrahl in das Innere der ansonsten fensterlosen Behausung. Ketten baumelten in von der Decke, im hinteren Bereich des kleinen Raumes lag eine dünne, alte Matratze auf dem Boden, daneben stand ein Eimer. An der linken Wand hing ein Regal mit Fesseln, aber auch zahlreichen Folterwerkzeugen.

Alles schien an seinem Platz und Pascal konnte nichts Ungewöhnliches feststellen. Erleichterung durchströmte ihn, und er wurde sofort merklich ruhiger. Bestimmt hatte sich jemand nur einen bösen Scherz erlaubt. Wehmütig dachte Pascal an seine letzte Beute, eine blonde junge Frau, die kaum älter als zwanzig Jahre gewesen sein dürfte. Er hatte ihre vor Schreck geweiteten Augen noch genau vor sich, wie sie sich wimmernd in die Ecke kauerte und ihn anflehte, sie doch gehen zu lassen. Den Gefallen hatte er ihr freilich nicht getan. Nach einem letzten Rundblick verließ er die Hütte und sperrte die Tür wieder zu. Danach machte er sich, merklich ruhiger, aber immer noch mit klopfendem Herzen, wieder auf den Rückweg zu seinem Auto.

Als er schließlich zuhause ankam hatte sich der Himmel verdunkelt, und schwere Wolken nahmen die Sicht auf die Sonne. Auch der Wind hatte stark aufgefrischt, und es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis ein heftiges Gewitter aufziehen würde. Immer noch in Gedanken versunken verließ Pascal sein Auto und ging ins Haus. In der Küche hörte er seine Frau Manuela das Abendessen zubereiten. Nach einem gemurmelten Gruß verschwand er im Bad und wusch sich zunächst das Gesicht mit eiskaltem, klarem Wasser. Ein erneutes Ansehen der Fotos, ließ seine Angst wieder anschwellen. Wer konnte davon erfahren haben? Seine Hütte war doch geheim, niemand wusste davon, niemals würde er jemandem seine dunkelste Seite zeigen. Obwohl bei der Hütte alles unberührt ausgesehen hatte, fühlte Pascal sich nicht wohl. Er musste die Sache weiter beobachten. Nicht auszumachen, wenn der Unbekannte auch noch die Überreste seiner Beute finden würde. So ein verdammter Mist! Wie konnte des nur?, fuhr es ihm immer wieder durch den Kopf.

Nach der Dusche fühlte er sich nur bedingt besser und schlurfte langsam in die Küche zum Abendessen. Wie gewöhnlich hatte seine Frau den Tisch für drei gedeckt. Obwohl der Tod ihrer kleinen Tochter Anna nun fast 20 Jahre her war, konnte sie einfach nicht loslassen. Sie war vier Jahre alt gewesen, als der Unfall geschehen war. Seitdem glich das halbe Haus einem Schrein, und selbst das Kinderzimmer blieb bis heute unverändert. Manuela nahm ihm gegenüber Platz.

Wie war es heute in der Arbeit?“, vernahm er die leise Stimme seiner Frau. Viel mehr als ein Brummen brachte Pascal als Antwort nicht zustande, und nahm sich stattdessen eine große Portion von dem Essen. Es gab Krustenbraten mit Klößen und Kraut. Wenn schon ihre Ehe ein totales Fiasko war, konnte seine Frau wenigstens kochen. Nachdem sie ihre Mahlzeit schweigend beendet hatten verkündete Pascal, dass er direkt am nächsten Tag nach der Arbeit zur Jagd fahren wolle, und daher noch eben einige Sachen vorzubereiten hatte. Manuela war von diesen Plänen zwar wenig überrascht, aber auch nicht sonderlich begeistert, da sie wohl wieder einmal allein das Wochenende verbringen würde. Wie so oft fragte sich Pascals Frau, wozu er sie wohl überhaupt geheiratet hatte, wenn er sich, außer für die Jagd, für nichts und niemanden interessierte.

Schon wieder Jagd? Ich verstehe einfach nicht, was daran so toll sein soll. Im Garten ist noch so viel zu tun, und wir beide könnten doch auch mal wieder etwas Zeit zusammen verbringen.“, unternahm sie den Versuch, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Mit einem „Ach das verstehst du eh nicht“, verließ Pascal die Küche und ließ seine Frau allein zurück.

Am nächsten Morgen parkte Pascal seinen Jeep verschlafen auf dem Parkplatz und trottete zu seinem Büro. Die Sonne schien ihm viel zu hell, er hatte kaum geschlafen und wollte stattdessen einfach nur noch zu seiner Hütte in den Wald fahren. Die halbe Nacht hatte er sich den Kopf zerbrochen, doch immer noch nicht den Hauch einer Ahnung, wer seinen geheimen Platz wohl entdeckt haben könnte. Es musste ein anderer Jäger sein, wer sonst würde sich so tief in den Wald verirren? Aber warum dann das Handy an seinem Auto? Egal wie sehr seine Gedanken rasten, Pascal kam einfach zu keinem Ergebnis. Zu allem Überfluss begegnete ihm im Flur auch noch Peters, der ihn mit seiner übertrieben guten Laune bereits entgegen strahlte und einen guten Morgen wünschte. Wie kann ein Mensch nur derart nervtötend sein, fragte sich Pascal. Peters hing seit seinem ersten Tag an ihm, wie ein Kind am Rockzipfel seiner Mutter, und egal wie unfreundlich sich Pascal auch gab, er wurde ihn nicht los. Wie sehr er sich doch wünschte, es wäre bereits Feierabend, und er könnte endlich in den Wald fahren. Er wollte unbedingt der Sache mit den Fotos weiter nachgehen und sehen ob er Spuren oder dergleichen finden konnte.

Kaum hatte er in seinem Büro Platz genommen und seine Sachen verstaut, ertönte auf einmal ein Pling. Erschreckt zuckte Pascal zusammen. Was war das? Sein Smartphone hatte er doch immer lautlos, und der Computer war noch aus. Handy! Das war es! Rasch nahm er seine Jacke und wühlte in der Tasche, bis er das gestern gefundene Mobiltelefon mit zitternden Finger zu fassen bekam. Tatsächlich leuchtete auf dem Display der Eingang einer Nachricht auf.

Warum so übel gelaunt heute? Schlecht geschlafen? Haben dir die Fotos etwa nicht gefallen? Dabei habe ich doch noch so viel mehr“, lautete der Text der Nachricht.

Kurz darauf verkündete der gleiche Ton wie vorhin den Eingang einer weiteren Nachricht. Nervös starrte Pascal den Bildschirm an, unschlüssig ob er wirklich wissen wollte, welche Bilder der Unbekannte noch gemacht hatte. Er war doch wohl nicht in der Hütte gewesen? Nach kurzem Zögern drückte Pascal mit dem Finger auf die Nachricht, und sobald er die Bilder sah trat ihm der Schweiß auf die Stirn. Fassungslos blickte Pascal auf die Bilder. Sein schlimmster Albtraum war wahr geworden! Wieder ein Pling.

Sogleich öffnete er auch diese Nachricht und las folgenden Inhalt: „Interessante Einrichtung! Da hat aber jemand ein außergewöhnliches Hobby! Und das ist noch längst nicht alles, was ich über dich weiß. Ich beobachte dich, wie ein Jäger seine Beute, das sollte dir doch bekannt vorkommen, oder?“ Danach wurde es ruhig und obwohl Pascal noch mehrere Minuten auf das Handy starrte, kam keine weitere Botschaft mehr.

Sollte er dem Unbekannten antworten?, überlegte Pascal. Kurzerhand griff er nach dem Mobiltelefon und wählte die Nummer. Nach wenigen Sekunden hörte er es läuten, allerdings nicht nur an seinem Ohr. Verdutzt blickte Pascal Richtung Verbindungstür seines Büros. Aus dem Nebenzimmer hörte man ebenfalls ein Smartphone läuten. Fassungslos unterbrach Pascal seinen Anruf. Auch im Nebenzimmer wurde es wieder ruhig. Was hatte das zu bedeuten? Konnte das wirklich ein Zufall sein? Abgenommen hatte Kollege Peters jedenfalls nicht, ging es Pascal durch den Kopf.

Nach der Arbeit machte Pascal sich auf den Weg in den Supermarkt, um sich noch mit ein paar Vorräten fürs Wochenende einzudecken. An der Hütte angekommen sah er bereits, dass die Tür nur angelehnt war. Das Schloss selbst lag aufgebrochen am Boden. Bei einem ersten Blick in die Baracke konnte Pascal jedoch nichts Ungewöhnliches feststellen, alles schien an seinem Platz. Nachdem er Ordnung geschaffen und die meisten Einkäufe ausgeräumt hatte, machte sich Pascal ans Putzen. Jeden Zentimeter der Baracke wollte er reinigen, sämtliche seiner Spuren vernichten. Eine weitere Beute würde vorerst noch warten müssen, ehe er seinen Widersacher gefunden und mundtot gemacht hatte.

In der kommenden Woche verlief zunächst alles in seinem gewohnten Gang, und auch das Smartphone blieb stumm. Pascal entspannte sich ein wenig und wurde ruhiger. Am Mittwoch hatte schließlich ein Kollege Geburtstag und lud alle zu einem Umtrunk ein. Wirklich Lust dazu hatte Pascal nicht, als er jedoch hörte, dass Peters ebenfalls mitkommen würde, änderte sich seine Meinung schlagartig. Das wäre die perfekte Gelegenheit den verdächtigen Mitarbeiter auszuhorchen, ob er eventuell doch hinter der ganzen Sache steckte. Es wurde ein fröhlicher Männerabend, und nach einiger Zeit war Peters deutlich betrunken und nicht mehr ganz Herr seiner Sinne. Mit wenig Mühe brachte Pascal das Thema Jagd zur Sprache und hatte sofort die Aufmerksamkeit seines Gegenübers. Die anderen waren selbst alle in Gespräche oder ihre Gläser vertieft und achteten daher gar nicht auf die beiden.

Wann werden wir endlich gemeinsam Jagen und auf Beutezug gehen? Warum willst du den ganzen Spaß für dich allein haben? So ein bisschen Frischfleisch kann doch jeder Mann gut gebrauchen!“, nuschelte Peters.

Pascal wurde sofort hellhörig, brachte allerdings nicht mehr viel aus seinem Kollegen heraus, da dieser sich mehr und mehr seinem Bier anstatt seinen Begleitern widmete.

Zwei Tage später kam Pascal gerade aus der Mittagspause, als das Mobiltelefon des Unbekannten den Eingang einer Nachricht vermeldete. Alarmiert nahm Pascal das Handy zur Hand und öffnete mit hektischen Fingerbewegungen die Nachricht. Ein Foto. Darauf zu sehen eine herzförmige Halskette in dessen Zentrum ein blauer Edelstein eingefasst war.

Darunter eine Mitteilung: „Das ist aber ein besonders schönes Schmuckstück. Allerdings etwas riskant es bei sich zu tragen, wo es doch gerade in allen Medien gezeigt wird. Du scheinst eindeutig ein Freund des Risikos zu sein! Denk daran, ich weiß was du tust, ich sehe dich, immer und überall!“

Pascal zog am Kragen seines Hemdes. War es hier plötzlich so heiß geworden? Er hatte das Gefühl kaum noch Luft zu bekommen. Fahrig tastete er seine Jackentasche ab und tatsächlich: das Kettchen fiel ihm in die Hände. Er hatte in all der Aufregung der letzten Tage völlig vergessen, es zu den anderen Trophäen zu legen. Doch wieso hatte der Unbekannte es hier gefunden? Hatte er selbst in einem unbedachten Moment wieder damit herumgespielt? Konnte gar Peters ihn dabei beobachtet haben? Die Sache wurde immer riskanter, und Pascal beschloss am Abend erneut zur Hütte zu fahren und die Gräber seiner erlegten Beute aufzusuchen. Er würde sie allesamt verschwinden lassen müssen. Er konnte kein Risiko mehr eingehen.

Während er tief über das zweite Grab gebeugt stand, bemerkte Pascal nicht die Person, die sich ihm langsam und leise näherte. Die Dämmerung trug ebenfalls dazu bei, dass er komplett ahnungslos seiner Arbeit nachging und weiter an dem Loch arbeitete, um die Leiche ganz freizulegen.

Ein Lufthauch! Ehe Pascal diesen zuordnen konnte, spürte er einen heftigen und dumpfen Schmerz an seinem Hinterkopf. Er drehte sich um, sah jedoch nur noch verschwommene Umrisse, als er in eine tiefe Dunkelheit gehüllt wurde.

Grauenhafte Schmerzen durchfuhren Pascal. Sein Kopf dröhnte und er hatte das Gefühl als würde sich alles um ihn herum drehen. Seine Arme taten weh und sein Mund fühlte sich völlig ausgedorrt an. Er versuchte sich zu bewegen, doch mit Entsetzen stellte er fest, dass dies nicht ging. Verdutzt blickte er an seinen Armen nach oben und spürte mehr, als das er sah, dass seine Arme gefesselt waren. Dann bemerkte er, dass sprechen ebenfalls nicht möglich war, da sein Mund von einem Knebel ausgefüllt wurde.

Schlagartig war Pascal hellwach. Im Dunklen konnte er kaum etwas erkennen und nur langsam gewöhnten sich seine Augen an die Finsternis. Dennoch war ihm sofort klar wo er sich befand. Wie oft war er schon selbst in dieser Hütte gewesen, allerdings in einer ganz anderen Position mit Blick auf seinen Fang. Dieses Mal war er jedoch die Beute! Er zog und rüttelte an den Ketten um seine Hände – aber keine Chance! Seufzend gab er schließlich auf, zu viel Kraft kostete ihn der nutzlose Versuch sich zu befreien.

Was ist nur passiert? Wie bin ich hier gelandet?, überlegte Pascal. Da war der Schlag auf seinen Kopf gewesen, danach konnte er sich an sich nichts mehr erinnern. Doch warum hatte der Angreifer ihn in seine Hütte gebracht und gefesselt? Die Zeit verging und Pascal hing erschöpft in seinen Fesseln. Er hatte unsäglichen Durst und sein Kopf dröhnte vor Schmerzen. Entkräftet schloss Pascal die Augen und dämmerte weg.

Einige Stunden später ließ ihn ein Geräusch erneut hochschrecken. Ein Schmerz schoss durch seine Arme und Schultern, die aufgrund der ungewohnten Position bereits völlig verspannt waren. Jemand war im Raum, das spürte er. Die Tür war angelehnt, aber ein winziger Lichtstrahl drang dennoch zwischen die Ritze und erhellte den Raum ein Stück weit. Er konnte das Regal erkennen, und weiter rechts davon machte er eine Person aus. Sofort verkrampfte Pascal sich und sein Herzschlag schnellte nach oben. Das musste der Angreifer sein! Was willst du von mir? Was soll das alles?, wollte Pascal dem Unbekannten wütend entgegen rufen, doch alles was aus seinem geknebelten Mund zu hören war, waren unverständliche Laute.

Da bewegte sich die Gestalt auf ihn zu, hob den Kopf und sah ihm tief in die Augen. Pascal erbleichte, als er sah wer da vor ihm stand. Wie war das möglich? Aber, das machte doch überhaupt keinen Sinn?! Seine Gedanken rasten und erneut bäumte er sich auf, in dem hoffnungslosen Versuch sich aus seinen Ketten zu befreien.

Da sprach die Person: „Endlich bist du wieder wach. Ich dachte schon, ich hätte zu fest zugeschlagen und dir aus Versehen das Licht ausgepustet. Erstaunt mich zu sehen?“, ein kaltes Lächeln umspielte die Lippen seines Angreifers. „Deine ständigen Jagdausflüge, bei denen nie jemand dabei sein durfte, habe ich noch nie verstanden. Irgendwann kamen mir dann die ersten Zweifel, ob du wirklich diesem Hobby nachgehst oder nicht vielleicht etwas versuchst zu verbergen. Also fing ich an, dir zu folgen und habe dich dann in dieser Hütte verschwinden sehen. Kurz darauf diese grässlichen Geräusche, das Wimmern, die Schreie. Diese Erinnerungen verfolgen mich bis heute“, fuhr die Stimme fort.

Pascal grummelte in seinen Knebel, aber es drangen keine verständlichen Worte nach außen. Er zerrte an den Fesseln, doch keine Chance. Gefangen blieb ihm nichts anderes übrig, als seinem Gegenüber zuzuhören.

Als du dann in der Arbeit warst bin ich nochmals dort hin. Es hat ewig gedauert die Hütte wieder zu finden. Was ich dann jedoch in der Hütte fand ließ mich erstarren. Ich dachte zunächst an perfide Sexspielchen. Erschüttert verließ ich den Wald wieder und fuhr nach Hause. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Tage später fand ich dann unerwartet die Halskette in deiner Jackentasche. Es war genau die gleiche, die die junge Frau bei sich trug, als sie vor einigen Wochen verschwunden ist. Seit Wochen wird in den Medien über nichts anderes mehr berichtet. Dann traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz. Ich konnte es gar nicht glauben. Du? Du solltest hinter all dem stecken? Aber wo war die Frau? Ich bin also erneut in den Wald gefahren und habe im Umkreis um die Hütte alles abgesucht, in der Hoffnung irgendwelche Spuren zu finden. Ich wollte schon fast aufgeben, als ich sie entdeckt habe. Gräber, mehrere nebeneinander. Ich war angeekelt, konnte und wollte es nicht glauben. Wie konnte das nur sein? Diese vielen armen unschuldigen Frauen, gefoltert, abgeschlachtet wie Vieh und lieblos im Wald verscharrt. Deine kleine Tochter Anna wäre heute genauso alt wie sie. Hast du denn überhaupt kein Herz? Da war mir klar, ich musste mich rächen. Für jede einzelne von ihnen versuchen Gerechtigkeit zu bekommen. Ein Gang zur Polizei war mir jedoch viel zu banal. Nein, du solltest leiden, wie sie gelitten haben. Und das wirst du nun auch!“, erklärte Pascals Gegenüber.

Die Person kam ganz nahe an ihn heran, strich ihm mit einer Hand über das Gesicht und drehte sich schließlich um. Pascal tobte, war außer sich und kämpfte nach wie vor gegen seine Fesseln an. Er konnte das alles nicht begreifen, was geschah hier? Das letzte was Pascal sehen konnte war das Gesicht seiner Frau, als diese die Hütte verließ und die Tür hinter sich verschloss. Dann wurde es wieder finster um ihn und er hörte nur noch das Klicken des Schlosses als die Türe vollständig von außen verriegelt wurde.

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