Tina BienchenSchatten-Ich

Das es weniger als 24 Stunden benötigte, um das Leben eines anderen komplett auf den Kopf zu stellen, hätte ich nie für möglich gehalten. Doch so schnell konnte man sich täuschen und mein ganz persönlicher Alptraum nahm an diesem Montagmorgen seinen Lauf.

Es ist 8.30 Uhr und es ist wieder soweit. Eine neue Arbeitswoche lag vor mir. Ich öffnete die Türen für unsere Kunden. Die Sonne lachte und es schien als würde es ein wunderschöner Tag werden. Ich heiße Anna, bin 22 Jahre alt und habe gerade meine Ausbildung zur Bankkauffrau in einer großen Bank abgeschlossen. Es war schon immer mein absoluter Traumberuf. Ein Job der mir viel Freude bereitete. Die Gespräche mit den Stammkunden zeigten mir jeden Tag aufs Neue, wie viel Vertrauen uns diese Menschen und unserer Arbeit entgegen brachten. Mein erster Kunde an diesem Morgen war ein junger Mann. Als er unsere Filiale betrat, merkte ich sofort, dass er kein Stammkunde war. In all den Jahren kannte ich alle meine Kunden aber sein Gesicht war mir völlig fremd. Er hielt ein Smartphone in der Hand. „Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte ich ihn freundlich. „Ich habe dieses Smartphone im Vorraum bei den Geldautomaten gefunden. Scheinbar wurde es dort vergessen! Da ich ein ehrlicher Finder bin, wollte ich es gern bei Ihnen abgeben. Falls der Besitzer zurück kommt, wird er sich sicherlich zuerst an Sie wenden.“ Er legte das Smartphone vor mir auf dem Tresen ab. „Vielen Dank!“, sagte ich und nahm es entgegen. „Würden Sie mir noch den Namen des ehrlichen Finders verraten und seine Telefonnummer? Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass der Besitzer sich sicherlich gern bei Ihnen persönlich bedanken möchte.“, sagte ich lächelnd, während ich nach meinem Notizblock griff, um mir die Kontaktdaten zu notieren. Heut zu Tage gibt es nur noch wenige ehrliche Menschen. Die meisten denken nur noch an sich selbst. „Das spielt keine Rolle!“, antwortete der Mann zornig und drehte sich um. So schnell wie er in die Bank kam, war er auch wieder verschwunden. „Komisch! Jeder würde sich doch über einen möglichen Finderlohn oder zu mindestens über ein Dankeschön freuen.“, dachte ich so bei mir. Da aber schon direkt der nächste Kunde vorm Tresen auf meine Beratung wartete, dachte ich nicht weiter darüber nach und legte das Smartphone bei Seite.

In meiner Mittagspause entschloss ich mich dazu, das Fundstück direkt bei Facebook mit einem Beitrag in einer entsprechenden Gruppe zu posten. Mit einem kurzen Text und einem Foto sollte der Eigentümer doch schnell ausfindig gemacht werden können. Es handelte sich hierbei um ein Iphone, dass hatte ich sofort erkannt, wahrscheinlich ein neueres Modell. Außerdem sah es dazu auch noch sehr neuwertig aus. Mir war es unbegreiflich, warum der Eigentümer sein Iphone noch gar nicht vermisste. In der heutigen Zeit ist doch keiner mehr ohne dieses „lebensfähig“. Bei der genaueren Betrachtung des Iphone und dem Versuch ein Foto mit meinem Smartphone für den Post zu machen, bemerkte ich, dass sich das Iphone direkt automatisch entsperrte. Ich wunderte mich, ich hatte doch gar nichts gemacht. Die meisten Geräte benötigen hierfür doch eine Eingabe von Codes oder Muster. Neben diesen Möglichkeiten gibt es nur noch die Entsperrung anhand von einer Gesichtserkennung. Aber das konnte ja unmöglich sein. Wenigstens hatte ich nun die Möglichkeit, dass Telefonbuch auf dem Iphone zu öffnen. Vielleicht finde ich ja dort einen Kontakt, durch den ich an den eigentlichen Eigentümer gelange. Doch ich sollte noch früh genug am eigenen Leib erfahren, dass ich den Eigentümer besser kannte, als ihn irgendjemand hätte kennen können.

Mit Erschrecken musste ich beim Durchscrollen des Telefonbuches feststellen, dass es komplett leer war. Es war kein einziger Kontakt abgespeichert. Kein Schatz, keine Mutti, kein Hinweis auf eine Familie, Pannendienst oder sonst irgendeine Nummer. „Das ist ja seltsam!“, dachte ich mir und schaute als nächstes auf die Anrufliste. Dort war ein einziger Anruf verzeichnet. Heute Morgen um 9.00 Uhr hatte diese Nummer einen Anruf erhalten. Halt, Moment, war das nicht die Zeit, wo der junge Mann in die Filiale gestürmt war, um das Handy als Fundsache zu melden und dann genauso schnell wieder verschwand. Das war sicherlich ein Zufall und es gab dafür eine logische Erklärung. Es wird sich um ein neues Iphone handeln und genau aus diesem Grund hatte der Besitzer noch keine Zeit gehabt, diverse Telefonnummern abzuspeichern. „Ob ich wohl Bilder auf dem Iphone finden würde?“, überlegt ich kurz und öffnete dann die Galerie in der Hoffnung, dort auf Hinweise zu stoßen. Es waren mehrere Alben angelegt. Das erste Album war nach mir benannt, Anna Heldrung. Wie konnte das nur sein? Ich öffnete das Album und konnte gar nicht glauben was meine Augen dort sahen. „Das kann doch unmöglich wahr sein.“, dachte ich und sprang auf. Ich warf das Iphone sofort aus der Hand. Was ich da sah war unfassbar. Im Album waren Fotos abgespeichert, auf denen ich zu sehen war. Eines der Fotos zeigte mich während der Arbeit in der Bankfiliale, ein anderes wiederum beim Einkaufen. Ich scrollte weiter und mir wurde schlecht. Weitere Fotos zeigten mich beim Joggen und sogar beim Gassi gehen mit meiner Hündin. Es war ein absoluter Horror. Was sollte ich tun? Scheinbar hatte ich einen Stalker. Sollte ich die Polizei rufen? Aber meine Neugier zwang mich auch die anderen Alben zu öffnen. „Nur ein kurzer Blick!“, dachte ich. Noch schlimmer konnte es unmöglich werden. Doch was ich dort sah, riss mir den Boden unter den Füßen weg. Ich fand tatsächlich noch weitere Bilder von mir. Eins der Bilder zeigte mich im Alter von vielleicht zwei Jahren. Neben mir auf dem Bild waren eine mir völlig fremde Frau und ein Kind zu sehen. Das kleine Kind schien auch ein Mädchen zu sein und das Erschreckende daran war, dass wir uns verdammt ähnlich sahen. Unsere Ähnlichkeit war so verblüffend, dass ich meinen könnte, eine Zwillingsschwester zu haben. Aber ich habe keine Geschwister. Ich hatte mir immer welche gewünscht! Jedoch bin ich als Einzelkind einer sehr wohlhabenden Familie aufgewachsen. Wie schön wäre es gewesen, jemanden zum Spielen gehabt zu haben. Mein Vater arbeitete wie ich in der Finanzbranche und meine Mutter leitete ein Architektenbüro. Alleine diese Tatsache machte es mir möglich, dass ich diese Arbeitsstelle überhaupt bekam und das mein Leben so reibungslos lief, wie es eben lief. Was sollten diese Bilder, von mir, auf dem mir völlig fremden Smartphone bloß bedeuten und wie konnte ich der ganzen Sache auf dem Grund gehen. Ich entschloss mich trotzdem meinen Post über Facebook einzustellen um herauszufinden, ob sich jemand darauf melden würde. Vielleicht kam ich dadurch der Sache näher. Im Anschluss fotografierte ich mir die Fotos mit meinem Smartphone ab. Ich musste sie später meinen Eltern zeigen. Ich hoffte so sehr, dass sie für Klarheit in dieser Situation sorgen konnten. Ich denke sie waren mir eine Erklärung schuldig.

Nach meinen Feierabend machte ich mich direkt auf den Weg zu meinen Eltern. Sie wohnten nur einen kurzen Fußweg von der Bank entfernt. Der sonst so kurze Weg, kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass mich jemand verfolgte. Jetzt wusste ich wie sich die Frauen fühlten, die einen Stalker im Nacken sitzen hatten. Ständig drehte ich mich um und schaute ob da niemand hinter irgendeiner Hecke auf mich lauerte. Um mich abzulenken, schaute ich nebenbei ständig auf mein Handy. Vielleicht hatte schon jemand auf mein Facebook Beitrag reagiert. Doch leider kamen bisher nur sinnlose Kommentare, wie: „Es gibt aber auch ein paar Idioten.“ Oder: „Wie kann man nur so dumm sein, so ein teures Handy zu verlieren!“. Diese Menschen kümmerten sich nie um ihre eigenen Probleme. Sie hatten scheinbar zu viel Langweile. Es waren für mich keine brauchbaren Informationen dabei.

Als ich bei meinen Eltern angekommen war, freuten sie sich sehr, mich zu sehen. Ich hatte in den letzten Wochen nicht viel Zeit mit Ihnen verbracht. Die Abschlussprüfungen der Ausbildung hatten mir viel Zeit abverlangt. Um so mehr freuten sie sich heute, dass ich sie besuchte. „Hallo Schatz.“, sagte meine Mutter, als sie die Tür öffnete. Sie drückte mich direkt und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Möchtest du einen Kaffee trinken?“, fragte sie mich. Ich nickte und nahm direkt im Wohnzimmer Platz. Mein Vater war immer sehr beschäftigt aber auch er nahm sich heute die Zeit, sich zu uns zu setzen. „Alles in Ordnung bei dir mein Liebling? Du siehst nicht gut aus!“, stellte er fest und streichelte mir über den Rücken. Ich holte tief Luft und dann stellte ich meinen Eltern die entscheidende Frage: „Wo komme ich eigentlich her? Und lügt mich bloß nicht an!“. Den Gesichtsausdruck meiner Eltern, an diesem Tag, werde ich nie vergessen. „Anna es tut mir leid!“, sagte meine Mama völlig aufgelöst. „Was tut dir leid Mama? Was? Sag schon!“. Mir war bewusst, was jetzt kam. Das kann doch alles nur ein Alptraum sein. Tränen schossen mir direkt in die Augen. Ich zeigte Ihnen das Foto aus meiner Kindheit. Mein Vater griff nach dem Handy und schaute sich das Foto an. Meine Mama war komplett geschockt. „Woher hast du das?“, fragte mein Vater mich. „Könnt ihr mir sagen, ob ich das bin und wer diese Frau neben mir ist? Und warum sieht dieses kleine Mädchen auf dem Foto verdammt nochmal genauso aus wie ich?“. Ich war mit den Nerven bereits jetzt schon völlig am Ende. Ich wollte endlich eine Erklärung. „Kurt, erzähle ihr bitte die Wahrheit. Anna verdient die Wahrheit zu erfahren. Wir hätten das schon viel früher tun sollen.“, schluchzte meine Mutter. „Anna, du bist ein Adoptivkind.“, erklärte mir mein Papa oder der Mann den ich immer für meinen Papa hielt. „Ist das euer Ernst?“, schluchzte ich und brach erneut in Tränen aus. Meine Mama wollte mich direkt in die Arme schließen aber ich wollte nicht, dass sie mich in diesem Augenblick berührte. Nicht jetzt, nicht hier. Ich verlangte von meinen Eltern mir bis ins kleinste Detail alles zu erzählen.

Meine Mutter setzte sich und fing an zu berichten: „Wir konnten keine Kinder bekommen. Wir hatten alles versucht. Irgendwann sind wir dann zu dem Entschluss gekommen, dass wir ein Kind adoptieren möchten und gingen zum Jugendamt. Uns war egal, wie alt und ob Junge oder Mädchen. Die Dame vom Jugendamt verschaffte uns Kontakt zum Kinderheim. Dort lernten wir dich kennen. Wir haben dich sofort ins Herz geschlossen. Du bist gerade 3 Jahre alt geworden, als wir dich adoptiert haben.“ „Das kann doch alles nicht wahr sein?“, wisperte ich. „Dann ist die Frau auf dem Foto meine leibliche Mutter und das Kind neben ihr vielleicht doch meine Zwillingsschwester?“, erkundigte ich mich bei meinen Eltern. Sollte ich doch ein eine leibliche Schwester haben? Wie konnten meine Eltern mich nur so enttäuschen? Warum habe ich die ganzen Jahre über davon nix gewusst und warum haben sie es mir nie erzählt? „Über deine leibliche Mutter haben wir leider keine Informationen. Die Adoption lief komplett anonym ab. Deine Mutter wollte nicht, dass wir Kontakt zu ihr aufnehmen.“, erläuterte mein Vater. Ich war stinkwütend. „Sagt mir aus welchem Kinderheim ich komme und mit wem ihr damals gesprochen habt. Ich werde selbst alles in Erfahrung bringen!“, schluchzte ich. „Meine Mutter stand auf und ging an ihren Schreibtisch. Sie holte eine Visitenkarte raus und reichte sie mir. Auf ihr befanden sich eine Adresse und der Name der Heimleitung. „Wer wusste alles von der Adoption?“, fragte ich mit dem Hintergedanken, dass der Eigentümer des Iphone meine wahre Geschichte kennen musste. „Bis auf deine Großeltern und einem befreundeten Ehepaar haben wir mit niemanden darüber gesprochen. Du weißt doch, wir sind damals erst neu hierher gezogen.“, erklärte mein Vater. Es war Zeit mehr über mich und meine Vergangenheit herauszufinden. Mit einer großen Wut im Bauch verabschiedete ich mich von meinen Eltern und machte mich auf den Weg. Meine Mutter weinte. Es tat mir leid, sie so zu sehen, aber ich brauchte erst einmal Abstand und frische Luft um abschalten zu können.

Ich lief die Straße hinunter und bog in den Stadtpark ein. Am Ententeich setzte ich mich auf eine Parkbank. Die idyllische Atmosphäre hier half mir immer, einen klaren Kopf zu bekommen. Ich ließ meine Gedanken schweifen. Plötzlich kam mir ein schrecklicher Gedanke in den Sinn. Was ist, wenn das Iphone von mir gefunden werden sollte? Wenn der Eigentümer dafür gesorgt hatte, dass ich es in die Hände bekam? Auf einmal klingelte mein Handy. Ich zuckte am ganzen Körper zusammen. Ich hatte eine Nachricht im Messenger. Ich öffnete den Nachrichtendienst von Facebook. Beim Öffnen der ungelesenen Nachricht lief mir direkt ein kalter Schauer über den Rücken. „Na, wie lebt es sich so in einer großen Villa und in einem Leben, welches dir garnicht gehörte? Schön, dass das Handy den Weg zu dir gefunden hat, liebe Anna. Ich habe keine Kosten und Mühen gescheut und der Fremde konnte mir meine Bitte, auf einen klitzekleinen Gefallen, nicht abschlagen. Schritt 1 ist erledigt…. Ich werde dir deine kleine heile Welt zerstören.“ Ich war völlig geschockt und tippte schnell eine Nachricht zurück. „Wer bist du und was willst du von mir?“ Kurz darauf sah ich im Display wie die andere Person meine Nachricht las und mir antwortete: „Ich heiße Nina und dein Leben gehört mir! Ich will das was mir zusteht.“ Ich kannte keine Nina und was wollte diese Frau bloß von mir. Ich schloss den Messenger und war völlig am Ende. Warum drohte mir diese Person und wer steckte dahinter? Ich musste versuchen Kontakt zu der Leitung vom Kinderheim aufzunehmen. Sie sollte mir doch erklären können, wer diese Menschen auf dem Foto sind und welche Vergangenheit ich in Wirklichkeit hatte.

Ich entschloss mich kurzerhand direkt zum Kinderheim zu fahren. Das Kinderheim lag 15 Fahrminuten mit dem Auto entfernt. Vielleicht habe ich ja Glück, dass ich dort noch jemanden antreffe. Am Zielort angelangt, parkte ich mein Auto vor einer großen Villa mit der Aufschrift „Die Zukunft liegt in Kinderhänden.“ Mein Verstand sagte mir deutlich, dass ich diesen Ort kannte. Es spielten viele Kinder draußen im Garten. Auf den Weg zum Eingang traf mich ein Fußball am Kopf. Ein kleiner Junge rannte auf mich zu und entschuldigte sich, dass der Ball mich getroffen hatte. Ich lächelte ihn an. „Kein Problem, es ist ja nix passiert. Kannst du mir vielleicht weiterhelfen?“, fragte ich ihn freundlich. „Bist du auf der Suche nach einem Kind? Wir wünschen uns alle ein schönes und liebevolles Zuhause.“, sagte er. Erst in diesem Moment wurde mir bewusst, was ich hatte und was meine Eltern mir gaben. Sie wollten mich nur schützen. Sie haben ihr ganzes Leben lang immer alles für mich gegeben und ich hatte eine tolle Kindheit. Klar war ihre Entscheidung mir von meiner Adoption nix zu sagen, die Falsche. Aber es werden immer meine Eltern sein. Egal welchen Kummer und Schmerzen ich hatte. Sie waren für mich da und das werden sie auch immer sein. „Nein ich bin auf der Suche nach der Heimleitung. Die Dame heißt Frau Gela Schmidt. Und ihr werdet alle irgendwann ein tolles und liebevolles Zuhause finden, da bin ich mir ganz sicher. Ich bin selbst ein Kind aus diesem Heim gewesen und habe jetzt eine tolle Familie, die mich über alles liebt.“, sagte ich zu ihm und versuchte ihn aufzumuntern. „Du suchst Tante Gela? Sie ist auf dem Spielplatz.“, erklärte er mir und zeigte auf eine ältere Dame, die mit den kleineren Kindern im Sandkasten spielte. Ich bedankte mich bei ihm und ging direkt zum Spielplatz.

„Entschuldigung, sind Sie Frau Schmidt?“, fragte ich nervös die ältere Dame. Sie drehte sich um. „Guten Tag wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie und schaute mich an. Plötzlich erstarrte sie und ihr Gesichtsausdruck spiegelte Wut wieder. „Das ich dich hier nochmal sehe! Was willst du? Hatte dir unser letzter Streit nicht klar und deutlich gemacht, dass ich bei dem nächsten Besuch von dir die Polizei rufen werde!“, tobte die Frau. „Sie wissen wer ich bin?“, antworte ich verwundert. „Ja natürlich, du warst doch erst vor ein paar Wochen hier und hast dich aufgeführt wie eine Furie.“, erwiderte die Dame. „Ich glaub, sie verwechseln mich. Ich habe erst vor ein paar Stunden von meiner Adoption erfahren und hatte gehofft, sie können mir etwas über meine Vergangenheit erzählen.“ Ich zeigte ihr das Foto auf meinem Handy. „Mein Name ist Anna Heldrung. Können Sie mir bitte weiterhelfen?“, fragte ich sie erneut. Sie schien völlig irritiert zu wirken. Jedoch nickte sie und wir gingen gemeinsam in die Villa. In ihrem Büro zog sie ein Fotoalbum aus dem Regal und reichte es mir. Auf dem Album standen die Namen Anna und Nina. Die Buchstaben waren kunterbunt angeordnet. Ich erschrak und mir war klar, wer mich vorhin per Nachricht kontaktiert hatte. Es war meine eigene Schwester. Ich blätterte das Album auf. Direkt auf der ersten Seite sah ich erneut dieses Foto von meiner leiblichen Mutter und meiner Zwillingsschwester. Ich blätterte bis zum Schluss durch und mir liefen die Tränen über die Wangen. Die Dame reichte mir ein Taschentuch und tröstete mich. Es gab so viele Fotos, auf denen ich mit Nina spielte. Wir haben viel gelacht und unseren Spaß gehabt. Wir schienen glücklich gewesen zu sein. Aber warum hab ich erst heute von ihr erfahren und zuvor noch nie etwas von ihr gehört. „Ist Nina meine Zwillingsschwester?“, fragte ich neugierig. „Ja Anna, sie ist deine Schwester. Ihr beide wart so süß zusammen. Mir brach es fast das Herz, dass ihr getrennt adoptiert wurdet.“, schluchzte die Dame und nun konnte auch sie ihre Tränen nicht mehr zurück halten. „Warum wurden wir getrennt vermittelt? Ist das nicht eigentlich eher untypisch für Zwillinge? Und was ist mit Nina passiert?“. Ich musste herausfinden, warum meine Zwillingsschwester mir jetzt mein Leben zur Hölle machen wollte. Anschließend fing Frau Schmidt an zu erzählen: „Ihr wurdet beide im Alter von 3 Jahren adoptiert. Nina wurde von einer wohlhabenden Familie adoptiert. Eure Mutter entschied sich für eine anonyme Adoption. Aber ihr lag es sehr am Herzen, dass ihr beide zusammen vermittelt werdet und in eine Familie gelangt. Doch eine Adoption von Zwillingen in eurem Alter war nicht so einfach. Ninas Eltern Kurt und Antje wollten nur ein Kind adoptieren. Sie hatten nicht genügend Zeit, sich um zwei Kinder zu kümmern. Wir dachten, dass das in eurem Alter noch keine so große Rolle spielen würde, wenn wir euch getrennt vermitteln würden.“ Nach dieser Aussage, traf mich der Schlag. Die Frau nannte doch gerade die Namen meiner Eltern. „Ich glaub, Sie haben da gerade was verwechselt! Meine Eltern heißen Kurt und Antje und ich bin doch Anna.“, erklärte ich ihr. „Nein, Anna du wurdest doch von einer jungen Frau adoptiert, die gerade ihr Psychologiestudium absolviert hatte und sich eine Zukunft hier aufbauen wollte. Leider hatte ihr Freund sie sitzen gelassen, aber sie wollte dich trotzdem so gern adoptieren. Sie hat sich hier tapfer bewiesen, dass sie es auch alleine schaffen kann.“, erklärte sie mir. „Nein, meine Eltern sind wohlhabend. Mein Vater ist ein Vorstandsmitglied der ortsansässigen Bank, in der ich auch arbeitete und meine Mutter führt ein kleines Architektenbüro.“, berichtete ich. Irgendetwas stimmte hier ganz gewaltig nicht. Sie schaute in die Unterlagen und wunderte sich. „Das kann unmöglich sein.“, sagte sie. „War Nina hier? Sie sagten doch vorhin, dass jemand vor einigen Wochen schon einmal hier war.“, erkundigte ich mich. „Ja Nina musste hier gewesen sein. Allerdings nahm sie deine Identität an.“, berichtete Frau Schmidt. „Sie sagten doch sie hätten sich gestritten und mit der Polizei gedroht. Was ist genau passiert? Was hatte Nina von Ihnen gewollt?“, löcherte ich die Heimleitung. „Sie war auf der Suche nach dir, um dich kennenzulernen. Wir haben uns viel über deine Familie unterhalten. Doch als ich ihr keine privaten Informationen über dich preis geben wollte, wurde sie frech und drohte mir mit Gewalt.“ Ich erschrak. Durch das Gespräch mit der Heimleitung konnte sie meine Eltern ausfindig machen und kam ihrem Ziel somit ein Stück näher. Aber warum war meine Zwillingsschwester auf der Suche nach mir. Irgendetwas lief hier falsch.

„Das ist eine Katastrophe. Wie konnte so etwas bloß passieren. Ihr müsst vertauscht wurden sein.“, seufzte Frau Schmidt, die immer noch wie wild in den Unterlagen blätterte. Nina sollte in die wohlhabende Familie und Anna, du, zu der jungen Studentin. Ich sehe gerade, eure Adoptionsfreigabe erfolgte am selben Tag kurz nacheinander. Hierbei wurdet ihr scheinbar vertauscht. Ich kann mir das gar nicht erklären. Es tut mir leid.“, sagte sie verzweifelt und brach erneut in Tränen aus.

Ein Tag hat 24 Stunden, aber es brauchte nur ein paar Stunden, um mein ganzes Leben urplötzlich auf den Kopf zu stellen. Meine Eltern sind nicht meine leiblichen und ich habe eine Schwester, die mir scheinbar in Kindheitstagen alles bedeutete, mir aber jetzt die Pest an den Hals wünscht. Womit hatte ich das verdient? Ich konnte es nicht fassen. „Können Sie mir sagen, wo ich Nina jetzt finden kann. Ich muss mit ihr sprechen und ihr alles erklären. Wenn es nicht hierfür bereits schon zu spät ist.“, befürchtete ich. Mich beschlich das leise Gefühl, dass Nina über unsere missglückte Adoption bereits Bescheid wusste und sich hierfür an mir rächen wollte. „Die Studentin wohnte damals im Studentenwohnheim hier die Straße runter. Mehr Informationen habe ich nicht. Ich kann dir leider nicht weiterhelfen.“, erzählte Frau Schmidt. „Welche Informationen haben sie ihr damals gegeben, als sie hier war und nach mir suchte?“, fragte ich sie. Jedes noch so kleine Detail konnte von großer Bedeutung sein. „Ich sagte ihr, dass dein Vater in einer Bank arbeitet und dass ihr im Villenviertel der Stadt wohnt. Ihr seht euch so verdammt ähnlich aus.“, fügte sie noch hinzu. Wir waren eineiige Zwillinge. Das erklärt auch, warum die Funktion der Gesichtserkennung beim Iphone heute geklappt hatte und sich die Tasten automatisch entsperrten. Diesen Vorteil hat meine Schwester in ihrem perfiden Plan voll und ganz ausgenutzt. Ich sehe meiner Schwester so ähnlich, dass selbst meine eigenen Eltern den Unterschied nicht erkennen würden. Sie wird den Kontakt zu ihnen gesucht haben und sie haben sie direkt in meine Arme getrieben. Nina wird herausgefunden haben, dass wir am Tag der Adoption vertauscht wurden. Sie wird neidisch auf mein Leben sein, weil es eigentlich ihres gewesen wäre. Ich musste versuchen, den Kontakt über Facebook herzustellen, um herauszufinden wo sie sich aufhält und was sie vor hatte. Ich öffnete Facebook und schrieb eine Nachricht an Nina. „Ich weiß wer du bist, lass uns bitte reden. Ich will dich kennenlernen.“ Frau Schmidt entschuldigte sich noch mehrfach bei mir. Ich bedankte mich dennoch bei ihr für die Auskunft und verabschiedete mich. Ich machte mich auf den Weg nach Hause. Den restlichen Abend starrte ich nur auf mein Handy. Ich bekam aber keine Antwort von Nina. Irgendwann musste ich voller Erschöpfung eingeschlafen sein.

Am nächsten Morgen versuchte ich vorerst die ganze Geschichte zu verdrängen. Ich wollte nicht, dass meine Arbeit darunter leiden musste. Im Laufe des Tages erhielt ich dann endlich eine Antwort von Nina. „Du willst mich gern kennenlernen. Hier ein kleiner Einblick. Ich kann mit einem einzigen Wort deine ganze Karriere von jetzt auf gleich zerstören. Ich weiß, dass du deinen Job liebst, Anna. Aber du weißt nicht, wie sich mein Leben anfühlt. Ich hatte nix und niemanden in meiner Kindheit, nicht mal eine funktionierende Mama. Selbst im Heim wäre es mir besser ergangen, dort hätte ich wenigstens dich gehabt. Meine Mutter bekam keinen Job. Eine junge Absolventin mit kleinem Kind, wollte niemand so einfach einstellen. Das war einer der Gründe, warum sie über die ganzen Jahre depressiv wurde und dem Alkohol verfallen ist. Ich hatte keine Kindheit. Ich musste früh erwachsen werden und die Aufgaben meiner Mutter übernehmen. Ich habe mit zahlreichen Jobs das Geld verdient, um mich und meine Mutter zu versorgen. Während du in deiner heilen Welt als Prinzessin aufgewachsen bist. Aber eins haben wir gemeinsam liebe Anna….“ und dann war die Nachricht zu Ende. Was meinte Sie bloß? Gedanken schossen mir durch den Kopf. Das einzige was Zwillinge gemeinsam haben sind ihre leiblichen Eltern und die damit verbundende Vergangenheit. Was für ein dunkles Geheimnis verbindete uns. Ich musste meine leiblichen Eltern finden. Nina machte mir mit ihrer Nachricht Angst. Ich überlegte, wie ich an die Informationen meiner leiblichen Eltern gelangen könnte. Doch diese Überlegung wurde mir schneller abgenommen als mir lieb war. Nina war mir bereits ein Schritt voraus.

Am nächsten Tag rief mich direkt am Morgen mein Chef in sein Büro. „Guten Morgen Anna, ich muss mir dir reden.“,  sagte er zu mir und bat mich Platz zu nehmen. „Was ist los?“, fragte ich ihn. „Wir können mit dir nicht weiter zusammenarbeiten! Ich muss das Arbeitsverhältnis mit dir fristlos kündigen. So jemanden wie dich brauche ich hier nicht in meiner Bank. Die Kunden würden ihr Vertrauen uns gegenüber verlieren und das würde uns auf langer Zeit den Ruin bedeutet.“, schilderte er und reichte mir einen Zettel. Ich starrte auf den Zettel und stellte fest, dass es sich hierbei tatsächlich um meine Kündigung handelte. Er meinte es ernst. Was hatte ich nur falsch gemacht? „Aber da du bisher gute Arbeit geleistet hast, bekommst du von mir ein Arbeitszeugnis. Aber ob du jemals wieder eine Anstellung in einer Bank findet wirst, bezweifle ich.“ Er reichte mir mein Zeugnis. „Warum kündigen sie mich? Ich liebe meinen Job und ich hab mir nie etwas zu Schulden kommen lassen. Bitte Sie dürfen mich nicht kündigen.“, flehte ich ihn an. „Anna du hast selbst Schuld, sowas kann ich unmöglich in meiner Firma durchgehen lassen. Deinen Vater werde ich auch darüber informieren müssen. Er ist ein Vorstandsmitglied unserer Bank und muss über diesen Vorfall informiert werden. Dein Handeln wird weitreichende Folgen für dich und deine Familie mit sich bringen.“, bekam ich zur Antwort.

Anschließend zeigte er mir auf seinem Smartphone einen Beitrag bei Facebook. „Was ist das?“, fragte ich. „Dein Beitrag, den du gestern Abend selbst gepostet hast. In dem du einen Schwerverbrecher für seine Arbeit lobst und ihn bewunderst und gern in seine Fußstapfen treten möchtest.“, erklärte er und gab mir sein Handy. „Bitte was soll ich gemacht haben?“, fragte ich verwundernd als ich auf sein Handy schaute. Ich las den Beitrag durch und bin fast aus allen Wolken gefallen. „Das ist nicht von mir!“ Zu so einer Tat, konnte nur Nina fähig gewesen sein. Sie hatte einen Zeitungsartikel von 1985 gepostet. In diesem Artikel ging es um einen großen Bankraub. Ich zoomte den Artikel ran und überflog den Text. Es schien, als hätte dieser Raub an einer Filiale unsere Bank stattgefunden. Ihre Wortwahl zum Post war abscheulich. „Mein großes Vorbild, ich bin so stolz den ersten Schritt geschafft zu haben. Ich hoffe du könntest mich jetzt sehen und mir sagen, dass ich dich glücklich mache.“ „Herr Fischer das war ich nicht. Ich habe gestern erst erfahren, dass ich eine Zwillingsschwester habe. Wir wurden im Heim vertauscht und sie will sich jetzt an mir rächen, weil sie eigentlich mein Leben gehabt hätte und ich ihres. Sie müssen mir glauben. Ich weiß gar nicht, was der Artikel mit mir zu tun hat.“, versuchte ich ihm zu erklären. „Es ist mir egal Anna. Diesen Beitrag haben zu viele Menschen gesehen. Viele davon sind unsere Kunden. Ich muss handeln und ich bitte dich jetzt deine Sachen zu packen und zu gehen.“, sagte er und zeigte auf die Tür. Unter Tränen verließ ich sein Büro. Nina hatte ihre Drohung eingehalten. Sie hat mir meinen Job genommen und meine Karriere zerstört.

Auf dem Heimweg bekam ich eine neue Nachricht von Nina. „Und wie fühlt sich so ein Verlust an? Aber keine Sorge, das Spiel ist noch lange nicht vorbei. Jetzt geht es erst richtig los. Schritt zwei ist erledigt!“. Was hatte sie vor? Als ich zu Hause angekommen war, setzte ich mich direkt an meinen Laptop. Ich musste herausfinden, was der Artikel mit mir zu tun hatte. Meine Internetrecherche ergab genauere Informationen über den Bankraub. Er fand 1985 im November statt. Die Mitarbeiterin die den Überfall mit erlebt hatte, erlitt einen schweren Schock und musste danach sehr lange psychologisch betreut werden. Der Räuber wurde festgenommen. Nach einigen Jahren ist er allerdings aus dem Gefängnis ausgebrochen und seitdem spurlos verschwunden. Es handelte sich um einen Mann Namens Georg Hilting. Der Ruf der Bank war danach sehr geschädigt. Es dauerte mehrere Jahre, um die Kunden und ihr Vertrauen wiederzugewinnen. Georg, der Name Georg kam mir so bekannt vor. Auf einmal überkam mich ein Geistesblitz. Ich hatte ein Dejavue. Ich sah mich mit meiner Schwester in der Küche sitzen. Meine Eltern stritten sich fürchterlich. Daraufhin bekam meine leibliche Mutter von meinem Vater eine Ohrfeige. Sie weinte und nannte ihn Georg. Kann es sein, dass es sich bei dem Bankräuber um meinen leiblichen Vater handelte? Wie krank konnte das Leben nur spielen. Ich verdiente mir mein Geld zum Lebensunterhalt in der Bank, mit dem mein leiblicher Vater sich seins und das Leben anderer zerstört hatte. Aufgrund dieser Vergangenheit wird nun auch mein Leben zerstört werden. Ich musste mehr über diesen Mann herausfinden. Ich googelte die ganze Nacht auf Hoffnung weitere Hinweise auf meine leiblichen Eltern zu bekommen. Ich fand einen alten Eintrag von 1990, dort wurde der Name von der Ehefrau des Bankräubers genannt. Sie hieß Simona Hilting. Ich schaute mir die Fotos dazu im Internet an. Die Frau dort sah genauso aus wie auf dem Foto aus meinen Kindheitstagen. Dank meiner umfangreichen Recherche fand ich direkt eine mögliche Adresse. Der Eintrag war zwar schon älter, aber vielleicht hatte ich Glück, dass ich die Frau dort finden konnte. Nur sie konnte mir jetzt sagen, ob Georg wirklich mein leiblicher Vater ist. Wenn es wirklich der Wahrheit entspricht, dann fügt sich auch langsam ein Teil ans andere und das Puzzle ergab Sinn. Unsere leibliche Mutter wird uns zur Adoption freigegeben haben, aus Angst, dass wir bei ihm nicht sicher sind. Genau aus diesem Grund sollte die Adoption anonym ablaufen. Sie hat aus Sorge um uns, damals so gehandelt.

In der ganzen Stresssituation bekam ich gar nicht mit, dass mein Vater mich bereits mehrfach versucht hatte anzurufen. Ich rief spät am Abend zurück. Er wurde sicherlich über den Vorfall in der Bank informiert und hatte auch von meiner Kündigung erfahren. „Was ist los Papa?“ ich stellte mich dumm, als wüsste ich nicht worum es ging. „Anna warum hast du das gemacht? Was hat dein Post zu bedeuten?“ An seiner Stimme merkte ich, dass er fassungslos und von mir enttäuscht war. Das Schlimmste an allem war, dass er wirklich glaubte der Post sei von mir. Ich brach in Tränen aus. Mein eigener Vater dachte, ich hätte die Absicht meine Karriere und seine zu zerstören. „Papa, warum habt ihr mir verheimlicht das ich eine Zwillingsschwester habe? Sie heißt Nina und ich hab einige Dinge über unsere Adoption erfahren. Sie will sich an mir rächen. Der Post ist von ihr. Du musst mir glauben! Sie will mein Leben zerstören.“ Voller Wut und mit Tränen gefüllten Augen fragte ich ihn erneut: „Warum Papa?“ Mein Papa ging darauf aber garnicht ein. „Anna, der Vorstand wird morgen darüber entscheiden, ob ich meinen Job behalten darf oder nicht. Sollten sie sich aufgrund deiner Unverantwortlichkeit entscheiden mich aus dem Vorstand zu wählen, hast du mit dieser Situation nicht nur deine Karriere zerstört, sondern auch unser Leben. Anna ist dir das bewusst?“, fluchte er und legte auf. Ich brach in Tränen aus. Warum glaubte er mir nicht? Ich hatte nix damit zu tun. Ich wollte nie, dass meinen Eltern je etwas geschieht. Jetzt wusste ich was für eine Absicht Nina mit ihrem perfiden Plan hatte. Sie wollte das Leben meiner Eltern zerstören, mich von ihnen wegtreiben. Um die Situation zu retten, musste ich meine leibliche Mutter finden. Nur sie konnte mir meine schlimmste Befürchtung, dass ich die Tochter eines skrupellosen Bankräubers bin, bestätigen. Erst dann konnte ich meinen Eltern die ganze Wahrheit erzählen.

Ich schnappte mir meine Jacke und meinen Autoschlüssel und ging zum Auto. Es war mittlerweile sehr dunkel draußen. Doch als ich versuchte den Motor zu starten, wollte mein Auto nicht anspringen. Ich versuchte es gleich noch einmal. Auch nach dem dritten Versuch hatte ich immer noch keinen Erfolg. Verdammt, woran könnte das liegen? Mit Erschrecken stellte ich fest, dass meine Tankanzeige auf null stand. Wie konnte das sein. Ich hatte mein Auto erst vor ein paar Tagen vollgetankt. Oder konnte es sein, dass Nina dahinter steckte? Ich musste jetzt einfach versuchen einen kühlen Kopf zu bewahren. So hinterlistig konnte sie doch unmöglich sein. Sollte sie mir wirklich mein Benzin abgezapft haben? Da ich völlig in Gedanken versunken war, erschrak ich, als mein Handy auf einmal in meiner Hostentasche vibrierte. Als ich es aus meiner Tasche zog, zitterte ich immer noch am ganzen Körper. Allein der Blick auf mein Display jagte mir große Angst ein. Eine neue Nachricht von Nina war bei Facebook eingegangen. Ich atmete tief durch und öffnete die Nachricht: „Na Schwesterherz, du solltest wissen, dass ein Auto ohne Benzin nicht fahren kann. Es ist dunkel und ich beobachte dich. Vergiss nicht, ich bin zu allem fähig.“ Nina ist verrückt und irgendwo da draußen. Ich verriegelte schnell mein Auto. „Was willst du? Reicht es dir nicht aus, dass du meine Karriere und die meines Vaters zerstört hast?“, antwortete ich. „Meine zahlreichen Nachforschungen haben mir gezeigt, dass man uns im Kinderheim vertauscht hat. Ich will mein Leben zurück! Und das geht nur indem es dich, Anna, nicht mehr gibt. Du darfst nicht mehr existieren. Erst dann kann ich deinen Platz einnehmen und endlich glücklich werden.“

Hatte ich gerade eine Morddrohung von meiner eigenen Schwester bekommen? Kann sie mich unbemerkt aus meinen Leben drängen, ohne dass es jemand merken würde und mich vermisst? Sollte sie so viel über mich herausgefunden haben, dass sie ganz einfach, in dem sie mich tötete, meinen Platz einnehmen konnte? Meine Eltern würden es wahrscheinlich nicht einmal bemerken. So wie sie es damals nicht bemerkten, dass sie das falsche Kind adoptiert hatten.

Ich musste Nina aufhalten und das ging nur in dem ich ihren Schwachpunkt fand. Jeder Mensch hat einen Schwachpunkt. Eine Stelle an der er angreifbar ist. Da sie meine Zwillingsschwester ist, gab es hierfür nur eine Sache und zwar unsere gemeinsame Vergangenheit. Wir schienen als Kinder beide prima miteinander klargekommen zu sein. Ich musste ihr das verdeutlichen. Ich musste mit Nina reden, ihr sagen, dass ich für unsere Vergangenheit und die vertauschte Adoption nix konnte. Völlig verängstigt ging ich zurück ins Haus. Ich hatte die Nacht kaum geschlafen, aus Angst, dass Nina mir irgendwo auflauern könnte.

Direkt früh am Morgen fuhr ich mit dem Bus zur Adresse, welche ich im Internet gefunden hatte, um mit meiner leiblichen Mutter zu sprechen. Sie musste für Klarheit sorgen. An meinem Ziel angekommen, stand ich vor einem großen Haus, mitten auf dem Lande. Es schien hier sehr idyllisch und ruhig zu sein. Dies musste mein Elternhaus sein.

Normal
0

21

false
false
false

DE
X-NONE
X-NONE

/* Style Definitions */
table.MsoNormalTable
{mso-style-name:”Normale Tabelle”;
mso-tstyle-rowband-size:0;
mso-tstyle-colband-size:0;
mso-style-noshow:yes;
mso-style-priority:99;
mso-style-qformat:yes;
mso-style-parent:””;
mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt;
mso-para-margin-top:0cm;
mso-para-margin-right:0cm;
mso-para-margin-bottom:10.0pt;
mso-para-margin-left:0cm;
line-height:115%;
mso-pagination:widow-orphan;
font-size:11.0pt;
font-family:”Calibri”,”sans-serif”;
mso-ascii-font-family:Calibri;
mso-ascii-theme-font:minor-latin;
mso-fareast-font-family:”Times New Roman”;
mso-fareast-theme-font:minor-fareast;
mso-hansi-font-family:Calibri;
mso-hansi-theme-font:minor-latin;}

Ich erinnerte mich an einige schöne gemeinsame Momente. Direkt am Eingang stand ein großer Obstbaum. Wir haben hier viel unter dem Obstbaum gespielt. Ich ging zur Tür und war so nervös. Der Name auf der Klingel stimmte überein. Hier wohnte Familie Hilting. Sollte jetzt der Moment gekommen sein, wo ich meiner leiblichen Mutter gegenüber stehen werde. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, bevor ich die Türklingel endlich betätigte. Doch auch nach mehrmaligen klingeln öffnete niemand die Tür. Ich hoffte so sehr, dass die Nachbarn mir vielleicht weiterhelfen konnten. Ich ging direkt hinüber und versuchte da mein Glück. Eine alte Dame machte die Tür auf und begrüßte mich freundlich. „Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie mich. „Ich bin auf der Suche nach Frau Hilting von nebenan! Können Sie mir sagen, wo ich sie finden kann, oder wann sie wieder nach Hause kommt!“, erklärte ich der Dame. „Frau Hilting? Schätzchen, da kommen sie ungefähr 2 Jahre zu spät. Die Dame ist schon lange verstorben. Das Haus steht seitdem leer.“, antwortete sie mir. „Sie ist verstorben.“, wiederholte ich leise. Gerade wollte die Dame sich verabschieden und die Tür schließen. Doch ich hielt sie auf. „Können Sie mir sagen, ob dass die Ehefrau von einem Bankräuber war, der 1985 einen großen Raubüberfall getätigt hatte.“, fragte ich sie. „Sie meinen Georg? Furchtbar was aus dem Jungen geworden ist. Er war früher so ein lieber Mann und dann kam die Spielsucht und er wurde kriminell. Aber warum erkundigen Sie sich nach ihm?“, fragte die Dame mich neugierig. „Ich glaube Georg war mein Vater. Kann es sein, dass die Beiden Kinder hatten?“ fragte ich mit Tränen in den Augen. Mir wurde langsam deutlich, dass sich das Szenario, was sich hier gerade abspielte, wirklich meine Vergangenheit war. Ich erinnerte mich daran, wie sich meine Eltern oft stritten, weil Papa zu spät nach Hause kam und wieder getrunken hatte und meine Mutter deswegen viel geweint hatte. „Ja die beiden hatten Kinder. Es waren Zwillinge. Anna und Nina waren zwei richtige Goldstücke. Sie haben viel zusammen gelacht und Freude in die Nachbarschaft gebracht. Kann es wirklich sein, dass du eines der Mädchen bist?“, fragte sie mich. „Ja ich bin Anna und ich bin extra aus der Stadt gekommen, weil ich dachte, ich könnte hier auf meine leibliche Mutter treffen, um von ihr mehr über meine Vergangenheit zu erfahren.“, sagte ich zu ihr. Ich tat der Dame so leid, dass sie mir von meinen Eltern berichtete. „Simona hatte sich irgendwann entschieden, euch wegzugeben. Sie glaubte, dass es die einzige Chance für euch war auf ein gutes und erfülltes Leben. Nachdem Georg bei seiner letzten Straftat aus dem Gefängnis geflüchtet ist und man ihn nie wieder sah, hatte sie es sehr bereut, dass sie euch weggegeben hatte.“ Es war alles so furchtbar, wie sich sein eigenes Leben von den einen auf den anderen Moment so schlagartig ändern konnte. Ich war der Dame sehr dankbar, dass sie mir so viel erzählen konnte. Im Anschluss verabschiedete ich mich freundlich und ging. Ich musste das alles erst einmal verarbeiten. Ich entschied mich noch einen Moment dazu, mich im Garten meines Elternhauses aufzuhalten. Der alte Schuppen gab mir ein heimisches Gefühl und erinnerte mich an die guten alten Zeiten. Selbst unsere alten Kritzeleien hingen noch an den Wänden. Es kam mir so vor, als hätten wir erst gestern noch hier zusammen gespielt, als wäre die Zeit stehen geblieben. Ich wollte Nina kennenlernen, mit ihr über die guten alten Zeiten reden! Nur wie konnte ich sie finden? Ich hatte so sehr gehofft, dass mir meine Mutter helfen konnte. Aber dafür war es nun leider zu spät.

Plötzlich fiel mir ein, dass in dem Telefonbuch des Iphones eine einzelne Nummer in der Anrufliste war. Könnte es sein, dass diese Telefonnummer meiner Zwillingsschwester gehörte. Kann es sein, dass mein Ziel, sie zu erreichen, immer so greifbar war. Nur einen Anruf entfernt? Es war meine letzte Chance auf ein Gespräch mit meiner Schwester. Ich musste es versuchen, um sie zur Vernunft zu bringen. Ich kramte das Iphone aus meiner Tasche. Wie erwartet, entsperrte es sich von alleine, als ich nur einen Blick darauf warf. Ich öffnete die Anrufliste und fand die Telefonnummer. Ich hatte Angst und mir lief der Schweiß von der Stirn. Aber ich musste es einfach wagen. Ich wählte die Nummer und kurze Zeit später konnte ich es nicht fassen, dass es tatsächlich klingelte… . Allerdings klingelte es direkt draußen vor dem Schuppen und ich hörte Schritte, die immer näher kamen. Sie war hier! Meine engste Verwandte, mein schlimmster Albtraum, mein Schatten-Ich.

Sie hatte mich die ganze Zeit beobachtet und wusste, dass ich mich hier aufhielt. Ich versteckte mich hinter den Gartengeräten im Schuppen. Sie durfte mich nicht finden. Auf einmal ging die Tür zum Schuppen auf. Ich erkannte einen Schatten. Unfassbar, diese Frau sah genauso aus wie ich. Ihr Gesicht war zu einer Grimasse verzogen, was mir Angst machte. Ich wusste nicht, wozu meine Schwester in der Lage ist. Erst im zweiten Moment erkannte ich, dass die Spitze eines Küchenmessers in ihrer Hand blitzte. Tatsächlich, sie wollte ihre Morddrohung wahr machen. „Anna komm aus deinem Versteck und lass uns reden. Du wolltest mich doch so gern kennenlernen.“, sagte sie mit einem bösen Lachen. Ich musste mir dringend etwas einfallen lassen, wie ich sie überwältigen konnte. Ich schaute mich um und sah Vater seine große Gartenschaufel an der Wand stehen. Damit könnte es klappen. Ich wollte sie nicht töten. Denn ich wollte nie so werden wie sie oder Georg. Ich bin ganz anders. Ich will, dass man ihr helfen kann. Sie hatte eine weitere Chance auf ein neues Leben verdient. „Anna komm schon raus und stell dich deiner Vergangenheit.“, rief sie. Ich nahm einen Stein, der neben mir auf der Erde lag und warf ihn an die mir gegenüberliegende Wand im Schuppen. Nina zuckte zusammen und drehte sich um. Das war meine Chance. Mit der Schaufel schlich ich mich von hinten an sie heran. Ich zögerte kurz, aber ich hatte keine Wahl. Ich nahm die Schaufel. „Es tut mir leid Nina.“, sagte ich und haute ihr die Schaufel über den Kopf. Sie fiel direkt zu Boden. Sie musste bewusstlos sein. Doch da lag ich falsch. Als ich mich nach unten beugte, um nach ihr zu schauen, griff sie nach dem Messer und stach es mir in den Oberschenkel. Ein brennender heißer Schmerz überkam meinen Körper. Mein Körper füllte sich mit Adrenalin und ich trat ihr das Messer aus der Hand. Anschließend packte ich erneut die Gartenschaufel und schlug ein zweites Mal zu. Endlich hatte ich Erfolg und sie war bewusstlos. Sie erlitt durch den Schlag eine Platzwunde am Kopf. Ich fesselte sie im Schuppen und nahm dann mein Handy, um die Polizei anzurufen. Da ich nicht wollte, dass meine Schwester wegen einem versuchten Mordversuch ins Gefängnis kommt, entschied ich mich, das Küchenmesser zu entsorgen. Zum Glück hatte ich vor kurzem erst einen Erste-Hilfe-Kurs besucht. So wie es aussah, war keine lebenswichtige Arterie verletzt. Ich übte Druck auf der Wunde aus und umwickelte sie mit einem Verband aus dem Erste-Hilfe-Kasten, welcher am Schuppeneingang hing. Die Polizei durfte keinen Verdacht schöpfen! Ich war es ihr schuldig, ihr diesen, einen Schritt entgegen zu gehen und ihr eine zweite Chance zu geben. Ich war es ihr schuldig, da ich ihr Leben die ganze Zeit gelebt hatte. Wer weiß, wie es mir ergangen wäre, wenn ich ihre Vergangenheit gehabt hätte. Wir waren doch schließlich Schwestern.

Kurze Zeit später kam die Polizei an. Mittlerweile war Nina wieder bei Bewusstsein und sah wie ich mich für sie bei der Polizei einsetzte. Sie hatte in ihrem Leben niemanden mehr. Ich berichtete dem Polizisten, dass sie psychisch sehr über unserer vertauschten Adoption gelitten hatte und deswegen unbedingt in psychologische Behandlung musste. Es ist der richtige Weg, damit sie ihre Vergangenheit verarbeiten konnte und vielleicht gab es ja nun auch noch Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft für uns.

Eine Woche später nach dem Anschlag meiner Schwester auf mich, saß ich bei meinem alten Chef im Büro. Dank der Frau vom Kinderheim und meinen Eltern hatte ich ihm die ganze Wahrheit erzählen können. Ich hatte Glück gehabt und er gab mir meinen Job wieder. Meinen Job, den ich mit voller Hingabe ausübte. Meine Eltern entschuldigten sich bei mir für das Geheim halten meiner Adoption über die ganzen Jahre. Aus Angst, dass ich Ihnen nie verzeihen würde, dass sie damals nur ein Kind adoptiert hatten, verrieten sie mir nie, dass ich eine Zwillingsschwester habe. Aber die damalige Jobsituation Beider, ließ in ihren Augen nichts anderes zu. Nach diesem Vorfall entwickelte sich unsere Beziehung zu einer ganz innigen. Außerdem wurde das Jugendamt eingeschaltet. Der Fall unserer vertauschten Adoption musste untersucht werden. Nina war endlich in psychologischer Behandlung. Ich besuchte sie regelmäßig in der offenen Psychiatrie. Es stellte sich heraus, dass unsere leibliche Mutter den Kontakt zu ihr gesucht hatte. Daraufhin hatte Nina zahlreiche Nachforschungen angestellt und ist so auf unsere vertauschte Adoption aufmerksam geworden. Sie bereute ihr Verhalten sehr und ich war bereit ihr eine zweite Chance zu geben, denn jeder hat eine verdient.

3 thoughts on “Schatten-Ich

  1. Wie versprochen hab ich auch deine Geschichte gelesen und gratuliere dir dazu. Ein paar Tipps hätte ich für dich (typisch Deutschlehrerin): natürlich nicht böse gemeint, aber du hast speziell im Anfangsteil recht viele Wortwiederholungen. Die Wörter IPhone, Eigentümer und Album kommen in einigen Sätzen direkt hintereinander und zu oft vor, meiner Meinung nach würde es deinem Schreibstil gut tun, einige davon wegzulassen oder zu ersetzen.
    Ich hoffe du kannst mit meinem Feedback etwas anfangen.
    Und danke nochmal, dass du auch meine Story gelesen hast ✌️😊.

Schreibe einen Kommentar