TaleaSo wie Jeder von uns

 

Kapitel 1

 

Ich bin schon lange wach, als mich das Geräusch des Weckers zusammenzucken lässt. Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt vom Wecker geweckt zu werden, anstatt von meinen Eltern, die vor 6 Monaten gestorben sind. Nicht dran denken, ermahne ich mich, schlucke die Trauer runter und öffne das Fenster. Warmes, helles Licht fällt in mein Zimmer und lässt mich die Erinnerung an meine Eltern loslassen. Vor meinem Haus fließt ruhig plätschernd die Isar. Wie sehr ich dieses Haus liebe. Die Ruhe, die dieser Ort ausstrahlt ist faszinierend und ich könnte Stunden damit verbringen bei geöffnetem Fenster zu lesen. Nie wieder gehe ich von hier fort.

 

Nachdem ich mich umgezogen habe, sitze ich am Frühstückstisch. Schon fast fertig   mit frühstücken, höre ich ein gedämpftes Klingeln, wie von einer SMS, die eintrifft. Mein Handy. Normalerweise keine große Sache, aber wer will denn morgens was von mir? Ein Blick auf die Uhr bestätigt mir, dass es erst 7:21 Uhr ist. Genervt, wühle ich in meinen Taschen. Wo ist das Mistding? Das Klingeln endet schlagartig, nur um in der nächsten Sekunde von neuem zu ertönen. Mein Blick wandert über den Küchentisch. Meine Augen weiten sich, als ich erkenne, dass mein Smartphone ohne Geräusche zu machen auf dem Küchentisch liegt.

 

Kapitel 2

 

 

 

Panisch folge ich dem Klingeln und bete, dass es nicht verstummt. Das Geräusch hat mich bis zu meiner Schlafzimmertür geführt. Verdammt, was ist hier los? Ich öffne die Tür, trete ein, versuche das Geräusch zu lokalisieren. Da! Es kommt aus meiner Kommode. Bevor ich länger darüber nachdenken kann, reiße ich das oberste Fach auf und erstarre. Da liegt ein Handy, das jetzt keine Geräusche mehr von sich gibt. Scheiße, ich habe dieses Handy noch nie in meinem Leben gesehen. Ich drehe es in meinen Händen, Panik überkommt mich, sie nimmt mir die Luft zum atmen. Tausend Fragen sind in meinem Kopf und ich kann keine davon beantworten. Wie ist ein fremdes Handy in mein Haus gekommen? Wer hat es hier platziert? Ich drücke auf einen Knopf und das Display leuchtet auf. 5 neue Nachrichten. Das Smartphone zu entsperren fällt mir leicht, es besitzt keinen Code oder ähnliches. Ich klicke auf Nachrichten. Die Nummer, die mir die Nachrichten geschickt hat, sagt mir nichts und selbst wenn, wäre ich viel zu aufgewühlt, um sie zu erkennen. Die Nummer hat mir Bilder geschickt. Bilder, auf denen ich zu sehen bin. Bilder, die mich beim Eis essen oder lesen zeigen. Ich kenne sie nicht, sie wurden ohne mein Einverständnis gemacht. Was für eine kranke Scheiße. Mein Magen zieht sich zusammen, meine Bauchschmerzen sind zu Messerstichen geworden. Doch noch mehr Angst jagt mir die Nachricht unter den Bildern ein, die gerade erst eingegangen ist. <Was ist mit Anastasia Gruber passiert?<, lautet die Nachricht. Ich bin Anastasia Gruber.

 

Kapitel 3

 

 

 

Zur Arbeit erscheine ich 20 Minuten zu früh. Nur der Gedanke daran, wieder in mein Haus zurückzukehren bereitet mir Gänsehaut. Zu wissen, dass Irgendjemand in meine 4 Wände eingebrochen ist, vielleicht sogar während ich geschlafen habe, macht die Sache nicht leichter. Nach dem Handyfund hätte ich fast vergessen, mein Kaninchen Stups zu füttern. Normalerweise ist dieser handzahm, doch heute waren seine kleinen, braunen Augen ängstlich aufgerissen und streicheln konnte ich ihn nicht. Vielleicht spürt auch er die neue Bedrohung.

 

Das fremde Smartphone befindet sich in meiner Handtasche und ich hoffe, dass Kasper nichts merkt, wie angespannt ich bin. Wir sitzen alleine im Büro. Ich setze ein Lächeln auf, das sich genauso falsch anfühlt wie Kim Kardashians Po Implantate. Wenn mein Stalker, wie ich den Einbrecher nenne, so viel über mich in Erfahrung gebracht hat, beschattet er mich vielleicht in diesem Moment. Doch hier ist nur Kasper. Möglicherweise ist Kasper mein Stalker. Diesen Gedanken verwerfe ich sofort wieder. Mein Chef bringt es jeden Tag fertig, mindestens einmal seinen Kaffee umzuschütten. Nein, das ist nicht mein Stalker. Ich schalte meinen PC ein und als er hochfährt, will ich das Passwort eingeben, als ich zurückzucke. Irgendwas hat mich gepikst. Da! Eine Stecknadel steckt mit der Spitze nach oben zwischen einer der Lücken der Tastatur.

 

 „Ist alles in Ordnung, Nasty?“, fragt Kasper während er auf mich zukommt. Seine blauen Augen suchen meine.

 

„Ähm..Ja. Da steckt nur eine Nadel in der Tastatur und“…

 

 „Keine Ahnung, wie die da hingekommen ist. Ich frag‘ dann mal später rum. Ist wahrscheinlich nur durch Zufall da hin gekommen“, sagt er, doch sein aufmunterndes Lächeln beruhigt mich nicht, denn ich weiß es besser. Die Stecknadel wurde bewusst platziert, um mich zu verletzten. „Ja, klar. Keine große Sache“, meine Stimme klingt unsicher, aber Kasper nickt. Er nimmt die Nadel an sich und geht zurück an seinen Platz. Ich muss mich kontrollieren, nicht zu schreien. Mein Stalker hat nicht nur Zugang zu meinem Haus, sondern auch zu meinem Arbeitsplatz. „Was habe ich getan, um so bestraft zu werden?“, frage ich mich, als das Handy in meiner Handtasche klingelt.

 

„Du tust alles, was ich dir sage“,  die Stimme am anderen Ende klingt dunkel, tief. Es  ist die Stimme eines Mannes. Kasper beobachtet mich und ich glaube, ein kurzes Lächeln auf seinem Gesicht aufflackern zu sehen.

 

„Oh, hey Oma“, ich versuche meine Stimme fröhlich klingen zu lassen. Umsonst.

 

„Wie geht’s dir denn so?“, frage ich, verzweifelt versucht, die Tarnung aufrecht zu erhalten.

 

„Perfekt, du hast verstanden. Du bist nicht so blöd, wie gedacht“, sagt er und lacht. Es hat etwas raubtierhaftes an sich, wie ein Löwe, der mit seinem Opfer spielt. Mir. Ich nehme all meinen Mut zusammen, als ich sage: „Falls die Einbrüche in deiner Nähe schlimmer werden, würde ich die Polizei rufen.“

 

„Einen Scheißdreck machst du“, er klingt gelangweilt.

 

„Hör zu, alles was ich will ist, dass du zu deinem Geheimnis stehst. Dann hat das hier ein Ende. Doch das geschieht nur, wenn du dich mit mir triffst.“

 

„ Ich glaube nicht, dass jemand in dein Haus einbricht, Oma. Trotzdem würde ich das Haus nicht verlassen und mich mit Niemandem treffen. Ruf‘ mich bitte nicht mehr an, bis meine Arbeit vorbei ist. Hab‘ dich lieb und pass‘ auf dich auf!“, sage ich und lege auf. Er hatte keine Chance mehr zu antworten.

 

Mich mit ihm, einem geistesgestörtem Stalker treffen, der Hausfriedensbruch begangen hat? Auf keinen Fall. Nie im Leben. Als meine Kollegen eintreffen und Kasper abgelenkt ist, schalte ich das Handy aus und lasse es vorsichtig in den Abfall, der unter meinem Arbeitstisch steht, fallen.

 

Kapitel 4

 

Nachdem sich die Arbeit noch mehr gezogen hat, als so schon, mache ich mich auf den Weg zum Einkaufen. Ich fühle mich frei ohne das Gewicht des fremden Smartphons in meiner Tasche und ich nehme das Duften der Blumen im Supermarkt klarer wahr. Die warme Frühlingssonne scheint mir ins Gesicht, als ich mich auf den Weg nach Hause mache. Nach Hause. Ich versuche, den Gedanken an das fremde Handy und meinen Stalker zu verdrängen, aber während ich die Eingangstür aufschließe, wird mir wieder komisch im Bauch. Dieses Mal tritt kein Gefühl der Geborgenheit ein. Ich schlucke, wer weiß, ob ich das jemals wieder haben werde? Mein Blick verharrt auf meinen geliebten Pflanzen. Ob mein Stalker sie auch betrachtet hat? Vielleicht hat er an ihnen gerochen? Nicht dran denken, was er alles getan haben könnte, geh einfach weiter. Ich wiederhole diesen Satz wie ein Schulkind, das versucht, in wenigen Minuten den Unterrichtsstoff der letzten Stunde zu erfassen. Genauso hoffnungslos kommt es mir auch vor.

 

Meine Beine tragen mich bis zur Küche und nicht weiter.

 

 Das fremde Handy liegt auf dem Esstisch und als wäre das nicht schon schlimm genug, beginnt es, zu klingeln. Meine Füße geben unter mir nach und es fühlt sich so an, als würde ich meine Eltern ein 2. Mal verlieren.

 

„Bitte lassen Sie mich in Ruhe“ , wispere ich. Meine Stimme bricht, ich bin den Tränen nahe. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so schwach, so ausgesetzt gefühlt. Ich bin das Zebra, das nicht mehr wegrennt und sich dem Löwen stellt. Das sein Schicksal akzeptiert hat.

 

„Du verstehst es nicht. Das ganze könnte schon längst zu Ende sein, aber du musstest ja auflegen.“ Ich verabscheue ihn, die Art, wie er mit mir redet, als wäre er mein Lehrer und ich ein dummes Schulkind, das er zu belehren hat.

 

„Was habe ich getan? Warum verfolgen Sie mich?“

 

Er lacht, als wäre das alles hier nur ein Witz und ich hasse ihn noch mehr dafür. Minutenlang, wie es mir vorkommt, schallt sein bellendes Lachen aus dem Smartphone. Ich denke schon er kriegt sich nicht mehr ein, aber nach einer gefühlten Unendlichkeit sagt er: „ Die Frage solltest du nicht mir stellen, sondern dir selbst. Ich tue das hier nicht ohne Grund. Wenn du Antworten willst, treffe dich morgen, 16:00 Uhr im Schäftlarner Wald mit mir.“

 

Dann, als ich gerade denke, dass er auflegt, fährt er fort:

 

„Da du dich nicht an meinen letzten Befehl gehalten hast, blieb‘ mir leider keine andere Wahl, als dich für dein Fehlverhalten zu bestrafen. Sieh‘ das als… nunja, kleine Aufforderung, dich mir nicht zu widersetzen.“ Er legt auf, doch seine Worte bleiben in meinem Kopf, wiederholen sich so oft, bis sich mein Kopf anfühlt, wie ein Karusel. Mir dröhnt der Kopf, ich denke darüber nach, was er damit meinen könnte. Doch dann ergibt alles Sinn, als ich die Blutspur auf dem Boden sehe.

 

Kapitel 5

 

 

 

Nein, nein, nein, nein, nein. Bitte nicht. Ich bete, dass es nicht das ist, was ich denke. Es kann nicht das sein, was ich denke. Ich folge der Blutspur die Treppe hoch. Sie endet vor meiner Schlafzimmertür. Das ist alles nur ein Alptraum. Wenn ich wieder aufwache, werde ich mich an meinen Traum erinnern und lachen, weil ich denke, dass sowas nicht im wahren Leben stattfindet. Zumindest  nicht in meinem. Die Luft ist abgestanden und ich habe Mühe zu atmen. Vielleicht liegt das aber auch an dem Anblick, der sich mir offenbart, als ich die Schlafzimmertür öffne.

 

Hatte ich erwartet, dass mein Stalker hinter der Tür steht, mit gezücktem Messer, das an das Mordinstrument Michael Myers erinnert und bereit, sich auf mich zu stürzen, ist dieser Anblick umso brutaler.

 

Die Blutspur führt zu meinem Bett, auf dem Stups liegt. Zumindest das, was von ihm übrig geblieben ist. Seine leeren, glanzlosen Augen starren in meine Seele und mit ihnen der Vorwurf, dass ich an seinem Tod Schuld bin. Was ich auch zweifellos bin. Meine Sicht verschwimmt, jedoch sehe ich immer noch mehr, als ich will.

 

Stups ist ausgenommen worden. Seine Innereien liegen überall auf dem Bett verteilt, wie rote Luftschlangen auf einer Geburtstagsfeier. Das Bett ist getränkt mit Blut und ich kann meinen Blick nicht von diesem Gemetzel abwenden. Seine Organe glänzen förmlich im Licht der Sonne und erst jetzt fällt mir auf, dass seine Löffel abgetrennt wurden. Ich kann nicht mehr hier bleiben, alles dreht sich, mir ist übel.

 

Ich schaffe es gerade noch rechtzeitig zur Toilette, als ich mich erbreche.

 

 

 

In dieser Nacht finde ich keinen Schlaf. Ich zucke bei jedem noch so kleinem Geräusch zusammen und rechne damit, dass mein Stalker hinter der nächsten Ecke steht. In mein Schlafzimmer zurück zu kehren war keine Option, weswegen ich meine Nacht auf der Couch verbringe. Die Bilder in meinem Kopf von Stups verfolgen mich und lassen mich keinen Schlaf finden. Solange ich das Schlafzimmer nicht betrete kann ich mir einreden, dass ich in einem Fiebertraum gefangen bin, der bald zu Ende geht. Aber es ist real, ein Alptraum in dem ich gefangen bin.

 

Kapitel 6

 

 

 

 

 

Der Schäftlarner Wald liegt einsam und verlassen da. Die genauen Koordinaten hat mir mein Stalker heute noch geschickt. Normalerweise liebe ich Wälder. Ihre Abgeschiedenheit tut mir gut und ich liebe es für einige Stunden mit der Natur alleine zu sein. Heute erinnert mich der Wald jedoch an jeden Horrorfilm, den ich je gesehen habe.

 

Von der gestern noch so warmen Frühlingssonne ist nichts mehr zu spüren und durch die Bäume flüstert ein eiskalter Wind. Ich irre ein paar Minuten durch den Wald, bis ich eine Gestalt vor mir entdecke. Sie ist schwarz gekleidet und ihr Gesicht wird von einer Kapuze verdeckt. Zuerst zögere ich, dann laufe ich auf sie zu. Er ist nicht so groß, wie ich erwartet hätte. Das gibt mir Sicherheit. Vielleicht hat meine Geschichte doch noch ein Happy End.

 

„Schön dich zu sehen“, sagt der Vermummte. Er zieht dabei die Buchstaben spöttisch in die Länge.

 

„Leider kann ich nicht das Gleiche behaupten. Was willst du von mir?“, sage ich. Meine Stimme klingt stärker, als ich mich fühle. Ich trete nervös von einem Bein auf das Andere. Sekunden verstreichen, bis er antwortet: „Ich habe eigentlich damit gerechnet, das ich dir nicht alles aus der Nase ziehen muss, aber anscheinend brauchst du einen kleinen Denkanstoß. Ich bin hier um deine wahre Identität zu enthüllen, Alina. Aber beginnen wir von vorne. Ich kannte dich nicht, als Anastasia dich mir vorstellte. In der Uni hatte ich dich noch nie gesehen, was aber wahrscheinlich auch daran lag, dass du eine Außenseiterin warst. Eine Einzelgängerin. Du warst immer alleine unterwegs, ein komischer Kauz, hätte meine Mutter gesagt. Vielleicht hat dich Nasty deswegen unter ihre Fittiche genommen. Ihr wart schon ein halbes Jahr befreundet, als dich Nasty zu ihr nach Hause nahm. Ihr Haus, das größte und schönste Haus in München. Kein Wunder, Nasty arbeitete Tag und Nacht und hat es sich ehrlich verdient. Du warst gelb vor Neid hat mir Nasty später erzählt. Neidisch auf das Haus, ihren Schlitten vor der Haustüre, ihre vielen Freunde, ihren guten Ruf. Aber Anastasia hatte Mitleid mit dir, weswegen sie sich weiterhin um dich gekümmert hat. Du hattest ja sonst nichts, erzählte sie mir. Weder Freunde, noch Auto. Deine Eltern haben dich auch geradezu verabscheut, weil du ihre Firma nicht weiterführen wolltest. Ein Grund für sie, dich aus ihrem Testament zu streichen. Aber Nasty war anders. Sie wollte, dass es dir gut geht, dass es dir wieder besser geht. Also schlug sie sich weiterhin mit dir herum und irgendwann lernte ich dich kennen.

 

Ich mochte dich von Anfang an nicht. Die Art, wie du Nasty Honig um den Mund geschmiert hast, die Art, wie die Missgunst in deinen Augen lag. Ich glaube aber, dass du mich auch nicht leiden kannst. Schließlich war ich Anastasia’s bester Freund seit dem Kindergarten. Nichts konnte zwischen uns kommen, nicht mal so eine Kröte wie du.

 

Ich hab ihr gesagt, dass irgendetwas mit dir nicht stimmte, aber sie hörte nicht auf mich. Typisch Nasty, sah immer nur das Beste in den Menschen.

 

Das ist ihr zum Verhängnis geworden. Weißt du, warum ich diesen Ort hier ausgesucht habe? Hier wollte ich Nasty alles gestehen. Gestehen, dass ich schon seit Jahren in sie verliebt war. Aber jetzt kann ich das nicht mehr, wegen dir.“ Ich spüre seinen Hass, genieße ihn. Ich erwidere nichts, auch nicht, als seine Stimme droht, zu versagen. Schluchzend fährt er fort: „Ihr Leben war der Inbegriff des Wortes Perfekt. War. Warum hast du das getan? WARUM?“, schreit er, er kann sich kaum noch zurück halten. Süß. Darius denkt wirklich, er wäre unzerstörbar. Ich mache einen Schritt auf ihn zu und ziehe ihm die Kapuze aus dem Gesicht. Es ist tatsächlich Darius. Der sonst so attraktive Mann ist in sich zusammengeschrumpft, unter seinen braunen Augen zeichnen sich dunkle Ringe ab.

 

„ Was habe ich denn getan?“, frage ich, meiner honigsüßen Stimme bewusst. Ich muss ein Grinsen unterdrücken.

 

„ Du weißt ganz genau, was ich meine. Du hast von Anastasia’s Handy aus jedem Freund, Bekannten, Familienmitglied die gleiche Nachricht geschickt: Hey Leute, ich habe mich entschlossen, eine Weltreise zu machen. Ich bin noch jung und möchte, wenn ich alt bin nicht bereuen, nicht gereist zu sein. Ich will Orte sehen, die ich noch nie gesehen habe und neue Erfahrungen sammeln.

 

Ich weiß noch nicht, wann ich zurück komme, aber macht euch bitte keine Sorgen um mich. Ich werde gut auf mich aufpassen. Fühlt euch gedrückt,

 

Nasty.“

 

Respekt, er kennt jedes Wort auswendig. Ich lächle, seine Stimme trieft vor Hass. Ich liebe es.

 

Er fährt fort: „ Dein Plan hatte nur eine Schwachstelle: mich. Du hast nicht bedacht, dass mich Nasty jedes Mal, wenn sie in den Urlaub fährt, bittet ihre Pflanzen zu gießen. Also war ich mehr als überrascht, als Anastasia mich nicht damit beauftragte, das zu tun. Ihre Pflanzen waren ihr Heiligtum. Das was für manche Leute die Bibel ist.

 

Ich fuhr also an ihrem Haus vorbei und sah Licht brennen. Mein erster Gedanke waren Einbrecher, aber als ich durch ein Fenster schaute, erblickte ich zu meiner Überraschung dich. Eingehüllt in ihren Schlafmantel und mit ihrem Handy in der Hand standest du da. Ich war noch nie der aller hellste, aber man brauchte keinen Sherlock um eins und eins zusammen zu zählen. Also, WAS HAST DU MIT NASTY GEMACHT?“ seine Stimme ist zu einem fortissimo geworden. 

 

„Ich nehme an, du hast einen Wohnungsschlüssel für Anastasia’s Haus, weswegen es leicht für dich  war, das Handy zu platzieren. Zugang zu meinem Arbeitsplatz hast du auch, ich vermute, du kennst Kasper oder bist mit ihm befreundet“, schlussfolgere ich.

 

„Ja. Aber sag mir jetzt bitte,  was du mit Nasty gemacht hast?“, wimmert er. Darius könnte mir fast leidtun, aber leider auch nur fast. Liebe macht blind, ich sage es schon immer. So blind, dass er das Messer in meiner Hand nicht erkennt, das ich aus meiner Handtasche gezogen habe. Darius’ schluchzen macht ihn so unattraktiv. Oh mein Gott, reiß dich doch für einen Moment zusammen. Sein Blick ist auf den Boden gerichtet, er ist nicht mehr der arrogante Clown von nebenan, den ich vor einem Jahr kennen gelernt habe. How the tables turned würde meine amerikanische Großmutter jetzt sagen.

 

„Es ist vorbei, Alina. Egal ob du es sagst, oder nicht.“, Darius sieht mich an und auf sein Gesicht stiehlt sich ein selbstgefälliges Grinsen. Dummer Junge. Er denkt, er wäre Dädalus, dabei ist er Ikarus. Seine Flügel werden schmelzen.

 

„Das ist erst der Anfang“, zische ich, während ich ihm das Messer in die Brust stoße. Wie gut es sich anfühlt. Seine aufgerissenen Augen brennen sich in meine, als er nach unten sinkt.

 

„ Du kommst nicht weit, die Polizei ist schon auf dem Weg”, krächzt er. Blut tropft aus seiner Brust und ich ziehe das Messer betont langsam heraus. Er wimmert und es fühlt sich so unglaublich gut an.

 

Ich knie mich zu ihm, blicke in seine vor Angst aufgerissenen Augen. Darius atmet flach und wir wissen beide in diesem Moment, das es für ihn zu Ende geht. Jedoch nicht für mich.

 

Ich rücke näher an ihn heran, doch er zuckt nicht zusammen. Darius akzeptiert sein Ende schneller als es Anastasia getan hat. Ich lehne mich vor und flüstere Darius ins Ohr, was ich seiner ach so geliebten Anastasia angetan habe. Wobei sie alles verdient hatte, die kleine Schlampe. Mit jedem Satz den ich spreche, zuckt Darius zusammen.

 

Als ich fertig bin, spüre ich Darius’ hasserfüllten Blick. Wenn er könnte, würde er mich in Stücke reißen.

 

„Du bist ein Monster“, sagt Darius und ich lache. Ich lache so lange, bis ich das Gefühl habe, zu ersticken. Ich huste, meine Kehle ist trocken.

 

„So wie jeder von uns“, lächelnd gebe ich ihm einen Kuss auf die Stirn. Sein Mund steht offen und seine Augen wirken schwarz.

 

Ich nehme seinen Kopf in die Hände. Darius weiß, was auf ihn zu kommt und schließt die Augen. Braver Junge. Ich drehe seinen Kopf, bis ich das vertraute Knacken höre.

 

Ich lasse los und sein Kopf sinkt nach hinten. Endlich ist er tot.

 

Ich werfe noch einen letzten Blick auf Darius und versuche, seinen Anblick für immer in meinem Kopf zu behalten. Ein paar Sekunden verharre ich neben seiner Leiche, bevor ich mit dem Geräusch der Sirenen im Ohr  im Dickicht der Bäume verschwinde.

 

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