Eva-WeigelWunschkinder


Wunschkinder

 

Kurzgeschichte – Psychothriller

 

 

Sie war eine Meisterin ihres Faches. Geschickt, schnell, sympathisch – das war sie. Sie war eine Meisterdiebin. Das Spiel konnte beginnen.

 

 

 

Paula Ulrich bog aus dem Parkhaus in die sonnendurchflutete wunderschönen Oberstadt im hessischen Marburg. Als erstes fiel ihr Blick auf die kleine Bronzestatue des Dienstmannes Christian mit dem spitzen Gesicht, die Statue hatte sie schon als Kind geliebt. Sie ging die Wettergasse hinunter. Die Fachwerkhäuser mit ihren dunklen und rotbraunen Hölzern, das unebene Kopfsteinpflaster. Die Asymmetrie machte den Charme der Oberstadt aus. Hinab vorbei an den kleinen Geschäften, vorbei an dem Papierlädchen von Frau Krennels, einer sehr zierlichen und freundlichen alten Dame. Hin zum Café Base, wo sie sich mit ihrer Lieblingskollegin Anna treffen wollte.

 

Paula war glücklich, erst gestern Abend hatte ihr geliebter Freund ihr gesagt wie sehr er sie liebte, auf jeden Fall hatte er es ihr gezeigt, sie hatte es ganz genau gespürt. Nils Einfach, ein Kinderarzt den sie auf der Neonatologischen Intensivstation des Klinikums auf der sie als Kinderkrankenschwester arbeitete, kennen gelernt hatte. Hier kümmerte sie sich mit Herzblut um Frühchen und kranke Neugeborene. Sie war schwanger von ihm, in der 33. Schwangerschaftswoche. Das hatte sie zu mindestens Nils und all den anderen erzählt. Nils war verheiratet mit Michaela Einfach, er konnte sich nicht zwischen ihr und seiner Frau entscheiden. Er und seine Frau hatten zwei Kinder. Diese ständige on-off-Beziehung machte Paula fertig. Doch jetzt hatte er sich für sie entschieden, hatte seine Frau verlassen, ist in eine große Wohnung mit Balkon ins Marburger Südviertel gezogen. Bestimmt würde er sie bald fragen ob sie zu ihm ziehen möchte. Sie und ihre sechsjährigen Tochter Mathilda. Paula liebte Mathilda so sehr, war froh dass sie sie hatte und würde alles für sie tun. An diesem Morgen, da Mathilda im Kindergarten war, gönnte Paula sich Zeit für sich, ein leckeres Frühstück mit Anna.

 

Jetzt da sie tatsächlich in der zehnten Woche schwanger war und der „Entbindungstermin“ und der Beginn des Mutterschutzes der angeblichen Schwangerschaft immer näher rückte, war sie verzweifelt. Wie um Himmels Willen sollte sie das Neugeborene „verschwinden lassen“? Und ständig diese Angst das irgend Jemand etwas merkte. Der Mutterpass den sie im Kreißsaal geklaut und selbst ausgefüllt hatte. Das Formular von ihrer Gynäkologin der die Schwangerschaft gegenüber ihrem Arbeitgeber attestierte, hatte sie ebenfalls gefälscht. Sie hatte sogar einen Stempel im Internet bestellt mit Adresse und Telefonnummer der Gynäkologin. Die gefälschten Schwangerschaftsbäuche in drei verschieden Größen die sie ebenfalls im Internet bestellt hatte, ließ sie extra in die Nachbarstadt Gießen in eine Postfiliale schicken, um nicht erwischt zu werden. All das machte ihre Täuschung perfekt.

 

Eine Frau Anfang Dreißig die direkt vor ihr über einen Pflasterstein gestolpert war lächelte ihr verlegen zu. Noch ein paar Schritte dann war sie im Café Base. Paula betrat das urige Café. Die braunen Holzstühlen mit den Armlehne bei denen die Sitzflächen mit edlem rosafarbenen Samtstoff überzogen waren, die kleinen runden Tische mit ihren langen weißen Tischdecken und die Kronleuchter. Die Speisekarte war jedoch modern gestaltet. Diese Gegensätze machten dieses besondere Café zu Paulas Lieblings-Café. Die Kellnerinnen und Kellner waren in schwarzen Stoffhosen, Stoffwesten, Krawatten und weißen Blusen oder Hemden gekleidet.

 

Anna war schon da. Wie schafft sie das nur immer, dachte Paula, schließlich hatte Anna drei Kinder und war trotzdem immer pünktlich, sie mit nur einem Kind war mal wieder fünf Minuten zu spät.

 

Die Frauen umarmten sich zu Begrüßung, genossen ihr Frühstück, ließen etwas Dampf über ihr Leben und die Arbeit ab. Draußen beobachten sie einen kleinen Bus der sich die enge, steile Gasse hochkämpfte, „Busfahrerin hier in der Oberstadt wäre ja nix für mich.“, meinte Anna, und Paula, „Ja dann lieber Neugeborene reanimieren.“. Beiden traten Tränen vor Lachen in die Augen, wie so oft an diesem Vormittag. Schwarzer Humor, genau das war ihr Ding. Paula lachte unbeschwert, noch.

 

 

 

Es war ganz einfach gewesen! Der erste Teil ihres Plans hatte funktioniert. Schon früher liebte sie Rucksäcke und Shopper am meisten, da war es am einfachsten. Bei Rucksäcken gab es eine gewisse Distanz zu ihrem Träger und die großen Shopper hatten oft keinen Reißverschluss. Sie beobachte ihre Opfer eine Weile sehr genau. Die leichtesten Opfer waren die, die abgelenkt waren, in Gedanken, mit sich selbst beschäftig. Dann schlug sie zu. Auch bei Paula war es so gewesen, sie war tief in Gedanken, eben mit sich selbst beschäftig. War ja auch nicht anders zu erwarten, dieses Miststück. Sie musste leiden, so wie sie litt. Ihr Kartenhaus würde schon bald zusammenfallen.

 

 

 

Paula und Anna gingen nach ihrem Frühstück noch ein Stück zusammen den steilen Weg hoch bis zu Kreuzung. Anna wollte noch nach ein paar Anziehsachen für ihre Kinder schauen und bog links ab. Paula ging geradeaus weiter den Berg hinauf. Langsam, ihrem Babybauch entsprechend. Jeder sollte denken, dass sie tatsächlich schwanger war. Machte bei dem ein anderen Laden halt und schaute sich in Ruhe die Auslage an. Bei einem Kleidergeschäft fiel Paulas Blick auf die Kindersachen, „Knastis“ hieß die Marke, daneben ein Schild mit der Erklärung das die Sachen von deutschen Sträflingen genäht worden waren. Na toll, dachte Paula, erst Kinder misshandeln und ihre Mütter und Väter drogenabhängig machen und dann Kinderkleidung nähen. Sie ging weiter, vorbei am Cafè Glockengut zurück ins Oberstadtparkhaus. An ihrem blutroten Ford Fiesta angekommen angelte sie in ihrem Shopper, den sie liebevoll „Reisetasche“ nannte, weil er so groß war, nach ihrem Schlüssel. Nanu, was war das? Das war nicht ihr Smartphone. Paulas Smartphone war rosa mit einem Bild von Mathilda und den Affen vom letzten Zoobesuch im Hintergrund, auf der Hülle. Die rosa Gesichter und Pos der Paviane hatten gut zu der Farbe ihres Smartphones gepasst. Dieses hier war schwarz. War es Annas? Nein, sie hatte ein Bild ihrer Kinder auf der Hülle. Paula drückte auf die Home-Taste, ein blaugemusterter Hintergrund erschien, wischte nach rechts, die neun Punkte des Entsperrmusters erschienen. Paula beschloss sich zu Hause näher mit dem Findelsmartphone zu beschäftigen, schließlich kam Mathilda bald aus dem Kindergarten und sie wollte vor ihrer Tochter zu Hause sein.

 

Zu Hause angekommen bereitete Paula das Mittagessen zu, Nudeln mit einer Bolognese-Gemüse-Soße. Sie musste nur noch die Nudeln kochen und die Soße, die sie schon am Abend zuvor vorbereitet hatte, aufwärmen. Paula öffnete das Fenster und schaute hinaus, in diesem Augenblick fuhr der Kindergartenbus vor, die Kinder stiegen lärmend aus dem Bus. Mathilda entdecke ihre Mutter, sofort streckte den linken Arm in die Höhe und winkte. In der Hand hielt sie ein weißes Blatt. Das Mädchen mit den rabenschwarzen Locken rannte auf ihr Elternhaus zu, über den Hof und war im Nu in der Küche bei ihrer Mutter. Mathilda war sehr schlau, schlauer als Paula. Bereits mit einem Jahr konnte sie ihr Würfelsteckspiel mit den bunten Dreiecken, Quadraten und Kreisen ohne Probleme lösen. Paula hatte ihre Tochter allein mit Hilfe ihrer Eltern großgezogen. Mathildas Großeltern wohnten im ersten Stock, Paula und ihre Tochter im Erdgeschoss. „Schau mal,“ rief Mathilda fröhlich ihrer Mutter zu, „Ich habe ein Bild gemalt für dich. Das sind du, ich, Nils und das Baby.“ Mathilda strahlte. Paula lief ein eiskalter Schauer den Rücken runder. Wie, ja wie kam sie aus dieser Lebenslüge wieder raus?

 

Nachdem Mittagessen ging Mathilda ihr Zimmer um zu spielen. Und Paula fiel das Smartphone wieder ein. Auf dem Sofa sitzend betrachtete sie es genau. Sie könnte einem in dem Smartphone gespeicherten Kontakt eine Nachricht schreiben, der Besitzer könnte sich das Telefon dann bei ihr abholen. Das Gerät hatte weder eine Schutzfolie auf dem Display noch eine Hülle. Paula schwenkte das Smartphone im Licht, man konnte den Fettstreifen sehen der durch das Wischen auf dem Entsperrmuster entstanden war. Die Frage war jetzt nur noch, musste sie von links unten nach rechts oben wischen oder von rechts oben nach links unten. Einfach ausprobieren, dachte Paula. Erster Versuch. Zweiter Versuch. Ha, es hatte geklappt, das Entsperrmuster verschwand und der Homescreen erschien. Doch was Paula da sah…. Das dass konnte doch nicht wahr sein. Ihr wurde übel!

 

 

 

Vor zehn Jahren war sie ein Berliner It-Girl gewesen. Eine schicke 100 Quadratmeter Dachgeschosswohnung mit 28 Quadratmeter Dachterrasse in Mitte. Und das silberne BMW-Kabrio, in dem sie bei schönem Wetter gerne den Kurfürstendamm rauf und runter cruiste. In ihrem begehbaren Kleiderschrank mit der Handtaschensammlung von Marken wie Louis Vuitton, Hermés, Prada und Gucci stand sie oft minutenlang und sah sich um. Oft stieg ein Glücksgefühl in ihr hoch, so musste sich eine Mutter fühlen, die gerade ein gesundes Neugeborenes zur Welt gebracht hatte. Selbstverständlich hatte sie zu jeder ihrer Luxushandtaschen ein Paar passende Schuhe. Sie war eine echte Luxus Lady. Ihr Ziel war es auch außerhalb von Berlin bekannt zu werden. Doch jetzt hatte sie eine andere Mission: Rache!

 

 

 

Was? Was zu Hölle…? Außer ein paar vorinstallierten Apps gab es ein Hintergrundfoto. Es zeigte Paula vor der Postfiliale als sie den großen Karton mit den gefälschten Schwangerschaftsbäuchen abholte. Panik stieg in ihr hoch. Sie musste sich übergeben. Sprang vom Sofa auf, lief zur Toilette und übergab sich. Als Mathilda in der Tür stand. „Was ist los, Mama?“, „Ach weißt du, das kommt schon mal vor, wenn man schwanger ist.“. Paula schwitzte.

 

Sie ging zurück ins Wohnzimmer. Auf dem Smartphone eine neue Nachricht. Sie öffnete sie, das konnte nicht sein. Ein neues Foto. Paula an der Kasse in der Drogerie. Als sie gerade den Schwangerschaftstest bezahlte, Wochen nachdem sie die Bäuche bei der Post abgeholt hatte. Sie bezahlte bar, damit nichts nachvollziehbar war. Auch hierfür hatte sie einen Termin, der in Gießen statt fand, ausgenutzt um diese Besorgung zu machen. Dort wo sie keiner kannte. Doch halt Michaela, diese Schlange, Michaelas beste Freundin wohnte doch in Gießen. Das hatte ihr Nils einmal erzählt. Bestimmt hatte diese eifersüchtige Michaela sie durch Zufall entdeckt als sie mit ihrer besten Freundin in der Stadt unterwegs war, ihre Chance gewittert, sie verfolgt, die Fotos gemacht und wollte sie nun erpressen. Es konnte nicht anders sein.

 

 

 

Sie verdiente ihr Geld mit Promotionsjobs, machte Werbung für ein Berliner In-Magazin. In den Anfängen von Instagram verdiente sie ihr Geld als Influencerin. Mit ihrem hippen Style konnte sie Werbeverträge mit „Partnern“, wie es offiziell hieß, von namhaften Firmen der Kosmetik- und Kleidungsindustrie an Land ziehen. Damals sprangen 100 bis 200 Euro pro Post raus. Nicht so wie heute wo bekannte Influencer 1000 bis 10.000 Euro pro Klick verdienten, manche sogar 25.000. Ihr Einkommen reichte damals hinten und vorne nicht. Sie musste ihren Verdienst aufbessern. Als Diebin.

 

 

 

Paula schaute das Smartphone durch. In der Fotogalerie nur die zwei Bilder. In den Kontakten nur ein Name. „Vindicta“, in den Details des Kontaktes eine deutsche Handynummer. Minutenlang starte Paula auf den Kontakt. Was bedeute „Vindicta“? Sie gab das mysteriöse Wort bei Google ein. Nach kurzem suchen war es klar, dies war das lateinische Wort für Rache. Weil ich dir deinen Mann weggenommen habe? Sollte oder sollte sie nicht die Nummer wählen? Dann atmete sie tief durch und wählte. Freizeichen. Nach fünfmal tuten wurde abgenommen. „Hallo?“, sagte Paula vorsichtig, „Wer ist da? Michaela? Was willst du?“, sprudelte es aus Paula raus. Doch – die Verbindung unterbrach. Ein Textnachricht erschien auf dem Smartphone: Wer ist Michaela? Verarschen konnte sich Paula allein! Und: Ich weiß was du getan hast!  

 

 

 

Sie hatte zwei Kinder. Bevor sie mit ihrem jetzigen Ehemann zusammen gekommen war hatte sie eine Beziehung mit Rick, eigentlich Richardt, aber das war ihm zu spießig. Rick kam aus gutem Hause, wusste sich in feinen Kreisen zu benehmen und hatte ein großes Herz. Im Grunde war er ein feiner Mensch. Das hatte er von seiner Mutter Bärbel, diese hatte sie mit offenen Armen als Frau an der Seite ihres Sohnes aufgenommen. Rick war aus der bayerischen Provinz nach Berlin gekommen um „auszubrechen“, wie er es nannte, sich aus dem engen Kokon seiner Familie zu lösen. Er hatte mit einem Teil des Vermögens seiner Familie einen runtergekommenen Club gekauft, ihn modern mit allem Chichi renovieren lassen. Von der glamourösen Bar mit den glänzenden silbernen Beschlägen über den Pool aus edelstem Marmor bis hin zum VIP-Bereichen für zahlungskräftige Gäste, ausgestattet mit jeweils einer Sofalandschaft, Fernseher, eigener Bar, einem Separee und selbstverständlich eigenem Personal,  gab es alles. In der Mitte über der Tanzfläche hing ein riesengroßer Kronleuchter, der war selbst ihr zu viel. Namhafte DJanes und DJs gehörten ebenfalls zum Inventar. Und ruckzuck war das „New Middle“ der bekannteste Club in Berlin, ach was in Europa.

 

Getrieben von dieser unendlichen Wut auf Paula tippte sie in ihr nur für diesen Zweck gekauftes Smartphone.

 

 

 

Noch ein Foto. Diesmal sah man wie sie sich ihren gefälschten Babybauch vorschnallte, fotografiert durch das Schlafzimmerfenster. Wie konnte das sein? Paula rannte ins Schlafzimmer. Obwohl sie im Erdgeschoss wohnte war das Schlafzimmerfenster zu hoch um ohne Leiter ein Bild durchs Fenster machen zu können. Der Hof war abschüssig. Außerdem war das Bild eindeutig mit Zoom fotografiert. Wie ging das? Moment. Vor ein paar Tagen war ein Besichtigungstermin in der Nachbarwohnung gewesen. Hatte sich Michaela tatsächlich unters Besichtigungsvolk gemischt und durch ihr Fenster fotografiert? Paula wurde schwindelig vor Sorge. 

 

 

 

Dann ließ sich Rick auf die falschen Leute ein. Das war der Anfang vom Ende. Erst hatte Rick hier und da eine Pille genommen. Hinterher gab es täglich heimlich eine Line in der Ecke des Waschraums für Mitarbeiter. Er wollte seine Sucht vor ihr und seinen Mitarbeitern verbergen. Bis es nicht mehr ging. Zu seiner Familie hatte er inzwischen keinen Kontakt mehr, also drehten sie ihm den Geldhahn zu. Besonders seine Mutter litt. Da das „New Middle“ der beliebteste Club der Stadt war ließen Schutzgelderpresser nicht lange auf sich warten. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte Rick 48 Mitarbeiter. Plötzlich stand Rick mit dem Rücken an der Wand, wegen seiner immer schlimmer werdenden Drogensucht schaffte er es nicht mehr die einfachsten Dinge zu durchdenken und zu organisieren. Mark, seine rechte Hand, verzweifelte. Einmal war Rick drei Tage nicht zu erreichen gewesen. Auch die Beziehung zwischen ihr und Rick wurde immer schwieriger, sie stritten viel. Eines Morgens, sie war aus dem Club bei Sonnenaufgang nach Hause gekommen, lag Rick in seinem eigenen Erbrochenen und war blau angelaufen. Er atmete nicht. Sie rief den Notarzt, fing sofort an ihn zu beatmen. Was hatte sie in dem Ersthilfekurs in der Fahrschule gelernt. Mund zu Mund? Mund zu Nase? Egal. Hauptsache sie tat was. Das hatte ihr auch hinterher der Arzt auf der Intensivstation bestätigt. Es war noch einmal gut gegangen. Rick hatte überlebt.

 

 

 

Es klingelte an der Haustür. Paula erschrak. Nils. Warum benutzt er den verdammten Schlüssel nicht? schimpfte Paula innerlich. Den Haustürschlüssel hatte sie ihm schon vor Monaten gegeben. Doch heute war es eigentlich gut das Nils sie nicht in dieser Paniksituation erwischt hatte. „Mama, was ist mit deinem Bauch?“, fragte Mathilda die inzwischen auf den Flur getreten war. Erst jetzt bemerkte Paula das ihr Bauch runtergerutscht war und sie konnte ihn gerade wieder hochschieben bevor Nils durch die Flurtür trat. Nils küsste Paula flüchtig auf die Wange. Ihren Bauch berührte er nicht, eigentlich interessierte er sich sowieso nicht für die Schwangerschaft. Nur für ihren Körper, aber auch da hatte sie es erfolgreich in den letzten Wochen geschafft ihn sich vom Leib zu halten. Allerdings hatte sie sich schon gewundert, wie konnte es sein konnte das ein Kinderarzt mit seiner schlanken Freundin schlief in der Annahme sie sei im siebten Monat schwanger und nicht bemerkte das sie es gar nicht wahr? Verhütet hatten sie natürlich nicht, sie war schließlich schwanger. Anschließend viel Mathilda Nils johlend in die Arme. Für sie war er ein Vaterersatz, trotzdem nannte sie ihn Nils. In manchen Situationen in der Öffentlichkeit wurde Nils für Mathildas Vater gehalten. Doch Nils stellte stets das korrekte Beziehungsverhältnis klar. „Wir müssen reden.“, sagte Nils zu Paula und schickte Mathilda in ihr Kinderzimmer. Endlich! Jetzt fragt er mich, ob wir zu ihm ziehen. Ja! Ja! Sowas von ja! Für einen kurzen Augenblick war das unbekannte Smartphone in Vergessenheit geraten.

 

 

 

Als sie mal wieder auf Beutezug am Alexanderplatz war und sie ihre Umhängetasche voller geklauter Geldbeutel hatte, rief jemand hinter ihr „Halt! Stehen bleiben! Polizei!“. Sie drehte sich um, zwei Männer Anfang Vierzig direkt hinter ihr hielten ihr ihre Dienstausweise unter die Nase. Anders als sie es sonst tat, hatte sie nicht zwischendurch ihre Beute in mehrere Zwischendepots verteilt um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu holen. Wegen der Situation mit Rick war sie unkonzentriert. Sie fing an zu rennen, so schnell sie konnte. Es hatte keinen Zweck. Zwei weitere Polizisten schnitten ihr den Weg ab. Sie wurde festgenommen.

 

Alles lief schief. Überschuldet verlor Rick den Club. Somit auch sie ihr erstes Standbein. Nun war sie wegen Diebstahl vorbestrafft, sie war zum Erste Mal erwischt worden, zwar hatte sich der Richter gewundert das sie als Ersttäterin so eine hohe Anzahl an gut gefüllten Geldbörsen dabei hatte, aber er sprach die Freiheitsstrafe als Bewährungsstrafe aus. Also hatte sie auch ihr zweites Standbein verloren, wenn sie nicht ins Gefängnis wollte. Zum Glück hatte sie noch ein drittes, das durfte niemand wissen, vor allem nicht Rick. Sie hatte sich sosehr eine Familie gewünscht, einen Mann und zwei oder drei Kinder. Aber doch nicht jetzt! Ausgerechnet jetzt war sie schwanger.

 

 

 

„Ich habe mich entschieden!“, sagte Nils, „Für Michaela und die Kinder.“ Unglaubliche Wut stieg in Paula hoch, die haute mit geballter Faust auf den Küchentisch. „Du spinnst wohl!“, schrie sie Nils an, der gegenüber von ihr saß, „Zurück zu dieser Klette, wie du sie immer nennst. Sie erdrückt dich mit ihrer Fürsorge und Liebe, hast du gesagt!“ „Da bin ich dann ja wohl bei dir vom Regen in die Traufe gekommen.“, sagte Nils ruhig, „Wir haben eine Paartherapie begonnen und haben auch schon ein paar Verhaltensregeln aufgestellt an die sich Michaela vorbildlich hält.“ „Darauf fällst du rein?“, Paula wurde immer lauter „Die Wohnung im Südviertel ist gekündigt. Außerdem sind da ja die beiden Kinder. Finde dich damit ab!“ „Was ist mit dem Baby? Was ist mit Mathilda? Was ist mit uns?“ „Du weißt nicht mal wer der Vater von Mathilda ist. Bei deinem Lebenswandel. Wer weiß ob ich der Vater von deinem Bastard bin?“ „Du bist sooooo gemein!“, Paulas Stimme überschlug sich. In diesem Moment kam Mathilda zur Tür herein. „Was ist los?“, fragte Mathilda. „Es liegt nicht an dir, du bist ein wundervolles Mädchen!“, Nils ging in die Hocke und küsste Mathilda zärtlich auf die Stirn. Zärtlich war er auch einmal zu mir gewesen, zärtlich zu jedem Zentimeter meines Körpers dachte Paula wehmütig. „Du liebst sie doch gar nicht!“, schrie Paula noch lauter als vorher. „Doch!“, sagte Nils bestimmt, legte den Haustürschlüssel auf den Tisch und ging. Er hatte sie endgültig verlassen.

 

 

 

Donnerstags war sie nie im „New Middle“, auch wenn donnerstags die Clubs in Berlin aus allen Nähten platzten. Rick fragte nicht warum. Er vertraute ihr, schließlich liebten sie sich, ergänzten sich perfekt. Sie war in einem ganz anderen Club, in einem wo alles sehr diskret vor sich ging, jeder anonym sein wollte und konnte. Also konnte auch sie, das bekannte It-Girl und die berühmte Influencerin, hier ohne Probleme anschaffen gehen. Die Bezeichnung „Kunden bedienen“ wurde vom Club-Betreiber lieber verwendet. Peinlich war es ihr dann doch als sie einmal auf ein Zimmer geschickt wurde, in dem ein solventer Kunde, der bei guter Leistung angeblich ein hohes Trinkgeld springen ließ, auf sie wartete der einer ihrer „Partner“ von Instagram war. Süffisant lächelte er, „Na? Zahlen wir dir nicht genug?“. Sie wäre am liebsten im Erdboden versunken. Nach dem Trinkgeld zu urteilen, hatte sie jedoch richtig gute Arbeit geleistet. Sie hatte immer verhütet. Das Kind musste also von Rick sein. Ausgerechnet jetzt. Sie war verzweifelt, so schlimm wie sie sich es hätte nie vorstellen können.

 

 

 

Jetzt war alles egal. Sie hatte ihn verloren. Endgültig. Aber die drohende Blamage vor Ihren Eltern, ihren Freunden, ihren Arbeitskollegen, Anna, vor Mathilda. Wie sollte sie all denen erklären das sie wegen einem Mann, der sie doch in Wirklichkeit gar nicht wollte, nicht liebte, das hatte sie jetzt begriffen, eine Schwangerschaft vortäuschte und nun tatsächlich schwanger war? Sie hatte sich verrannt. Erst einmal wollte sie die Gelegenheit nutzen, nächste Woche fuhren ihre Eltern mit Matilda eine Woche in den Urlaub. Sie würde sich ein paar Tage krank melden und eine Fehlgeburt vortäuschen. Wenn jemand den toten Fötus sehen wollte würde sie sagen das sie das nicht wolle, schließlich steht beim Tod eines Kindes der Wunsch der trauerden Mutter über allem. Und Nils würde sich wohl kaum für den toten Fötus interessieren.

 

 

 

Kein Geld. Keine Wohnung. Kein Auto. Sie hatte alles verloren. Als sie Rick nach Wochen von der Schwangerschaft erzählt hatte, schrie er „Lass es weg machen!“. „Zu spät, ich bin im vierten Monat. Das ist illegal! Außerdem liebe ich das Kind!“ „Mir egal. Wo soll das Kind wohnen? Wie sollen wir es versorgen ohne Geld?“ Sie weinte so sehr wie sie noch nie geweint hatte.

 

 

 

Noch immer war sie so unglaublich wütend, auf sich, auf Nils, aber vor allem auf Michaela. Sie griff zu ihrem Telefon, wählte Michaelas Nummer. Als sie Michaelas ruhige Stimme am anderen Ende hörte, „Paula. Hat Nils alles mit dir geklärt?“. Durch ihre lachende Stimme fühlte Paula sich nur noch mehr provoziert, „Du Sau! Schlampe!“ Wieder erschien eine Nachricht auf dem Findelhandy: Du wirst leiden! Er wird dich verlassen! Niemand wird je wieder etwas mit dir zu tun haben wollen! Deine Eltern werden dich verstoßen. Mathilda wird dich hassen! „Du hast ihn doch schon zurück! Lass mich in Ruhe!“, schrie Paula ins Telefon. „Dich in Ruhe lassen? Du hast doch mich angerufen, du Gestörte!“ Michaela legte auf.

 

 

 

 

 

Sieben Jahre früher

 

 

 

Es war bereits kurz vor drei, eine warme Sommernacht. Zu den Aufgaben im Nachtdienst gehörte es von der Neonatologischen Intensivstation des Mutter-Kind-Zentrums des Klinikums in Berlin-Neukölln rüber in das kleine Backsteinhäuschen in dem sich eine der fünf Berliner Babyklappen befand zu gehen und den täglichen „Check“ durchzuführen. Sie meldete sich bei ihren Kolleginnen ab und machte sich auf den Weg. Das Wärmebett war angeschaltet und auf 37°C aufgeheizt. Alle Utensilien für die Mutter lagen bereit. Das Stromkabel der Überwachungskamera, die zwei Minuten nach dem Schließen der Babyklappe von außen nur das Wärmebett filmte auf keinen Fall den Außenbereich, steckte in der Steckdose. Alles war in Ordnung. Plötzlich hörte sie ein Geräusch, jemand versuchte von außen die Babyklappe zu öffnen. Schnell schaltete sie das Licht aus.

 

 

 

Es war die schwerste Aufgabe, die sie je hatte. Sie saß im Bus der Linie M46 vorbei an der Haltestelle Klinikum Neukölln Richtung Gutschmidstraße, ihre Haltestelle hieß Kolibriweg. Mit dem was sie im Arm hielt fest an sich gedrückt, verließ sie den Bus. Der Busfahrer warf ihr einen skeptischen Blick zu. Sie ging auf dem Bürgersteig zwischen dem Zaun und den parkenden Autos an der Fritz-Erler-Allee entlang. Nach ein paar Metern bog sie links in die kleine Seitenstraße, dem Juchaczweg. Hier musste irgendwo ihr Ziel sein. In der Dunkelheit fiel es ihr schwer sich zu orientieren. Aber genau das wollte sie ja hier Mitten in der Nacht, niemand sollte sie sehen. Da war sie, die kleine rote Backsteinmauer mit der weißen Klappe mit dem Baby darauf gezeichnet und der Schrift „Nur im Notfall öffnen!“. Sie war in Not! Sie öffnete die Klappe und legte was sie im Arm trug hinein. Dort lag ein Kugelschreiber, ein Brief „Für die Mutter“, ein Zettel auf den der Name des Kindes eingetragen werden konnte, „Mia Sophie“ kritzelte sie eilig auf den Zettel, immer noch in Angst erwischt zu werden. Außerdem lag dort ein Papierblock und ein Stempelkissen um einen Fußabdruck zu nehmen. Auch dies erledigte sie schnell. Wenigstens eins das ihr blieb, außer die Erinnerung. Ein letzter Gruß, dann schloss sie die Klappe und ging.

 

 

 

Zwei, es waren Zwillinge, zwei Mädchen die dort in dem Wärmebett lagen. Zum Verwechseln ähnlich. Das war die Gelegenheit ihres Lebens, sie war 30 Jahre alt, kinderlos, alleinstehend und hatte bereits gekündigt um zurück in ihre Heimat zu gehen. Schnell! Sie musste schnell sein, in zwei Minuten würde die Kamera anfangen zu filmen und der laute Alarm im Stützpunkt der Neonatologischen Intensivstation los gehen. Sie zog zur Sicherheit das Stromkabel der Kamera aus der Steckdose, packte eines der Neugeborenen Mädchen, wickelte es in ein Handtuch, legte es in den offenen Mülleimer, legte die quadratischen weißen Einmalhandtücher aus dem Spender der zu dem Waschbecken gehörte über das Baby, natürlich so, dass die kleine noch Luft bekam, sie achte gut auf das kleine Mädchen, schließlich war sie von nun an ihre Tochter.

 

Sie hörte das draußen jemand auf dem kleinen Schotterweg war. Schnell drückte sie das Stromkabel der Kamera wieder in die Steckdose, dir rote Lampe leuchtete, die Kamera filmte. Eine Kinderärztin betrat das kleine Backsteinhäuschen, „Ich hörte ein Geräusch und ging zurück, Mia Sophie heißt die kleine.“ Sie hielt der Ärztin den Zettel entgegen.

 

Zurück auf der Station wurde Mia Sophie von der Ärztin untersucht. Ein gesundes Neugeborenes.

 

Sie packte ein paar Flaschen Neugeborenen-Nahrung, einen Schnuller, ein paar Sauger und Windeln, etwas Babykleidung, und entfernte sich unauffällig von der Station, rannte zum Backsteinhäuschen, nahm die Kleine aus dem Mülleimer, während sie zu ihrem Auto lief steckte sie die Flasche in den Mund von Mathilda, so sollte ihre Tochter heißen, diese saugte kräftig an dem Sauger. Dann ein Geräusch, sie erstarrte, ihr Herzschlag machte eine Pause. Sie blickte sich ängstlich um. Wieder ein Rascheln. Beobachtete sie etwa jemand? Ist mein großer Traum schon geplatzt? fragte sie sich. Aber nein, es waren nur ein paar Hasen die hier auf dem Klinikgelände lebten. Erleichtert eilte sie weiter. Paula legte Mathilda in den Fußraum ihres Autos und hoffte, dass das Baby bis zu ihrem Schichtende ruhig war. Schließlich hatte sie noch eine wichtige Aufgabe für diese Nacht. Paula verhielt sich unauffällig für den Rest der Nachtschicht, niemand sollte auf dumme Gedanken kommen. Sie verabschiedete sich kurz auf die Toilette, doch dort ging sie nicht hin. Sie ging rüber in den Kreißsaal, niemand war auf dem Flur, wenn es ruhig war machten die Hebammen durchaus nachts ein Nickerchen. Sie schlich in den Entsorgungsraum, da stand sie, die Gefriertruhe, Paula öffnete sie, sechs Plazentas befanden sich in Tüten darin und warteten auf ihre Entsorgung. Schnell stopfte sie eine in den mitgebrachte Einkaufsbeutel den sie stets in ihrer Handtasche bei sich trug, schloss die Klappe der Truhe und verließ eilig den Kreißsaal. Sie ging in die Umkleide und steckte den Beutel in ihren Spint.

 

Nach Schichtende, in ihrem Auto angekommen, stellte Paula erleichtert und zufrieden fest das Mathilda zufrieden schlief. Die beiden fuhren nach Hause.

 

Am Abend, als die Plazenta aufgetaut und Zimmertemperatur angenommen hatte, rief sie eine niedergelassene Hebamme an, sie habe gerade ein Mädchen zur Welt gebracht, die Schwangerschaft sei ihr nicht bekannt gewesen. Unter Tränen rief sie ihre Eltern an, erzählte ihnen das Gleiche und das der Kindsvater verheiratet war und bestimmt nicht zu dem unehelichen Kind stehen würde. Paula war eine gute Schauspielerin. 45 Minuten später kam die gutgläubige Hebamme zum Hausbesuch, untersuchte das Neugeborene, legte ein gelbes U-Heft an, untersuchte den Bauch von Paula um ihn zu beurteilen, „Guter Fundusstand“ meinte sie. Welcher Fundusstand? Stressblähungen vielleicht. Paula musste innerlich schmunzeln. Eine vaginale Untersuchung lehnte Paula ab, die Hebamme akzeptierte dies, schließlich war die Plazenta vollständig, ohne defekte, wie die Hebamme bereits festgestellt hatte. Obwohl die Hebamme gar nicht bei der Geburt dabei gewesen war stellte sie ihr eine schriftliche Geburtsanzeige aus, so erhielt Paula eine Geburtsurkunde vom Standesamt. Mathilda Ulrich war jetzt offiziell ihre Tochter. Paula war überglücklich, es war alles so einfach gewesen.

 

 

 

Acht Wochen, stand in dem Brief „Für die Mutter“, habe man Zeit es sich anders zu überlegen und doch noch Kontakt zu den Babys aufzunehmen. Nach vier Wochen gab Victoria sich einen Ruck und vertraute sich Ricks Mutter an. Der Schock dauerte einige Tage an, jedoch konnte Bärbel sich für ihre Enkelkinder durchringen und ging mit Victoria zum Jugendamt. Doch beim Jugendamt wusste man nichts von zwei Neugeboren. Lediglich Mia Sophie war dem Beamten bekannt. „Aber ich habe doch hier zwei Fußabdrücke“, beteuerte Victoria unter Tränen. Leider hatte sie den Fehler gemacht und bei Mia den linken und bei Sophie den rechten Fuß gewählt, sei es drum auch wenn sie beide linken Füße gewählt hätte, wer weiß ob man ihr dann geglaubt hätte. Keiner hatte ihr geglaubt, nicht Bärbel, nicht Rick, nicht ihre Eltern, nicht ihre Schwester.

 

Wie sollte sie jemals raus finden was mit dem zweiten Mädchen geschehen war.

 

 

 

Vor einem Monat

 

Es war schlicht und einfach ein Zufall.

 

Victoria lebte inzwischen mit ihrem Ehemann Jan, dem Immobilienmakler, in einem kleinen Haus am Stadtrand von Berlin. Ihm konnte sie alles sagen, ihr Beruf als Diebin, ihr Donnerstagsjob als Prostituierte, Jan wusste über alles Bescheid. Er war auch der einzige der ihr glaubte das sie zwei Töchter hatte. Und dann kam ihr ein großer Zufall zur Hilfe. Jan brachte eine neue Arbeitskollegin, die gerade erst nach Berlin gezogen war und Anschluss suchte, mit nach Hause zum Abendessen. „Erstaunlich!“, meinte Lara als sie Mia Sophie beim Spielen beobachtete, „die schwarzen Locken, die Gestik – zum Beispiel das nach hinten werfen der Haare. Und Linkshänderin ist sie auch noch. Erstaunlich!“ Victorias Herz schlug schneller, „Ich verstehe nicht. Was meinen sie Lara?“ „Ihre Tochter ist einem Mädchen, welches ich aus meiner Heimatstadt Marburg kenne, unglaublich ähnlich.“

 

Lara war äußerst auskunftsfreudig, und so hatte Victoria alle Daten zusammen, fuhr nach Marburg, mietete sich in dem Hotel direkt neben dem Kino ein und beobachte Paula Ulrich ein paar Tage. Diese Psychotante scheint sich sehr sicher zu sein dachte Victoria. Endlich hatte sie alles zusammen was sie brauchte. Es war ein Leichtes ihr das schwarze Smartphone in Shopper zu schieben, ein kurzes Stolpern, eine kurze Ablenkung und schon konnte Victoria das Telefon in Paulas Tasche gleiten lassen.

 

Erst wollte sie sie quälen! Dann rief sie die Polizei und ihren Anwalt an….

 

 

 

Heute

 

Oh nein, so viel Blut. Paula hat doch schon Nils verloren. Ihre Eltern sprechen kein Wort mehr mit ihr. Nur Anna hält zu ihr. Würde sie nun auch noch Mathilda verlieren?

 

Die Briefe vom Familiengericht und dem von Victorias Anwalt in der Hand sitzt Paula auf der Toilette und darin befindet sich Unmengen an Blut. Was ist das? Ein circa sechs Zentimeter kleines nierenförmiges Knäul fällt in die Toilette. Jetzt hat sie auch noch ihr ungeborenes Kind verloren.

 

 

 

 

 

Sechs Monate später

 

Paula ist ganz und gar nicht begeistert. Das Familiengericht hat ein Treffen zwischen Mathilda und Mia Sophie angeordnet. „Ein Recht auf die eigene Identität“ ist die Begründung der Richterin. Um die Situation für sich selbst nicht noch zu verschlimmern und Angst das Sorgerecht für Mathilda zu verlieren, beißt sich Paula die Zähne zusammen und geht mit Mathilda in das Gebäude des Jugendamtes in Berlin, in dem das Treffen stattfinden soll. Das rote Backsteingebäude erinnert Paula an das kleine Häuschen im Juchaczweg in dem sich die Babyklappe befindet wo Victoria damals Paula zur Mutter gemacht hatte. Erst die Babys wegwerfen und jetzt eine glückliche Familie zerstören wollen. denkt Paula, Rabenmutter ist noch ein viel zu gutes Wort für diese Victoria, sie hat die Bezeichnung „Mutter“ gar nicht verdienst! Paula ist so unendlich wütend. Im 3. Stock klopft Paula an die Tür von Frau Heinz, der Jungendsamtmitarbeiterin bei der sie sich melden soll. „Mathilda, weißt du warum du hier bist?“, fragt Frau Heinz Mathilda sehr freundlich. „Ja.“, sagt Mathilda unsicher, sie hat sich an Paula gepresst. „Heute lerne ich meine Schwester kennen, wir sind eineiige Zwillinge hat meine Mama gesagt.“ Paulas Rechtsanwalt hat ihr geraden mit den Behörden zu kooperieren, also hat Paula Mathilda erklärt wie sie damals zu ihr gekommen war und wie sehr sie sie liebte. Jetzt war es soweit, Paula und Mathilda werden von Frau Heinz in einen Spielraum geführt in dem Mia Sophie schon am Kindertisch sitzt und malt, dabei den Stift in der linken Hand hält. Victoria und Jan sitzen auf Stühlen vor den Fenstern. Zwei freie Stühle für Frau Heinz und Paula daneben, Paula lässt einen Stuhl frei und setzt sich ebenfalls.

 

Es ist unglaublich, beide Mädchen sind sich so ähnlich. Beide bevorzugen die Farbe Blau statt Rosa wie andere Mädchen in ihrem Alter, was man an ihrer Kleidung sieht. Beide sind Linkshänderinnen. Beide haben diese wunderbaren schwarzen Locken. Und sie halten sich die Hand vor den Mund, wenn sie lachen. Und dass tuen sie schon nach wenigen Minuten miteinander, miteinander lachen, miteinander fröhlich sein. Die Verbundenheit zwischen den Zwillingen ist sofort spürbar.

 

Mathilda weint jede Nacht nach ihrer Schwester. Paula hält es kaum aus. Ständig nimmt Mathilda Paulas Smartphone um in Berlin bei Mia Sophie anzurufen. Mathilda isst nicht mehr, verweigert körperliche Nähe zu Paula.

 

Den Betrug an ihrer Familie und ihren Freunden, der vorgetäuschten Schwangerschaft, lässt auf Paulas schlechten psychischen Zustand schließen. Die Entführung Mathildas und dadurch bevorstehende Haftstraffe für Paula. Der schlechte Zustand Mathildas und die bevorstehende Einschulung. All das bewegt das Familiengericht Mathilda nach Berlin zu Victoria, Jan und Mia Sophie zu geben.

 

Erstmal für ein Jahr, heißt es….

 

 

 

Die Welt ist ein Dorf! Nicht nur während der Corona-Krise.

 

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